I. Allgemeines
Die Lehre vom Beurteilungsspielraum besagt, dass bestimmten Behörden bei der Anwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen oder Generalklauseln ein besonderer Wertungsspielraum eingeräumt ist, den Gerichte nur eingeschränkt überprüfen können.
Während die Subsumtion eines Sachverhalts unter einer Rechtsnorm normalerweise der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt, gibt es Bereiche, in denen der Verwaltung oder anderen Institutionen ein Bewertungsspielraum zugeschrieben wird, weil sie über spezielle Fachkenntnisse oder Expertise verfügen, die das Gericht nicht hat.
Abzugrenzen ist der Begriff des Beurteilungsspielraums auf der Tatbestandsebene von der Ermessensentscheidung auf der Rechtsfolgenseite. Bei einer solchen wird der Behörde ein Ermessensspielraum, ob sie die Rechtsfolge bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen herbeiführen möchte, eingeräumt.

Nach ganz herrschender Meinung muss die Anwendung und Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen grundsätzlich im Lichte der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG voll gerichtlich überprüfbar sein. Ein Beurteilungsspielraum ist daher nur in sehr eng begrenzten Fallgruppen anerkannt. Diese sind hauptsächlich:
Prüfungs- und prüfungsähnliche Entscheidungen
Beamtenrechtliche Entscheidungen
Gegebenenfalls weisungsfreie pluralistisch besetzte Gremien
II. Prozessuale Bedeutung
Wenn eine der Fallgruppen vorliegt und damit ein Beurteilungsspielraum gegeben ist, beschränkt sich die gerichtliche Kontrolle auf Beurteilungsfehler.
Merke
Hier besteht eine große Ähnlichkeit zu den Ermessensfehlern bei behördlichen Ermessensentscheidungen auf Rechtsfolgenseite.
Die möglichen Beurteilungsfehler sind:
Verstoß gegen das Bewertungsverfahren
Die allgemeinen Bewertungsmaßstäbe des jeweiligen Verfahrens dürfen nicht missachtet werden.
Offensichtlich willkürliche Auslegung der Rechtsbegriffe
Der Sachverhalt wurde nicht zutreffend zugrunde geregelt oder Sachverhalt wurde nicht vollständig ermittelt.
Es wurden sachfremde Erwägungen angestellt. Sachfremde Erwägungen können sich unter anderem aus einem Verstoß gegen gleiche Prüfungsanforderungen, dem Gebot der Sachlichkeit oder dem allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergeben.