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Begründung von Arbeitsverhältnissen

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Arbeitsrecht

Thema

Arbeitsverhältnis

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Arbeitsvertrag
Fehlerhafter Vertrag
APR
Recht zur Lüge
Anfechtung
§ 11 AGG
§ 125 BGB
§ 126 BGB
§ 305 BGB
§ 310 BGB
§ 142 BGB
§ 119 BGB
§ 123 BGB
Gliederung
  • I. Vertragsanbahnung

    • 1. Benachteiligungsfreie Stellenausschreibung, § 11 AGG

    • 2. Bewerbungsgespräch

  • II. Abschluss des Arbeitsvertrags

    • 1. Gegenseitiger Vertrag

    • 2. Grundsatz der Formfreiheit

    • 3. AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen

  • III. Nichtigkeitsgründe

    • 1. § 134 BGB 

    • 2. Nichtigkeit wegen Anfechtung, § 142 I BGB

      • a) Irrtum über Eigenschaften des Arbeitnehmers, § 119 II BGB

      • b) Arglistige Täuschung (§ 123 BGB)

        • aa) Täuschung durch aktives Tun

        • bb) Zulässigkeit von Fragen

        • cc) Arglistige Täuschung durch Verschweigen

    • 3. Folgen von Nichtigkeitsgründen

      • a) Vor Antritt der Arbeit

      • b) Nach Antritt der Arbeit

        • aa) Anfechtung

        • bb) Sonstige Nichtigkeitsgründe

Die Begründung von Arbeitsverhältnissen richtet sich im Wesentlichen bzw. mit wenigen Modifikationen nach den allgemeinen Regeln des BGB. Bei den Abweichungen wird den Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses Rechnung getragen.

I. Vertragsanbahnung

1. Benachteiligungsfreie Stellenausschreibung, § 11 AGG

Eine Stellenausschreibung muss geschlechtsneutral und benachteiligungsfrei formuliert sein.  Benachteiligungen aus Gründen der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder dergleichen  (vgl. § 1 AGG) sind verboten. Doppeldeutige Formulierungen wie z.B. „akzentfreies Deutsch“ sind daher zu vermeiden.

Im Falle eines Verstoßes entsteht zwar kein Anspruch auf Einstellung. Die betroffene Person kann jedoch Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach § 15 I und II AGG geltend machen.  Nach Auffassung der Rechtsprechung gilt dies auch dann, wenn keine Bewerberkonkurrenz bestand. Der Entschädigungsanspruch ist im Übrigen verschuldensunabhängig.

2. Bewerbungsgespräch

Beim Bewerbungsgespräch muss der Bewerber wahrheitsgemäß antworten, sofern es sich um zulässige Fragen handelt.

Unzulässige beziehungsweise kritische Fragen betreffen beispielsweise den Familienstand/Schwangerschaft/Kinderwunsch sowie eine Religionszugehörigkeit, Krankheit, Behinderung oder Schwerbehinderteneigenschaft. In diesen Fällen besteht ein sogenanntes „Recht zur Lüge“.

II. Abschluss des Arbeitsvertrags

1. Gegenseitiger Vertrag

Beim Arbeitsvertrag handelt es sich um einen gegenseitigen Vertrag, für den die allgemeinen Regeln des BGB gelten (z. B. §§ 145 ff., 104 ff., insbesondere § 113 BGB).

Der Mindestinhalt ergibt sich aus § 2 I 2 Nachweisgesetz, der zudem schriftlich (§ 126 BGB) nachgewiesen werden muss. Dieser Nachweis kann direkt im Arbeitsvertrag erfolgen oder durch ein gesondertes Nachweisschreiben erbracht werden.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 2 I 2 NachwG neben den § 611a BGB notieren, um dir einen Überblick zu verschaffen.

Grundsätzlich gilt auch beim Arbeitsvertrag das Prinzip der Vertragsfreiheit (§ 105 GewO), soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften, Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrages oder Betriebsvereinbarung entgegenstehen.

Beispiel

  • §§ 6 ff. AGG: Benachteiligungsverbot

  • § 164 II SGB IX: Benachteiligungsverbot schwerbehinderter Arbeitnehmer

  • § 78a BetrVG: Schutz Auszubildender 

  • § 99 BetrVG: Beteiligung des Betriebsrates in Personalangelegenheiten

  • TzBfG i.V.m. § 620 III BGB: Schutz bei befristeten Arbeitsverträgen

2. Grundsatz der Formfreiheit

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitsverträge formfrei geschlossen werden können.

Ausnahmsweise kann aber bei Benachteiligung oder übermäßiger Bindung des Arbeitnehmers die Schriftform vorgesehen sein.

Beispiel

  • Befristung von Arbeitsverhältnissen, § 14 IV TzBfG

  • Vereinbarung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots, § 74 I HGB (während der Dauer des Arbeitsverhältnisses folgt das Wettbewerbsverbot aus der Treuepflicht bzw. § 60 HGB analog)

Zu beachten ist ferner, dass die wesentlichen Vertragsbedingungen nach § 2 I 1 NachwG (bis auf Weiteres) schriftlich (§ 126 BGB) niederzulegen sind. Da der Nachweis in der Regel direkt im Arbeitsvertrag erbracht wird, erstreckt sich das Schriftformerfordernis faktisch auf den gesamten Arbeitsvertrag. 

3. AGB-Kontrolle von Arbeitsverträgen

Die §§ 305-310 BGB gelten (mit Ausnahme des § 305 II, III BGB) auch für Arbeitsverträge. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zu § 310 IV 1 BGB. 

Nach § 310 IV 2 BGB sind stets die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen.

Merke

§§ 305-310 BGB gelten nicht für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, § 310 IV 1 am Ende. Sie gelten aber für Arbeitsverträge, mit Ausnahme von § 305 II und III BGB (§ 310 II 2 Hs. 2 BGB).

Beispiel

  • Bei Vertragsstrafenregelungen ist § 309 Nr. 6 BGB zu beachten.

  • Ausschlussfristen können wegen § 309 Nr. 7 BGB nicht wirksam Ansprüche des Arbeitnehmers aus vorsätzlicher Schädigung nach Ablauf einer bestimmten Zeit ausschließen.

III. Nichtigkeitsgründe

Der Arbeitsvertrag kann wegen Verstößen gegen gesetzliche Verbote oder infolge einer Anfechtung nichtig sein.

1. § 134 BGB 

Verbotsgesetze im Sinne des § 134 BGB können sein:

  • Rechtsnormen,

  • Tarifverträge oder

  • Betriebsvereinbarungen 

2. Nichtigkeit wegen Anfechtung, § 142 I BGB

a) Irrtum über Eigenschaften des Arbeitnehmers, § 119 II BGB

Irrtümer über Eigenschaften des Arbeitnehmers hinsichtlich seiner Vorbildung, fachlichen Fähigkeiten oder seines Gesundheitszustandes sind denkbar. Sie berechtigen nur zur Anfechtung, wenn sie erheblich sind, das heißt verkehrswesentlich sind und in unmittelbarer Beziehung zum Inhalt des Arbeitsvertrages stehen.

Das trifft nicht auf eine Schwangerschaft oder Krankheit des Arbeitnehmers zu, da es sich hier nur um vorübergehende Zustände handelt.

b) Arglistige Täuschung (§ 123 BGB)

aa) Täuschung durch aktives Tun

Beantwortet der Arbeitnehmer eine Frage wahrheitswidrig, begeht er unter Umständen eine widerrechtliche, arglistige Täuschung im Sinne des § 123 BGB. So kann der Arbeitgeber wegen arglistiger Täuschung anfechten, wenn

  • die Frage zulässig war,

  • der Arbeitnehmer arglistig täuschte, also wusste oder es für möglich hielt, dass seine Antwort falsch war und diese Tatsache für die Entscheidung des Arbeitgebers ausschlaggebend war und

  • die Tatsache für die Einstellung kausal war.

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Merke

Beantwortet der Arbeitnehmer eine zulässige Frage wahrheitswidrig, handelt er rechtswidrig. Ist die Frage unzulässig, ist die wahrheitswidrige Beantwortung nicht rechtswidrig (sogenanntes „Recht zur Lüge“) - in diesen Fällen täuscht er somit nicht arglistig.

bb) Zulässigkeit von Fragen

Im Ausgangspunkt ist eine Frage zulässig, wenn der Arbeitgeber im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Beantwortung seiner Frage hat. Dann besteht eine Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers. Sie ist unzulässig, falls ein Benachteiligungsverbot im Sinne des § 7 AGG verletzt wird und keine Ausnahme gemäß § 8 AGG besteht. 

Merke

Es handelt sich hierbei im Kern um eine Abwägung der widerstreitenden Interessen in Form des Informationsbedürfnisses des Arbeitgebers (Art. 12, 14, 2 I GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers (Art. 2 I i.V.m Art. 1 I GG).

Hierzu haben sich einige wesentliche Fallgruppen herausgebildet:

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cc) Arglistige Täuschung durch Verschweigen

Eine arglistige Täuschung durch Verschweigen von Tatsachen kommt auch in Betracht. Voraussetzung ist, dass den Arbeitnehmer eine Aufklärungspflicht trifft. Der Arbeitnehmer muss nur solche Tatsachen mitteilen, deren Mitteilung der Arbeitgeber nach Treu und Glauben erwarten darf. Das ist nicht schon bei allen ungünstigen Tatsachen anzunehmen, sondern nur bei solchen, die für den Arbeitnehmer erkennbar die Erfüllung der Arbeitspflicht von vornherein unmöglich machen.

Beispiel

Ein Arbeitssuchender verschweigt, dass er zeitnah eine rechtskräftige Freiheitsstrafe antreten muss.

3. Folgen von Nichtigkeitsgründen

Hinsichtlich der Folgen von Nichtigkeitsgründen ist danach zu differenzieren, ob das Arbeitsverhältnis durch Arbeitsaufnahme bereits in Vollzug gesetzt wurde oder noch nicht.

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a) Vor Antritt der Arbeit

Vor Antritt der Arbeit führt ein Nichtigkeitsgrund nach den allgemeinen Regeln zur Nichtigkeit ex tunc (Nichtigkeit von Anfang an). Es erfolgt eine Rückabwicklung nach dem Kondiktionsrecht.

b) Nach Antritt der Arbeit

Nach Antritt der Arbeit gestaltet sich die Beurteilung schwieriger, da ein (möglicherweise langjähriges) Arbeitsverhältnis aufgrund der Vielzahl an wechselseitigen Ansprüchen nur schwer bis unmöglich abzuwickeln ist.

aa) Anfechtung

Die Anfechtung nach Antritt der Arbeit führt daher nur zur Nichtigkeit ex nunc. Eine Rückabwicklung nach Kondiktionsrecht wäre für den Arbeitnehmer unangemessen (§§ 818 II, III BGB).

bb) Sonstige Nichtigkeitsgründe

Für sonstige Nichtigkeitsgründe, die nicht von vornherein die ex-tunc Nichtigkeit vorsehen, wurde die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis oder auch fehlerhaften Arbeitsverhältnis entwickelt. 

Ein faktisches Arbeitsverhältnis liegt vor, wenn ein fehlerhafter Arbeitsvertrag vorliegt und das Arbeitsverhältnis durch die Eingliederung des Arbeitnehmers in den Betrieb in Vollzug gesetzt wurde.

Das faktische Arbeitsverhältnis kann jederzeit durch formlose Erklärung eines Partners beendet werden. 

Ist der Arbeitnehmer minderjährig oder geschäftsunfähig, hat er quasivertragliche Leistungs- und Schadensersatzansprüche, insbesondere auf Entgelt für seine Arbeitsleistung. Der Arbeitgeber hingegen hat nur Ansprüche aus §§ 823 ff. BGB, die verschuldensabhängig sind. Dadurch wird dem Minderjährigenschutz Rechnung getragen.

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