I. Einleitung
Wenn ein Betrieb auf einen neuen Inhaber übergeht, stellt sich für den Käufer die Frage nach einer Kündigung der bisherigen Arbeitsverhältnisse. Der Betriebserwerber hat zumeist ein Interesse daran, neue und eigene Arbeitnehmer einzustellen. Um den Bestand der bisherigen Arbeitsverhältnisse zu schützen, die im übergegangenen Betrieb begründet wurden, sollen Arbeitnehmer weitgehend so gestellt werden, als wäre der Betrieb durch Gesamtrechtsnachfolge übergegangen und damit auch ihre Arbeitsverhältnisse. Dieses Ergebnis wird durch die Anwendung von § 613a I 1 BGB erzielt.
Merke
Es geht also um den Schutz der Arbeitnehmer, die nicht darunter „leiden“ sollen, dass der Betrieb auf eine andere Person übergeht.
Wenn der Arbeitnehmer den Übergang des Arbeitsverhältnisses aus welchen Gründen auch immer nicht wünscht, kann er dem innerhalb eines Monats widersprechen (§ 613a VI 1 BGB).
II. Voraussetzungen
1. Betriebsübergang
Für das Vorliegen eines Übergangs ist entscheidend, dass eine abgrenzbare wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übergeht. Dies ist im Einzelfall anhand einer Gesamtbetrachtung zu prüfen.
Klausurtipp
Der Begriff des Betriebs wird vom BAG und dem EuGH unterschiedlich definiert. Nach dem BAG wird eine Organisation durch ihre arbeitstechnische Ziele abgegrenzt. Nach Ansicht des EuGH reicht dagegen die Verfolgung wirtschaftlicher Ziele als Abgrenzungskriterium aus. In einer Klausur muss das nicht unbedingt thematisiert werden. Ausreichend ist, dass man die nachfolgenden Prüfungspunkte knapp darstellt.
Die Gesamtbetrachtung erfolgt nach dem EuGH anhand der „7-Punkte-Prüfung“. Die folgenden 7 Punkte geben den Rahmen für die Abwägung, ob ein Betriebsübergang stattgefunden hat. Je nach konkretem Unternehmen und Einzelfall können dabei unterschiedliche Aspekte unterschiedlich gewichtet werden.

Merke
Als Faustregel gilt:
Wenn alle sächlichen Betriebsmittel im produzierenden Gewerbe, einschließlich der beschäftigten Arbeitnehmer übernommen werden und die Tätigkeit der Abteilung gleichbleibend und ohne nennenswerte Unterbrechung fortgesetzt wird, liegt ein Betriebsübergang vor. Wenn es sich um ein personalintensives Unternehmen (z. B. ein Reinigungsunternehmen) handelt, ist schon die Übernahme einer Gesamtheit von Arbeitnehmern oder von wesentlichem Know-how ein wesentliches Indiz für das Vorliegen eines Betriebsübergangs.
2. Durch Rechtsgeschäft
Der Betriebsübergang muss auf einem Rechtsgeschäft beruhen. Gemeint ist ein schuldrechtliches Geschäft im Wege eines Kaufes oder einer Verpachtung. Dieses Geschäft muss nicht wirksam sein. Entscheidend ist allein die Übernahme der betrieblichen Leitungsmacht.
Beispiel
Betriebsübergänge kraft Hoheitsaktes, Gesetzes oder qua Universalsukzession (Erbe) sind ausgeschlossen.
3. Übergang auf anderen Inhaber
§ 613 I 1 BGB setzt einen Wechsel der Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers voraus.
Beispiel
Wenn der Arbeitgeber eine Personenhandelsgesellschaft (GbR; OHG; KG etc.) ist, liegt kein Betriebsübergang vor, wenn sich nur die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises ändert.
Wenn der Arbeitgeber eine Kapitalgesellschaft ist (GmbH; AG), wird ein Wechsel nur bei einem asset deal (Form des Unternehmenskaufs) herbeigeführt, wenn also Wirtschaftsgüter wie Grundstücke, Gebäude, Maschinen und dergleichen einzeln erworben und auf den Käufer übertragen werden. Durch den Anteilserwerb bei einem share deal ändert sich wiederum nicht die Rechtspersönlichkeit des Betriebsinhabers, sondern es werden nur Anteile an den Betriebsinhaber veräußert.

III. Rechtsfolgen für den Erwerber
Der Erwerber tritt grundsätzlich mit sämtlichen Rechten und Pflichten in die Arbeitsverhältnisse ein, vgl. § 613a I BGB.
Das umfasst auch Verpflichtungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen (§ 613a I 2 - 4 BGB) sowie aus betrieblicher Übung.
Eine Ausnahme besteht nur, wenn der Arbeitnehmer dem Übergang widerspricht (§ 613a VI BGB). Das Arbeitsverhältnis soll schließlich nicht gegen den Willen des Arbeitnehmers auf den Erwerber übergehen.
IV. Haftung des bisherigen Arbeitgebers, § 613a II 1 BGB
Der bisherige Arbeitgeber haftet als Gesamtschuldner neben dem neuen Inhaber, sofern:
der Anspruch vor dem Zeitpunkt des Übergangs entstanden und
vor Ablauf eines Jahres nach diesem Zeitpunkt fällig geworden ist.
V. Unwirksamkeit von Kündigungen
Kündigungen wegen des Betriebsübergangs sind nach § 613a IV 1 BGB unwirksam. Es handelt sich um einen von §§ 1-3 KSchG unabhängigen Nichtigkeitsgrund. Unerheblich ist daher insbesondere, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt ist oder nicht (§ 13 III KSchG).
Der Nichtigkeitsgrund ist allerdings mittels Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen geltend zu machen. Andernfalls tritt die Fiktion nach §§ 4, 7 KSchG ein.
Kündigungen aus anderen sachlichen Gründen sind dagegen zulässig. Beispielsweise bei Verkleinerung des Betriebs oder Kostensenkung.
Merke
§ 613a IV BGB schützt nicht vor dem Verlust des Arbeitsplatzes aus Gründen, die sich jederzeit unabhängig vom Betriebsübergang aktualisieren können.