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Allgemeine Geschäftsbedingungen (§§ 305 ff. BGB)

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Themen

AGB-Recht, Verbraucherschutz

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AGB
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§ 305 BGB
§ 305a BGB
§ 305c BGB
§ 306 BGB
§ 307 BGB
§ 309 BGB
§ 310 BGB
Gliederung
  • I. Funktion von AGB

    • 1. Hintergrund der Regelung

  • II. Prüfungsreihenfolge

    • 1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff., § 310 IV 1 BGB

    • 2. Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 I BGB

    • 3. Einbeziehungskontrolle (§§ 305 II, III, 305a BGB)

      • a) Prüfung der §§ 305 II, III, 305a BGB

      • b) Rechtsfolge bei Nichteinbeziehung

    • 4. Auslegung

    • 5. Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB)

    • 6. Überraschende Klausel (§ 305c BGB)

    • 7. Transparenzkontrolle (§ 307 I 2, III 2 BGB)

    • 8. Inhaltskontrolle (§§ 307 - 309 BGB)

I. Funktion von AGB

Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) werden oft als „selbstgeschaffenes Recht der Wirtschaft“ bezeichnet. AGB können zwar de facto die Funktion von Gesetzen einnehmen, sind aber mangels Rechtssetzungsbefugnis keine Rechtsnormen. 

Im Rahmen von AGB können die Parteien vom dispositiven Gesetzesrecht abweichen, um ihren speziellen Bedürfnissen näherzukommen. Dem sind jedoch auch Grenzen gesetzt, die sich aus den §§ 305 ff. BGB ergeben. AGB können in eine Vielzahl schuldrechtlicher Verträge einbezogen werden. Damit können sich auch in eine Vielzahl von Klausuren eingebaut werden. 

1. Hintergrund der Regelung

Die §§ 305 - 310 BGB werden erst verständlich, wenn man sich klar macht, dass AGB in der Regel nicht aktiv zur Kenntnis genommen und durchgelesen werden. Da der Klauselverwender seine Klauseln nicht zur Disposition stellt, würde sich der erforderliche Aufwand nicht lohnen, sich eingehend mit den Klauseln auseinanderzusetzen. Wer das „Kleingedruckte“ unbeachtet lässt, handelt damit vernünftig, denn ihre Natur liegt gerade darin, nicht zur Verhandlung zu stehen. AGB zeichnen sich nämlich nach § 305 I 1 BGB dadurch aus, dass sie einseitig vom Verwender gestellt werden. Sie sind damit nicht individuell verhandelbar. Der Vertragspartner wird oft keine andere Wahl haben, als die AGB zu akzeptieren. Hierdurch könnte der Vertragspartner benachteiligt sein, da er einerseits kein Mitbestimmungsrecht hat und die AGB andererseits häufig zu seinen Lasten von gesetzlichen Regelungen abweichen. Zum Schutz des Vertragspartners greifen dann die §§ 305-310 BGB ein.

II. Prüfungsreihenfolge

Bei AGB ist immer die gleiche Prüfungsreihenfolge zu beachten. Du solltest die Prüfungsschritte stets, zumindest gedanklich, einmal durchgehen.

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1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff., § 310 IV 1 BGB

Zunächst ist zu prüfen, ob die §§ 305 ff. BGB anwendbar sind. Sie finden nach § 310 IV 1 BGB keine Anwendung bei Verträgen auf dem Gebiet des Erbrechts, des Familienrechts und des Gesellschaftsrechts sowie auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Vertragsbedingungen des Individualarbeitsrechts unterliegen hingegen grundsätzlich den §§ 305 - 310 III BGB. Es sind jedoch die Modifikationen des § 310 IV 2, 3 BGB zu beachten.

2. Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 I BGB

Die konkrete Vertragsklausel, um die es geht, muss eine Allgemeine Geschäftsbedingung sein. § 305 I 1 BGB definiert, was Allgemeine Geschäftsbedingungen sind.

Definition

Unter einer Allgemeiner Geschäftsbedingung ist eine vorformulierte Vertragsbedingung zu verstehen, die für eine Vielzahl von Verträgen vom Verwender gestellt und nicht individuell ausgehandelt wird.

§ 305 I 2, 3 BGB enthalten Klarstellungen hierzu.

3. Einbeziehungskontrolle (§§ 305 II, III, 305a BGB)

a) Prüfung der §§ 305 II, III, 305a BGB

Sofern es sich um eine AGB handelt, ist eine Einbeziehungskontrolle durchzuführen. Im Rahmen dieser ist festzustellen, ob eine Klausel Vertragsbestandteil geworden ist. Dies bestimmt sich nach §§ 305 II, III, 305a BGB. Die Einbeziehung nach § 305 II BGB setzt voraus, dass ein Hinweis auf die AGB erfolgt (§ 305 II Nr. 1 BGB), dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht (§ 305 II Nr. 2 BGB) und die Parteien mit der Geltung der AGB einverstanden sind. Ein Einverständnis mit dem Inhalt ist grundsätzlich nicht erforderlich, da dieser in der Regel nicht zur Kenntnis genommen wird. Bei Verträgen mit einem Unternehmer oder der öffentlichen Hand sieht § 310 I 1 BGB vor, dass  die Voraussetzungen des § 305 II Nrn. 1, 2  BGB nicht erfüllt zu sein brauchen. Vielmehr genügt ein Einverständnis des Vertragspartners mit der Geltung der AGB. Gleiches gilt für die in § 305a BGB aufgeführten Massenverträge.

Problem

Bei Formularverträgen gelten die § 305 II, III BGB ebenfalls nicht.

Der Kunde gibt mit der Unterzeichnung eines Formularvertrags nicht nur zu erkennen, dass er dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat, sondern erklärt sich mit dem Inhalt einverstanden.

Eine deutlichere Anerkennung und Einbeziehung aller Vertragsteile lässt sich kaum vorstellen. 

Die Anwendung der § 305 II, III BGB wäre unpassend, da diese vom „Standardfall“ in Gestalt der Einbeziehung vorformulierter Vertragsbedingungen in einen Individualvertrag ausgehen. 

b) Rechtsfolge bei Nichteinbeziehung

Werden die AGB nicht Vertragsbestandteil, gilt § 306 I BGB. Gemäß § 306 II BGB tritt das dispositive Gesetzesrecht an die Stelle der nicht einbezogenen Klausel. Nach § 306 III BGB ist ausnahmsweise der ganze Vertrag unwirksam, wenn das Festhalten an ihm eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei bedeuten würde. 

Problem

Die Verwendung von kollidierender oder sich widersprechender AGB stellt ein beliebtes Klausurproblem dar. Werden von beiden Vertragsparteien AGB in den Vertrag einbezogen, kann es aufgrund der verfolgten gegenläufigen Interessen zu einer Kollision der Bestimmungen in den AGB kommen.

Beispiel

Die AGB des A sehen vor, dass die gesetzlichen Gewährleistungsrechte gemäß §§ 436 ff. BGB nicht eingeschränkt werden sollen. Gleichzeitig sehen die AGB des Vertragspartners B einen Ausschluss dieser Gewährleistungsrechte vor. Kommt es zu sich widersprechenden AGB, stellt sich die Frage, ob ein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist und wessen AGB der Vorrang zukommt.

Theorie des letzten Wortes

Nach der Theorie des letzten Wortes sind die späteren AGB maßgeblich.

Erhält B von A ein Angebot inklusive AGB und reagiert er hierauf mit einer Annahme unter Verweis auf seine eigenen AGB, die denen des A widersprechen, ist die Erklärung des B wie folgt auszulegen:

  • Ablehnung des Angebots des A inklusive dessen AGB

  • neues Angebot gemäß § 150 II BGB.

Beginnt A sodann mit der Vertragserfüllung, ist hierin eine Annahme gemäß § 151 S. 1 BGB zu sehen. Gleichzeitig soll es sich auch um ein Einverständnis mit der Geltung der AGB des B handeln. Es gelten damit die späteren AGB.

Gegen diese Lösungsmöglichkeit spricht, dass es zufallsabhängig ist, wessen Willenserklärung und Verweis auf die eigenen AGB später erfolgt.

Dissens/Kongruenzlösung

Aus diesem Grund werden Fälle kollidierender AGB unter Rückgriff auf einen Dissens nach § 154 I 1 BGB oder § 155 BGB gelöst. Je nachdem, ob der Widerspruch der AGB bemerkt wurde oder nicht, handelt es sich in diesem Punkt um einen offenen oder verdeckten Dissens.

Nach dem Rechtsgedanken des § 306 BGB soll der Vertrag möglichst erhalten bleiben. Hinsichtlich der sich widersprechenden AGB liegt ein Dissens vor. Diese werden nicht Vertragsbestandteil. Übereinstimmende AGB werden hingegen Vertragsbestandteil. Anstelle der sich widersprechenden AGB tritt das dispositive Recht.

4. Auslegung

Häufig bedürfen AGB Klauseln der Auslegung. Sie sind ausgehend von den Verständnismöglichkeiten rechtlich nicht vorgebildeter Durchschnittskunden, ohne Berücksichtigung individueller Besonderheiten, so auszulegen, wie sie von redlichen Vertragspartnern unter Abwägung aller beteiligten Interessen verstanden werden. Schließlich werden AGB für eine Vielzahl von Verträgen verwendet, sodass es im Rahmen des objektiven Empfängerhorizontes nicht auf den konkreten Empfänger ankommen kann. 

Nach § 305c II BGB gehen Zweifel bezüglich der Feststellung des eindeutigen Inhalts einer Klausel zulasten des Verwenders.  Bei Unklarheiten darüber, wie eine konkrete Klausel zu verstehen ist, ist die Auslegung zu wählen, die im Ergebnis zulasten des Verwenders geht. 

Im Rahmen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 - 309 BGB sind mehrdeutige Klauseln (zunächst) kundenfeindlich auszulegen. Dies mag einem vielleicht komisch vorkommen, wird aber verständlich, wenn man sich vor Augen führt, welche Konsequenzen eine solche kundenfeindliche Auslegung mit sich bringt. Ist eine Klausel nach §§ 307 - 309 BGB unwirksam, gilt gemäß § 306 II BGB das kundenfreundliche dispositive Recht. Der Kunde wird auf diese Weise besser gestellt, wenn kundenfeindlich ausgelegt wird. Führt die kundenfeindlichste Auslegung nicht zur Unwirksamkeit der Klausel nach §§ 307-309 BGB, ist auf der zweiten Stufe auf die kundenfreundlichste Auslegung abzustellen. Durch diese zweistufige Auslegung wird der Vertragspartner bestmöglich geschützt. 

Damit geht die kundenfeindliche Auslegung zur Ausräumung von Zweifeln über den Inhalt einer Klausel im Ergebnis zulasten des Verwenders und entspricht so auch der Regelung des § 305c II BGB. 

Merke

Aus diesem Grund ist mit der gängigen Bezeichnung des „Grundsatzes der kundenfreundlichen Auslegung“ vorsichtig umzugehen. Tatsächlich handelt es sich nämlich um eine kundenfeindliche Auslegung, die nach § 306 II BGB zur Geltung des kundenfreundlichen dispositiven Rechts führt.

5. Vorrang der Individualabrede (§ 305b BGB)

Wurde die Klausel Vertragsbestandteil, ist zu prüfen, ob sie nicht nach § 305b BGB durch eine Individualabrede verdrängt wird. Deckt sich nämlich eine Individualabrede zumindest partiell mit dem Regelungsbereich der AGB, wird die AGB verdrängt. 

6. Überraschende Klausel (§ 305c BGB)

Eine Besonderheit besteht bei überraschenden Klauseln. Diese werden nach § 305c I BGB nicht Vertragsbestandteil, mit der Folge, dass § 306 I BGB gilt. 

Definition

Unter einer überraschenden Klausel ist eine Bestimmung zu verstehen, die so ungewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders nicht mit ihr zu rechnen braucht. 

Bei der Bestimmung, ob eine Klausel als überraschend einzuordnen ist, ist darauf abzustellen, was geschäftsüblich ist. Gegen eine überraschende Klausel spricht der naheliegende Schluss, dass jemand eine ungünstige Regelung umgehen will.

7. Transparenzkontrolle (§ 307 I 2, III 2 BGB)

Alle Klauseln unterliegen einer Transparenzkontrolle. Dies gilt gemäß § 307 III 2 BGB unabhängig davon, ob die Klauseln nach § 307 III 1 BGB einer Inhaltskontrolle unterliegen. Gemäß § 307 I 1 BGB sind Klauseln unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Dies wird im Rahmen der Inhaltskontrolle in Gestalt eines Verstoßes gegen die Generalklausel geprüft. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich aber nach § 307 I 2 BGB schon daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich formuliert ist.

8. Inhaltskontrolle (§§ 307 - 309 BGB)

Im nächsten Prüfungsschritt ist eine Inhaltskontrolle durchzuführen. Der Inhaltskontrolle unterliegen nach § 307 III 1 BGB nur jene Klauseln, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder ergänzende Regelungen vereinbart werden. Bestimmungen in AGB sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders nach § 307 I 1 BGB entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen oder gegen die Klauselverbote der §§ 308 f. BGB verstoßen. Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 I 1 BGB kommt dann in Betracht, wenn der Klauselverwender versucht, missbräuchlich die eigenen Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen, ohne dessen Interessen angemessen zu berücksichtigen. 

  • Soweit es um einen Verstoß gegen die Generalklausel des § 307 I 1 BGB geht, ergibt sich der Prüfungsmaßstab für das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung aus § 307 II BGB: Nach § 307 II Nr. 1 BGB liegt im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung vor, wenn die Klausel mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. 

  • Nach § 307 II Nr. 2 BGB kommt eine unangemessene Benachteiligung auch in Betracht, wenn wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so eingeschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist. 

Klausurtipp

Die §§ 307 - 309 BGB werden von hinten nach vorne geprüft:

  1. § 309 BGB

  2. § 308 BGB

  3. § 307 BGB.

Hintergrund dieser Prüfungsreihenfolge ist der Grundsatz der Spezialität. § 309 BGB ist spezieller als § 308 BGB. 

§ 307 I BGB ist als allgemeinste Vorschrift und Generalklausel als Letztes zu prüfen. 

Merke

Was nach §§ 308 f. BGB noch zulässig ist, kann durchaus noch an der Generalklausel des § 307 BGB scheitern. 

Merke

Im Rahmen der Inhaltskontrolle gilt ein generalisierender Prüfungsmaßstab. Dies bedeutet, dass ausschließlich eine überindividuelle, generalisierende Betrachtung der Klausel vorzunehmen ist.

Ausnahmsweise sind bei Verbraucherverträgen nach § 310 III Nr. 3 BGB auch konkret - individuelle Umstände zu berücksichtigen. 

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