Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesKarteikartenPreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Zivilrecht

/

Mobiliarsachenrecht

/

Eigentumserwerb & Verfügungen

§§ 929 S. 1, 931 BGB

Teilgebiet

Mobiliarsachenrecht

Thema

Eigentumserwerb & Verfügungen

Tags

Übereignung
Gutgläubiger Erwerb
Streckengeschäft
§ 929 BGB
§ 930 BGB
§ 931 BGB
§ 934 BGB
§ 932 BGB
Gliederung
  • I. Voraussetzungen des §§ 929 S. 1, 931 BGB

    • 1. Einigung

    • 2. Abtretung eines Herausgabeanspruchs

      • a) Weitere Möglichkeiten beim „Streckengeschäft“

        • aa) Kombination von §§ 929 S. 1, 930 und §§ 929 S. 1, 931 BGB

        • bb) Streckengeschäft nach § 929 S. 1 BGB

      • b) Einschlägiger Übereignungstatbestand

        • aa) § 929 S. 1 BGB

        • bb) §§ 929 S. 1, 930 BGB

      • c) Übereignung bei Besitzlosigkeit 

    • 3. Einigsein

    • 4. Verfügungsbefugnis

  • II. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten (§§ 929 S. 1, 931, 934 BGB)

    • 1. Voraussetzungen des § 931 BGB

    • 2. Voraussetzungen des § 934 BGB

      • a) § 934 Alt. 1 BGB

        • aa) Grundfall

        • bb) Eigentümer als Besitzmittler

      • b) § 934 Alt. 2 BGB

        • aa) Grundsatz

        • bb) Nebenbesitz

    • 3. Fehlender guter Glaube (§§ 934 Hs. 2, 932 II BGB)

    • 4. Kein Abhandenkommen (§ 935 I BGB) 

Neben § 929 S. 1, 2 BGB und §§ 929 S. 1, 930 BGB enthält das BGB noch eine weitere Modalität des rechtsgeschäftlichen Eigentumserwerbs. Es handelt sich um die Eigentumsübertragung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB durch Abtretung eines Herausgabeanspruchs.

I. Voraussetzungen des §§ 929 S. 1, 931 BGB

Sie setzt eine Einigung, die Abtretung eines Herausgabeanspruchs, das Einigsein und die Verfügungsbefugnis des Veräußerers voraus. 

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Im Gegensatz zu § 929 S. 1 BGB ist keine Übergabe erforderlich. Sie wird durch das Übergabesurrogat der Abtretung des Herausgabeanspruchs ersetzt. § 931 BGB ermöglicht eine Übereignung, wenn der Veräußerer selbst nicht unmittelbarer Besitzer der Sache ist. Vielmehr kann ein Dritter mittelbarer oder unmittelbarer Besitzer der zu veräußernden Sache sein.

1. Einigung

Für die Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB ist eine Einigung über den Eigentumsübergang zwischen Erwerber und Veräußerer erforderlich. Hier gelten die Ausführungen zu § 929 S. 1 BGB entsprechend.

2. Abtretung eines Herausgabeanspruchs

Außerdem ist erforderlich, dass die Abtretung eines Herausgabeanspruchs erfolgt. Der Veräußerer muss dem Erwerber einen Herausgabeanspruch, den er gegen den besitzenden Dritten hat, abtreten. Ein solcher Herausgabeanspruch kann sich hierbei aus einem Vertrag oder aus einem Gesetz ergeben. In Betracht kommen diverse vertragliche Ansprüche.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Beispiel

M hat von V einen Roller gemietet. Während der Mietzeit beschließt V den in der Garage des M stehenden Roller an seinen Nachbar N zu übereignen. M ist dem V als unmittelbarer Besitzer des Rollers zur Herausgabe aus dem Mietvertrag gemäß § 546 I BGB verpflichtet. V tritt diesen Herausgabeanspruch an N ab. Dieser erwirbt gemäß §§ 929 S. 1, 931 BGB das Eigentum an dem Roller.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Wichtig: Nicht abtretbar ist der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB! Er ist als unmittelbarer Ausfluss des Eigentumsrechts untrennbar mit Eigentum verbunden. Es handelt sich um einen dinglichen Rechtsverwirklichungsanspruch, der mit dem Eigentumserwerb entsteht und mit dem Eigentumsverlust erlischt. Er entsteht für jeden Eigentümer neu und kann deshalb nicht abgetreten werden.

Nach § 870 BGB hat die Abtretung des Herausgabeanspruchs im Sinne des § 931 BGB die Übertragung des mittelbaren Besitzes zur Folge.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 870 BGB neben den § 931 BGB kommentieren.

a) Weitere Möglichkeiten beim „Streckengeschäft“

Im Rahmen der Übereignung nach § 929 S. 1 BGB haben wir bereits das Streckengeschäft mit der entsprechenden Übereignung unter Zuhilfenahme von Geheißpersonen kennengelernt (siehe dazu diesen Artikel). Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die einzige Möglichkeit, um die Übereignung beim Streckengeschäft auszugestalten.

aa) Kombination von §§ 929 S. 1, 930 und §§ 929 S. 1, 931 BGB

Es kommt auch eine Übereignung durch Kombination von §§ 929 S. 1, 930 und §§ 929 S. 1, 931 BGB in Betracht.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Auf schuldrechtlicher Ebene besteht ein Kaufvertrag gemäß zwischen Hersteller H und Verkäufer V, sowie ein Kaufvertrag zwischen V und Käufer K. 

Die Übereignung auf dinglicher Ebene läuft nun folgendermaßen ab:

  1. H übereignet an den V gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB. Er behält den unmittelbaren Besitz und mittelt diesen fortan dem V. Es wird ein Besitzmittlungsverhältnis in Gestalt eines Verwahrungsvertrags zwischen Hersteller und Verkäufer vereinbart. Hierbei ist der H dem V aus § 695 BGB zur Herausgabe verpflichtet. 

  2. Die Eigentumsübertragung im Verhältnis des V zum Käufer K erfolgt nun nach §§ 929 S. 1, 931 BGB. Der V tritt dem K seinen Herausgabeanspruch aus § 695 BGB gegen den H nach § 398 BGB ab und erwirbt schließlich das Eigentum an der Sache, die sich weiterhin im unmittelbaren Besitz des Herstellers befindet.

Ein gravierender Unterschied dieser Konstellation im Vergleich zum doppelten Geheißerwerb nach § 929 S. 1 BGB ist der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs: Beim doppelten Geheißerwerb geht das Eigentum erst auf den Käufer über, wenn dieser den Besitz an der Sache erlangt hat.

  • Er kann der K das Eigentum bereits vor der Besitzerlangung erwerben. Es geht schon mit der Abtretung des Herausgabeanspruchs auf ihn über, sofern die Übereignung zwischen H und V wirksam war (denn nur dann konnte V als Berechtigter wirksam über die Sache verfügen).

  • Er kann sich auch antizipiert mit V über den Eigentumsübergang einigen und sich den künftigen Herausgabeanspruch des V antizipiert abtreten lassen. Er wird sogar schon dann Eigentümer, wenn V nach §§ 929 S. 1, 930 BGB Eigentum erwirbt.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik
bb) Streckengeschäft nach § 929 S. 1 BGB
Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Diese ist aber nur einschlägig, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben.

  • Auch hier bestehen auf schuldrechtlicher Ebene jeweils ein Kaufvertrag nach § 433 BGB zwischen Hersteller und Verkäufer und ein Kaufvertrag zwischen Verkäufer und Käufer.

  • Auf dinglicher Ebene weist der V den H an, die Sache direkt an K nach § 929 S.  1 BGB zu übereignen. Damit erwirbt H nach § 929 S. 1 BGB von H.  

Vorteilhaft für K ist hierbei, dass kein Durchgangserwerb des V stattfindet. Damit haben die Gläubiger des V keinen Zugriff auf die Sache. Andererseits erwirbt K das Eigentum, wie beim doppelten Geheißerwerb erst mit der Anlieferung der Ware. Bis dahin trägt er das Insolvenzrisiko des H, da dessen Gläubiger Zugriff auf die Sache haben.

b) Einschlägiger Übereignungstatbestand

Wenn der Veräußerer selbst nicht unmittelbarer Besitzer der Sache ist, sondern sich dies im unmittelbaren oder auch mittelbaren Besitz eines Dritten befindet, kann die Übereignung nicht nur nach §§ 929 S.1, 931 BGB, sondern auch mittels anderer Übereignunstatbestände erfolgen. 

Um den einschlägigen Übereignungstatbestand zu ermitteln, ist der konkrete Sachverhalt zu untersuchen und zu ermitteln, wie das Verhalten von Veräußerer und Erwerber zu verstehen ist.

aa) § 929 S. 1 BGB

Neben §§ 929 S. 1, 931 BGB kann in diesen Fällen insbesondere auch eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB in Betracht kommen. Statt einer physischen Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB wird dem Erwerber der mittelbare Besitz eingeräumt. Dies geschieht dadurch, dass der unmittelbar besitzende Dritte, auf Weisung des Veräußerers seinen Oberbesitzer wechselt und von nun an dem Erwerber den Besitz mittelt.

Beispiel

M hat von V einen Roller gemietet. Während der Mietzeit beschließt V den in der Garage des M stehenden Roller an seinen Nachbar N gemäß § 929 S. 1 BGB zu übereignen. Er teilt dies dem M mit und weist ihn an, ihm fortan den Besitz zu mitteln. Aufgrund des Mietvertrags zwischen V und M bestand zunächst ein Besitzmittlungsverhältnis im Sinne des § 868 BGB. M war unmittelbarer Fremdbesitzer, der dem V als mittelbarem Eigenbesitzer den Besitz mittelte. Infolge der Weisung des V wechselt M die Person, der er den Besitz mittelt. M ist weiterhin unmittelbarer Fremdbesitzer. N ist mittelbarer Eigenbesitzer. 

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik
bb) §§ 929 S. 1, 930 BGB

Außerdem kann die Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB erfolgen, wenn sich die zu veräußernde Sache im Besitz eines Dritten befindet. Hierbei begründet der Veräußerer mit dem Erwerber ein Besitzmittlungsverhältnis höherer Stufe im Sinne des § 871 BGB. Dabei muss der Veräußerer allerdings tatsächlich mittelbarer Besitzer sein.

Beispiel

M hat von V einen Roller gemietet. Während der Mietzeit beschließt V den in der Garage des M stehenden Roller an seinen Nachbar N gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB zu übereignen. M behält den unmittelbaren Fremdbesitz an dem Roller. Aufgrund des Mietvertrags mittelte er dem V zunächst den mittelbaren Eigenbesitz. Infolge der Übereignung an N gemäß §§ 929 S. 1, 930 BGB wandelte V seinen mittelbaren Eigenbesitz in mittelbaren Fremdbesitz um. V ist nun mittelbarer Fremdbesitzer 1. Stufe, N mittelbarer Eigenbesitzer 2. Stufe und M ist unmittelbarer Fremdbesitzer.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

c) Übereignung bei Besitzlosigkeit 

Es kann auch vorkommen, dass eine Sache übereignet werden soll, die sich weder im Besitz des Veräußerers noch im Besitz eines Dritten befindet. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, welcher Übereignungstatbestand der §§ 929 - 931 BGB einschlägig ist. 

Beispiel

  • Eine verlorene Sache soll übereignet werden.

  • Ein gesunkenes Schiff soll übereignet werden.

  • Eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB scheidet mangels Übergabe aus, da der Erwerber weder unmittelbaren noch mittelbaren Eigenbesitz erwerben kann. 

  • Auch ist die Voraussetzung des § 929 S. 2 BGB, dass der Erwerber bereits den Besitz an der Sache inne hat, nicht erfüllt.

  • Einer Übereignung nach §§ 929 S. 1, 930 BGB steht entgegen, dass der Veräußerer keinen unmittelbaren Besitz an der Sache hat und damit ein Besitzmittlungsverhältnis nicht begründet werden kann.

  • Im Rahmen einer etwaigen Übereignung nach §§ 929 S.1, 931 BGB ist zu beachten, dass sich kein Dritter im Besitz der Sache befindet. Auch ist der Herausgabeanspruch aus § 985 BGB nicht abtretbar. 

  • Nach ganz herrschender Meinung genügt für eine Übereignung in solchen Fällen die bloße Einigung. Die von § 931 BGB geforderte Abtretung soll nämlich nur sicherstellen, dass sich der Veräußerer besitzmäßig von dem übereigneten Gegenstand löst. Sie ist entbehrlich, wenn der Veräußerer ohnehin keinen Besitz hat. 

Die vorherigen Beispiele zeigen, dass eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung nicht immer nach strenger Einhaltung der Voraussetzungen der §§ 929 - 931 BGB erfolgen kann. Es sind weitere Fälle denkbar, in denen sich eine Übereignung nicht unter §§ 929 - 931 BGB subsumieren lässt. Trotzdem kann ein Eigentümer eine ihm gehörende Sache stets übereignen. Dies ist auch konsequent, da er nach § 903 BGB dazu berechtigt ist, mit der Sache nach Belieben zu verfahren, sofern nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen. Außerdem ergibt sich auch aus Art. 14 GG, dass der Schutz des Eigentums und des freien Umgangs mit dem Eigentum Verfassungsrang hat, sodass eine Übereignung immer möglich sein muss - losgelöst von den gesetzlich geregelten Übereignungstatbeständen.

3. Einigsein

Auch im Rahmen einer Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB ist ein Einigsein von Erwerber und Veräußerer erforderlich. Die Einigung muss bis zur Abtretung des Herausgabeanspruchs an den Erwerber fortbestehen.

4. Verfügungsbefugnis

Die letzte Voraussetzung der Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB stellt die Verfügungsbefugnis des Veräußerers dar. Der Veräußerer kann als Rechtsinhaber verfügungsbefugt sein oder kraft Gesetzes eine Verfügungsbefugnis inne haben. Außerdem kann die Übereignung nach § 185 I, II BGB wirksam sein.

II. Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten (§§ 929 S. 1, 931, 934 BGB)

Fehlt die Verfügungsbefugnis des Veräußerers bei einer Eigentumsübertragung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB, so kann dieser Mangel im Rahmen eines gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S. 1, 931, 934 BGB überwunden werden. 

Hierzu müssen wieder ein Rechtsscheinstatbestand, ein Rechtsgeschäft und ein Verkehrsgeschäft gegeben sein. Hinsichtlich der beiden letzten Voraussetzungen ist auf die Ausführungen zu §§ 929 S. 1, 932 I 1 BGB zu verweisen. Abweichungen zu §§ 929 S. 1, 932 I 1 BGB bestehen hinsichtlich des Rechtsscheinstatbestands.

1. Voraussetzungen des § 931 BGB

Zunächst müssen also die Voraussetzungen des § 931 BGB in Gestalt der Einigung, der Abtretung des Herausgabeanspruchs und des Einigseins vorliegen.

2. Voraussetzungen des § 934 BGB

Im Rahmen des § 934 BGB sind zwei Alternativen zu unterscheiden:

  • § 934 Alt. 1 BGB erfordert, dass der Veräußerer mittelbarer Besitzer ist und dem Erwerber seinen Herausgabeanspruch abtritt. 

  • Nach § 934 Alt. 2 BGB kann der gutgläubige Erwerb aber auch erfolgen, wenn der Erwerber den Besitz an der Sache erlangt.

a) § 934 Alt. 1 BGB

aa) Grundfall

Beispiel

Fall

E gibt seine Violine dem A in Verwahrung. Dieser wiederum leiht sie dem B. Da A knapp bei Kasse ist, veräußert er die Violine an C. 

Wurde C Eigentümer der Violine?

Lösung

C könnte nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB Eigentum an der Violine erworben haben. Dies setzt neben einer Einigung voraus, dass A mittelbarer Besitzer der Violine war und er dem C seinen Herausgabeanspruch abgetreten hat. Für den mittelbaren Besitz des A ist erforderlich, dass der unmittelbare Besitzer B dem A zur Herausgabe verpflichtet und willens war. Dies ist angesichts des Leihvertrags gemäß § 598 BGB der Fall. A hat wirksam seinen Herausgabeanspruch aus § 604 I BGB gegen B an C abgetreten. Damit sind die Voraussetzungen des § 934 Alt. 1 BGB erfüllt.

C ist Eigentümer der Violine geworden.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik
bb) Eigentümer als Besitzmittler

Da die Übereignung nach § 934 Alt. 1 BGB den mittelbaren Besitz des Veräußerers voraussetzt, stellt sich die Frage, ob der Eigentümer sein Eigentum auch dann an einen gutgläubigen Dritten verlieren kann, wenn er selbst den unmittelbaren Besitz an der Sache hat. 

Beispiel

Fall

E bestellt dem X einen Nießbrauch und mietet die Sache später von X zurück. X veräußert die Sache als mittelbarer Besitzer an D nach §§ 929 S. 1, 931 BGB.

Verliert E sein Eigentum nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB an D ?

Lösung

Die Voraussetzungen des §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB sind erfüllt, sodass an sich ein Eigentumserwerb des D vorliegt. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Eigentümer E selbst unmittelbarer Besitzer der veräußerten Sache war.

Nach überwiegend vertretener Ansicht seien die §§ 935, 936 III BGB Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Solange jemand eine Sache besitze und sie nicht willentlich aus der Hand gebe, verliere er seine Rechtsposition nicht. Da E die Sache nicht aus der Hand gegeben hat, sondern weiterhin unmittelbarer Besitzer ist, verliert er sein Eigentum auch nicht nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB an D.

Nach anderer Ansicht schütze § 936 III BGB nur das Recht, das sich im Besitz manifestiert. Damit ist nur das Mietrecht des E geschützt, nicht sein Eigentum. Dieses hat er gemäß §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB an D verloren.

b) § 934 Alt. 2 BGB

aa) Grundsatz

Soweit der Veräußerer nicht mittelbarer Besitzer der Sache war und damit § 934 Alt. 1 BGB nicht einschlägig ist, kann der gutgläubige Erwerb nach § 934 Alt. 2 BGB dadurch erfolgen, dass der Erwerber von dem Dritten oder dessen Hilfspersonen den Besitz an der Sache erhält. Hierbei ist ausreichend, dass der Dritte den Erwerber als Oberbesitzer anerkennt, sodass der Erwerber mittelbaren Besitz erhält.

bb) Nebenbesitz

Ein Problem, das sich im Rahmen einer Übereignung nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB stellen kann, stellt das Problem des sogenannten Nebenbesitzes dar.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Beispiel

Problem: Nebenbesitz

Zuckereinlagerfall

E verkauft Zucker an V und veräußert diesen unter Eigentumsvorbehalt an V.  Er lagert den Zucker anschließend bei dem Lagerhalter L ein. 

V gibt sich als Eigentümer des Zuckers aus und veräußert diesen nach §§ 929 S. 1, 931 BGB unter Abtretung seines angeblichen Herausgabeanspruchs gegen L an den gutgläubigen K. L erklärt K, dass er den Zucker nun für ihn verwahre.  Kurz danach bestätigt er aber auch dem E, dass er den Zucker für ihn verwahre.

Ist K Eigentümer des Zuckers geworden?

Lösung

  1. Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 931 BGB

K könnte durch Übereignung des V nach §§ 929 S. 1, 931 BGB Eigentümer des Zuckers geworden sein. Dies erfordert neben einer Einigung über den Eigentumsübergang die Abtretung eines Herausgabeanspruchs, sowie die Verfügungsbefugnis des V.

Eine Einigung über den Eigentumsübergang ist zu bejahen. Auch hat V seinen angeblichen Herausgabeanspruch gegen L an K abgetreten. Dass ein solcher in Wirklichkeit nicht besteht, ist unschädlich, da nicht der Herausgabeanspruch, sondern die Abtretung Tatbestandsmerkmal des § 931 BGB ist. Der Eigentumserwerb scheitert jedoch am fehlenden Eigentum - und damit der fehlenden Verfügungsbefugnis - des V.

  1. Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB

K könnte gutgläubig Eigentum nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 1 BGB an dem Zucker erworben haben. Dies setzt zunächst eine Veräußerung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB voraus. Außerdem muss der V mittelbarer Besitzer des Zuckers gewesen sein.

  • Mittelbarer Besitz des V im Verhältnis zu L 

    Zunächst kommt ein mittelbarer Besitz des V gegenüber L in Betracht. Dies setzt voraus, dass L als Besitzer des Zuckers dem V zur Herausgabe verpflichtet war und auch einen entsprechenden Herausgabewillen hatte. L war unmittelbarer Besitzer des Zuckers. Allerdings bestand zwischen L und V kein Besitzmittlungsverhältnis, das einen Herausgabeanspruch des V gegenüber L begründen könnte. V war damit nicht gegenüber L mittelbarer Besitzer.

  • Mittelbarer Besitz des V im Verhältnis zu E

    V könnte jedoch gegenüber E mittelbarer Besitzer des Zuckers gewesen sein. Dies setzt voraus, dass E als Besitzer des Zuckers dem V zur Herausgabe verpflichtet war und auch einen entsprechenden Herausgabewillen hatte. E war nicht unmittelbarer Besitzer des Zuckers. Angesichts des Verwahrungsvertrags zwischen E und L bestand jedoch ein Besitzmittlungsverhältnis, sodass der E mittelbarer Besitzer des Zuckers war. Eine Herausgabepflicht des E gegenüber V folgt aus dem Kaufvertrag gemäß § 433 I 1 BGB, sobald V den Kaufpreis bezahlt hat. Dies ist noch nicht geschehen. Auch besteht ein entsprechender Herausgabewille des E für V nur für den Fall, dass V den Kaufpreis vollständig gezahlt hat. Damit scheidet ein aktueller Herausgabewille des E aus. V war auch nicht gegenüber E mittelbarer Besitzer.

  1. Eigentumserwerb nach §§ 929 S. 1, 934 Alt. 2 BGB

K könnte gutgläubig Eigentum nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB an dem Zucker erworben haben. Dies setzt zunächst eine Veräußerung nach §§ 929 S. 1, 931 BGB voraus. Außerdem muss K den Besitz an dem Zucker von dem Veräußerer erlangt haben. K hat keinen unmittelbaren Besitz an dem Zucker erlangt. 

Da aber auch mittelbarer Besitz nach § 868 BGB „Besitz“ im Sinne des Sachenrechts ist, genügt dieser für eine Veräußerung nach § 934 Alt. 2 BGB. K könnte mittelbaren Besitz an dem Zucker erlangt haben. Dies setzt voraus, dass L als unmittelbarer Besitzer zur Herausgabe gegenüber K verpflichtet ist und auch einen entsprechenden Herausgabewillen aufweist. Eine Herausgabepflicht des L ergibt sich aus dem Verwahrungsvertrag gemäß § 695 BGB. Indem L gegenüber K erklärte, die Sache für ihn zu verwahren, machte er auch einen Herausgabewillen objektiv erkennbar. Damit sind die Voraussetzungen des §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB erfüllt. 

K wäre damit eigentlich Eigentümer des Zuckers geworden.

Problematisch hierbei ist jedoch, dass gleichzeitig ein mittelbarer Besitz des E an dem Zucker in Betracht kommt. So hat auch E mit L einen Verwahrungsvertrag, aus dem sich ein Herausgabeanspruch aus § 695 BGB ergibt. Auch hat L seinen Herausgabewillen gegenüber E geäußert.

Aus diesem Grund konnte K nach anderer Ansicht kein Eigentum an dem Zucker erwerben. Er hat nur mittelbaren Nebenbesitz an dem Zucker erlangt. Aufgrund des „Doppelspiels“ des unmittelbaren Besitzers L, besteht ein gleichstufiger mittelbarer Besitz von E und von K.

Solange der unmittelbare Besitzer auch den Eigentümer als Oberbesitzer anerkenne, scheitere ein Erwerb nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB.

Streitstand

Zur Begründung dieser sogenannten Lehre vom Nebenbesitz wird der Rechtsgedanke des § 936 III BGB herangezogen. Die Norm sieht vor, dass derjenige Besitzer, der die Sache nicht freiwillig aus der Hand gibt keinen Rechtsverlust erleiden soll. Übertragen auf E bedeutet dies, dass er aufgrund seines mittelbaren Besitzes auch keinen Eigentumsverlust nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB erleiden soll. Er ist als mittelbarer berechtigter Besitzer schutzwürdig.

Es gibt jedoch auch einige Gegenargumente hinsichtlich der Lehre vom Nebenbesitz. Zunächst ist die Gesetzessystematik zu berücksichtigen: Die Fälle der Besitzaufspaltung sind in den §§ 866, 868, 871 BGB abschließend geregelt. Damit kennt das BGB keinen Nebenbesitz.

Auch der Wortlaut des § 934 Alt. 2 BGB steht einer Verneinung des Eigentumserwerb aufgrund eines angeblichen Nebenbesitzes entgegen. Die Norm verlangt für den Erwerb vom Nichtberechtigen nicht mehr als § 932 I 1 BGB, der den Erwerb von mittelbarem Besitz genügen lässt. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass der Erwerber hinsichtlich seiner Besitzposition besser stehen müsste als der bisherige Eigentümer. 

Ein weiteres Gegenargument liefert die Gesetzessystematik unter Heranziehung des § 1006 III BGB. Gäbe es einen Nebenbesitz, würde dies bedeuten, dass für alle Nebenbesitzer nach § 1006 III BGB vermutet würde, dass sie Nebeneigentümer wären. Ein Institut des Nebeneigentums ist jedoch nicht existent. 

Letztlich stehen der Lehre vom Nebenbesitz auch praktische Erwägungen entgegen. So würde Nebenbesitz voraussetzen, dass L im Konfliktfall den Willen hätte den Zucker, sowohl an E als auch an K herauszugeben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Herausgabewille gegenüber dem ersten Oberbesitzer mit Anerkennung eines anderen Oberbesitzers verloren geht.

Im Ergebnis ist die Lehre vom Nebenbesitz aufgrund der überwiegenden Gegenargumente abzulehnen.

Damit wurde K Eigentümer des Zuckers nach §§ 929 S. 1, 931, 934 Alt. 2 BGB.

3. Fehlender guter Glaube (§§ 934 Hs. 2, 932 II BGB)

Der gutgläubige Erwerb nach §§ 929 S. 2, 932 I 2 BGB scheitert, wenn der Erwerber bösgläubig nach § 932 II BGB ist. Siehe dazu auch den Artikel zu §§ 929 S. 1, 932 BGB.

4. Kein Abhandenkommen (§ 935 I BGB) 

Der gutgläubige Erwerb ist auch zu verneinen, wenn die Sache nach § 935 I BGB abhanden gekommen ist.

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten