In diesem Artikel wird die Beihilfe (§ 27 StGB) behandelt. Sie stellt eine Form der Teilnahme an einer Straftat dar, bei der eine Person einen anderen bei der Begehung einer vorsätzlichen rechtswidrigen Tat unterstützt. Anders als der Täter verwirklicht der Gehilfe die Tat nicht selbst, sondern leistet durch physische oder psychische Unterstützung einen Beitrag, der die Tat fördert. Für die Strafbarkeit der Beihilfe genügt dabei ein sogenannter "untergeordneter Beitrag", jedoch muss der Gehilfe den Vorsatz besitzen, die Haupttat in ihrer konkreten Ausgestaltung zu fördern. Die Strafbarkeit der Beihilfe wird dabei gemäß § 27 II StGB milder bestraft als die Haupttat. Im Verlaufe dieses Artikels gibt es immer Verknüpfungen, Überschneidungen und Verlinkungen zu den unechten Unterlassungsdelikten, der Mittäterschaft sowie zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Du solltest die entsprechenden Artikel daher immer im Blick behalten, um die Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen der jeweiligen Rechtsinstitute nachzuvollziehen.
I. Allgemeines
1. Abgrenzung zur Täterschaft
Die Beihilfe kommt vor allem dann in Betracht, wenn eine Mittäterschaft mangels Tatplan oder mangels herausgehobener Stellung des Tatbeteiligten ausscheidet. Kann dem Täter etwa keine herausgehobene Stellung vorgeworfen werden, weil er keine Tatherrschaft hat, kann er unter bestimmten Voraussetzungen noch wegen Beihilfe durch einen untergeordneten Beitrag bestraft werden.
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Die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme kannst du dir in diesem Artikel durchlesen.
2. Prüfungsschema
Die Besonderheit des Prüfungsschemas der Beihilfe liegt vor allem darin, dass Bezug auf die Straftat eines anderen genommen werden muss.

II. Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat eines anderen
Der objektive Tatbestand des § 27 I StGB setzt zunächst eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat eines Anderen voraus. Grundsätzlich wird diese Haupttat bereits geprüft worden sein, wenn du zur Prüfung des möglichen Helfers kommst, da der Täter der Haupttat regelmäßig der Tatnächste sein wird. In diesem Fall kann auf diese Prüfung verwiesen werden. Eine Ausnahme besteht aber dann, wenn der Täter der Haupttat verstorben ist. Tote prüft man nicht, sodass die Prüfung der Haupttat in diesem Fall inzident in der Prüfung der Beihilfe zu erfolgen hat.
III. Hilfeleisten

Zweite Voraussetzung des objektiven Tatbestandes ist das Hilfeleisten.
Definition
Hilfeleisten meint jede Förderung der Haupttat. Förderung meint jede Gehilfentätigkeit, die die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert.
Merke
Eine Ursächlichkeit der Gehilfentätigkeit hinsichtlich des Erfolgseintritts im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel braucht es nicht! Vielmehr muss sie die Chance für den Eintritt des Taterfolges nur erhöht haben.
1. Mittel der Förderung
Das Hilfeleisten - und damit das Fördern der Haupttat - kann durch unterschiedliche Mittel geschehen. Im Folgenden werden die drei wichtigsten Mittel aufgezeigt.
a) Physische Beihilfe
Die physische Beihilfe meint jede aktive Tätigkeit, die die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder absichert. Wichtig dabei ist, dass es keinen Kontakt zum Haupttäter braucht. Vielmehr ist es nicht einmal erforderlich, dass der Haupttäter von der Aktivität des Gehilfen weiß.
Beispiel
T und F sind befreundet. T ist regelmäßig bei F zu Besuch und hat schon mehrmals mitbekommen, wie F und sein gut betuchter Nachbar N aneinander geraten. T braucht dringend Geld und beschließt, bei dem verhassten N einzubrechen. F weiß von nichts. Als N früher nach Hause kommt als von T geplant, erkennt F den T im Haus des N durch ein Fenster. Er erfasst die Situation und versteht, in welcher Misere sich F befindet. Er beschließt, F zu helfen und verwickelt den N in ein Streitgespräch, damit F Zeit hat zu flüchten. So geschieht es. T kommt am nächsten Tag zu F und prahlt damit, wie knapp er dem N entkommen sei. Erst jetzt äußert sich F und erklärt ihm, wie er ihm geholfen hat.
In diesem Beispiel ist F wegen Beihilfe zum Wohnungseinbruchdiebstahl strafbar, obwohl der Täter (T) gar nichts von der Hilfe durch F wusste.
b) Psychische Beihilfe
Besonders beliebt in Klausuren ist auch die psychische Beihilfe. Hierunter fällt etwa das Bestärken des bereits gefassten Tatentschlusses des Täters, eine spätere Zusage für eine zu leistende Unterstützung oder das Begleiten zur Tatausführung. Wichtig ist, dass der Täter irgendwie durch die Unterstützungshandlung in seiner Tatbereitschaft gefördert wird. Entscheidend für die Annahme psychischer Beihilfe ist, dass die Handlung des Gehilfen objektiv geeignet ist, das Tatvorhaben zu erleichtern oder zu bestärken, und dass dieser dies zumindest billigend in Kauf nimmt. Die psychische Beihilfe erfordert daher, dass der Gehilfe bewusst und gewollt Einfluss auf die Entschlusskraft des Täters nimmt und ihn in seinem Tatentschluss bestärkt oder stabilisiert.
c) Beihilfe durch Unterlassen
Die Beihilfe durch Unterlassen ist ein Sonderfall, der genau zum täterschaftlichen Unterlassen abgegrenzt werden muss. Beide Konstellationen setzen eine Garantenstellung des Tatbeteiligten voraus. Entscheidend ist, ob der Tatbeteiligte Tatherrschaft hatte. Nur wenn er diese nicht hatte, kommt eine Beihilfe durch Unterlassen in Betracht.
Spiegelbildlich zur physischen Beihilfe müsste hier die Tat durch das Einschreiten des garantenpflichtigen Tatbeteiligten erschwert worden sein. Das Nichthandeln muss die Tat also erleichtert haben. Streitig ist jedoch, wie die Abgrenzung von täterschaftlichem Unterlassen und Beihilfe durch Unterlassen vorzunehmen ist.
Problem
Abgrenzung täterschaftliches Unterlassen und Beihilfe durch Unterlassen
1. Tatherrschaftslehre
Diese Ansicht besagt, dass ein handlungspflichtiger Garant neben einem aktiven Täter nur Gehilfe sein kann, da ihm die tatsächliche Tatherrschaft fehlt. Der Unterlassende hat keine Kontrolle über das Geschehen und bleibt daher in einer unterstützenden Rolle.
Kritik: § 13 StGB fordert keine physische Tatherrschaft. Auch ohne Kontrolle soll der Garant bei Pflichtverletzung verantwortlich sein.
2. Pflichtdeliktslehre
Die Pflichtdeliktslehre betrachtet unechte Unterlassungsdelikte als Pflichtdelikte: Eine Verletzung der Garantenpflicht führt stets zur Täterschaft, sofern die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind.
Kritik: Diese Ansicht verwischt die Grenzen zwischen Täterschaft und Teilnahme, da jede Pflichtverletzung automatisch Täterschaft bedeuten würde.
3. Differenzierung nach Garantenrollen
Diese Theorie unterscheidet zwischen Beschützergarant (Täter) und Überwachungsgarant (Gehilfe). Die Verantwortlichkeit hängt von der Rolle des Garanten ab.
Kritik: Die Abgrenzung zwischen den Garantenrollen ist oft schwer, da das Gesetz solche Differenzierungen nicht explizit vorsieht.
4. Subjektive Theorie
Diese Ansicht schaut auf die innere Einstellung des Garanten: Ein Täterwille liegt vor, wenn der Garant die Tat als „eigene“ will, z. B. durch ein eigenes Interesse.
Kritik: Die subjektive Motivation ist oft schwer nachweisbar, insbesondere bei Unterlassungstaten.
5. Modifizierte Tatherrschaftslehre (h.M.)
Die herrschende Meinung spricht von potentieller Tatherrschaft: Täterschaft liegt vor, wenn der Garant durch Erfüllung seiner Pflicht das Geschehen hätte beherrschen können. Hierbei zählen Faktoren wie Nähe zum Geschehen und die „Macht“ über den Täter.
aa) Abgrenzung zum nebentäterschaftlichen Unterlassen
Täterschaftliches Unterlassen kann sowohl in Gestalt von nebentäterschaftlichem als auch mittäterschaftlichem Unterlassen vorliegen. Eine Abgrenzung mithilfe des eben aufgezeigten Meinungsstreits muss zunächst zwischen der Beihilfe durch Unterlassen und dem einzel- oder nebentäterschaftlichen Unterlassen vorgenommen werden. Diese Abgrenzung muss immer dann erfolgen, wenn die Beteiligten ersichtlich keinen gemeinsamen Tatplan haben.
Beispiel
Vater (V) beobachtet, wie sein Freund (F) seinem 12-jährigen Sohn (S) wiederholt kräftige Ohrfeigen gibt. Obwohl V als Vater eine besondere Schutzpflicht gegenüber S hat, greift er nicht ein und lässt die Misshandlungen geschehen.
Im obigen Beispiel hat V nach der Tatherrschaftslehre keine Tatherrschaft, da F die Misshandlungen aktiv ausführt. V könnte daher nur als Gehilfe durch Unterlassen angesehen werden.
Nach der Lehre von den Pflichtdelikten hatte V als Vater eine besondere Beschützergarantenpflicht gegenüber S. Die Verletzung dieser Pflicht im Rahmen des unechten Unterlassungsdeliktes (§ 223 StGB) macht V automatisch zum Täter durch Unterlassen.
Im Rahmen der Differenzierung nach der Garantenrolle ist V als Beschützergarant für S verantwortlich. Seine Untätigkeit würde ihn daher zum Täter durch Unterlassen machen.
Wenn V die Misshandlungen bewusst toleriert und ein eigenes Interesse daran hat, würde er nach der subjektiven Theorie als Täter durch Unterlassen gelten.
Nach der modifizierten Tatherrschaftstheorie hatte V potentielle Tatherrschaft, da er durch sein Eingreifen die Misshandlungen hätte verhindern können. Seine Nähe zum Geschehen und die besondere Schutzpflicht gegenüber S sprechen für eine Täterschaft durch Unterlassen.
Im Ergebnis ist eine Beihilfe abzulehnen und eine Einzel- bzw. Nebentäterschaft des V zu prüfen.
bb) Abgrenzung zum mittäterschaftlichen Unterlassen
Der oben aufgezeigte Meinungsstreit zwischen täterschaftlichem Unterlassen und Beihilfe durch Unterlassen hat, wie erwähnt, ebenfalls Bedeutung für die Abgrenzung von Beihilfe durch Unterlassen und mittäterschaftlichem Unterlassen. Es wird mithilfe des Meinungsstreits geprüft, ob überhaupt ein qualitativ derart starker Tatbeitrag (Mitwirkungshandlung) vorliegt, dass eine besonders herausgehobene Stellung des Tatbeteiligten und damit ein täterschaftliches Handeln beziehungsweise Unterlassen begründet werden kann. Nur wenn das der Fall sein sollte, kann in einem weiteren Schritt im Rahmen der Mittäterschaft auch eine Zurechnung der Tatbeiträge erfolgen. Dabei muss zwischen dem klassischen arbeitsteiligen mittäterschaftlichen Unterlassen und der Mittäterschaft durch Unterlassen zum Zwecke der Zurechnung des aktiven Tatbeitrages des tatnächsten Mittäters unterschieden werden.
aaa) Arbeitsteiliges mittäterschaftliches Unterlassen
Die herausgehobene Stellung der Tatbeteiligten ergibt sich bei arbeitsteiligem Unterlassen (gemeinsame Prüfung der Mittäterschaft) schon gezwungenermaßen aus der gemeinsamen Tatbestandsverwirklichung. In Fällen in denen zwei Täter den Tatbestand durch Unterlassen nur gemeinsam verwirklichen können, weil sie ihre aus der Garantenstellung ergebende Pflicht nur gemeinsam erfüllen können (arbeitsteiliges Zusammenwirken durch Unterlassen), muss der oben aufgezeigte Meinungsstreit nicht geführt werden, weil nicht nur ein Tatbeitrag zugerechnet werden muss, sondern eine wechselseitige Zurechnung erfolgen muss. Die Frage, ob eine Unterlassungstäterschaft als Mittäterschaft neben einem Aktivtäter überhaupt möglich ist, stellt sich also erst gar nicht. Beide Unterlassungstäter haben im Rahmen ihres gemeinschaftlichen Zusammenwirkens wegen ihrer nur gemeinsam erfüllbaren Pflicht naturgemäß eine tatbeherrschende Stellung, die durch den oben aufgezeigten Meinungsstreit nicht erst begründet werden muss.
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Ein Beispiel zum arbeitsteiligen Zusammenwirken durch Unterlassen im gemeinsamen Prüfungsaufbau der Mittäterschaft kannst du dir hier durchlesen.
bbb) Mittäterschaft durch Unterlassen und Zurechnung des aktiven Tatbeitrags des tatnächsten Mittäters
Verwirklicht nur ein Täter den Tatbestand voll und der andere teilweise (getrennte Prüfung der Mittäterschaft), wird nur ein Tatbeitrag (der des Tatnächsten) dem anderen zugerechnet, sodass die herausgehobene Stellung des Tatbeteiligten (= täterschaftliche Qualität des Tatbeitrages) erst geprüft werden muss. Der Meinungsstreit, wie mittäterschaftliches Unterlassen und Beihilfe durch Unterlassen voneinander abzugrenzen sind, muss also regelmäßig nur dann geführt werden, wenn neben einem Aktivtäter, der den Tatbestand bereits allein verwirklicht, eine weitere Person als Mittäter durch Unterlassen bestraft werden soll. Folglich wird dieser Meinungsstreit im Rahmen der Beihilfe immer dann geführt, wenn anschließend auch eine getrennte Prüfung der Mittäterschaft erfolgt, in welcher die Tathandlung des Aktivtäters dem unterlassenden Mittäter zugerechnet werden soll. Dem Unterlassenden muss mithin ein täterschaftliches Unterlassen vorgeworfen werden können, sodass die herausgehobene Stellung des Unterlassenden begründet werden kann.

Beispiel
Die Eltern V und M wollen ihrem Kind K eine “Lektion” erteilen. Sie beschließen, K durch wiederholte Schläge ins Gesicht zu bestrafen. V schreitet zur Tat und schlägt K mehrfach mit der Hand ins Gesicht. M steht daneben und attackiert K während der Tortur verbal.
An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, wann der oben aufgezeigte Meinungsstreit geführt werden muss. V verwirklicht den Tatbestand eigenständig voll, während es die Mutter unterlässt, einzuschreiten. Wegen des offensichtlich vorhandenen Tatplans muss eine Abgrenzung von Beihilfe durch Unterlassen und Mittäterschaft durch Unterlassen im Prüfungspunkt “Hilfeleisten” der Beihilfeprüfung vorgenommen werden. Fraglich ist also, ob eine Täterschaft der Mutter begründet werden kann oder ob es sich nur um eine Teilnahme (und somit um ein Hilfeleisten) der Mutter handelt.
M hat nach der Tatherrschaftslehre keine Tatherrschaft, da V die Misshandlungen aktiv ausführt. M könnte daher nur als Gehilfe durch Unterlassen angesehen werden.
Nach der Lehre von den Pflichtdelikten hatte M als Mutter eine besondere Beschützergarantenpflicht gegenüber K. Die Verletzung dieser Pflicht im Rahmen des unechten Unterlassungsdeliktes (§ 223 StGB) macht M automatisch zum (Mit-)Täter durch Unterlassen.
Im Rahmen der Differenzierung nach der Garantenrolle ist M als Beschützergarant für K verantwortlich. Ihre Untätigkeit würde sie daher zum Täter durch Unterlassen machen. Wenn M die Misshandlungen bewusst toleriert und ein eigenes Interesse daran hat, würde sie nach der subjektiven Theorie als Täter durch Unterlassen gelten.
Nach der modifizierten Tatherrschaftstheorie hatte M potentielle Tatherrschaft, da sie durch ihr Eingreifen die Misshandlungen hätte verhindern können. Ihre Nähe zum Geschehen und die besondere Schutzpflicht gegenüber K sprechen für eine Täterschaft durch Unterlassen.
Im Ergebnis ist eine Beihilfe abzulehnen und eine Mittäterschaft der M zu prüfen.
Merke
Die Argumentation des oben aufgeführten Meinungsstreits ändert sich ersichtlich nicht, nur weil es sich nicht um eine Nebentäterschaft, sondern um eine Mittäterschaft handelt. Vielmehr wird die Gemeinschaftlichkeit des Handelns erst in der sich anschließenden Prüfung der Mittäterschaft begründet, indem im Prüfungspunkt der Zurechnung nach § 25 II StGB kurz auf den bereits im Rahmen der Beihilfe geführten Meinungsstreit verwiesen und sodann das Vorhandensein eines gemeinsamen Tatplans festgestellt wird.
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Die genaue Vorgehensweise in der Klausur, in Fällen des mittäterschaftlichen Zusammenwirkens eines Aktiv- und eines Unterlassungstäters, kannst du dir im Artikel zur Mittäterschaft im Rahmen der Darstellung der getrennten Prüfung durchlesen.
2. Zusammenfassung der verschiedenen Handlungsformen

3. Sonderfälle der Beihilfe
a) Neutrale Handlungen
Die neutrale Beihilfe meint unterstützende Handlungen, die objektiv für eine Straftat förderlich sind, aber alltäglicher oder neutraler Natur sind und typischerweise keinen kriminellen Hintergrund haben. Dies umfasst z. B. das Verkaufen eines Messers in einem Messerladen, wobei das verkaufte Messer später zur Tat verwendet wird, ohne dass der Unterstützende konkrete Kenntnis von der geplanten Straftat hat. Der Schwerpunkt liegt in der Abgrenzung zwischen strafloser neutraler Handlung und strafbarer Beihilfe und wird vorzugsweise im Rahmen des Vorsatzes behandelt. Hatte derjenige, der eine objektiv neutrale Handlung vornimmt, Kenntnis vom späteren Geschehen (der Messerverkäufer wusste über die spätere Tat Bescheid, weil er ein Telefongespräch des Täters vor dem Laden mitbekam), ist er wegen Beihilfe zur späteren Straftat strafbar.
Klausurtipp
In der Klausur sollte im Rahmen des Prüfungspunktes “Hilfeleisten” darauf eingegangen werden, dass die Tat zwar durch die Handlung gefördert wurde, sie sich aber auch als objektiv neutral darstellt. Sodann sollte darauf verwiesen werden, dass auch objektiv neutrale Handlungen zu einer Strafbarkeit führen können, wenn der Handelnde Kenntnis über die geplante Tat hat. Im Vorsatz muss diese Kenntnis dann festgestellt oder abgelehnt werden, wodurch sich entscheidet, ob eine Strafbarkeit vorliegt.
b) Sukzessive Beihilfe
Die sukzessive Beihilfe bezieht sich auf Fälle, in denen eine Person erst nach Beginn der Haupttat, jedoch vor deren Beendigung, unterstützend eingreift. Die Strafbarkeit dieser Form der Beihilfe ist in der Rechtswissenschaft immer dann umstritten, wenn die Tat bereits vollendet, aber noch nicht beendet war, als der Gehilfe die Tat durch sein Tun förderte.
Problem
Sukzessive Beihilfe
Eine Ansicht vertritt, dass Beihilfe auch nach Vollendung, jedoch vor Beendigung der Haupttat möglich ist. Begründet wird dies damit, dass die Unterstützungshandlung die Tat noch fördern oder absichern kann. Die Rechtsprechung folgt dieser Auffassung und sieht eine sukzessive Beihilfe als strafbar an.
Eine andere Ansicht lehnt die Strafbarkeit der sukzessiven Beihilfe ab. Vertreter dieser Ansicht argumentieren, dass nach Vollendung der Haupttat keine Beihilfe mehr möglich sei und verweisen darauf, dass die Abgrenzung zur Begünstigung gemäß § 257 StGB sonst verschwimmen würde.
Differenzierende Ansicht: Eine vermittelnde Position differenziert zwischen verschiedenen Deliktsarten. Bei Dauerdelikten, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, wird eine sukzessive Beihilfe eher bejaht, während sie bei punktuellen Delikten abgelehnt wird.
Stellungnahme: Es ist der ersten Ansicht zu folgen. Eine Abgrenzung zwischen der sukzessiven Beihilfe und § 257 StGB kann zum einen nach der inneren Willensrichtung und zum anderen nach dem Zeitpunkt des Hilfeleistens bestimmt werden. Wenn die Tat vollendet, aber noch nicht beendet ist, liegt typischerweise eine sukzessive Beihilfe vor. Ist die Tat hingegen beendet, kommt regelmäßig nur eine Begünstigung in Betracht. Auch bei Delikten, die keine Dauerdelikte sind, kommt ein Hilfeleisten nach Vollendung in Betracht, ohne die Vorteile konkret zu sichern, sodass die vermittelnde Ansicht nicht vorzugswürdig ist.
Beispiel
T bricht in ein Juweliergeschäft ein und entwendet wertvollen Schmuck. Nachdem T das Geschäft verlassen hat (Vollendung Diebstahl), kontaktiert er B und bittet um Unterstützung beim Transport der Beute. B, die von dem Diebstahl Kenntnis hat, trifft sich mit T und hilft ihm, den Schmuck in ein sicheres Versteck zu bringen.
Nach der ersten Ansicht kann B wegen (sukzessiver) Beihilfe zum Einbruchdiebstahl bestraft werden. Nach der verneinenden Ansicht kommt nur eine Begünstigung in Betracht, weil die Tat nach dem Verlassen des Geschäfts bereits vollendet war. Auch nach der vermittelnden Ansicht kommt keine (sukzessive) Beihilfe in Betracht, da ein Diebstahl kein Dauerdelikt ist.
IV. Vorsatz
Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes der Beihilfe ist der sogenannte “doppelte Gehilfenvorsatz” von entscheidender Bedeutung. Der Gehilfe muss also nicht nur Vorsatz in Bezug auf seine Gehilfenhandlung vorweisen, sondern auch in Bezug auf die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat des anderen.
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Einen doppelten Vorsatz braucht es etwa auch im Rahmen der actio libera in causa (Doppelvorsatz im nüchternen Zustand) sowie bei der Anstiftung (doppelter Anstiftervorsatz) und der Mittäterschaft (Vorsatz in Bezug auf eigenen Tatbeitrag und Tatbeitrag des anderen Mittäters) und der mittelbaren Täterschaft (Vorsatz hinsichtlich der Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale durch den Tatmittler und Vorsatz hinsichtlich der Merkmale der mittelbaren Täterschaft).
1. Vorsatz in Bezug auf die vorsätzliche rechtswidrige Haupttat eines anderen
Der Gehilfe muss in seinem Vorsatz alle Umstände aufgenommen haben, die den objektiven und subjektiven Tatbestand sowie die Rechtswidrigkeit begründen. Sind deliktspezifische Absichten vorgeschrieben (Zueignungsabsicht beim Diebstahl) müssen diese beim Gehilfen zwar nicht selbst vorliegen, allerdings muss er hinsichtlich des Vorliegens dieser Absichten beim Haupttäter Vorsatz aufweisen. Dazu kommt, dass der Täter eine gewisse Vorstellung der tatsächlichen Konkretisierung der Tat hat. Beim Gehilfenvorsatz muss der Gehilfe zwar keine genaue Vorstellung der Tat haben, allerdings muss er durch sein Hilfeleisten erkennen, dass sich die Haupttat in einem bestimmten Spektrum möglicher Geschehensabläufe bewegt.
2. Vorsatz in Bezug auf das Hilfeleisten
Der Vorsatz des Gehilfen muss sich darüber hinaus auch auf sein Hilfeleisten beziehen. Er muss also darüber Kenntnis haben, dass sein Teilnehmerbeitrag die Tat fördert.
V. Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB
Die Tatbestandsverschiebung nach § 28 II StGB ist direkt nach dem subjektiven Tatbestand zu erläutern, während § 28 I StGB nach der Schuld in der Strafzumessung angesprochen werden muss. Das ergibt sich daraus, dass § 28 II StGB eine Durchbrechung der Akzessorietät darstellt. Wenn etwa beim Gehilfen strafschärfende Merkmale hinzukommen, die beim Täter fehlen, kann er trotzdem wegen des schwereren Delikts bestraft werden. Dafür müssen die zusätzlichen Tatbestandsmerkmale dann aber im Prüfungspunkt “Tatbestandsverschiebung, § 28 II StGB” geprüft werden.
Beispiel
T will in die Werkstatt des O einbrechen, um teure Maschinen zu stehlen. T geht zu B und fragt, ob er seinen Dietrich bekommt und klärt in grob über seinen Plan auf. B, der gewerbsmäßig stiehlt und deshalb über eine ganze Sammlung an Dietrichen verfügt, übergibt den passenden Dietrich.
Im obigen Beispiel ist B anders als T wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigem Einbruchdiebstahl (§§ 243 I 1, 2 Nr. 1 und 3 StGB) strafbar, während T nur wegen Einbruchsdiebstahl (§§ 243 I 1, 2 Nr. 1 StGB) strafbar ist. Im Rahmen des Prüfungspunktes der Tatbestandsverschiebung muss nach obigem Beispiel also geprüft werden, ob der B zusätzlich noch die Gewerbsmäßigkeit erfüllt.
Merke
§ 28 I StGB wird hingegen im Rahmen der Strafzumessung berücksichtigt, da es dort um strafbegründende Merkmale geht. Hierzu sogleich weiter unten.
VI. Strafzumessung, § 27 II und § 28 I StGB
Im Rahmen der Strafzumessung sollte kurz darauf eingegangen werden, dass beim Gehilfen obligatorisch eine Strafmilderung nach § 27 II StGB zu berücksichtigen ist.
Wenn dem Gehilfen strafbegründende Merkmale fehlen, die beim Täter aber vorliegen, muss zudem auf § 28 I StGB eingegangen werden. In diesem Fall kommt eine zusätzliche Strafmilderung nach § 28 I StGB in Betracht.
So ist etwa die Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 I StGB ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal, das beim Teilnehmer nicht selbst vorliegen muss, dessen Fehlen aber zu einer obligatorischen Strafmilderung nach § 28 I StGB für den Beteiligten führt.
Besondere Bedeutung erlangt § 28 I StGB auch im Rahmen der unechten Unterlassungsdelikte. Ist der Gehilfe kein Garant, der Angestiftete hingegen schon, muss dies ebenfalls im Rahmen der Strafzumessung angesprochen werden, weil die Garantenstellung gemäß § 13 I StGB ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal ist.