Schuldverhältnisse zwischen Personen können in unterschiedlicher Form in Klausuren auftauchen. Zu unterscheiden ist zwischen gesetzlichen, quasivertraglichen und rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen, auf die teilweise unterschiedliche Normen des Schuldrechts anwendbar sind:

I. Gesetzliche Schuldverhältnisse
Die wichtigsten gesetzlichen Schuldverhältnisse entstehen durch:
ungerechtfertigte Bereicherung, §§ 812 - 822 BGB (Kondiktionsrecht)
unerlaubte Handlungen, §§ 823 - 853 BGB (Deliktsrecht)
Geschäftsanmaßung, § 687 II BGB.
Merke
Abschnitt 1 (§§ 241 - 304 BGB) sowie Abschnitt 4 - 7 (§§ 362-432 BGB) des Allgemeinen Teils des Schuldrechts gelten nicht nur für vertragliche, sondern auch für gesetzliche Schuldverhältnisse. Die Überschriften der entsprechenden Abschnitte des BGB sprechen von „Schuldverhältnissen“ und schränken insofern nicht ein.
II. Quasivertragliche Schuldverhältnisse
Die wichtigsten quasivertraglichen Schuldverhältnisse entstehen durch:
Verschulden bei Vertragsschluss, § 311 II, III BGB (culpa in contrahendo, c.i.c.)
Geschäftsführung ohne Auftrag, § 677 BGB (GoA)
eine Vindikationslage nach § 985 f. BGB (Eigentümer-Besitzer-Verhältnis, §§ 987-1003 BGB).
Merke
Abschnitt 1 (§§ 241 - 304 BGB) sowie Abschnitt 4-7 (§§ 362 - 432 BGB) des Allgemeinen Teils des Schuldrechts gelten auch für quasivertragliche Schuldverhältnisse (siehe oben). Das Vindikationsrecht enthält für die Herausgabe von Nutzungen und für die Leistungsstörungen in §§ 987 - 993 BGB zudem Sonderregeln.
III. Vertragliche Schuldverhältnisse
Für vertragliche Schuldverhältnisse gilt der gesamte allgemeine Teil des Schuldrechts (§§ 241 - 432 BGB) einschließlich der Abschnitte 2 (AGB-Recht, §§ 305 ff. BGB) und 3 (Schuldverhältnisse aus Verträgen, §§ 311 ff. BGB).

1. Streng einseitige Schuldverhältnisse
Bei einem streng einseitigen Schuldverhältnis hat nur eine Partei Verpflichtungen.
Beispiel
Bürgschaft, § 765 BGB
Schenkungsversprechen, § 518 BGB
Schuldversprechen, § 780 BGB
2. Unvollkommen zweiseitige Schuldverhältnisse
Hierbei handelt es sich um Schuldverhältnisse, in denen eine Partei stets Pflichten hat, während die andere Partei gegebenenfalls verpflichtet ist.
Beispiel
Auftrag, §§ 662 - 674 BGB: Der Beauftragte ist stets verpflichtet, den Auftrag ordnungsgemäß auszuführen (§ 662 BGB); der Auftraggeber ist je nach Absprache verpflichtet, Aufwendungsersatz zu leisten (§ 670 BGB).
Verwahrung, §§ 688 - 700 BGB: Der Verwahrer wird stets verpflichtet, eine ihm übergebene Sache aufzubewahren (§ 688 BGB); der Hinterleger ist je nach Absprache zum Aufwendungsersatz verpflichtet (§ 693 BGB).
3. Zweiseitige Schuldverhältnisse
Bei zweiseitigen Schuldverhältnissen haben beide Parteien Pflichten, die jedoch nicht im Synallagma stehen.
Beispiel
Unverzinsliches Darlehen: Die Pflicht des Darlehensgebers besteht in der Zur-Verfügung-Stellung des Darlehens (§ 488 I 1 BGB); die Pflicht des Darlehensnehmers besteht in der Rückerstattung des Darlehens (§ 488 I 2 Fall 2 BGB).
Leihe: Die Pflicht des Verleihers besteht in der unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung (§ 598 BGB); die Pflicht des Entleihers besteht in der Rückgabe der Sache (§ 604 BGB).
4. Gegenseitige Verträge
Gegenseitige Verträge, oder auch Austauschverträge, bestehen, wenn auf jeder Seite zumindest eine Pflicht im Synallagma besteht. Das ist der Fall, wenn eine Pflicht eingegangen wird, damit die andere Seite auch eine Pflicht übernimmt.
Hierzu gibt es den lateinischen Merkspruch: „do, ut des“ - „facto, ut facias“; Ich gebe, damit du gibst - Ich tue, damit du tust.
Beispiel
Kaufvertrag (§ 433 BGB): Pflicht des Verkäufers zur Übergabe und Übereignung einer Sache bzw. zur Verschaffung eines Rechts (§ 433 I 1 BGB) sowie Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung (§ 433 II BGB).
Mietvertrag (§ 535 BGB)
Dienstvertrag (§ 611 BGB)
Werkvertrag (§ 631 BGB)
5. Konsequenz der Unterscheidung
Konsequenz der gegenseitigen (synallagmatischen) Verknüpfung der Leistungspflichten ist die Anwendbarkeit der §§ 320 - 326 BGB (Überschrift: Gegenseitiger Vertrag):
Die Parteien können gemäß § 320 BGB die Einrede des nicht erfüllten Vertrages geltend machen und so die Anspruchsdurchsetzung hemmen. In der Konsequenz kann die Partei, welche die Einrede geltend macht, gemäß § 322 BGB zur Leistung "Zug um Zug" verurteilt werden.
Die Parteien können gemäß § 323 BGB zurücktreten, mit der Konsequenz des Entstehens eines Rückgewährschuldverhältnisses.
Gemäß § 326 I BGB entfällt der Anspruch auf die eine (synallagmatische) Leistung, wenn die andere Leistung unmöglich ist.
Merke
Aber auch bei gegenseitigen Verträgen musst du genau untersuchen, ob Vertragspflichten im Synallagma stehen. Das gilt regelmäßig für die vertraglichen Hauptpflichten, nicht aber zwingend auch für alle Nebenpflichten. Nur soweit ein Synallagma gegeben ist, ist etwa § 320 BGB anwendbar. Wegen anderer, nicht-synallagmatischer Pflichten, kann eine Leistung nicht zurückgehalten werden.
Merke: Nicht ein Vertrag als Ganzes ist synallagmatisch, sondern einzelne Leistungspflichten. Das heißt, dass auch in einem gegenseitigen Vertrag nicht alle Leistungspflichten im Synallagma stehen.
Die §§ 320 - 326 BGB sind also nur bei gegenseitigen Leistungspflichten anwendbar und somit nicht im Rahmen (unvollkommen) zweiseitiger oder einseitiger Verträge.
Bei allen Vertragstypen ist das allgemeine Leistungsstörungsrecht anwendbar, also insbesondere die §§ 275, 311a BGB (Unmöglichkeit) oder die §§ 280 ff. BGB (Vertraglicher Schadensersatz).
Bei den nicht-synallagmatischen Verträgen finden aber jedenfalls die jeweils vertragsspezifischen Regelungen Anwendung (also etwa: § 766 BGB als Formerfordernis des Bürgschaftsversprechens oder die Ausführungspflicht im Rahmen eines Auftrags gemäß § 662 BGB).
IV. Gemischte und atypische Verträge
Aufgrund der Privatautonomie können die Parteien den Inhalt schuldrechtlicher Verträge beliebig ausgestalten (Inhaltsfreiheit).

1. Typenkombinationsvertrag
Definition
Ein Typenkombinationsvertrag liegt vor, wenn die charakteristischen Leistungen gesetzlich normierter Vertragstypen so miteinander kombiniert werden, dass eine Gesamtheit von unterschiedlichen Leistungen geschuldet ist.
Beispiel
Beherbergungsvertrag: Der Hotelier muss das gebuchte Hotelzimmer zum Gebrauch überlassen (Miete, § 535 BGB), den üblichen Hotelservice erbringen (Dienstvertrag, § 611 BGB) und den Gast verköstigen (Werkvertrag, § 631 BGB).
Auf die jeweiligen Vertragsteile finden die für sie einschlägigen Vorschriften des BGB nebeneinander Anwendung (sogenannte Kombinationstheorie). Jede Pflicht wird nach ihrem eigenen Typus beurteilt (z. B. Sachmängel nach Kaufrecht, Aufwendungsersatz nach Auftragsrecht). Bei Normgegensätzen, etwa zur Auflösung des Vertrages als Ganzes, setzt sich die dem Vertragszweck, seinem rechtlichen oder wirtschaftlichen Schwerpunkt, und der Interessenlage der Parteien am besten entsprechende Bestimmung durch. Anders kann es sein, wenn der Parteiwille dahingeht, den Vertrag nur teilweise aufheben zu wollen und dies auch sinnvoll machbar ist.
2. Typenmischvertrag
Definition
Um einen Typenmischvertrag handelt es sich, wenn vertragstypcharakterisierende Leistungen nicht miteinander kombiniert werden, sondern zu einer einzigen Leistung verschmolzen werden.
Beispiel
Gemischte Schenkung: Der Empfänger erhält die Leistung bewusst zu einem Preis unter Marktwert. In Höhe der Differenz zwischen Marktwert und Kaufpreis erfolgt die Leistung unentgeltlich (Schenkung).
Es gelten die Vorschriften des Vertragstyps, der den Schwerpunkt des Vertrags bildet („Schwerpunkt- bzw. Absorptionstheorie“). Anerkannt ist, dass hier die Kombinationstheorie aufgrund des als einheitliches Ganzes anzusehenden Vertrages nicht angewendet werden kann. Der Eigenart des Vertrags wird vielmehr grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht, nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt. Darum ist je nach Mischform ausgehend von Parteiwille, Sinn und Zweck des Vertrages im Einzelfall ein interessengerechter Ausgleich zu suchen. Bei Normwidersprüchen ist auf den Schwerpunkt des Vertrages abzustellen.
Klausurtipp
Es gilt beim Typenmisch- sowie beim Typenkombinationsvertrag das Gleiche: Eine einheitliche Rechtsprechung gibt es nicht, keine der Theorien bietet eine für alle Fälle zufriedenstellende Lösung. Im Ergebnis ist die Entscheidung anhand des Parteiwillens und der objektiven Interessenlage (§§ 133, 157 BGB) zu treffen, auch wenn die hier dargestellten Ansichten eine grundlegende Tendenz der Rechtsprechung zeigen.
3. Atypische Verträge
Definition
Atypisch sind Verträge, die sich keinem Vertragstyp zuordnen lassen und weder eine Kombination noch eine Mischung gesetzlicher Vertragstypen sind.
Beispiel
Schuldbeitritt
Garantievertrag
Leasing
Franchising
Mangels spezieller Normen sind sie nach dem allgemeinen Schuldrecht (§§ 241 ff. BGB) zu beurteilen. Soweit Ähnlichkeiten mit "typischen" Verträgen bestehen, können Vorschriften der gesetzlichen Typen analog angewendet werden (z. B. Anwendung von Mietrecht oder Kaufrecht im Leasing).