Dieser Artikel behandelt die Erpressung nach § 253 StGB. Die Vorschrift ist von hoher Examensrelevanz, da sie den Grundtatbestand der räuberischen Erpressung bildet und regelmäßig bei der Abgrenzung zum Raub nach § 249 StGB eine Rolle spielt. Außerdem ist die Frage, ob eine Vermögensverfügung bei der Erpressung vorliegen muss ein häufiger Schwerpunkt in der Klausur.
Vor der Lektüre dieses Artikels sollte der Beitrag zum Betrug nach § 263 StGB durchgearbeitet werden, da beide Delikte strukturelle Parallelen aufweisen. Wer die Systematik des § 263 StGB beherrscht, versteht auch die Struktur der §§ 253 und 255 StGB deutlich leichter. Ebenso empfiehlt es sich, zuvor den Artikel zum Raub nach § 249 StGB zu lesen, da der dort dargestellte Streit zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung als Grundlage dient.
I. Allgemeines
Die Erpressung ist eine Vermögensschädigung, die durch Nötigung eines anderen in der Absicht erfolgt, sich oder einem Dritten zu bereichern. Geschützt sind (wie bei § 240 StGB) die persönliche Freiheit der Willensentschließung und -betätigung sowie darüber hinaus das Vermögen i.S.d. § 263 StGB.
Vernetztes Lernen
Das Mittel der Täuschung ist bei § 253 StGB also im Vergleich zum Betrug nach § 263 StGB Drohung oder Gewalt.
Bei § 253 I StGB handelt es sich um ein Vergehen i.S.d. § 12 II StGB. Die Versuchsstrafbarkeit ergibt sich aus § 23 I Hs. 2 i.V.m. § 253 III StGB.
Anders beim besonders schweren Fall nach § 253 IV StGB: Hier handelt es sich um ein Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB, sodass sich die Versuchsstrafbarkeit aus § 12 I StGB i.V.m. § 23 I Hs. 1 StGB ergibt.
1. Systematik

2. Prüfungsschema

II. Tatbestand
1. Objektiver Tatbestand
a) Nötigungshandlung
Hinsichtlich der Nötigungshandlung bzw. der Nötigungsmittel ist auf die Ausführungen zur Nötigung nach § 240 StGB zu verweisen.
Vernetztes Lernen
Beachte immer, dass auch ein qualifiziertes Nötigungsmittel nach § 255 StGB vorliegen könnte. Dann kommt eine Strafbarkeit nach § 255 StGB in Betracht.
Wichtig ist, dass die Nötigungshandlung stets auf eine vermögensbezogene Handlung des Opfers abzielt. Bei einer bloßen Einschränkung der Handlungsfreiheit ohne wirtschaftlichen Bezug kommt § 253 StGB nicht in Betracht.
b) Nötigungserfolg
Der Nötigungserfolg ist ebenfalls identisch mit dem des § 240 StGB. Es genügt jede Handlung, Duldung oder Unterlassung.
c) Vermögensverfügung (strittig)
Zentrales Problem der Erpressung nach § 253 StGB ist die Frage, ob eine Vermögensverfügung erforderlich ist. Nach der herrschenden Lehre setzt der Tatbestand (ebenso wie § 255 StGB) eine Vermögensverfügung voraus, während die Rechtsprechung dies ablehnt und jedes Tun, Dulden oder Unterlassen des Opfers genügen lässt.
Da diese Frage schon bei der Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung relevant ist, wird der Streit im Artikel zum Raub nach § 249 StGB aufbereitet.
d) Vermögensnachteil
Der Vermögensnachteil entspricht dem Vermögensschaden i.S.d. § 263 StGB.
e) Kausalität zwischen Nötigung und Vermögensnachteil
Die Nötigung muss kausal für den eingetretenen Vermögensnachteil sein (vgl. Wortlaut: „dadurch“). Ein solcher Kausalzusammenhang besteht nicht, wenn
das Opfer auch ohne die Nötigung über sein Vermögen verfügt hätte, oder
die Nötigung lediglich der Sicherung eines bereits erlangten Vorteils dient („Sicherungserpressung“) und nicht auf die Erlangung eines neuen Vermögensvorteils gerichtet ist.
2. Subjektiver Tatbestand
a) Vorsatz
Der Täter muss mit Vorsatz (mind. dolus eventualis) bzgl. der objektiven Tatbestandsmerkmale handeln.
b) Rechtswidrige Bereicherungsabsicht
Zusätzlich ist erforderlich, dass der Täter in der rechtswidrigen Absicht (dolus directus 1. Grades) sich oder einen Dritten zu bereichern handelt.
Vernetztes Lernen
Die Absicht rechtswidriger Bereicherung deckt sich mit der Absicht stoffgleicher Bereicherung des § 263 StGB. Nutze die Gelegenheit und lies dir noch einmal die dortigen Ausführungen durch, falls du dich nicht mehr genau erinnern kannst.
Merke
Bereicherungsabsicht ist das zielgerichtete Handeln auf einem Vermögensvorteil.
Rechtswidrig ist diese, wenn der Täter oder der von ihm Begünstigte keinen einredefreien rechtlichen Anspruch auf den erstrebten Vermögensvorteil hat.
Die Bereicherung muss stoffgleich mit dem Schaden sein, d. h. der Vorteil des Täters muss unmittelbar die Kehrseite des Vermögensnachteils des Geschädigten bilden.
III. Rechtswidrigkeit
Merke
§ 253 StGB ist, wie § 240 StGB, ein sogenannter offener Tatbestand. Das bedeutet, dass die Rechtswidrigkeit nicht schon durch die Erfüllung der Tatbestandsmerkmale erfüllt ist, sondern positiv festgestellt werden muss, vgl. § 253 II StGB.
a) Allgemeine Rechtfertigungsgründe
Es sollte mit der Prüfung der allgemeinen Rechtfertigungsgründe begonnen werden. Denn: Wenn die Tat schon gerechtfertigt ist, kann sich auch nicht nach § 253 II StGB verwerflich sein.
b) Verwerflichkeitsprüfung
Die Verwerflichkeitsklausel des § 253 II StGB entspricht derjenigen des § 240 II StGB. Es wird deshalb auf die dortigen Ausführungen verwiesen.
Diese dient als Korrektiv, um sozialadäquate oder sittlich nicht zu missbilligende Druckmittel (etwa legitime Drohungen mit einem gerichtlichen Vorgehen) von strafwürdigen abzugrenzen.
Klausurtipp
In der Fallbearbeitung genügt meist ein kurzer Satz, da die Verwerflichkeit selten abzulehnen ist.
IV. Schuld
Es sind die allgemeinen Entschuldigungsgründe zu berücksichtigen.
V. Strafzumessungsregel, § 253 IV StGB
In § 253 IV StGB ist eine Strafzumessungsregel für besonders schwere Fälle normiert.
a) Gewerbsmäßige Erpressung (Var. 1)
Die Definition für die Gewerbsmäßigkeit entspricht derjenigen beim besonders schweren Fall des Diebstahls in § 243 I Nr. 3 StGB.
Zur Erinnerung: Die Gewerbsmäßigkeit liegt vor, wenn der Täter die Erpressung wiederholt zur Schaffung einer dauerhaften, nicht nur vorübergehenden Einnahmequelle betreibt.
b) Bandenerpressung (Var. 2)
Die Definition der Bande kann von der Qualifikation des Diebstahls nach § 244 I Nr. 2 StGB übernommen werden.
Danach handelt es sich um einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen mit dem Willen, künftig mehrere selbstständige, im Einzelnen noch unbestimmte Erpressungstaten zu begehen.


