I. Einleitung
Die Drittwiderspruchsklage gemäß § 771 ZPO schützt dritte Personen davor, dass im Rahmen der Vollstreckung gegen einen Vollstreckungsschuldner in ihr Vermögen vollstreckt wird. Denn natürlich soll allein das Schuldnervermögen dem Zugriff der Gläubiger offen stehen. Durch die Drittwiderspruchsklage wird die Vollstreckung für unzulässig erklärt, es handelt sich also um eine Gestaltungsklage.

In der Klausur bietet sich die Drittwiderspruchsklage als Prüfungsgegenstand an, da sie gut in Kombination mit dem Sachenrecht geprüft werden kann. Oftmals geht es dabei um die dinglichen Rechts- und Eigentumsverhältnisse an einem Vollstreckungsobjekt.
Klausurtipp
Achtung: Gemäß §§ 771 III, 769 ZPO kann auch eine einstweilige Anordnung getroffen werden. Diese Möglichkeit in der Klausur anzusprechen, könnte Teil einer Anwaltsklausur sein, in der nach dem zielführenden Rechtsbehelf gefragt wird.
Zitat
Tenor einer Entscheidung nach § 771 ZPO
1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des ... vom ... Az … in … (genaue Bezeichnung des Gegenstands) wird für unzulässig erklärt.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar (ggf.: gegen Sicherheitsleistung i.H.v. ...)
II. Prüfung

1. Zulässigkeit
Merke
Hinsichtlich der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen kannst du dich auf unseren Artikel zum Erkenntnisverfahren stützen. Beachte jedoch, dass die Prüfung der Drittwiderspruchsklage oft nicht nach dem dortigen strengen Schema geprüft wird, sondern üblicherweise in der hier gewählten Darstellung. Dies hat einerseits praktische Gründe und zeigt andererseits, dass es zwar übliche Prüfungsschemata gibt, deren Reihenfolge und Einordnung jedoch nicht zwingend vorgegeben ist.
a) Statthaftigkeit
Die Drittwiderspruchsklage ist dann statthaft, wenn der Kläger geltend macht, materiell-rechtliche Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung zu haben, sprich: ein die Veräußerung hinderndes Recht.
Merke
Dies ist in der Praxis insbesondere das Eigentum. Es können aber auch andere dingliche Rechte oder obligatorische Herausgabeansprüche geltend gemacht werden. Bei manchen Rechten wie dem Anwartschaftsrecht ist zwar umstritten, ob es sich tatsächlich um ein die Veräußerung hinderndes Recht im Sinne des § 771 ZPO handelt. Diese Fragen werden aber erst im Rahmen der Begründetheit behandelt.
b) Zuständigkeit
Für die Zuständigkeit besteht ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand, und zwar in dem (Gerichts-)Bezirk, in dem die Zwangsvollstreckung erfolgt (§§ 771, 802 ZPO). Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 23, 71 GVG (Achtung: § 6 ZPO!) und ist insbesondere abhängig vom Streitwert. Hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit sind freilich auch die Zuständigkeitsanpassungen durch Vereinbarung oder rügelose Einlassung (§§ 38, 39 ZPO) möglich. Für die in § 771 ZPO als ausschließlicher Gerichtsstand angeordnete örtliche Zuständigkeit gilt dies nicht.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 802 an den § 771 ZPO zitieren, um dich an den besonderen Gerichtsstand der Drittwiderspruchsklage zu erinnern. Beachte außerdem den § 40 II ZPO.
c) Allgemeine Sachurteilsvoraussetzungen
Lies dir zu den übrigen allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen diesen Artikel durch.
d) Rechtsschutzbedürfnis
Rechtsschutzbedürfnis liegt vor, sobald die Zwangsvollstreckung begonnen hat und besteht bis zu ihrem Ende. Das Verfahren beginnt in diesem Sinne, sobald die Vollstreckungsklausel erteilt wurde und das Vollstreckungsobjekt feststeht.
Merke
Vor Beginn der Zwangsvollstreckung könnte (und müsste) ein Erkenntnisverfahren auf Grundlage eines Unterlassungsanspruchs eingeleitet werden.
2. Begründetheit
Die Drittwiderspruchsklage ist begründet, wenn ein die Veräußerung hinderndes Recht besteht. Ein solches Recht liegt vor, wenn die Veräußerung des Vollstreckungsgegenstandes zivilrechtswidrig wäre, weil sie in den Zuweisungsgehalt eines dem Dritten zustehenden Rechts eingreift.
a) Ein die Veräußerung hinderndes Recht
Ein solches Recht besteht, wenn die Kontrollfrage bejaht werden muss: Könnte der Dritte (= Kläger) die Veräußerung des Vollstreckungsobjekts verhindern?
Dies ist insbesondere der Fall, wenn er Eigentümer ist, gilt aber auch in den folgenden Fällen:

Klausurtipp
Hier wird sich in der Regel der Schwerpunkt der materiell-rechtlichen Prüfung abspielen.
aa) Strittige Fälle
aaa) Anwartschaftsrecht
Problem
Ist das Anwartschaftsrecht ein die Veräußerung hinderndes Recht?
H.M.: (+), denn der Anwartschaftsberechtigte ist gemäß § 161 I BGB vor Verfügungen geschützt, die seinen Eigentumseintritt gefährden und kann sich daher gegen eine solche Verfügung wehren. Dann muss er aber auch davor geschützt werden, wenn die Sache „nur“ schuldrechtlich weiterveräußert wird. Außerdem ist das Drittwiderspruchsrecht ein „wesensgleiches Minus zum Volleigentum“.
A.A.: (-) § 161 BGB spricht nur von Verfügungen und nicht von Veräußerungen. Ein die Veräußerung hinderndes Recht kann daher nicht angenommen werden.
bbb) Sicherungseigentum
Problem
Ist das Sicherungseigentum ein die Veräußerung hinderndes Recht?
E.A.: (-), denn das Sicherungseigentum ersetzt wirtschaftlich betrachtet ein (besitzloses) Pfandrecht und ist wie ein solches zu behandeln. Außerdem zeigt § 51 Nr. 1 InsO, der bei Sicherungseigentum in der Insolvenz ein Absonderungsrecht vorsieht, dass dieses so behandelt wird wie ein Pfandrecht. Rechtsschutz kann allenfalls im Wege der Klage auf vorzugsweise Befriedigung gemäß § 805 ZPO geltend gemacht werden.
H.M.: (+), denn Sicherungseigentum ist vollwertiges Eigentum. Könnte in die Sache vollstreckt werden, würde dem Sicherheitsnehmer und somit -eigentümer die Art der Verwertung aufgezwungen. Hierdurch würde in das Rechtsgeschäft zwischen den Sicherungsparteien eingegriffen. Im Rahmen der Drittwiderspruchsklage kann daher auch das Sicherungseigentum geltend gemacht werden.
b) Keine Einreden
Der Klage dürfen keine Einreden entgegenstehen.
aa) Schenkung des Vollstreckungsschuldners an den Dritten
Indem der Dritte das Vollstreckungsobjekt an den Dritten verschenkt und diesem übereignet, könnte der Dritte die Drittwiderspruchsklage erheben und so die Sache vor der Vollstreckung retten. Fraglich ist, ob in einem solchen Fall eine Einwendung des Beklagten begründet ist:
Man könnte in der Schenkung ein nichtiges Scheingeschäft gemäß § 117 I BGB sehen. Dies funktioniert jedoch deswegen nicht, weil die Parteien ja gerade die rechtliche Wirkung benötigen, damit der Vollstreckungsschuldner nicht mehr Eigentümer ist.
Man könnte die Schenkung (und aufgrund Fehleridentität damit einhergehend auch die Übereignung) als Gläubigerbenachteiligung und dadurch sittenwidrig (§ 138 BGB) ansehen. Allerdings reicht die bloße Gläubigerbenachteiligung in der Regel nicht aus, um den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu begründen. Außerdem ist in diesen Fällen in der Regel das AnfG lex specialis.
bb) Anfechtbarkeit nach dem AnfG
Das Anfechtungsgesetz ist ein Gesetz, das Regelungen zur Verhinderung von Gläubigerbenachteiligungen enthält. Hiernach kann in solchen Fällen der Gläubigerbenachteiligung ein Anfechtungsrecht bestehen, das der Beklagte als Einwendung geltend machen kann.
cc) § 242 BGB
Der Beklagte kann unter anderem auch den Einwand unzulässiger Rechtsausübung gemäß § 242 BGB geltend machen. Dies ist insbesondere in den folgenden Fällen denkbar:
Der Kläger, der sein Eigentum geltend macht, ist zur Übereignung an den Vollstreckungsschuldner verpflichtet. Hätte er seine Pflicht bereits erfüllt, könnte der Vollstreckungsgläubiger vollstrecken und die Drittwiderspruchsklage wäre unbegründet.
Der Kläger hat zwar ein die Vollstreckung hinderndes Recht - dieses ist aber nachrangig hinter dem Recht des Vollstreckungsgläubigers. Käme es also zur Zwangsvollstreckung, müsste er ohnehin zurückstecken.
Wenn der Kläger für die Forderung gegen den Vollstreckungsschuldner, wegen der vollstreckt wird, mithaftet (z. B.: § 1357 BGB).
Der Kläger hat zwar Eigentum erworben - dieser Eigentumserwerb ist aber anfechtbar.
III. Beispielsfall
Beispiel
Sachverhalt
D aus Hamburg leiht S in Freiburg seine Mickey-Mouse-Sammlung im Wert von 2.000 Euro. Gerichtsvollzieher GV pfändet sie im Auftrag des G wegen einer Forderung in Höhe von 10.000 Euro, obwohl S auf die Eigentumslage hinweist. Als D von der drohenden Versteigerung erfährt, möchte er sich dagegen wehren.
Welche Klage kann D einlegen? Hat sie Aussicht auf Erfolg?
Lösung
I. Zulässigkeit
Statthaftigkeit
Fraglich ist, welche Klageart statthaft ist. D begründet die Klage mit seinem Eigentumsrecht.
Vollstreckungserinnerung, § 766 ZPO: Einschlägig bei Verfahrensverstößen. Hier denkbar, dass der GV bei der Pfändung hätte das Eigentum beachten müssen. Aber: Gemäß § 808 ZPO darf GV nur den Gewahrsam prüfen, nicht auch das Eigentum. Dies wäre praktisch meist nicht möglich. -> (-)
Vorzugsweise Befriedigung, § 805 I Hs. 2 ZPO: Mit dieser Klage kann D nur eine bevorzugte Befriedigung erzielen, die Versteigerung selbst kann er nicht verhindern. -> (-)
Klage aus § 985 BGB: Während des Vollstreckungsverfahrens ist § 771 ZPO lex specialis. -> (-)
Klage auf Unterlassung aus § 1004 BGB: Während des Vollstreckungsverfahrens ist § 771 ZPO lex specialis. -> (-)
Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO: Statthaft bei Behauptung eines die Veräußerung hindernden Rechts; das Bestehen des Rechts muss also wenigstens möglich sein. Hier kann D sein Eigentum behaupten, jedenfalls erscheint es nicht ausgeschlossen, dass er Eigentümer ist. Somit ist die Drittwiderspruchsklage statthaft. -> (+)
2. Sachliche Zuständigkeit
Gemäß § 23 GVG i.V.m. § 6 ZPO ist hier das Amtsgericht zuständig, da die Sammlung lediglich einen Wert von 2.000 € hat. In örtlicher Hinsicht ist das Amtsgericht Freiburg (ausschließlich) zuständig (§§ 771, 802 ZPO).
3. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen
Hierzu werden im Fall keine Angaben gemacht - man kann jedoch von ihrem Vorliegen ausgehen.
4. Rechtsschutzbedürfnis
Aufgrund des laufenden Vollstreckungsverfahrens hat D ein Rechtsschutzbedürfnis.
II. Begründetheit
Die Klage ist begründet, wenn D ein die Veräußerung hinderndes Recht zusteht. D behauptet hier sein Eigentum, das auch vorliegt, denn er hatte S die Sammlung lediglich geliehen.
III. Ergebnis
Die Vollstreckung in die Sammlung des D wird für unzulässig erklärt.