Die Staatsstrukturprinzipien sind im Grundgesetz verankerte Grundsätze, die die Struktur und das Wesen des Staates definieren.
Sie sind in Art. 20 I und II GG sowie ergänzend in Art. 20 III GG und Art. 28 I GG normiert und prägen das Selbstverständnis und die rechtliche Ordnung des Staates. Dazu zählen das Demokratieprinzip, das Rechtsstaatsprinzip, das Sozialstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip sowie das Republikprinzip. Diese Prinzipien legen die grundlegende Organisationsform und die rechtlich-politischen Leitlinien des Staates fest.
Ihre besondere verfassungsrechtliche Bedeutung zeigt sich darin, dass sie nicht nur die Auslegung des gesamten einfachen Rechts beeinflussen, sondern auch als Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit staatlichen Handelns dienen. Zudem unterliegen sie der sogenannten Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG, was bedeutet, dass sie selbst durch verfassungsändernde Gesetze nicht abgeschafft oder in ihrem Kerngehalt verändert werden dürfen.
I. Die einzelnen Staatsstrukturprinzipien

Klausurtipp
Die Staatsstrukturprinzipien kommen unterschiedlich oft in der Klausur vor. Während dem Demokratie-, Rechtsstaats- und Bundesstaatsprinzip eine gesteigerte Bedeutung zukommt, spielen Sozial- und Republikprinzip selten eine wichtige Rolle.

1. Das Demokratieprinzip, Art. 20 II 1 GG
Das Demokratieprinzip ist in Art. 20 II 1 GG verankert.
Zitat
Art. 20 II 1 GG
“Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.”
Es legt fest, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht. Es garantiert die Volkssouveränität und verpflichtet alle staatlichen Organe dazu, ihre Legitimation durch das Volk herzuleiten. In der parlamentarischen Demokratie der Bundesrepublik Deutschland wird der Wille des Volkes vor allem durch Wahlen und Abstimmungen vermittelt, wobei die repräsentative Ausgestaltung durch gewählte Volksvertreter im Vordergrund steht.
Alle Informationen zum Demokratieprinzip findest du hier.
2. Das Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 II 2, III GG und Art. 28 I GG
Das Rechtsstaatsprinzip ist in den Art. 20 II 2, III G und 28 I GG verankert, bzw. ergibt sich aus der Auslegung dieser Normen.
Zitat
Art. 20 III GG
“Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.”
Art. 20 III GG bildet den Kernpunkt der Ableitung des Rechtsstaatsprinzips. Es wird die Bindung der drei Staatsgewalten an das Recht festgelegt: Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, was bedeutet, dass der Gesetzgeber nur im Rahmen der Verfassung handeln darf.
Die Exekutive (vollziehende Gewalt) und Judikative (Rechtsprechung) sind an Gesetz und Recht gebunden. Das stellt sicher, dass Verwaltung und Gerichte nicht willkürlich handeln dürfen.
Dazu stellt Art. 20 II 2 den Grundsatz auf, dass die Staatsgewalt durch die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt werden.
Zitat
Art. 20 II 2 GG
“Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.”
Alle Einzelheiten zum Rechtsstaatsprinzip findest du hier.
3. Das Bundesstaatsprinzip, Art. 20 I GG
Das Bundesstaatsprinzip folgt aus Art. 20 I GG, welcher regelt, dass die Bundesrepublik Deutschland ein Bundesstaat ist.
Ausführlichere Informationen zum Bundesstaatsprinzip findest du hier.
4. Das Sozialstaatsprinzip, Art. 20 I GG
Das Sozialstaatsprinzip ist ebenfalls in Art. 20 I GG als gleichrangiger Bestandteil neben Demokratie- und Bundesstaatsprinzip verankert und gilt gemäß Art. 28 I 1 GG auch für die Länder.
Es lassen sich drei Grundgedanken unterscheiden. Erstens verpflichtet das Prinzip den Gesetzgeber zum sozialen Ausgleich, also dazu, ungleiche Ausgangs- und Belastungslagen durch Transfer-, Steuer- oder Arbeitsschutzregelungen abzumildern. Zugleich bewahrt es Spielraum für privatautonome und marktwirtschaftliche Strukturen. Zweitens garantiert es ein menschenwürdiges Existenzminimum.
Für alle Informationen zum Sozialstaatsprinzip siehe hier.
5. Das Republikprinzip, Art. 20 I GG
Das Republikprinzip ergibt sich aus Art. 20 I GG. Inhalt ist, dass Deutschland eine nicht-monarchische, auf Volkssouveränität und periodische Legitimation angelegte Staatsform besitzt. Jede Änderung, die eine erbmonarchische Ordnung oder vergleichbare Sonderprivilegien für bestimmte soziale oder ethnische Gruppen einführen würde, wäre verfassungsrechtlich unzulässig.
Ausführlich beschäftigt sich damit dieser Artikel.
II. Die prozessuale Bedeutung
Die Staatsstrukturprinzipien sind nicht nur Leitlinien, sondern justiziabel und entfalten auch prozessuale Wirkung.
Sie können im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden, soweit sie durch grundrechtsgleiche Normen mit subjektivem Rechtscharakter vermittelt werden.
Beispiel
Verletzung des Demokratieprinzip des Art. 38 GG bei Wahlen durch Fehler beim Ablauf der Wahl.
Der Einzelne kann also eine Verletzung dieser Prinzipien rügen, wenn er dadurch in eigenen Rechten betroffen ist.
Darüber hinaus sind die Staatsstrukturprinzipien im Organstreitverfahren und in der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle vom Bundesverfassungsgericht zu beachten und durchsetzbar. Verfassungsänderungen, die gegen Art. 79 III GG verstoßen, können in diesem Rahmen für nichtig erklärt werden.
III. Der Schutz der Staatsstrukturprinzipien
Die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 III GG schützt bestimmte zentrale Verfassungsgrundsätze vor jeder Veränderung, selbst durch verfassungsändernde Gesetzgebung.
Zitat
Art. 79 III GG
“Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.”
Zu diesen unantastbaren Elementen gehören damit auch die in Art. 20 GG verankerten Staatsstrukturprinzipien. Diese Garantie stellt sicher, dass die verfassungsrechtliche Identität der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft gewahrt bleibt. Eine Umgestaltung der staatlichen Ordnung, etwa in Richtung einer Diktatur, Monarchie oder eines Einparteienstaats, ist damit auch durch Mehrheitsentscheidungen des Parlaments ausgeschlossen.
Die Ewigkeitsgarantie verleiht den Staatsstrukturprinzipien damit einen fundamentalen Charakter: Sie bilden das verfassungsrechtliche Kerngefüge, welches selbst durch verfassungsändernde Mehrheiten nicht verändert werden darf. Dadurch wird die freiheitlich-demokratische Grundordnung dauerhaft abgesichert und vor dem Zugriff durch politische Mehrheiten geschützt.