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Willenserklärungen

Abgabe von Willenserklärungen

Teilgebiet

BGB AT

Thema

Willenserklärungen

Tags

Willenserklärung
§ 130 BGB
§ 153 BGB
Gliederung
  • I. Existenz durch Abgabe

  • II. §§ 130 II, 153 BGB

I. Existenz durch Abgabe

Eine Willenserklärung wird durch Abgabe existent.

Definition

Abgegeben ist die Willenserklärung hiernach, wenn sie nach außen hin mit Wissen und rechtlichem Wollen des Erklärenden dergestalt für andere wahrnehmbar gemacht wird, dass an der Endgültigkeit der Äußerung kein vernünftiger Zweifel mehr sein kann.

Typische Beispiele für die Abgabe einer Willenserklärung sind:

  • Absenden einer E-Mail

  • Einwerfen eines Briefs in den Briefkasten

  • Losschicken eines Erklärungsboten

Erreicht eine Erklärung den Empfänger, obwohl sie nicht willentlich durch den Erklärenden in den Verkehr gebracht wurde, sodass es an einer Abgabe fehlt, handelt es sich um eine abhanden gekommene Willenserklärung. Diese kann bei einem Verschulden des Urhebers der Erklärung Schadensersatzansprüche aus § 122 I BGB analog und culpa in contrahendo begründen.

Beispiel

Beispiel

Geschäftsmann G füllt ein Angebot für einen neuen Arbeitslaptop von V aus und legt dieses unterschrieben auf seine Unterschriftenmappe. Bevor er das Angebot abschickt, will er noch eine Nacht überlegen. Die Sekretärin des G kommt am Nachmittag in das Büro und schickt das unterschriebene Angebot ab. Als V dem G die Bestätigung zuschickt, hat dieser es sich anders überlegt.

Ist zwischen G und V ein Vertrag zustande gekommen? 

Lösung 

Für einen wirksamen Kaufvertrag im Sinne von § 433 BGB müsste G ein Angebot gemäß § 145 BGB abgegeben haben. Darunter versteht man eine empfangsbedürftige Willenserklärung, die einem anderen einen Vertragsschluss derart anbietet, dass der Vertrag nur noch von dessen Einverständnis abhängt. Fraglich ist also, ob G eine etwaige Willenserklärung abgegeben hat. 

  • T.v.A.: Einer Ansicht nach muss sich G das Absenden des Angebots durch S zurechnen lassen, sodass eine wirksam abgegebene Willenserklärung vorliegt. Angeführt wird dafür der Vertrauensschutz des Rechtsverkehrs. Aus Sicht des V ist nicht erkennbar, dass es bei der Abgabe zu einem Missverständnis kam. Er soll auf das von G unterschriebene Angebot vertrauen dürfen.

  • H.M.: Nach der herrschenden Meinung liegt mangels Abgabe jedoch keine wirksame Willenserklärung vor. Hierfür spricht, dass für eine Abgabe eine „wissentliche und willentliche“ Entäußerung in den Rechtsverkehr erforderlich ist. Dieses Merkmal ist gerade nicht erfüllt, wenn die Sekretärin Briefe ohne Absprache verschickt. Vor dieser willentlichen Entäußerung liegt keine Willenserklärung, sondern allenfalls der Schein einer Willenserklärung vor. Der Vertragspartner wird ebenfalls nicht schutzlos gestellt: Hat der vermeintlich Antragende es zu verschulden, dass eine nicht autorisierte Willenserklärung in den Rechtsverkehr gelangt, haftet er nach den Grundsätzen der c.i.c. gem. §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB oder analog § 122 BGB auf den Vertrauensschaden. G hätte damit rechnen können, dass ein unterschriebener Brief auf der Unterschriftenmappe verschickt wird. Auf diese Weise wird dem Verkehrsschutz Rechnung getragen.


G hat somit mangels wirksamer Abgabe kein Angebot gem. § 145 BGB gemacht, das V hätte annehmen können. Ein Vertrag zwischen G und V ist nicht zustande gekommen. Die Annahmeerklärung des V kann jedoch als Angebot gem. § 145 BGB ausgelegt werden, das nunmehr G annehmen kann.

Ähnliches Beispiel: Ein verlorener Brief wird vom Finder in einen Briefkasten geworfen.

Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z. B. einem Testament, § 1937 BGB; einer Annahme nach § 151 I BGB) ist kein Zugang erforderlich, sodass diese bereits mit der Abgabe existent und wirksam werden.

II. §§ 130 II, 153 BGB

Im Zusammenhang mit der Abgabe können §§ 130 II, 153 BGB relevant werden.

Bei der Abgabe von Willenserklärungen kann es zu dem Problem kommen, dass der Erklärende nach der Abgabe respektive vor der Annahme der Willenserklärung stirbt oder geschäftsunfähig wird. Intuitiv könnte man davon ausgehen, dass in einem solchen Fall die Willenserklärung keine Wirkung entfaltet - denn wie soll ein Vertrag mit einem Toten zustande kommen?

Das Gesetz hat jedoch in den §§ 130 II, 153 BGB Regelungen getroffen, die genau diese Konstellation betreffen und regeln:

  • Nach § 130 II BGB wird eine empfangsbedürftige Willenserklärung auch dann durch Zugang wirksam, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt. Grund hierfür ist, dass die Willenserklärung bereits mit Abgabe existent geworden ist. Außerdem ist der Erklärungsempfänger schutzwürdig, der ja nicht weiß oder nur verzögert erfährt, dass der Erklärende verstorben ist. Die Wirksamkeit hängt nur noch vom Zugang ab, an dem der Erklärende nicht beteiligt ist. Die Erklärung wirkt nach dem Tod so, als wäre sie von dem/den Erben abgegeben worden und wirkt für und gegen diese.

  • Nach § 153 BGB kann ein Vertrag auch dann zustande kommen, wenn der Antragende vor Annahme stirbt. Es hängt nämlich vom Zufall ab, ob der Erklärende vor oder nach der Annahme stirbt, weshalb der Erklärungsempfänger schutzwürdig ist. Die Annahme ist dann gegenüber dem Erben oder gesetzlichen Vertreter zu erklären.

  • Der Rechtsnachfolger soll trotz des grundsätzlich zu tragenden Verwendungsrisikos nicht an solche Verträge gebunden sein, die tatsächlich nur in der Person des Erblassers einen Sinn ergeben hätten - dieser Regelung entspricht das Ausschlusskriterium des § 153 Hs. 2 BGB. Ein "anderer Wille“ in diesem Sinne bei Geschäften mit höchstpersönlichem  Charakter anzunehmen. Ein konkretes Beispiel wäre etwa ein maßgeschnittener Anzug oder eine medizinische Prothese. In solchen Fällen ist dem hypothetischen Willen des Verstorbenen zu entnehmen, dass der Vertrag nur für ihn Geltung haben sollte. Das Interesse des Erklärungsempfängers ist in diesen Ausnahmefällen also nachrangig.

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