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Gewillkürte Erbfolge

Das Testament, §§ 1937, 1939 BGB

Teilgebiet

Erbrecht

Thema

Gewillkürte Erbfolge

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Testament
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§ 157 BGB
§ 1937 BGB
§ 2064 BGB
§ 2078 BGB
§ 2079 BGB
§ 2080 BGB
§ 2081 BGB
§ 2082 BGB
§ 2084 BGB
§ 2229 BGB
§ 2232 BGB
§ 2247 BGB
§ 2248 BGB
§ 2249 BGB
§ 2250 BGB
§ 2252 BGB
§ 2253 BGB
§ 2254 BGB
§ 2255 BGB
§ 2256 BGB
§ 2257 BGB
§ 2258 BGB
§ 265 BGB
§ 312 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Abgrenzung zum Erbvertrag

  • III. Die Voraussetzungen eines wirksamen Testaments, §§ 1937, 2229 ff. BGB

    • 1. Testierfähigkeit, § 2229 I, IV BGB

    • 2. Testierwille

    • 3. Höchstpersönlichkeit, § 2064 BGB

    • 4. Kein Verstoß gegen allgemeine Regeln, §§ 134, 138 BGB

    • 5. Form

      • a) Eigenhändiges Testament, § 2247 BGB

        • aa) Unterschrift (Abs. 1)

        • bb) Ort- und Zeitangabe (Abs. 2)

        • cc) Name des Erblassers

      • b) Öffentliche Verwahrung

      • c) Öffentliches Testament, § 2232 BGB 

      • d) Nottestament vor dem Bürgermeister, § 2249 BGB

      • e) Weitere Formen der Nottestamente, §§ 2250, 2251 BGB

    • 6. Keine nachträgliche Beseitigung 

      • a) Widerruf, §§ 2253 ff. BGB

        • aa) Widerruf durch Testament, § 2254 BGB

        • bb) Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung, § 2255 BGB

        • cc) Widerruf durch Rücknahme aus amtlicher Verwahrung, § 2256 BGB

        • dd) Widerruf durch späteres widersprechendes Testament, § 2258 BGB

      • b) Anfechtung, §§ 2078 ff. BGB

        • aa) Voraussetzungen

          • aaa) Anfechtungsberechtigter, § 2080 BGB

          • bbb) Anfechtungsgrund, §§ 2078, 2079 BGB

          • ccc) Anfechtungserklärung, § 2081 BGB

          • ddd) Anfechtungsfrist, § 2082 BGB

        • bb) Rechtsfolge

  • IV. Auslegung von Testamenten

    • 1. Erläuternde Auslegung

    • 2. Ergänzende Auslegung

    • 3. § 2084 BGB

I. Einleitung

Das Testament ist eine der Möglichkeiten, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen und dadurch eine gewillkürte Erbfolge zu schaffen. Unter der gewillkürten Erbfolge versteht man die durch den Erblasser selbst bestimmte Nachlassregelung, aufgrund derer die gesetzliche Erbfolge keine Anwendung findet. Hier sind insbesondere die Vorschriften zu den verschiedenen Formen des Testaments (Eigenhändiges Testament, öffentliches Testament, gemeinschaftliches Testament) sowie zum Erbvertrag von Bedeutung. Das Testament ist in den §§ 1937, 2229 ff. BGB geregelt. § 1937 BGB regelt grundlegend die Möglichkeit einer einseitigen Verfügung von Todes wegen. Die Voraussetzungen für ein wirksames Testament finden sich in den §§ 2229 ff. BGB.
Beim Testament sind verschiedene Formen zu unterscheiden: Es gibt das eigenhändige (§ 2247 BGB) und öffentliche (§ 2232 BGB) Testament sowie gemeinschaftliche Testamente (§§ 265 ff. BGB), bei denen wiederum zwischen einseitigen und wechselseitigen Formen unterschieden wird. Eine bekannte Form des gemeinschaftlichen Testaments ist das soge

nannte “Berliner Testament”. Informationen zum gemeinschaftlichen Testament findest du in diesem Artikel.

II. Abgrenzung zum Erbvertrag

Beim Testament (§§ 1937, 2229 ff. BGB) erfolgt die Bestimmung der Erben einseitig durch den Erblasser. 

Beim Erbvertrag (§ 1941, 2274 ff. BGB) handelt es sich um eine beiderseitige Vereinbarung zwischen Erblasser und Erbe.

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III. Die Voraussetzungen eines wirksamen Testaments, §§ 1937, 2229 ff. BGB

§ 1937 BGB ist die Ausgangsform für die Erbeinsetzung durch letztwillige Verfügung. 

Definition

Eine letztwillige Verfügung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, mit dem der Verfügende anordnet, dass sein Vermögen oder einzelne Vermögensgegenstände mit seinem Tod auf bestimmte Personen übergehen.


Die Voraussetzungen für die wirksame Errichtung eines Testaments findet sich dann in den §§ 2229 ff. BGB.

Gesetzesverweis

Sofern in deinem Bundesland zulässig, zitiere dir die §§ 2229 ff. BGB an den § 1937 BGB, um schnell die Voraussetzungen des Testaments zu finden. So musst du nur die Norm des § 1937 BGB finden, was keine Probleme bereiten sollte, da sie, wie gesehen, zu Beginn des Erbrechts nach der gesetzlichen Erbfolge geregelt ist.


Nach den Voraussetzungen für die wirksame Errichtung ist im Anschluss zu prüfen, ob eine nachträgliche Beseitigung vorliegt. Eine solche kann durch Widerruf (§§ 2253 ff. BGB) oder durch Anfechtung (§§ 2078 ff. BGB) erfolgen.

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Im ersten Schritt ist die Wirksamkeit der testamentarischen Verfügung, also die wirksame Errichtung, zu prüfen.

1. Testierfähigkeit, § 2229 I, IV BGB

Für die Errichtung eines wirksamen Testaments muss zunächst Testierfähigkeit gegeben sein.

Das ist gemäß § 2229 I BGB der Fall, wenn das 16. Lebensjahr vollendet ist. In diesem Fall bedarf es dann nach § 2229 II BGB nicht der Zustimmung nach § 107 BGB.

Ein Ausschlussgrund für die Testierfähigkeit ist in § 2229 IV BGB zu finden. Demnach kann kein Testament errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. 

2. Testierwille

Zudem muss der Testierende einen Testierwillen haben.

Definition

Unter Testierwille versteht man den Willen des zukünftigen Erblassers, rechtsgeschäftlich eine letztwillige Verfügung zu treffen.

Ob ein solcher Wille vorliegt, ist im Rahmen der Auslegung nach § 133 BGB zu ermitteln. 

 

3. Höchstpersönlichkeit, § 2064 BGB

§ 2064 BGB stellt den Grundsatz der Höchstpersönlichkeit für die Errichtung des Testaments auf. 

4. Kein Verstoß gegen allgemeine Regeln, §§ 134, 138 BGB

Zudem ist auch zu prüfen, dass kein Verstoß gegen die allgemeinen Regeln der §§ 134, 138 BGB vorliegt. 

Beispiel

Ein Testament, das den Erben ausdrücklich nur unter einer sittenwidrigen Bedingung zum Erben einsetzt, etwa:


Meine Tochter soll mich nur beerben, wenn sie sich scheiden lässt, damit sie nicht länger mit einem Angehörigen einer bestimmten Volksgruppe verheiratet ist.

Diese Bedingung verstößt gegen das Anstandsgefühl aller „billig und gerecht Denkenden“, weil sie in diskriminierender Weise in das Ehe- und Familienleben des Erben eingreift und menschenverachtend ist. Ein solcher Passus kann daher nach § 138 I BGB sittenwidrig und damit nichtig sein.

5. Form

Bei der Form des Testaments gibt es zwei unterschiedliche Varianten. Entweder kann ein eigenhändiges Testament (§ 2247 BGB) oder ein öffentliches Testament (§ 2232 BGB) errichtet werden.


a) Eigenhändiges Testament, § 2247 BGB

Die Voraussetzungen eines wirksamen eigenhändigen Testaments sind in § 2247 BGB geregelt.


aa) Unterschrift (Abs. 1)

Nach § 2247 I BGB kann ein Testament durch eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung errichtet werden.

Problem

Unterschrift außen auf dem Umschlag:

Ein klassisches Problem in Klausuren ist der Fall, in dem die notwendige Unterschrift nur außen auf dem die Erklärung enthaltenen Briefumschlag vorgenommen wurde.

Hier ist dann eine Auslegung nach §§ 133, 2084 BGB anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen: Dabei ist die zentrale Frage, ob die Unterschrift als Teil und Abschluss des eigentlichen Testaments gesehen werden kann, also ob der Unterzeichnende den inneren Text inhaltlich billigen und abschließen wollte.  

bb) Ort- und Zeitangabe (Abs. 2)

Nach § 2247 II BGB muss der Erblasser in der Erklärung angeben, zu welcher Zeit (Tag, Monat und Jahr) und an welchem Orte er sie niedergeschrieben hat.

Ein weiteres klassisches Klausur- und Praxisproblem ist, dass im Testament Angaben über Ort und Zeit der Errichtung fehlen. Dann kommt es auf § 2247 V BGB an: Hiernach ist ein Testament, bei dem keine Angabe über die Zeit der Errichtung zu erkennen ist und sich daraus Zweifel über die Gültigkeit ergeben, nur wirksam, wenn sich die notwendigen Feststellungen über die Zeit der Errichtung anderweitig treffen lassen (S. 1).

Das Gleiche gilt gemäß § 2247 V 2 BGB auch für das Fehlen einer Angabe über den Ort der Errichtung.

Beispiel

Herr Schmidt möchte ein eigenhändiges Testament verfassen und setzt sich am 15. Juni 2025 an seinen Schreibtisch in Köln. Er schreibt in seinem Testament unter anderem:

Mein gesamtes Vermögen soll nach meinem Tod an meinen Neffen, Thomas Meier, fallen. Unterschrift: Heinz Schmidt


Allerdings vergisst Herr Schmidt, sowohl das Datum als auch den Ort in seinem Testament ausdrücklich zu erwähnen.
Nach seinem Tod taucht das Testament auf und es entsteht zunächst Unsicherheit, wann und wo es genau errichtet wurde. Man weiß nur aus den Erzählungen seiner Nachbarn und aus einem Eintrag in seinem Kalender, dass er am 15. Juni 2025 „Testament schreiben“ notiert hatte und er üblicherweise alle wichtigen Dokumente an seinem Schreibtisch in Köln verfasste.
Ein Sachverständiger kann außerdem anhand der verwendeten Tinte und des Papiers bestätigen, dass das Dokument sehr wahrscheinlich Mitte Juni 2025 erstellt wurde.
Auf diese Weise lässt sich anderweitig feststellen, dass das Testament wohl am 15. Juni 2025 in Köln errichtet wurde. Somit kann es trotz der fehlenden Angaben im Text selbst gültig bleiben, weil keine Zweifel an Zeitpunkt und Ort der Errichtung mehr bestehen und damit § 2247 V 2 BGB greift.

cc) Name des Erblassers

Gemäß § 2247 III 1 BGB soll die Unterschrift den Vornamen und den Familiennamen des Erblassers enthalten. Ein häufiges Klausurproblem ist in diesem Kontext, dass die Unterzeichnung des Testaments nur mit dem Vornamen statt mit dem vollen Klarnamen erfolgt. In diesen Fällen richtet sich die Wirksamkeit nach dem Maßstab des § 2247 III 2 BGB. Demnach ist in Fällen, in denen der Erblasser auf andere Weise (als Vor- und Familienname) unterschreibt, durch Auslegung zu beurteilen, ob die konkrete Form der Unterzeichnung für die Feststellung ausreicht, dass der Erblasser der Urheber der Erklärung ist und die notwendige Ernstlichkeit bestand. Kann diese Feststellung getroffen werden, steht der Verstoß gegen § 2247 III 1 BGB der Gültigkeit des Testaments gemäß § 2247 III 2 BGB nicht entgegen.

b) Öffentliche Verwahrung

Zuletzt ist hier die Vorschrift des § 2248 BGB relevant. Diese bestimmt, dass ein nach § 2247 BGB errichtetes Testament auf Verlangen des Erblassers in besondere amtliche Verwahrung zu nehmen ist. Dadurch entsteht eine diesbezügliche nachträgliche Vergleichbarkeit mit dem öffentlichen Testament nach § 2232 BGB.

c) Öffentliches Testament, § 2232 BGB 

Das öffentliche Testament wird gemäß § 2232 S. 1 BGB durch Niederschrift eines Notars errichtet, indem der Erblasser dem Notar seinen letzten Willen erklärt oder ihm eine Schrift mit der Erklärung übergibt, dass diese seinen letzten Willen enthalte. Satz 2 legt fest, dass die Schrift offen oder verschlossen übergeben werden kann und nicht unterschrieben zu sein braucht.

Merke

Da beim öffentlichen Testament die Rechtssicherheit durch die notarielle Beurkundung gegeben ist, können hier nicht die beim eigenhändigen Testament behandelten Probleme auftauchen.

d) Nottestament vor dem Bürgermeister, § 2249 BGB

Eine Sonderform der Testamentserrichtung, das Nottestament vor dem Bürgermeister, findet sich in § 2249 BGB.

Ein Nottestament vor dem Bürgermeister gemäß § 2249 BGB kann errichtet werden, wenn abzusehen ist, dass der Erblasser den Abschluss eines notariellen Testaments aufgrund der vermeintlich verbleibenden Lebenszeit nicht mehr schaffen wird. In diesem Fall nimmt der Bürgermeister der Gemeinde, in der sich der Erblasser gerade aufhält, seine letztwillige Erklärung zur Niederschrift auf (§ 2249 I 1 BGB). Er steht hierbei an der Stelle des Notars (§ 2249 I 4 BGB) und ist verpflichtet, zwei Zeugen hinzuzuziehen, die ebenfalls in der Niederschrift unterschreiben müssen (§ 2249 I 2 BGB). Die Zeugen dürfen allerdings nicht im Testament bedacht oder zum Testamentsvollstrecker ernannt werden (§ 2249 I 3 BGB). Sollten Formfehler bei der Beurkundung auftreten, bleibt das Testament dennoch wirksam, sofern sich eindeutig feststellen lässt, dass die Niederschrift den Willen des Erblassers zutreffend wiedergibt (§ 2249 VI BGB). Der Bürgermeister weist den Erblasser zudem darauf hin, dass das Testament gemäß § 2252 BGB nach Ablauf von drei Monaten ungültig wird, wenn der Erblasser die Notlage überlebt und kein neues Testament errichtet oder das Bürgermeistertestament nicht rechtzeitig erneuert (§ 2249 III BGB). Ist der Erblasser nicht in der Lage, selbst zu unterschreiben, wird seine Unterschrift durch die Feststellung in der Niederschrift ersetzt, dass er seinen Namen nicht schreiben kann (§ 2249 I 6 BGB). Dadurch soll auch in einer akuten Notlage eine möglichst sichere und rasche Umsetzung des letzten Willens gewährleistet werden.

e) Weitere Formen der Nottestamente, §§ 2250, 2251 BGB

In § 2250 BGB ist mit dem Nottestament vor drei Zeugen eine weitere Variante des Nottestaments geregelt. Daneben besteht nach § 2251 BGB die Möglichkeit des Nottestaments auf See, welcher auf die Voraussetzungen des § 2250 BGB verweist.

Klausurtipp

Die Nottestamente spielen eine untergeordnete Rolle im Erbrecht. In Klausuren wird es in der Regel um die normalen Formen des Testaments gehen.

6. Keine nachträgliche Beseitigung 

Nachdem festgestellt wurde, dass das Testament wirksam errichtet wurde, ist im Anschluss zu prüfen, ob eine nachträgliche Beseitigung des wirksamen Testaments erfolgt ist. Dies kann entweder durch Widerruf des Testaments (§§ 2253 ff. BGB) oder durch dessen Anfechtung (§ 2078 ff. BGB) erfolgen.

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Sofern in deinem Bundesland zulässig, zitiere dir den § 2078 an den § 2253, um dich an die Möglichkeit der Anfechtung neben dem Widerruf zu erinnern. Der Widerruf sollte aufgrund seiner Stellung nach den Wirksamkeitsvoraussetzungen des Testaments deutlich einfacher zu merken beziehungsweise in der Klausur zu finden sein.   

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a) Widerruf, §§ 2253 ff. BGB

Der Widerruf ist in den §§ 2253 ff. BGB geregelt. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie ein Testament widerrufen werden kann. 

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Die Regelungen zum Widerruf sind lex specialis zu den §§ 312 ff. BGB, soweit es um den Widerruf von letztwilligen Verfügungen geht. Ist ein anderer Regelungsbereich betroffen, sind die §§ 312 ff. BGB einschlägig.

aa) Widerruf durch Testament, § 2254 BGB

Eine Möglichkeit ist der Widerruf durch Testament nach § 2254 BGB. In diesem Fall ist dann die gleiche Prüfung wie oben für die wirksame Errichtung eines Testaments nach den §§ 1937, 2229 ff. BGB zu prüfen.
Zu beachten ist hierbei aber auch die Regelung des § 2257 BGB. Wenn ein Widerruf eines Testaments durch Testament erfolgt ist und dieser Widerruf wiederum widerrufen wird, gilt die ursprüngliche Verfügung, als wenn sie nicht widerrufen worden wäre. Der Widerruf des Widerrufs hebt somit den ursprünglichen Widerruf auf. 

bb) Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung, § 2255 BGB

In § 2255 BGB ist der Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung geregelt.
Nach § 2255 S. 1 BGB wird das Testament vom Erblasser widerrufen, wenn er die Testamentsurkunde in der Absicht, es aufzuheben, vernichtet oder er eine Veränderung vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, zum Ausdruck kommt. Nach Satz 2 wird die Vermutung aufgestellt, dass die Aufhebung des Testaments beabsichtigt war, wenn der Erblasser die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert hat.

cc) Widerruf durch Rücknahme aus amtlicher Verwahrung, § 2256 BGB

Beim öffentlichen Testament (§ 2232 BGB) und beim Nottestament vor dem Bürgermeister (welches ähnlich behandelt wird, da der Bürgermeister im Sinne des § 2249 BGB an die Stelle des Notars tritt) besteht zudem nach § 2256 BGB die Möglichkeit des Widerrufs durch die Rücknahme aus amtlicher Verwahrung. Die Urkunde muss dafür gemäß § 2256 I 1 BGB aus der Verwahrung genommen und dem Erblasser zurückgegeben werden. § 2256 II BGB stellt diesbezüglich klar, dass die Rückgabe jederzeit gefordert werden kann (Satz 1) und die Urkunde nur an den Erblasser zurückgegeben werden darf (Satz 2).

Zuletzt legt § 2256 III BGB fest, dass die Vorschriften des § 2256 II BGB (jederzeitige Rückgabe an Erblasser) auch für nach § 2248 BGB hinterlegte Testamente gelten.

 

dd) Widerruf durch späteres widersprechendes Testament, § 2258 BGB

Zuletzt besteht noch die Möglichkeit des Widerrufs durch ein späteres, dem ursprünglichen Testament widersprechendes Testament gemäß § 2258 BGB.

Zitat

§ 2258 BGB:

“(1) Durch die Errichtung eines Testaments wird ein früheres Testament insoweit aufgehoben, als das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht.

(2) Wird das spätere Testament widerrufen, so ist im Zweifel das frühere Testament in gleicher Weise wirksam, wie wenn es nicht aufgehoben worden wäre.”

In diesem Fall ist dann zunächst zu prüfen, ob überhaupt ein neues Testament wirksam errichtet wurde. Hier ist also die bekannte Prüfung der §§ 1937, 2229 ff. BGB vorzunehmen. Wenn dies der Fall ist, ist im nächsten Schritt auszulegen, inwieweit sich die Inhalte des ursprünglichen und des neuen Testaments widersprechen (§§ 133, 2084 BGB). Zur genauen Methode der Auslegung später mehr. Hier besteht damit aber eine große Ähnlichkeit zu § 2254 BGB. Zudem bildet § 2258 II BGB die Parallele zu § 2257 BGB. Wird das spätere Testament widerrufen, ist das ursprüngliche Testament so wirksam, als wenn es nie aufgehoben worden wäre. 

b) Anfechtung, §§ 2078 ff. BGB

Neben dem Widerruf besteht auch die Möglichkeit der Anfechtung der testamentarischen Erklärung. Die richtet sich nach den Regelungen der §§ 2078 ff. BGB. Dabei gibt es zwei verschiedene Anfechtungsgründe. § 2078 BGB regelt die Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung und § 2079 BGB die Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten. 

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Die Vorschrift des § 2078 BGB ähnelt den §§ 119 ff. BGB und stellt die Parallelvorschrift zu diesen im Erbrecht dar. Diese ist lex specialis zu den §§ 119 ff. BGB.

aa) Voraussetzungen

Die Anfechtung nach §§ 2078 ff. BGB ist im Wesentlichen gleich aufgebaut wie die Anfechtung nach den §§ 119 ff. BGB.

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aaa) Anfechtungsberechtigter, § 2080 BGB

Zunächst muss eine Anfechtungsberechtigung vorliegen.

Gemäß § 2080 BGB ist antragsberechtigt, wem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung zustatten kommen würde, also wer einen Vorteil davon hätte, wenn die Verfügung (das Testament) wegfallen würde.  

Bei einer Anfechtung nach § 2079 BGB ist zu beachten, dass nur der Pflichtteilsberechtigte anfechtungsberechtigt ist. 

bbb) Anfechtungsgrund, §§ 2078, 2079 BGB

Ein Anfechtungsgrund kann sich aus § 2078 BGB oder aus § 2079 BGB ergeben.

Merke

Die Anfechtungsgründe aus §§ 2078 und 2079 BGB sind abschließend! Die Anfechtungsgründe der §§ 119 ff. BGB sind damit bei der Anfechtung letztwilliger Verfügungen nicht anwendbar.

(1) Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung, § 2078 BGB

Nach § 2078 I BGB kann ein Testament angefochten werden, wenn der Erblasser sich bei der Errichtung seiner Verfügung in einem Irrtum über den Inhalt oder die Bedeutung seiner Erklärung befand oder eine Erklärung dieses Inhalts gar nicht abgeben wollte. Entscheidend ist dabei, dass anzunehmen ist, er hätte die Verfügung bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht so getroffen. Ein weiterer Anfechtungsgrund liegt vor, wenn der Erblasser durch eine irrige Vorstellung über den Eintritt oder Nichteintritt eines bestimmten Umstands oder durch widerrechtliche Drohung veranlasst wurde, das Testament so zu verfassen (§ 2078 II BGB). Anders als bei anderen Willenserklärungen gibt es hier jedoch keinen Ersatz für etwaige Vertrauensschäden (vgl. § 122 BGB). Das heißt, wer erfolgreich anficht, muss nicht für entstandene Nachteile aus dem Vertrauen in die Wirksamkeit des Testaments aufkommen.


(2) Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten
Nach § 2079 S. 1 BGB kann angefochten werden, wenn der Erblasser eine pflichtteilsberechtigte Person übergangen hat, deren Existenz oder Pflichtteilsberechtigung ihm bei der Errichtung der Verfügung unbekannt war, oder wenn diese Person erst nachträglich, also nach Testamentserrichtung, geboren oder pflichtteilsberechtigt wurde.
Hintergrund ist, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten möglicherweise ungewollt übergangen hat. Die Anfechtung dient dazu, diesen Irrtum zu korrigieren. Allerdings ist die Anfechtung gemäß § 2079 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände dieselbe Verfügung getroffen hätte.


ccc) Anfechtungserklärung, § 2081 BGB

Weiterhin bedarf es einer Anfechtungserklärung nach § 2081 BGB. Dabei handelt es sich um eine einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung, welche gemäß § 2081 I BGB gegenüber dem Nachlassgericht erklärt wird.


ddd) Anfechtungsfrist, § 2082 BGB

Die Anfechtungsfrist beträgt gemäß § 2082 I BGB ein Jahr. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte Kenntnis vom Anfechtungsgrund erlangt hat, § 2082 II 1 BGB. Gemäß § 2082 II 2 BGB finden auf die Frist die Verjährungsvorschriften der §§ 206, 210 und § 211 BGB Anwendung.

Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen sind (§ 2082 III BGB).


bb) Rechtsfolge

Die Rechtsfolge der erfolgreichen Anfechtung ergibt sich wie gewohnt aus § 142 I BGB, also die Nichtigkeit ex-tunc.
Hier besteht demnach keine Besonderheit im Vergleich zu den allgemeinen Regeln. 


IV. Auslegung von Testamenten

Zuletzt ist zu beachten, dass Testamente regelmäßig auslegungsbedürftig sind und besonderen Regelungen unterliegen.


Die Grundregelung der Auslegung ist § 133 BGB.  Da das Testament eine einseitige, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung ist, ist allein der subjektive Wille des Erblassers maßgebend. Dazu kommen erbrechtliche Besonderheiten, vor allem in Gestalt von § 2084 BGB.
Im Gegensatz zu empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z. B. Verträge), bei denen es auch auf den objektiven Empfängerhorizont (§ 157 BGB) ankommt, steht bei einem Testament allein der Wille des Erblassers im Mittelpunkt. Das Gericht hat also möglichst den tatsächlichen Willen zu ermitteln, den der Erblasser bei Errichtung seines Testaments hatte oder zumindest gehabt hätte, wenn ihm spätere Entwicklungen bekannt gewesen wären.
Unterschieden wird zwischen der erläuternden Auslegung und der ergänzenden Auslegung.

1. Erläuternde Auslegung

Die erläuternde Auslegung dient dazu, den tatsächlich gemeinten Sinn der verwendeten Formulierungen zu ermitteln. Es kann sein, dass die Begriffe oder Wendungen im Testament nicht eindeutig sind oder der Erblasser offenkundig einen anderen Inhalt im Sinn hatte, als sein Wortlaut nahelegt.
Hierzu greift man auf alle Umstände zurück, die Rückschlüsse auf den subjektiven Willen des Erblassers zulassen. Relevant können etwa Notizen des Erblassers, Zeugenaussagen seiner Vertrauenspersonen oder sonstige externe Hinweise sein. Sofern sich der wahre Sinn im Wege dieser erläuternden Auslegung feststellen lässt, genügt das zur Bestimmung des Testamentsinhalts.

2. Ergänzende Auslegung

Ist der Wortlaut nicht nur unklar, sondern auch lückenhaft oder passt nicht mehr zu den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erbfalls, kann sich die ergänzende Auslegung als notwendig erweisen. Dabei fragt man nach dem hypothetischen Willen des Erblassers, also danach, was er gewollt hätte, wenn er seinerzeit die heute vorliegenden Umstände gekannt hätte.

Beispiel

Ein Erblasser hat verfügt, dass ein bestimmter Gegenstand einer Person zugute kommt, die zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung noch lebte, aber vor dem Erbfall verstorben ist. Es könnte sein, dass er in diesem Fall den Gegenstand einer anderen Person hätte zukommen lassen wollen. 

Problematisch an der ergänzenden Auslegung ist, dass der so gefundene Wille nicht die Formvorschriften für Testamente erfüllt (also nicht in einer ordnungsgemäß errichteten Urkunde festgehalten ist).

  • Um nicht die Formstrenge des Erbrechts auszuhebeln, wird daher nach der herrschenden Meinung auf die Andeutungstheorie zurückgegriffen. Nach der Andeutungstheorie muss sich der hypothetische Wille des Erblassers zumindest andeutungsweise in der Testamentsurkunde selbst wiederfinden. Ein völlig ungeschriebener, nur rekonstruierter Wille genügt nicht, da dies die Formstrenge bei Verfügungen von Todes wegen unterlaufen würde.

  • Teilweise wird demgegenüber vertreten, dass eine solche Andeutung in der Urkunde nicht zwingend sein müsse, solange das Testament als solches formwirksam errichtet ist. Die Rechtsprechung hingegen wendet regelmäßig die Andeutungstheorie an.

3. § 2084 BGB

Zuletzt gibt es daneben noch die erbrechtliche Spezialregelung des § 2084 BGB.

Zitat

§ 2084 BGB
“Lässt der Inhalt einer letztwilligen Verfügung verschiedene Auslegungen zu, so ist im Zweifel diejenige Auslegung vorzuziehen, bei welcher die Verfügung Erfolg haben kann.”


Stehen also zwei Auslegungen zur Debatte und ist keine eindeutig belegt, so bestimmt § 2084 BGB, dass im Zweifel diejenige Deutung maßgeblich ist, die der Verfügung zum Erfolg verhilft (favor testamenti). Damit soll verhindert werden, dass eine letztwillige Verfügung allein wegen sprachlicher Unschärfen oder Auslegungszweifeln scheitert.

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