I. Einleitung
In jedem Prozess müssen die Parteien Beweise vorbringen, wenn sie etwas behaupten - wie man einen Beweis erbringt, ist daher gerade in der Praxis das alles entscheidende Erfolgskriterium im Prozess.
Das Beweisrecht hat aber auch eine gewisse Klausurrelevanz - denn der Korrektor kann anhand des Beweisrechts dein Systemverständnis überprüfen und Weichenstellungen in der Klausur vornehmen. Denn es stellt sich oft nicht nur die Frage, ob ein Beweis erbracht wurde oder nicht, sondern auch, wer den Beweis überhaupt erbringen muss und zu welchem Grad. Auch wenn keine Detailkenntnis erwartet wird, solltest du daher Grundlagen des Beweisrechts beherrschen.
II. Gegenstand des Beweises
Der Beweis kann sich auf die folgenden Gegenstände beziehen:
Tatsachenbehauptungen
Einfache Rechtsbegriffe
Erfahrungssätze
Ausländische Rechtssätze (§ 293 ZPO)
Beweisbedürftige Tatsachen. Hierzu gehören nicht:
Zugestandene Tatsachen gemäß §§ 138 III, 288 ZPO,
offenkundige Tatsachen gemäß § 291 ZPO,
gesetzlich vermutete Tatsachen oder
allgemeinkundige Tatsachen, die sich aus öffentlichen Quellen in Erfahrung bringen lassen.
Der Beweis hat den Zweck, den Richter davon zu überzeugen, dass der Beweisgegenstand wahr ist. Notwendig, um den Beweis zu erbringen, ist die Glaubhaftmachung. Dies erfordert, dass das Gericht die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Tatsache hat. Dies ist dann der Fall, wenn es an der zu treffenden Annahme keine vernünftigen Zweifel geben kann
1. Behauptungs- und Beweislast
In der Regel muss derjenige, der etwas behauptet, dies auch beweisen - dies entspricht dem Beibringungsgrundsatz des Zivilprozesses. Dennoch müssen die Begriffe der Behauptungs- und Beweislast auseinandergehalten werden:
Die Behauptungslast beantwortet die Frage, zu wessen Lasten es geht, wenn eine Tatsache nicht vorgetragen wird.
Die Beweislast beantwortet die Frage, zu wessen Lasten es geht, wenn eine bestrittene Tatsache nicht bewiesen wird.
2. Grundsatz
Grundsätzlich gilt dabei die (ungeschriebene, aber in der Sache logische) Grundregel, dass derjenige etwas vortragen und beweisen muss, was für ihn zu einer günstigen Rechtsfolge führt.
Beispiel
K und V streiten sich über einen Kaufvertrag und V macht den Kaufpreis geltend.
Es gibt aber auch vereinzelt Regelungen, die die Last ausdrücklich verteilen.
Beispiel
§§ 280 I 2, 286 IV BGB regeln eine „Exkulpationsmöglichkeit“ hinsichtlich des Verschuldens für den Schuldner. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Gläubiger das Vertretenmüssen nicht beweisen muss - sondern eben gerade der Schuldner den Gegenbeweis antreten muss.
§ 179 I BGB: Der Vertreter ohne Vertretungsmacht haftet, wenn er seine Vertretungsmacht nicht nachweisen kann.
3. Gesetzliche Vermutungen
Das Gesetz enthält verschiedene Regelungen, die Vermutungen aufstellen, dass eine bestimmte Tatsache vorliegt oder nicht vorliegt (Tatsachenvermutung). Dann muss immer noch die Tatsache behauptet werden, aber der (Gegen-)Beweis obliegt dann der Gegenseite.
Beispiel
§ 477 BGB
Es gibt aber auch Rechtsvermutungen, bei denen aus dem (zu beweisenden) Vorliegen einer Tatsache auf eine bestimmte Rechtslage geschlossen wird.
Beispiel
§§ 891, 1006, 1362 BGB
4. Anscheinsbeweis
Der Anscheinsbeweis ist keine Umkehr der grundsätzlichen Beweislast, aber er erleichtert der beweisbelasteten Partei ihr Vorbringen. Wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung für die Richtigkeit der Behauptung des Beweisführers spricht, dieser aber den vollen Nachweis nicht führen kann, so geht die Rechtsprechung davon aus, dass auch im konkreten Fall auf eine konkrete Tatsache geschlossen werden darf.
Beispiel
Es handelt nach dem ersten Anschein schuldhaft, wer mit dem Pkw auf die Gegenfahrbahn gerät, gegen einen Baum fährt, auf den Vordermann auffährt, mit einem Vorfahrtsberechtigten zusammenstößt.