Durch die Natur des Besitzes als tatsächlicher Sachherrschaft ergibt sich im Kern recht „einfach“, dass derjenige, der diese Sachherrschaft erlangt, den Besitz erlangt und derjenige der sie verliert, den Besitz verliert. Der Besitz kann aber auch durch eine Einigung zweier Parteien erfolgen.
I. Besitzerwerb
1. Besitzerwerb kraft tatsächlicher Gewalt, § 854 I BGB
Wenn eine Person eine Sache, insbesondere bewegliche Sachen, bei sich trägt oder in der Hand hält, ist das Merkmal der tatsächlichen Sachherrschaft einfach zu beurteilen. Insofern regelt § 854 I BGB im Kern recht einfach, dass der Besitz durch Erlangung der tatsächlichen Gewalt erworben wird. Es handelt sich um einen Besitzerwerb durch Realakt. Das heißt, dass der Besitzerwerb in Übereinstimmung mit dem Vorbesitzer oder auch gegen dessen Willen (etwa bei Diebstahl, Unterschlagung) geschehen kann.
An vielen Dingen jedoch, die wir (mutmaßlich) besitzen, haben wir aber nicht in einem Maße Sachherrschaft, dass wir direkt auf sie zugreifen können - stell dir etwa die Frage, wo dein Fahrrad gerade steht und ob du jetzt in diesem Moment darauf zugreifen könntest. Natürlich liegt aber auch in solchen Fällen Besitz vor. Denn: Bei der Beurteilung, ob Besitz in solchen „Fernfällen“ vorliegt, greift auch die Verkehrsanschauung ein. Der Verkehr spricht in solchen Fällen demjenigen den Besitz zu, dem die Sache gehört.
Merke
Hier gibt es keine scharfe dogmatische Abgrenzung. In der Regel wird es in der Klausur aber auch nicht auf diese Fragestellung ankommen - sie sich vor Augen zu führen hilft jedoch, zu verstehen, dass es (nicht nur) auf das „In der Hand halten“ ankommen kann.
Zu verlangen, dass der Besitzer jederzeit die tatsächliche Sachherrschaft ausüben können muss, entspricht weder dem Wortlaut noch der Intention des Gesetzgebers. Vielmehr gilt: Wer einmal die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat, bleibt solange Besitzer, bis er den Besitz nach § 856 I BGB verliert.
Mit der Frage von „Fernfällen“ einher geht auch die Bedeutung des Besitz(begründungs)willens als natürlichem Willen, Sachherrschaft über eine Sache haben zu wollen. Nach herrschender Meinung handelt es sich dabei um einen natürlichen Willen, den auch Geschäftsunfähige oder beschränkt Geschäftsfähige bei hinreichender Reife haben können. Bei „Fernfällen“ muss sich dieser Wille nicht auf konkrete Sachen beziehen. Es wird vielmehr von einem generellen Besitzwillen ausgegangen, der sich auf alle Dinge bezieht, die sich im eigenen Herrschaftsbereich befinden - ohne dass sich der Wille auf jede einzelne Sache beziehen muss (andernfalls wärst du beispielsweise nicht Besitzer des Kugelschreibers, der in deinem Schrank liegt, wenn du dir nicht bewusst bist, dass er dort ist).
Ein weiteres unscharfes Merkmal des Besitzes ist, dass die Sachherrschaft einer gewissen zeitlichen Kontinuität bedarf - wenn du etwa in der Umkleide etwas anprobierst, bist du noch nicht Besitzer der Sache. Es handelt sich in solchen Fällen eher um eine (zivilrechtlich nicht relevante) Besitzlockerung des Ladeninhabers.
2. Besitzerwerb kraft Einigung, § 854 II BGB
Eine - praktisch weniger bedeutsame - weitere Möglichkeit, Besitz zu erlangen, ist durch Einigung. Diese Möglichkeit ist in § 854 II BGB geregelt: Die tatsächliche Gewalt muss nicht erlangt werden, wenn sich der bisherige Besitzer und der Erwerber einigen und der Erwerber auch so in der Lage ist, die Gewalt über die Sache auszuüben. Diese Einigung stellt nach herrschender Meinung stellt ein Rechtsgeschäft dar.
Beispiel
Schlüsselübergabe für eine Ferienwohnung sein
Veräußerung eines frei zugänglichen Ackers.
II. Besitzverlust
Der Besitzverlust - beziehungsweise genauer: die Besitzbeendigung - ist denkbar einfach in § 856 BGB geregelt: Der Verlust der tatsächlichen Gewalt über eine Sache bedeutet den Verlust des Besitzes (§ 856 I BGB).
Hier gibt es im Wesentlichen auch keine Besonderheiten zu beachten. § 856 II BGB regelt die einzige wesentliche Ausnahme: Bei Besitzeinschränkungen, die schon ihrer Natur nach nur vorübergehend sind (Besitzlockerungen), wird nicht von dem Verlust des Besitzes ausgegangen - beispielsweise, wenn man etwas aus Versehen liegen lässt, aber weiß wo die Sache ist und eine Möglichkeit der Rückerlangung des Besitzes besteht. Aber auch, wenn man seine Wohnung verlässt und in den Urlaub fährt oder ein Kraftfahrzeug auf einem Parkplatz abstellt.
Damit erfordert der Besitzverlust nach § 856 I BGB einen endgültigen Verlust der tatsächlichen Gewalt.