Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesKarteikartenPreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Zivilrecht

/

Bereicherungsrecht

/

Leistungskondiktion

Kondiktion bei Gesetzes- oder Sittenverstoß (§ 817 S. 1 BGB)

Teilgebiet

Bereicherungsrecht

Thema

Leistungskondiktion

Tags

Leistungskondiktion
Wucher
§ 812 BGB
§ 817 BGB
§ 134 BGB
§ 138 BGB
§ 818 BGB
§ 814 BGB
Gliederung
  • I. Voraussetzungen

    • 1. Etwas Erlangt

    • 2. Durch Leistung

    • 3. Gesetzes- oder Sittenverstoß des Empfängers

  • II. Kondiktionssperre (§ 817 S. 2 BGB)

    • 1. Anwendbarkeit

    • 2. Analoge Anwendung im Rahmen von § 812 I 1 Fall 1 BGB

In § 817 S. 1 BGB ist die Kondiktion wegen eines Gesetzes- oder Sittenverstoßes als weitere Form der Leistungskondiktion normiert.

Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 817 S. 1 BGB sind in folgender Reihenfolge zu prüfen:

I. Voraussetzungen

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

1. Etwas Erlangt

Zunächst ist erforderlich, dass der Bereicherungsschuldner etwas erlangt hat. Was hierunter fallen kann, kannst du in diesem Artikel nachlesen. 

Definition

Als erlangtes „etwas“ gilt jeder vermögenswerte Vorteil.

2. Durch Leistung

Außerdem muss das erlangte Etwas - wie auch bei der allgemeinen Leistungskondiktion nach § 812 I 1 Fall 1 BGB - gerade durch Leistung erlangt worden sein. Details hierzu findest du hier

Definition

Unter einer Leistung ist die bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zu verstehen.

3. Gesetzes- oder Sittenverstoß des Empfängers

Ein Bereicherungsanspruch aus § 817 S. 1 BGB erfordert außerdem, dass die Annahme der Leistung einen Gesetzes- oder Sittenverstoß des Empfängers begründet.

Merke

Der Gesetzes- oder Sittenverstoß „ersetzt“ das sonst bei der Leistungskondiktion erforderliche Merkmal des fehlenden Rechtsgrundes.

Hier gelten die Grundsätze zu § 134 BGB und § 138 BGB entsprechend, welche du bei Bedarf auffrischen kannst.

Der Anwendungsbereich des § 817 S. 1 BGB ist vom Anwendungsbereich des § 812 I 1 Fall 1 BGB abzugrenzen:

  • Verstoßen der Leistende und der Leistungsempfänger gegen das Gesetz oder die guten Sitten, ist das Geschäft in der Regel nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig. Es gilt dann § 812 I 1 Fall 1 BGB.

  • Ist das Geschäft aber nicht nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig, weil nur der Empfänger der Leistung gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt, ist § 817 S. 1 BGB anwendbar. 

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Da in der Regel bei den infrage kommenden Konstellationen das Grundgeschäft bereits nach §§ 134, 138 BGB nichtig sein wird, ist der Anwendungsbereich des § 817 S. 1 BGB gering, da diese Norm ein grundsätzlich wirksames Rechtsgeschäft voraussetzt.

II. Kondiktionssperre (§ 817 S. 2 BGB)

Ein Anspruch aus § 817 S. 1 BGB ist nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß gegen das Gesetz oder die guten Sitten zur Last fällt.

1. Anwendbarkeit

Die Vorschrift ist damit nur anwendbar, wenn der Leistende den Gesetzes- oder Sittenverstoß kannte oder grob fahrlässig verkannte. Andernfalls ist eine teleologische Reduktion vorzunehmen.

2. Analoge Anwendung im Rahmen von § 812 I 1 Fall 1 BGB

Ist ein schuldrechtliches Geschäft nach § 134 BGB oder § 138 BGB nichtig, erfolgt die Rückabwicklung nach § 812 I 1 Fall 1 BGB.  

Aufgrund der Nichtigkeit des Geschäfts ist § 817 S. 2 BGB analog anwendbar, denn die Kondiktionssperre muss hier erst recht gelten.

Merke

Die analoge Anwendbarkeit ist anerkannt und muss nicht diskutiert werden.

Dies wird im Wege der historischen Auslegung darauf gestützt, dass sich der aktuelle § 817 S. 2 BGB im 1. Entwurf zum BGB auf alle Arten der Leistungskondiktion bezog.

Beispiel

Fall

W gewährt dem S ein wucherähnliches Darlehen. Als S sich weigert, weiterhin Zinsen zu bezahlen, verlangt W das Darlehen sofort (das heißt vor Fälligkeit) zurück. 


Zu Recht?

Lösung

W könnte gegen S einen Anspruch auf Herausgabe des Darlehens aus § 812 I 1 Fall 1 BGB haben. Dies setzt voraus, dass S etwas durch Leistung des W ohne rechtlichen Grund erlangt hat. S hat die Darlehenssumme durch Leistung des W erlangt. Da ein etwaiger Darlehensvertrag nach § 138 I BGB nichtig ist, ist dies auch ohne rechtlichen Grund erfolgt.

Damit liegen die Voraussetzungen des § 812 I 1 Fall 1 BGB vor.

Der Anspruch könnte jedoch nach § 814 BGB ausgeschlossen sein. Die Kondiktionssperre setzt voraus, dass W positive Kenntnis davon hatte, dass das Rechtsgeschäft nach § 138 I BGB nichtig ist. Dies ist in der Regel nur schwer nachweisbar. 

Der Anspruch könnte jedoch nach § 817 S. 2 BGB analog ausgeschlossen sein. Dies setzt voraus, dass dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß im Sinne des § 817 S. 1 BGB zur Last fällt. In dieser Konstellation fällt nur dem W ein Sittenverstoß zur Last. § 817 S. 2 BGB ist aber erst Recht anwendbar, wenn nur der Leistende gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten verstoßen hat. Damit ist der Anspruch aus § 812 I 1 Fall 1 BGB nach § 817 S. 2 BGB analog ausgeschlossen. 

Der Darlehensnehmer S braucht das Darlehen damit nicht sofort zurückzuzahlen.

§ 817 S. 2 BGB sperrt die Kondiktion des Darlehens jedoch nur bis zu dessen Fälligkeit. Erlangt ist nur der zeitweilige Gebrauchsvorteil des Geldes. Das Darlehen ist bei Fälligkeit zurückzuzahlen. Selbst wenn der Vertrag wirksam wäre, müsste der Darlehensnehmer das Darlehen bei Fälligkeit zurückzahlen. 

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten