Dieser Artikel behandelt die räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB. Die Vorschrift ist höchst examensrelevant, da in der Klausur häufig vom Raub nach § 249 StGB abgegrenzt werden muss. Dabei ist umstritten, ob es sich um den Grundtatbestand der §§ 249 ff. StGB handelt oder um einen eigenständigen Tatbestand.
Vor diesem Artikel sollten die Artikel zum Raub (§ 249 StGB) und zur Erpressung (§ 253 StGB) durchgearbeitete werden.
I. Allgemeines
Bei §§ 253, 255 StGB handelt es sich um ein Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB und nicht um ein Vergehen i.S.d. § 12 II StGB, sodass sich die Versuchsstrafbarkeit aus § 12 I StGB i.V.m. § 23 I Hs. 1 StGB ergibt.
1. Systematik
Die räuberische Erpressung nach §§ 253, 255 StGB ist eine Qualifikation von der (einfachen) Erpressung nach § 253 StGB. Qualifiziert wird die Tat durch den Einsatz qualifizierter Nötigungsmittel (Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben).
Der Täter ist “gleich einem Räuber” zu bestrafen. Daraus ergibt sich, dass der minder schwere Fall (§ 249 II StGB), die Qualifikationsmerkmale des schweren Raubes (§ 250 StGB) und die Vorschrift zum Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) Anwendung finden.
Ansonsten wird auf die Ausführungen zur Systematik im Artikel zum § 249 StGB verwiesen.
2. Prüfungsschema

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Zu beachten ist, dass anders als bei § 253 I StGB nicht gesondert die Verwerflichkeit der Tat geprüft werden muss. Denn der Einsatz von Gewalt gegen eine Person oder die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ist grundsätzlich immer verwerflich.
II. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Nötigungshandlung
Die Nötigungshandlung müsste mit qualifizierten Nötigungsmitteln eingesetzt werden. Hier kann eine Parallele zu § 249 StGB gezogen werden. Auch dort wird die Tat mit Gewalt oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen. Es wird daher auf die Ausführungen im Artikel zum § 249 StGB verwiesen.
b) Nötigungserfolg
Der Nötigungserfolg ist identisch mit dem des § 240 StGB. Es muss daher eine Handlung, Duldung oder Unterlassung vorliegen.
c) Vermögensverfügung (strittig)
Zentrales Problem der räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB ist die Frage, ob eine Vermögensverfügung erforderlich ist. Nach der herrschenden Lehre setzt der Tatbestand eine Vermögensverfügung voraus, während die Rechtsprechung dies ablehnt und jedes Tun, Dulden oder Unterlassen des Opfers genügen lässt.
Da dieses Problem schon bei der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung eine zentrale Rolle spielt, ist der Streit im Artikel zum Raub nach § 249 StGB dargestellt.
Merke
Wenn diese Abgrenzung in der Klausur entscheidend ist, musst du dich entscheiden, welchen der beiden Tatbestände (§ 249 und § 253, 255 StGB) du zuerst prüfst. Bei dem zuerst geprüften Tatbestand wird dann der Streit geführt. Bei dem jeweils anderen Tatbestand kannst du dann auf die bereits gemachten Ausführungen verweisen.
d) Vermögensnachteil
Der Vermögensnachteil entspricht dem Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB.
e) Kausalität zwischen Nötigung und Vermögensnachteil
Die Nötigung muss kausal für den eingetretenen Vermögensnachteil sein (vgl. Wortlaut: „dadurch“). Ein solcher Kausalzusammenhang besteht nicht, wenn
das Opfer auch ohne die Nötigung über sein Vermögen verfügt hätte, oder
die Nötigung lediglich der Sicherung eines bereits erlangten Vorteils dient („Sicherungserpressung“) und nicht auf die Erlangung eines neuen Vermögensvorteils gerichtet ist.
2. Subjektiver Tatbestand
Es handelt sich um ein Delikt mit überschießender Innentendenz. Somit ist neben dem Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmal auch die Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Selbst- oder Drittbereicherung erforderlich.
a) Vorsatz
Der Täter muss mit Vorsatz (mind. dolus eventualis) bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale handeln.
b) Rechtswidrige Bereicherungsabsicht
Zusätzlich ist erforderlich, dass der Täter in der rechtswidrigen Absicht (dolus directus 1. Grades) sich oder einen Dritten zu bereichern handelt.
Vernetztes Lernen
Die Absicht rechtswidriger Bereicherung deckt sich mit der Absicht stoffgleicher Bereicherung des § 263 StGB. Nutze die Gelegenheit und wiederhole noch einmal die dortigen Ausführungen, falls du dich nicht mehr genau erinnern kannst.
Definition
Bereicherungsabsicht ist das zielgerichtete Handeln nach einem Vermögensvorteil.
Rechtswidrig ist diese, wenn der Täter oder der von ihm Begünstigte keinen einredefreien rechtlichen Anspruch auf den erstrebten Vermögensvorteil hat.
Die Bereicherung muss stoffgleich mit dem Schaden sein, d. h. der Vorteil des Täters muss unmittelbar die Kehrseite des Vermögensnachteils des Geschädigten bilden.
III. Rechtswidrigkeit
Es sind die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zu beachten.
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Wichtig zu beachten ist, dass eine Verwerflichkeitsprüfung, wie sie bei § 253 I StGB oder § 240 StGB vorgenommen wird, im Rahmen des § 255 StGB gerade nicht erforderlich ist.
IV. Schuld
Es sind die allgemeinen Entschuldigungsgründe zu berücksichtigen.


