I. Grundlagen
Die wenigsten Willenserklärungen werden ganz genau so formuliert, dass es keine Zweifel gibt oder wie das Gesetz es vorschreibt (also beispielsweise die Nutzung der Formulierung "Ich fechte an..." bei einer Anfechtung). Bei solchen Unklarheiten wird der konkrete Inhalt der Willenserklärung im Wege der Auslegung bestimmt.
Hierbei ist die Frage,
ob eine Willenserklärung vorliegt, strikt von der Frage zu trennen,
welchen Inhalt sie hat.
Beides kann jedoch durch eine Auslegung ermittelt werden.
Die Auslegung des Inhalts setzt voraus, dass bereits eine gültige Willenserklärung (Abgabe und Zugang) gegeben ist. Ziel der Auslegung ist es, den Sinn zu ermitteln, der für die rechtliche Beurteilung der Erklärung maßgeblich ist. Es wird zwischen natürlicher Auslegung nach § 133 BGB und normativer Auslegung nach § 157 BGB unterschieden:
§ 133 BGB regelt seinem Wortlaut nach die Auslegung von Willenserklärungen.
§ 157 BGB regelt seinem Wortlaut nach die Auslegung von Verträgen.
In der Regel werden beide Normen bei der Auslegung von Willenserklärungen gemeinsam zitiert. § 133 BGB ist bei der Auslegung von Testamenten und sonstigen nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen allein zu zitieren. Nur § 157 BGB ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung einschlägig.
II. Natürliche Auslegung, § 133 BGB
Im Rahmen der natürlichen Auslegung nach § 133 BGB ist der wirkliche Wille zu ermitteln.
§ 133 BGB gilt bei nichtempfangsbedürftigen Willenserklärungen wie Testamenten, bei einseitigen Erklärungen in Erbverträgen und falls der innere Geschäftswille des Erklärenden (ungeachtet des Wortlauts der Erklärung) vom Erklärungsempfänger richtig erkannt wurde.
Anknüpfungspunkt der natürlichen Auslegung nach § 133 BGB ist damit der Erklärende und das von ihm tatsächlich Gewollte.
III. Normative Auslegung, §§ 133, 157 BGB
Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen und Erklärungen an die Allgemeinheit ist in der Regel normativ (wertend) zu ermitteln, was aus Sicht eines objektivierten Erklärungsempfängers als gewollt erscheint. § 133 BGB (subjektive Komponente) wird durch § 157 BGB (objektive Komponente) ergänzt. Zu zitieren sind beide Normen.
Relevant ist der objektive Empfängerhorizont, das heißt Anknüpfungspunkt der normativen Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ist ein objektiver Dritter in der Position des Erklärungsempfängers. Entscheidend ist, was aus seiner Sicht als vom Erklärenden gewollt erscheint.
Bei der Vornahme der Auslegung des Inhalts einer Willenserklärung ist auf folgenden Auslegungskanon zurückzugreifen:

Merke
Selbst der klare und eindeutige Wortlaut einer Willenserklärung bildet gemäß § 133 BGB keine Grenze für die Auslegung, sofern sich unter Würdigung aller Begleitumstände ein anderes Ergebnis als der Wortsinn ergibt!
1. Erklärungen an die Allgemeinheit
Bei Erklärungen an die Allgemeinheit ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass sich diese an einen unbestimmten Personenkreis richten. Daher sind nur solche Begleitumstände für die Auslegung heranzuziehen, die für alle potentiellen Erklärungsempfänger erkennbar sind, da sie sich zum Beispiel aus der Urkunde selbst ergeben.
Beispiel
Satzungen von Vereinen
AGs
GmbHs
Auslobung
Eigentumsaufgabe
2. Formbedürftige Willenserklärungen
Ist eine Willenserklärung formbedürftig, muss der Erklärungsinhalt in der Urkunde selbst angedeutet werden (Andeutungstheorie, siehe Erbrecht). Die Auslegung darf sich also nur auf dasjenige beschränken, das auch innerhalb der Form erfolgt ist.
3. Willenserklärungen auf Internetplattformen
Der Erklärungsinhalt von Erklärungen, die im Rahmen einer Internetauktion, etwa bei eBay, abgegeben werden, ist unter Berücksichtigung der AGB des Betreibers der Internetplattform zu bestimmen (AGB als Auslegungshilfe). Dasselbe gilt für durch Amazon vermittelte Käufe („A bis Z Garantie“ von Amazon) oder Zahlungen über Paypal („Käuferschutz“). Hierbei wird der AGB-Verwender nicht selbst Partei des Vertrags, für den die AGB relevant sein sollen. Jeder Vertragspartner hat darauf zu achten, wie der andere Teil die AGB verstehen musste.
Bei Kaufverträgen über das Internet gibt regelmäßig der Käufer einen Antrag ab. Dies geschieht auf der Grundlage seines Verständnisses der AGB des Plattformbetreibers. Zu klären ist sodann, wie der Verkäufer den Antrag des Käufers verstehen musste. Entscheidend ist, wie der Käufer die AGB aus Sicht eines objektivierten Verkäufers verstehen durfte und nicht wie der Verkäufer die AGB versteht.