1. Grundgedanken
Das Sozialstaatsprinzip ist ebenfalls in Art. 20 I GG als gleichrangiger Bestandteil neben Demokratie- und Bundesstaatsprinzip verankert und gilt gemäß Art. 28 I 1 GG auch für die Länder.
Es lassen sich drei Grundgedanken unterscheiden. Erstens verpflichtet das Prinzip den Gesetzgeber zum sozialen Ausgleich, also dazu, ungleiche Ausgangs- und Belastungslagen durch Transfer-, Steuer- oder Arbeitsschutzregelungen abzumildern. Zugleich bewahrt es Spielraum für privatautonome und marktwirtschaftliche Strukturen. Zweitens garantiert es ein menschenwürdiges Existenzminimum. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Hartz-IV-Entscheidung von 2010 mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und Art. 1 I GG verbunden und ausgeführt, der Gesetzgeber müsse Leistungen so bemessen, dass eine Teilnahme am gesellschaftlichen, nicht nur physischen, Existenzminimum möglich bleibt. Drittens begründet das Sozialstaatsprinzip staatliche Schutz-, Förder- und Gestaltungspflichten.
Es verpflichtet die öffentliche Hand etwa, eine tragfähige gesetzliche Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung aufrechtzuerhalten und bei grundlegenden sozialen Risiken nicht gänzlich auf private Vorsorge zu verweisen.
2. Richterliche Kontrolle
Gleichwohl ist die richterliche Kontrolle durch eine Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsvorstellungen des Gesetzgebers begrenzt. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob der Gesetzgeber seine Entscheidung sachwidrig getroffen hat, evident verfassungswidrige Lösungen gewählt oder das verfassungsrechtliche Minimum verfehlt hat. Das Gericht kann also nicht ein bestimmtes sozialpolitisches Konzept erzwingen, wohl aber eingreifen, wenn wesentliche soziale Sicherungen ersatzlos entfallen oder in ihrer Höhe evident unzureichend sind.
I. Bedeutung
Im Zusammenspiel mit anderen Staatsstrukturprinzipien stützt das Sozialstaatsprinzip zentral die Menschenwürdegarantie des Art. 1 I GG. Es prägt die Auslegung des Eigentumsgrundrechts in Art. 14 GG, dessen Sozialbindung ohne die soziale Staatsverpflichtung nicht denkbar wäre, und es fließt als gewichtiger Belang in die Verhältnismäßigkeitsprüfung ein, wenn Freiheitsrechte mit sozialpolitischen Zielsetzungen kollidieren. Bezüglich der Frage nach dem Verhältnis von Bund und Ländern verlangt es einen Finanzausgleich, der Leistungsfähigkeit und Bedarf der Länder ins Gleichgewicht bringt, ohne deren Eigenverantwortung auszuschalten.