Dieser Artikel behandelt die Körperverletzung mit Todesfolge nach § 227 StGB. Die Examensrelevanz ist wie bei nahezu jedem Körperverletzungsdelikt als sehr hoch einzustufen. § 227 StGB wird in der Klausursituation gerne übersehen, ist aber das Verletzungsdelikt, das mit der (wissentlichen) schweren Körperverletzung nach § 226 II StGB die höchste Strafandrohung hat. Darüber hinaus ist § 226 StGB das Paradebeispiel für eine Erfolgsqualifikation.
Es wird empfohlen, zunächst die Artikel zu § 223 StGB, § 224 StGB, § 226 StGB und zu den Erfolgsqualifikationen durchzuarbeiten.
I. Allgemeines
§ 227 StGB ist dem 17. Abschnitt des StGB „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ zugeordnet und schützt das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit.
Bei § 227 StGB handelt es sich anders als beim Grundtatbestand des § 223 StGB oder der Qualifikation nach § 224 StGB nicht um ein Vergehen i.S.d. § 12 II StGB, sondern wie auch bei § 226 StGB um ein Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB, sodass sich die Versuchsstrafbarkeit aus § 12 I StGB i.V.m. § 23 I Hs. 1 StGB ergibt und nicht etwa aus einer extra angeordneten Versuchsstrafbarkeit wie bei §§ 223 II, 224 II StGB.
Die Körperverletzung mit Todesfolge ist dabei eine Erfolgsqualifikation zur einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB. § 227 StGB hebt sich dabei aufgrund der besonderen Gefährlichkeit durch das Herbeiführen der Todesfolge ab. Mithin gilt also § 18 StGB, sodass bezüglich der Todesfolge zumindest Fahrlässigkeit erforderlich ist.
Grundtatbestand ist § 223 StGB, sodass in jedem Fall daher immer eine vorsätzliche Körperverletzung vorliegen muss. Eine fahrlässige Körperverletzung, die dann wiederum zum fahrlässig verursachten Tod führt, bleibt nur § 222 StGB, welcher § 229 StGB konsumiert.
1. Prüfungsaufbau

II. Grundtatbestand, § 223 StGB
Zunächst muss der Grundtatbestand des § 223 StGB erfüllt sein. Es muss also eine körperliche Misshandlung oder eine Gesundheitsschädigung vorliegen. Diesbezüglich kann vollständig auf die Ausführungen im Artikel zu § 223 StGB verwiesen werden.
III. Erfolgsqualifikation, § 227 StGB
Sodann müssen die Voraussetzungen des erfolgsqualifizierten Tatbestandes verwirklicht worden sein.
1. Eintritt der schweren Folge: Tod eines anderen Menschen
Zunächst muss die schwere Folge, also der Tod eines anderen eingetreten sein. Hinsichtlich der Frage, wann ein Mensch tot ist, kann auf die Ausführungen im Artikel zu § 212 StGB verwiesen werden.
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Insofern der Tod nicht final eingetreten ist, kann sich die Problematik rund um den erfolgsqualifizierten Versuch sowie den Versuch der Erfolgsqualifikation stellen. Hierzu kann auf den Strafrecht-AT-Artikel zu den Erfolgsqualifikationen verwiesen werden.
2. Kausalität und objektive Zurechnung
Weiterhin muss zwischen der Körperverletzungshandlung und der schweren Folge Kausalität und die objektive Zurechnung vorliegen.
3. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
Es muss der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang zwischen Körperverletzung und Todesfolge gegeben sein. Hierzu kann im Allgemeinen ebenfalls auf den Artikel zu den Erfolgsqualifikationen verwiesen werden.
Speziell für § 227 StGB gilt jedoch: Es ist umstritten, ob Anknüpfungspunkt die Körperverletzungshandlung (etwa: Messerstich, Schlag mit dem Baseballschläger) oder der Körperverletzungserfolg (etwa: Stichwunde, Schädelbasisbruch) ist.
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Zur grundlegenden Einordnung des Streits siehe den Artikel zur Erfolgsqualifikation.
Problem
Anknüpfungspunkt des § 227 StGB
Nach einer Minderansicht, der sog. „Letalitätstheorie“, muss sich gerade der Körperverletzungserfolg in der schweren Folge (Tod) realisieren. Argumente hierfür sind die hohe Strafandrohung und der Wortlaut („verletzten Person“). Nach dieser Ansicht ist der erfolgsqualifizierte Versuch, wo der Streit sehr relevant wird, nicht möglich beziehungsweise nicht strafbar, weil das Grunddelikt gerade im Versuch stecken bleibt, sodass es keinen Körperverletzungserfolg gibt.
Nach dem BGH und der h.M. ist es ausreichend, wenn die Körperverletzungshandlung zum Tod geführt hat. Hauptargument ist neben kriminalpolitischen Erwägungen der Wortlaut. Denn nach einer Änderung des Wortlauts verweist § 227 StGB bei der Körperverletzung nicht mehr nur auf § 223 I StGB und § 224 I StGB, sondern auf die vollen Paragraphen der §§ 223 bis 226 StGB, wodurch auch der Versuch nach § 223 II und § 224 II StGB erfasst wird, bei dem es ja gerade keinen Körperverletzungserfolg gibt, sodass Anknüpfungspunkt nur die Körperverletzungshandlung sein kann.
Der Streit kann sich auch außerhalb des erfolgsqualifizierten Versuchs auswirken. Sofern § 227 StGB geprüft wird, ist der Streit immer anzusprechen.
a) Unproblematische Konstellationen
Beispiel
T schlägt O mit einem Baseballschläger ohne Tötungsvorsatz auf dem Kopf. O erleidet einen Schädelbasisbruch, an welchem O verstirbt.
Hier ist der O sowohl kausal und unmittelbar, typischerweise am Körperverletzungserfolg (Schädelbasisbruch), als auch an der Körperverletzungshandlung (Baseballschläger auf den Kopf) gestorben.
Der Streit ist nicht zu entscheiden, aber kurz darzustellen!
b) Problematische Konstellation
Beispiel
T will O schwer entstellen und ihr die Nase und die Ohren abschneidet. Daher attackiert er O an einer vielbefahrenen, sechsspurigen unübersichtlichen Straße mit einem Messer und kommuniziert, ihr “nur” die Nase und die Ohren abzuschneiden. Der erste Stich ins Gesicht trifft aber die O nicht richtig, so dass sie nur einen 2 cm-langen kleinen Schnitt an der Wange hat. In Angst, schwer entstellt zu werden, läuft O dann in Panik auf die Straße und wird von einem Lkw erfasst und stirbt.
Sofern man an Körperverletzungserfolg (2 cm-langen kleinen Schnitt an der Wange) anknüpft, scheidet § 227 StGB aus, da O daran nicht kausal und unmittelbar, typischerweise gestorben ist.
Knüpft man hingegen an die Körperverletzungshandlung (Messerattacke an einer viel befahrenen, sechsspurigen, unübersichtlichen Straße mit einem Messer, um dem Opfer die Nase und die Ohren abzuschneiden) an, ist es zumindest gut vertretbar, dass hieraus kausal und unmittelbar typischerweise der Tod resultiert.
Der Streit ist dann zu entscheiden und in jedem Fall auch ein Schwerpunkt des Falles.
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Ein gängiges Problem bei § 227 StGB ist die Konstellation einer mittäterschaftlichen vorsätzlichen Körperverletzung, wo ein Mittäter das Opfer im Rahmen eines Mittäterexzesses vorsätzlich tötet. Dann stellt sich die Frage, ob die anderen Mittäter, denen der Exzess nicht zuzurechnen ist, nach § 227 StGB zu bestrafen sind, da es das unmittelbare, typische Risiko der vorsätzlichen Körperverletzung sein könnte, dass ein Mittäter „durchdreht“ und das Opfer tötet (so im sog. "Schweinetrog"-Fall des BGH (Urt. v. 19.08.2004 – 5 StR 218/04)).
4. Objektive Fahrlässigkeit, § 18 StGB ggf. Vorsatz
Hinsichtlich der schweren Folgen muss gemäß § 18 StGB “wenigstens Fahrlässigkeit” vorliegen.
Hier kann auf die Ausführungen im Artikel zu den Erfolgsqualifikationen verwiesen werden.
Der Wortlaut der Vorschrift macht aber auch klar, dass der Täter auch vorsätzlich bzgl. der schweren Folge handeln kann. Insofern Vorsatz (zumindest dolus eventualis) hinsichtlich der schweren Folge vorliegt, muss die Fahrlässigkeit abgelehnt (nach der Streitdarstellung um die Abgrenzung von bewusster Fahrlässigkeit und dolus eventualis) und im Anschluss der subjektive Tatbestand geprüft werden.
Klausurtipp
Zwingend zu beachten:
Wichtig ist, dass an § 227 StGB vorrangig zu denken ist, wenn §§ 211, 212 StGB am Tötungsvorsatz scheitern. Sofern § 227 StGB vorliegt, verdrängt dieser § 222 StGB. Dies ist allenfalls in einem Satz festzustellen (beispielsweise: Der T hat sich somit gemäß § 227 StGB strafbar gemacht. Der mitverwirklichte § 222 StGB wird im Wege der Konsumption verdrängt).
Bei § 227 StGB kann sich die Problematik des erfolgsqualifizierten Versuchs stellen. Der Versuch der Erfolgsqualifikation spielt hingegen keine Rolle und ist in aller Regel nicht einmal anzuprüfen. Hintergrund ist, dass für den Versuch der Erfolgsqualifikation dolus eventualis hinsichtlich des Erfolges - hier der Tod eines anderen Menschen – vorliegt und damit immer zumindest ein versuchter § 212 StGB (wenn nicht § 211 StGB) vorliegt, sodass der Versuch immer von § 227 StGB verdrängt wird.
In der Klausur prüft man in aller Regel zunächst §§ 211, 212 StGB , welcher dann am Tötungsvorsatz scheitert. Anschließend ist § 227 StGB zu prüfen. Dabei stellt sich die Aufbau-Frage, ob man erst §§ 223 (,224) StGB prüft und dann § 227 StGB oder ob man direkt § 227 StGB und im Rahmen dessen §§ 223 (,224) StGB prüft. Dies ist nicht entscheidend. Übersichtlicher ist es häufig, erst §§ 223 - 226 StGB zu prüfen.
IV. Rechtswidrigkeit
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit sind die allgemeinen Rechtfertigungsgründe zu beachten.
V. Schuld
Im Rahmen der Schuld ist bei fahrlässiger Herbeiführung der schweren Folge die subjektive Fahrlässigkeit zu prüfen.