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Kaufleute

Der Kaufmannsbegriff

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Handelsrecht

Thema

Kaufleute

Tags

Kaufmann
Rechtsschein
Gewerbe
Handelsgewerbe
§ 1 HGB
§ 2 HGB
§ 3 HGB
§ 4 HGB
§ 5 HGB
§ 6 HGB
§ 7 HGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Istkaufmann, § 1 HGB

    • 1. Gewerbe 

      • a) Nach außen gerichtet

      • b) Selbstständig und nicht freiberuflich

      • c) Planmäßig auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit

      • d) Problem: Erlaubtsein der Tätigkeit?

      • e) Gewinnerzielungsabsicht oder Entgeltlichkeit

    • 2. Handelsgewerbe, § 1 II Hs. 1 HGB

    • 3. Betreiben, § 1 I aE HGB

    • 4. Eintragungspflicht, § 29 HGB

  • III. Kannkaufmann, § 2 HGB

  • IV. Kannkaufmann in der Land- und Forstwirtschaft, § 3 HGB

  • V. Fiktivkaufmann, § 5 HGB

  • VI. Formkaufmann, § 6 HGB

  • VII. Scheinkaufmann

I. Einleitung

In zivilrechtlichen Fällen agieren die Rechtssubjekte nicht immer als Privatpersonen, sondern häufig als Unternehmer. Häufig ist dann die Frage relevant, ob ein vom Normalfall abweichender Fall vorliegt, beziehungsweise handelsrechtlich ausgedrückt, ob das handelnde Rechtssubjekt Kaufmann gemäß § 1 ff. HGB ist. In der Klausur kann dies für die weitere Falllösung und den Fallaufbau schwere Konsequenzen haben, da insoweit gewisse handelsrechtliche Sondervorschriften anwendbar sind.

Beispiel

  • Vertragsschluss: Grundsätzlich gilt das Schweigen auf einen Antrag nicht als Annahme. Kaufleuten kann das Schweigen jedoch als Annahme gemäß § 362 I 1 Hs. 2 HGB zugerechnet werden. Mehr dazu findest du auch in Fall 7 im BGB AT.

  • Ausschluss der §§ 434 ff. BGB: Nach Ablieferung der Kaufsache kann ein Ausschluss der kaufrechtlichen §§ 434, 437 ff. BGB davon abhängen, ob der Käufer, sollte er Kaufmann sein, seine Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 I HGB verletzt hat.

Die ordentliche Gesetzeslektüre der §§ 1 - 7 HGB hilft beim Erschließen der zugrundeliegenden Systematik. Erstens ist fast jeder Kaufmannstyp gesetzlich geregelt und zweitens lassen sich die Voraussetzungen hier besonders einfach ablesen:

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II. Istkaufmann, § 1 HGB

Istkaufleute sind Kaufleute schon alleine auf der Grundlage, dass sie ein Handelsgewerbe betreiben. Die Zuordnung gemäß § 1 HGB erfolgt automatisch und ist zwingend. Eine Eintragung im Handelsregister hat daher nur deklaratorische Wirkung für den Istkaufmann.

Zitat

§ 1 HGB:

"Kaufmann im Sinne dieses Gesetzes ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt."

Durch die Gesetzeslektüre erschließen sich schon die zu prüfenden Voraussetzungen:

  1. Gewerbe

  2. Handelsgewerbe

  3. Betreiben 

Merke

Jeder Kaufmann ist auch Unternehmer i.S.d. § 14 BGB, aber nicht jeder Unternehmer ist Kaufmann (z. B. Kleingewerbetreibende, Freiberufler - siehe im Folgenden).

1. Gewerbe 

Der Gewerbebegriff ist weder im HGB noch in der Gewerbeordnung definiert (die GewO enthält besondere Regelungen, insbesondere zum öffentlichen Gefahrenabwehrrecht im Rahmen des Betriebs von Gewerben). Vielmehr ist der Gewerbebegriff eine Entwicklung der Rechtsprechung und Lehre.

Definition

Gewerbebegriff:

Gewerbe ist jede nach außen gerichtete, selbstständige, nicht freiberufliche, erkennbar planmäßige und auf gewisse Dauer ausgeübte Tätigkeit, die mit Gewinnerzielungsabsicht oder entgeltlich ausgeübt wird, die nicht zu den freien Berufen gehört.

Für die Klausur ergibt sich also folgendes Prüfprogramm.

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Merke

Die richtige Schwerpunktsetzung in der Klausur ist für den Erfolg essenziell! Die Voraussetzungen des Gewerbebegriffs bedürfen nur einer ausführlichen Prüfung, wenn diese „problematisch" erscheinen.

a) Nach außen gerichtet

Definition

"Nach außen gerichtet" im Sinne des Gewerbebegriffs:

Die Tätigkeit ist dann nach außen gerichtet, wenn sie nach außen in Erscheinung tritt.

Im Gegenschluss reicht demnach die für einen objektiven Dritten erkennbare Absicht alleine nicht aus.

Klausurtipp

Bis auf wenige Ausnahmen bedarf dieses Merkmal keiner intensiven Auseinandersetzung in der Klausur.

Beispiel

X spekuliert als Privatanleger für sich selbst an der Frankfurter Börse. Seine Tätigkeiten richten sich also nicht an die Allgemeinheit; er verwaltet lediglich eigenes Vermögen.

  • X tritt nicht nach außen am Markt auf. 

  • Etwas anderes kann sich ergeben, falls durch einen beträchtlichen Umfang, Komplexität oder Größe der zusammenhängenden Geschäfte ein erheblicher Organisationsmehraufwand erforderlich wird.

b) Selbstständig und nicht freiberuflich

Selbstständig ist der Legaldefinition des § 84 I 2 HGB zufolge „wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann".

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir § 84 I 2 HGB an § 1 I HGB.

Hierbei kommt es nicht auf die existenzielle oder wirtschaftliche Abhängigkeit an, sondern auf die rechtliche persönliche Freiheit.

Merke

Arbeitnehmer oder Beamte üben in der Regel keine selbstständige Tätigkeit aus.

§ 1 II PartGG enthält eine Legaldefinition für die „freien Berufe“. Beachte dabei, dass die Auflistung in § 1 II 2 PartGG nicht abschließend ist („und ähnlicher Berufe“). „Nicht freiberuflich“ ist demnach als ungeschriebenes negatives Tatbestandsmerkmal zu verstehen.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir § 1 II PartGG neben § 1 I HGB.

c) Planmäßig auf gewisse Dauer angelegte Tätigkeit

Die Tätigkeit darf nicht nur gelegentlich ausgeübt werden. Vielmehr ist erforderlich, dass die Tätigkeit aus Sicht eines objektiven Dritten erkennbar auf eine gewisse Dauer angelegt ist.

Unbeachtlich ist dabei, ob die Tätigkeit ohne Unterbrechungen ausgeübt wird oder ob der Betrieb die Haupteinnahmequelle bildet. 

Klausurtipp

Handelt es sich um einen Saisonbetrieb oder um eine andere Form der Nebentätigkeit, so sollte diesem Merkmal durch saubere Definition und Subsumtion besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.

Der zeitlich eng begrenzte Umfang steht der „gewissen Dauer“ nämlich nicht zwingend entgegen, sodass auch ein Skibetrieb die Voraussetzung erfüllen kann.

d) Problem: Erlaubtsein der Tätigkeit?

Klausurtipp

Ob eine Tätigkeit erlaubt sein muss, ist umstritten:

  • Nach herrschender Ansicht ist die Gesetz- oder Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 BGB) für die Einordnung als Betrieb irrelevant. Maßgeblich hierfür sind teleologische Erwägungen dergestalt, dass ein Gewerbetreibender nicht von den handelsrechtlichen (und steuerrechtlichen) Pflichten befreit werden soll und dadurch privilegiert wird, wenn er doch rechts- oder sittenwidrig im Sinne der §§ 134, 138 BGB handelt.

  • Nach einer Mindermeinung kommt es durchaus darauf an, ob eine Tätigkeit erlaubt ist. Vielmehr sind dann als Korrektiv die Rechtsscheingrundsätze anzuwenden.

Falls in der Klausur die tätige Person nicht offensichtlich unerlaubt handelt, so solltest du den Streit nicht ansprechen beziehungsweise das Tatbestandsmerkmal in der Definition weglassen.

e) Gewinnerzielungsabsicht oder Entgeltlichkeit

Klar ist, dass es für das Vorliegen eines Gewerbes nicht darauf ankommt, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wird.

Klausurtipp

Diskussionsbedarf entsteht bei diesem Merkmal insbesondere bei karitativen Tätigkeiten oder wenn lediglich kostendeckend gewirtschaftet wird.

Problem

Gewinnerzielungsabsicht erforderlich?

"Umstritten" ist aber, ob ein Gewerbe über das Erfordernis, eine entgeltliche Leistung anzubieten hinaus, auch Gewinnerzielungsabsicht haben muss.

  • Nach Ansicht des BGH ist eine Gewinnerzielungsabsicht unverzichtbar.

  • Nach der heutigen h.L. kommt es darauf nicht an.

  • Für die Ansicht der h.L. spricht eine differenzierte Betrachtung des unbestimmetn Gewinnbegriffs durch die moderne Betriebswirtschaftslehre. Außerdem wird auch der durch das Handelsrecht intendierte Verkehrsschutz unterlaufen, wenn auf innere Tatsachen abgestellt wird - nicht das Gewinnstreben, sondern das unternehmerische Auftreten rechtfertigt die Anwendung handelsrechtlicher Normen. Der BGH hat sich in seiner Argumentation aber nach und nach der h.L. angenähert, sodass eher der h. L. gegolgt werden sollte.

Achtung: Auch der BGH verneint das Erfordernis einer Gewinnerzielungsabsicht für den Unternehmerbegriff des § 14 BGB. Für den Verbraucherschutz, solle es nicht auf eine solche Absicht ankommen - zumal die Absicht dem Verbraucher oft verborgen sein dürfte. Vor diesem Hintergrund scheint auch die Argumentation der h.L. im hiesigen Streit naheliegender.

2. Handelsgewerbe, § 1 II Hs. 1 HGB

Ferner müsste der Betrieb ein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 II HGB sein. Gemäß § 1 II Hs. 1 HGB ist grundsätzlich jeder Gewerbebetrieb ein Handelsgewerbe. Ausnahmsweise stimmt dieser Grundsatz nicht, wenn das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert, § 1 II Hs. 2 HGB.

Indem das Gesetz durch die Regel-Ausnahme-Formulierung davon ausgeht, dass jeder Gewerbetreibende auch ein Handelsgewerbe betreibt, stellt es eine widerlegliche Vermutung für die Existenz eines Handelsgewerbes auf.

Beispiel

Gegenbeispiel: Erledigt Ehefrau oder Ehemann am Abend kurz nebenbei das Schreiben der Rechnungen, so wird kein „in kaufmännischer Weise eingerichteter Gewerbebetrieb“ vorliegen.

Klausurtipp

Wer sich darauf beruft, kein Kaufmann zu sein, obwohl er ein Gewerbe betreibt, trägt die Beweislast dafür, dass das Unternehmen nach Art und Umfang keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Derjenige, der die Kaufmannseigenschaft behauptet, muss nur das Vorliegen des Gewerbes beweisen.

Ist eine Auseinandersetzung mit § 1 II HGB im Sachverhalt angelegt, so hilft auch hier der Wortlaut ab. Die Frage, ob ein Handelsgewerbe vorliegt, orientiert sich maßgeblich an einer Gesamtbetrachtung (h.M.) an „Art oder Umfang“:

  • Art“ ist als qualitatives Kriterium zu verstehen. Gemeint sind z. B. die Komplexität und Vielfalt der Geschäfte oder die Art des Kundenstamms.

  • Umfang“ ist als quantitatives Kriterium zu verstehen. Gemeint sind primär das Umsatzvolumen, jedoch auch die Anzahl der Beschäftigten, etc.

Beispiel

X tauscht in der Nachbarschaft gelegentlich sein altes Werkzeug gegen ein kühles Bier.

  • Hier fehlt es zunächst am qualitativen Kriterium (Art), denn dieser Tausch ist weder komplex noch besonders vielfältig. Außerdem hat X keinen besonderen Kundenstamm.

  • Das quantitative Kriterium (Umfang) fehlt, da er keine Mitarbeiter dafür braucht und das kühle Bier X auch nicht über das Geschmackserlebnis hinaus finanziell besonders bereichert oder auch kein nennenswertes Handelsvolumen erreicht wird.

Hinsichtlich der kaufmännischen Einrichtung im Sinne des § 1 II Hs. 2 HGB kommt es nicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten an, sondern auf die sachliche Gebotenheit. Ist also etwas für die ordentliche und übersichtliche Geschäftsführung nicht notwendig, so ist es in der Gesamtabwägung nicht einzubringen.

 

3. Betreiben, § 1 I aE HGB

Zuletzt müsste der Handelnde das Unternehmen auch betreiben, § 1 I aE HGB.

Maßgeblich ist eine finanzielle Zurechnung. Kaufmann ist also, wer das Gewerbe im eigenen Namen betreibt.

Beispiel

  • Der Pächter eines Unternehmensgrundstücks kann auch Gewerbetreibender sein.

  • Der Kommissionär tätigt seine Geschäfte zwar auf fremde Rechnung, jedoch auch im eigenen Namen und „betreibt“ daher ein Handelsgewerbe.

Gegenbeispiel:

  • Der Prokurist wird mangels Handeln im eigenen Namen regelmäßig kein Handelsgewerbe betreiben.

4. Eintragungspflicht, § 29 HGB

Ein Kaufmann ist gemäß § 29 HGB verpflichtet, seine Firma zum Handelsregister anzumelden. Dies ist jedoch nur eine registergerichtliche Pflicht, mitzuteilen, dass man (ohnehin bereits) Kaufmann kraft Betätigung nach § 1 HGB ist. Wird ein Handelsgewerbe betrieben, hat die Handelsregistereintragung daher, wie bereits dargestellt, nur deklaratorische Wirkung.

III. Kannkaufmann, § 2 HGB

Gemäß § 2 S. 1 HGB sind Kaufleute, welche zwar einen Gewerbebetrieb ausüben, nicht jedoch die Voraussetzungen an Art und Umfang im Sinne des § 1 II HGB erfüllen. Es wird also lediglich ein Kleingewerbe betrieben, auf das die allgemeinen Regeln des BGB anwendbar sind.

Diesen Betreibern eines Kleingewerbes wird durch § 2 S. 1 HGB die Möglichkeit eröffnet, sich als "Kaufmann kraft Eintragung“ in das Handelsregister eintragen zu lassen.

Im Gegensatz zum Istkaufmann gemäß § 1 I HGB ist die Eintragung also nicht nur deklaratorisch, sondern konstitutiv.

Gemäß § 2 S. 2 HGB ist die Eintragung freiwillig. Die Eintragung kann, soweit nicht mittlerweile ein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 II HGB vorliegt, auch wieder auf Antrag gelöscht werden, § 2 S. 3 HGB. Daher kommt übrigens auch die zutreffende Beschreibung als „Kannkaufmann mit Rückfahrkarte“.

IV. Kannkaufmann in der Land- und Forstwirtschaft, § 3 HGB

Diese besondere Art des Kaufmanns ist für die Klausur von untergeordneter Bedeutung.

Gemäß § 3 I HGB kann ein Land- oder Forstwirt kein Istkaufmann gemäß § 1 HGB sein.

Merke

Land- und Forstwirtschaft meint die Urproduktion und Gewinnung pflanzlicher oder tierischer Rohstoffe und deren Verwertung

§ 3 II HGB eröffnet dem Land- oder Forstwirt zwar auch die Eintragung als Kannkaufmann kraft Eintragung, jedoch findet § 2 S. 3 HGB keine Anwendung.

Sofern der Land- oder Forstwirt einen Nebenbetrieb hat, also einen selbstständigen Betrieb, der im Zusammenhang mit der Land- und Forstwirtschaft steht, mit diesem aber nicht identisch ist, gilt für diesen das Gleiche wie für den landwirtschaftlichen Hauptbetrieb. Liegt kein hinreichend enger Zusammenhang vor, ist der "Nebenbetrieb" selbstständig und es gelten für ihn die sonstigen Regeln der §§ 1 ff. HGB.

V. Fiktivkaufmann, § 5 HGB

Im Gegensatz zu den Kaufleuten nach §§ 1, 2, 3, 6 und 105 II HGB wird die Kaufmannseigenschaft nach § 5 HGB nur fingiert.

Der Wortlaut des § 5 HGB kann zu Verständnisschwierigkeiten führen. Nach h.M. setzt § 5 HGB voraus, dass überhaupt ein Gewerbe betrieben wird. Ist dies der Fall, macht die Eintragung den Betreiber unwiderlegbar zum Kaufmann, selbst wenn das Gewerbe nach Art und Umfang eigentlich kein Handelsgewerbe wäre (Fiktion der Kaufmannseigenschaft). Fehlt es bereits an einem Gewerbe, hilft § 5 HGB nicht weiter; hier kommen nur die Regeln über den Scheinkaufmann in Betracht.

Die Bezeichnung als „Fiktivkaufmann“ entstammt also der Tatsache, dass § 5 HGB eine gesetzliche Fiktion enthält (und keinen Rechtsscheintatbestand).

Merke

Eines der zentralen Leitmotive des HGB ist, die Leichtigkeit des Handels- und Geschäftsverkehrs zu ermöglichen. Diesem Motiv dient auch die Fiktion des § 5 HGB. Müsste ein Geschäftspartner jedes Mal die Kaufmannseigenschaft besonders nachprüfen, obwohl der Handelnde doch eingetragen ist, so wäre die Geschäftsabwicklung im Handelsverkehr beeinträchtigt. Deshalb muss aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes auch jemand als Kaufmann behandelt werden, obwohl diese Person kein Kaufmann ist.

Merke dir diese Sinn- und Zweckargumentation. Sie wird dir noch oft dabei weiterhelfen, den Zweck vieler handelsrechtlicher Spezialregelungen zu erschließen.

VI. Formkaufmann, § 6 HGB

Der unmissverständliche Wortlaut des § 6 I HGB ordnet an, dass auf die Handelsgesellschaften die für Kaufleute anwendbaren Vorschriften auch anwendbar sind.

Klausurtipp

Für das Vorliegen einer oHG und KG muss grundsätzlich geprüft werden, ob ein Handelsgewerbe im Sinne des § 1 HGB betrieben wird. Erst dadurch oder auch durch Eintragung kann eine oHG oder KG entstehen, §§ 105 I beziehungsweise II HGB oder §§ 161 I beziehungsweise II HGB.

OHG und KG sind also regelmäßig schon Kaufleute kraft Gewerbe (§ 1 HGB).

Demgegenüber ist § 6 I HGB vor allem für die als Handelsgesellschaften "geltenden" GmbH (§ 13 III GmbHG) und Aktiengesellschaft (§ 3 I AktG) relevant. Für die eingetragene Genossenschaft (eG) gilt insoweit § 17 II GenG.

§ 6 II HGB regelt, dass für Vereine (gemeint sind: Körperschaften) die Eigenschaft als Formkaufmann unabhängig davon gelten, ob sie ein (Handels-)Gewerbe betreiben.

Merke

  • Personenhandelsgesellschaften (oHG, KG) bestehen nur, wenn sie Handelsgewerbe betreiben (§§ 105 I, 161 I HGB). Sie sind Kaufleute gemäß § 1 HGB.

  • Körperschaften (GmbH, AG, eG) gelten gemäß den entsprechenden gesellschaftsrechtlichen Regelungen als Handelsgesellschaft und daher als Kaufmann (§ 6 I HGB). Gemäß § 6 II HGB gilt dies auch, wenn sie kein (Handels-)Gewerbe betreiben.

VII. Scheinkaufmann

Die Rechtsfigur des Scheinkaufmanns ist nicht gesetzlich geregelt. Vielmehr ist der Scheinkaufmann ein Ergebnis der Rechtsfortbildung aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes.

Tritt nämlich jemand als Kaufmann auf, ohne wirklich Kaufmann gemäß §§ 1 - 6 HGB zu sein, so kann es u.U. auch geboten sein, diese Person ihrem Verhalten entsprechend auch den strengeren Vorschriften des HGB zu unterwirft.

Voraussetzungen des Entstehens der Eigenschaft als Scheinkaufmann sind:

  • Rechtsscheintatbestand: Auftreten als Kaufmann

  • Zurechenbarkeit: Verursachung des Scheins durch den Handelnden (Verschulden ist unbeachtlich - Veranlassungs- bzw. Risikoprinzip)

  • Gutgläubigkeit des Dritten: Dritter vertraut auf den Schein (keine grob fahrlässige Unkenntnis der wahren Eigenschaft)

  • Kausalität: Dritter handelt im Vertrauen auf den Schein

Den Scheinkaufmann treffen jedoch dann nur die nachteiligen Pflichten des ordentlichen Kaufmanns, nicht jedoch die Vorteile oder Rechte, welche einem Kaufmann sonst zugutekommen. Umgekehrt kann der Dritte auswählen, ob er sich auf den Rechtsschein beruft oder nicht.

Beispiel

X erfüllt die Anforderungen an das Handelsgewerbe gemäß § 1 II HGB nicht beziehungsweise ist mangels erfolgter Eintragung auch nicht Kannkaufmann gemäß § 2 HGB. 

  • Bezeichnet sich X dennoch auf Briefkopf, Website oder Visitenkarte als eingetragener Kaufmann (eK), so sind dennoch bei Versäumnis der Untersuchungs- und Rügeobliegenheit gemäß § 377 I HGB die §§ 434 ff. BGB ausgeschlossen. 

  • Schweigt X auf einen Antrag, so kann das Schweigen gemäß § 362 I HGB zulasten X als Annahme gelten.

Der Scheinkaufmann unterscheidet sich vom Fiktivkaufmann gemäß § 5 HGB dadurch, dass die Fiktion auch zugunsten des Fiktivkaufmanns erfolgt und unabhängig von gutem oder bösem Glauben des Dritten ist.

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