I. Einleitung
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) ist ein von der Rechtsprechung entwickeltes Grundrecht, das aus Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 I GG abgeleitet wird. Dogmatisch handelt es sich um eine durch die Rechtsprechung entwickelte Grundrechtskonkretisierung. Es dient dem umfassenden Schutz der individuellen Persönlichkeit, insbesondere in Bereichen, die nicht durch spezielle Freiheitsrechte wie die Meinungs- oder Religionsfreiheit abgedeckt sind.
II. Schutzbereich
Definition
Das APR schützt allgemein die innere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen. Es sichert einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem der Einzelne seine Individualität entwickeln und wahren kann.
Die konkrete Ausgestaltung des Schutzbereichs erfolgt durch verschiedene Fallgruppen, beziehungsweise verschiedene einzelne Rechte, die in der Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht bilden.
Die Fallgruppen im Einzelnen sind:

1. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung
Hierunter versteht man das Recht des Einzelnen, über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten selbst zu bestimmen. Also das Recht selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart, gespeichert, verwendet oder weitergegeben werden. Dieses Recht erlangt mit zunehmender Digitalisierung in allen Lebensbereichen mehr und mehr Bedeutung, da es den Schutz vor Missbrauch persönlicher Daten durch staatliche und private Akteure gewährleistet.
Beispiel
Wenn der Staat personenbezogene Daten erhebt, z. B. bei Volkszählungen oder für polizeiliche Zwecke, darf dies nur unter strengen Voraussetzungen geschehen. Der Einzelne muss grundsätzlich darüber informiert werden, welche Daten erhoben werden, und hat teilweise das Recht, die Erhebung zu verweigern.
In modernen Technologien, wie etwa bei Smart-Home-Systemen oder in sozialen Netzwerken, werden viele persönliche Daten erfasst. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt davor, dass diese Daten ohne Zustimmung für Profilbildungen oder Werbung genutzt werden.
Nach dem sogenannten „Google Spain“-Urteil des Europäischen Gerichtshofs haben Betroffene das Recht, bestimmte personenbezogene Informationen im Internet entfernen zu lassen, wenn sie nicht mehr relevant sind oder ihre Verbreitung das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen unverhältnismäßig einschränkt.
2. Das Recht auf Selbstdarstellung
Dies meint das Recht sich herabsetzender, verfälschender, entstellender oder unerbetener öffentlicher Darstellungen sowie unerbetener heimlicher Wahrnehmungen seiner Person erwehren zu können.
3. Das Recht auf Selbstbewahrung
Das Recht auf Selbstbewahrung umfasst das Recht sich zurückzuziehen, sich abzuschirmen und für sich alleine zu sein.
4. Das Recht am eigenen Bild und Wort
Geschützt ist die Selbstbestimmung über die Darstellung der eigenen Person. Niemand darf gegen seinen Willen in Bild, Ton oder Schrift der Öffentlichkeit präsentiert werden, sofern nicht das Interesse der Allgemeinheit an einer Berichterstattung überwiegt.
5. Der Schutz der persönlichen Ehre
Das APR schützt auch vor Angriffen auf die persönliche Ehre und das Ansehen. Es geht darum, die persönliche Integrität und Würde zu wahren und Beleidigungen oder diffamierende Darstellungen abzuwehren.
6. Recht auf sexuelle Selbstbestimmung
Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung sichert dem Einzelnen die Freiheit, über seine sexuelle Identität, Orientierung und persönliche Intimsphäre selbst zu entscheiden. Es schützt sowohl die freie Gestaltung des eigenen Sexuallebens als auch die Entscheidungsfreiheit, wann und unter welchen Umständen sexuelle Kontakte oder Äußerungen zulässig sind.
7. Recht auf Gewährung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme
Das Recht auf Gewährung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme wurde vom Bundesverfassungsgericht im sogenannten „Online-Durchsuchungsurteil“ (BVerfGE 120, 274 - 350) entwickelt. Es schützt das individuelle Interesse an der Vertraulichkeit und Integrität persönlicher Daten und informationstechnischer Systeme (wie Computer, Smartphones und andere vernetzte Geräte, auf denen persönliche Informationen gespeichert sind).
Dieses Recht umfasst die Freiheit vor unberechtigter staatlicher oder privater Überwachung, Manipulation und den Zugriff auf persönliche Daten und technische Geräte. Damit schützt es die betroffene Person vor Eingriffen, die ihre informationstechnische Privatsphäre verletzen könnten, etwa durch heimliche Online-Durchsuchungen oder staatliche Zugriffe auf Daten.
III. Eingriff
Der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht erfolgt naturgemäß meist faktisch und nicht durch eine rechtliche Maßnahme. Die häufigste Art des Eingriffs ist die (ungewollte) Veröffentlichung von Informationen oder sonstigen persönlichen Daten.
IV. Einschränkungsmöglichkeiten
1. Die Einschränkungsmöglichkeiten
Zu der Frage, welche Einschränkungsmöglichkeiten das allgemeine Persönlichkeitsrecht hat, werden zwei verschiedene Ansichten vertreten.
a) Erste Ansicht
Nach einer Ansicht soll es keine Einschränkungsmöglichkeiten des APR geben. Argumentiert wird mit der Betroffenheit von Art. 1 GG, welcher an sich keine Einschränkungsmöglichkeit hat.
b) Herrschende Meinung
Die herrschende Meinung zieht die Schrankentrias des Art. 2 I GG auch als die Einschränkungsmöglichkeit des APR heran. Dabei soll aber ein strengerer Maßstab an die Anforderungen der Verhältnismäßigkeit gestellt werden, da die Menschenwürde aus Art. 1 I GG betroffen ist.
2. Die Sphärentheorie im Rahmen der Angemessenheit
Im Rahmen der Prüfung der verfassungskonformen Anwendung im Einzelfall gibt es eine Besonderheit beim allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Abwägung im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit (als letzter Punkt der Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes) erfolgt nach den Grundsätzen der Sphärentheorie.
Zweck der Sphärentheorie ist es, die Intensität von Eingriffen in die Privatsphäre differenziert zu bewerten. Sie teilt die persönliche Sphäre des Einzelnen in drei Schutzbereiche oder „Sphären“ auf: die Sozialsphäre, die Privatsphäre und die Intimsphäre.

a) Die Sozialsphäre
Eingriffe in die Sozialsphäre haben eine geringe Rechtfertigungsbedürftigkeit.
Dieser Bereich umfasst das öffentliche Auftreten und Verhalten in sozialen und beruflichen Kontexten. Hier ist der Schutz des Persönlichkeitsrechts daher am schwächsten, da die Person in einem Umfeld agiert, das bereits auf Außenwirkung ausgelegt ist, weshalb Eingriffe grundsätzlich eher zulässig sind.
b) Die Privatsphäre
Sie betrifft das engere persönliche Umfeld, einschließlich des Familienlebens und enger sozialer Beziehungen. Eingriffe sind nur bei besonders gewichtigen öffentlichen Interessen zulässig und bedürfen einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung.
c) Die Intimsphäre
Diese innere Sphäre umfasst den höchstpersönlichen Bereich der privaten Lebensführung, wie intime Gedanken, Gefühle und sexuelle Selbstbestimmung. Die Intimsphäre ist absolut geschützt, und Eingriffe sind hier per se ausgeschlossen, selbst bei überwiegendem öffentlichem Interesse. Bei Eingriffen in diese Sphäre besteht daher keine Rechtfertigungsmöglichkeit.