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17. Abschnitt: Körperverletzungsdelikte

§ 223 StGB (Körperverletzung)

Teilgebiet

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Thema

17. Abschnitt: Körperverletzungsdelikte

Tags

Körperverletzung
Tatbestand
Gesundheitsschädigung
Körperliche Misshandlung
Kausalität
Objektive Zurechnung
Vorsatz
Dolus eventualis
Rechtswidrigkeit
Rechtfertigende Einwilligung
Heilbehandlung
Strafantrag
§ 223 StGB
§ 228 StGB
§ 12 StGB
§ 23 StGB
§ 224 StGB
§ 226 StGB
§ 227 StGB
§ 221 StGB
§ 225 StGB
§ 340 StGB
§ 212 StGB
§ 230 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

    • 1. Prüfungsschema

  • II. Tatopfer: Anderer Mensch

  • III. § 223 I Alt. 1 StGB: Körperliche Misshandlung

    • 1. Taterfolg: erhebliche Beeinträchtigung

      • a) Körperliche Unversehrtheit

      • b) Körperliches Wohlbefinden

    • 2. Tathandlung: Üble Behandlung

    • 3. Kausalität und Objektive Zurechnung

  • IV. § 223 I Alt. 2 StGB: Gesundheitsschädigung

    • 1. Taterfolg: pathologischer Zustand

      • a) Sonderfall: Ärztliche Heileingriffe

    • 2. Tathandlung: Hervorrufen oder Steigern

    • 3. Subjektiver Tatbestand

  • V. Rechtswidrigkeit

  • VI. Schuld

  • VII. Strafantrag (§ 230 StGB)

Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Körperverletzung nach § 223 StGB. Die Examensrelevanz ist als sehr hoch einzustufen, weil § 223 StGB zu den Standarddelikten des Strafrechts zählt und in nahezu jeder strafrechtlichen Examensklausur zumindest am Rande geprüft wird. Die Vorschrift bildet nicht nur die Grundlage für sämtliche Körperverletzungsdelikte, sondern bietet auch zahlreiche Anknüpfungspunkte für Probleme aus dem Allgemeinen Teil – etwa bei der rechtfertigenden Einwilligung (§ 228 StGB), der Irrtumsbehandlung oder im Bereich der Teilnahme.

I. Allgemeines

§ 223 StGB eröffnet den 17. Abschnitt des StGB „Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit“ und schützt wenig überraschend das Rechtsgut körperliche Unversehrtheit.

Bei § 223 StGB handelt es sich um ein Vergehen i.S.d. § 12 II StGB und nicht um ein Verbrechen i.S.d. § 12 I StGB, sodass sich die Versuchsstrafbarkeit gerade nicht aus § 12 I StGB i.V.m. § 23 I Hs. 1 StGB ergibt, sondern aus der extra angeordneten Versuchsstrafbarkeit in § 223 II StGB.

Zu beachten ist darüber hinaus, dass § 223 StGB Grundtatbestand für schwerwiegendere Delikte wie die gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB), die schwere Körperverletzung (§ 226 StGB) oder die Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB). Darüber hinaus gibt es über das StGB verteilt immer wieder Delikte, die (auch) die körperliche Unversehrtheit schützen, wie die Aussetzung (§ 221 StGB), die Misshandlung von Schutzbefohlenen (§ 225 StGB), Körperverletzung im Amt (§ 340 StGB).

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1. Prüfungsschema

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II. Tatopfer: Anderer Mensch

Wie auch im Rahmen des § 212 I StGB muss es sich beim Tatopfer um einen anderen Menschen handeln.

Beispiel

Ausgeschlossen sind also:

  • Ungeborene,

  • das Tatopfer selbst,

  • juristische Personen.

III. § 223 I Alt. 1 StGB: Körperliche Misshandlung

Die erste Tatbestandsalternative ist die körperliche Misshandlung.

Definition

Jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht unerheblich beeinträchtigt.

1. Taterfolg: erhebliche Beeinträchtigung

Der Taterfolg der ersten Tatbestandsalternative ergibt sich schon aus der Definition. Die körperliche Unversehrtheit oder das körperliche Wohlbefinden muss nicht unerheblich beeinträchtigt worden sein.

Wichtig ist in diesem Rahmen, dass die sogenannte Bagatellgrenze überschritten wurde. Diese ist i.d.R. aber recht niedrig anzusetzen. Eine genaue Definition gibt es nicht, sodass im Einzelfall und in der Klausursituation i.Z. argumentiert werden muss.

a) Körperliche Unversehrtheit

Die körperliche Unversehrtheit ist nicht gleichzusetzen mit der Gesundheitsschädigung, kann sich aber mit ihr überschneiden. Die körperliche Unversehrtheit reicht jedoch deutlich weiter.

Beispiel

Erfasst sind:

  • Lokale Substanzschädigungen (übereinstimmend mit der Gesundheitsschädigung):

    • Prellungen, Brüche, Schnitte, Schwellungen etc.

    • Fälle des § 226 StGB

  • Nachwachsende Körpersubstanz (keine Übereinstimmung mit der Gesundheitsschädigung):

    • erheblich: Abrasieren der Haare

    • unerheblich: Abschneiden einer Haarlocke

b) Körperliches Wohlbefinden

Das körperliche Wohlbefinden umfasst Fälle, in denen die körperliche Substanz nicht beschädigt wird, das Tatopfer aber dennoch einen nicht unerheblichen Eingriff in die körperliche Integrität erleidet.

Hier sind insbesondere verursachte Schmerzen von besonderer Bedeutung:

Definition

Erhebliche Schmerzen:

  • Ohrfeigen, Nackenschmerzen in Folge eines Schwitzkastens, Schlag auf Oberarm

Unerhebliche Schmerzen (sehr selten):

  • Wohl bei einem “Mini-Stromschlag” mit dem aus einem Feuerzeug ausgebauten Funkenerzeuger, insofern das Opfer “nur ein leichtes Kribbeln verspürt”.

Allerdings können im Einzelfall auch andere Erscheinungen nicht unerhebliche Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens sein:

Beispiel

A hält den B im Schwitzkasten. Der B wehrt sich nicht, sodass A nicht sehr stark zudrückt und B keine Schmerzen verspürt. Nach wenigen Minuten jedoch führt die erzwungene gebeugte Position bei B zu starker Benommenheit.

2. Tathandlung: Üble Behandlung

Da § 223 StGB ein verhaltensneutrales Delikt ist, kann die Tathandlung grundsätzlich in jeder üblen, unangemessenen Behandlung des Tatopfers liegen. Die Unangemessenheit ergibt sich dabei i.d.R. aus dem durch die Überschreitung der Erheblichkeitsschwelle eingetretenen Taterfolg.

3. Kausalität und Objektive Zurechnung

§ 223 I StGB ist ein erfolgsbedingtes Verletzungsdelikt. D.h. der Tatbestand setzt einen Taterfolg voraus, der durch die Tathandlung des Täters auch kausal und objektiv zurechenbar verursacht worden sein muss.

Hier gelten die allgemeinen Ausführungen zur Kausalität und objektiven Zurechnung.

IV. § 223 I Alt. 2 StGB: Gesundheitsschädigung

Definition

Eine Gesundheitsschädigung meint jedes Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen nachteilig abweichenden krankhaften Zustandes.

1. Taterfolg: pathologischer Zustand

Bei der anderen Person muss ein krankhafter Zustand eingetreten sein. Auch hier muss die Bagatellgrenze überschritten sein. Typische Beispiele für eine Gesundheitsschädigung sind:

Beispiel

Erkrankungen innerer und äußerer Organe:

  • Hämatome (Blutergüsse / blaue Flecke)

  • Knochenbrüche

  • Sehnenrisse

  • Schürfwunden

Fraglich ist darüber hinaus, ob der Begriff der Gesundheitsschädigung auch psychische Schäden umfasst:

Merke

Unter den Begriff der Gesundheitsschädigung fällt nicht nur jede körperlich messbare Beeinträchtigung des Gesundheitszustands (z. B. eine Platzwunde oder ein Knochenbruch), sondern grundsätzlich auch psychisch vermittelte Störungen, sofern sie sich körperlich auswirken.

Klassische Beispiele sind etwa Schlafstörungen, Essstörungen, Angstzustände mit körperlichen Symptomen oder psychosomatische Reaktionen wie Herzrasen, Zittern oder Erbrechen infolge eines traumatisierenden Erlebnisses.

Reine seelische Beeinträchtigungen – also bloße „Nervenschocks“ ohne körperliche Folgen – reichen dagegen nicht aus, um eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 223 StGB anzunehmen.

Entscheidend ist immer, ob der normale körperliche Zustand des Opfers nachhaltig gestört wurde – auch wenn diese Störung psychisch ausgelöst wurde.

a) Sonderfall: Ärztliche Heileingriffe

Ein besonders grundlegender Streit, der sich insbesondere für Semesterabschlussklausuren gut als Stoff eignet, entfaltet sich rund um die Frage, wie ärztliche Heilbehandlungen strafrechtlich zu behandeln sind. Auch wenn medizinische Eingriffe typischerweise dem Wohl des Patienten dienen, handelt es sich technisch gesehen häufig um Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit – etwa bei Operationen, Injektionen oder anderen invasiven Maßnahmen. Fraglich ist daher, ob solche Maßnahmen überhaupt unter den Tatbestand der Körperverletzung nach § 223 StGB fallen, oder ob sie von vornherein straflos bleiben. Die Diskussion kreist um die sogenannte Tatbestandslösung auf der einen und die Rechtfertigungslösung auf der anderen Seite.

Problem

Strafrechtliche Bewertung ärztlicher Heilbehandlungen

  • Tatbestandslösung: Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht liegt bei ärztlichen Heilbehandlungen kein tatbestandsmäßiger Körperverletzungstatbestand vor, sofern der Eingriff medizinisch indiziert ist und nach aktuellem ärztlichem Standard erfolgt. Der Schutzbereich des § 223 StGB sei auf rechtswidrige, also sozialschädliche Eingriffe beschränkt. Ärztliche Maßnahmen seien aber dem Wohl des Patienten verpflichtet und daher grundsätzlich tatbestandlich ausgeschlossen. Voraussetzung sei allerdings, dass keine groben Behandlungsfehler oder irrationale Methoden angewandt werden.

  • Rechtfertigungslösung (h.M.): Die wohl herrschende Meinung – und auch die Rechtsprechung – geht dagegen davon aus, dass auch ein ärztlicher Heileingriff objektiv eine Körperverletzung im Sinne von § 223 StGB darstellt. Selbst wenn medizinisch sinnvoll und nach aktuellem Standard durchgeführt, liegt zunächst eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit vor (z. B. durch Einschnitt, Spritze etc.). Die Strafbarkeit entfällt aber nicht auf Tatbestandsebene, sondern erst über eine Rechtfertigung – meist durch Einwilligung des Patienten (§ 228 StGB).

  • Stellungnahme: Die herrschende Meinung überzeugt. Die Tatbestandslösung setzt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten herab, weil sie Heilmaßnahmen auch dann straflos stellen würde, wenn keine Einwilligung vorliegt. In diesen Fällen müsste der Patient seine körperliche Integrität faktisch „automatisch“ der ärztlichen Einschätzung unterordnen.

2. Tathandlung: Hervorrufen oder Steigern

Da § 223 StGB ein verhaltensneutrales Delikt ist, kann das Steigern oder Hervorrufen grundsätzlich in jeder Handlung liegen.

3. Subjektiver Tatbestand

Hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes ist dolus eventualis ausreichend.

V. Rechtswidrigkeit

Im Rahmen der Rechtswidrigkeit ist insbesondere die rechtfertigende Einwilligung zu beachten, die für Eingriffe in die körperliche Integrität ausdrücklich in § 228 StGB geregelt ist. Darüber hinaus sind alle weiteren Rechtfertigungsgründe zu beachten.

VI. Schuld

Im Rahmen der Schuld sind insbesondere alle allgemeinen Entschuldigungsgründe und die allgemeine strafrechtliche Irrtumslehre zu beachten.

VII. Strafantrag (§ 230 StGB)

§ 223 StGB ist ein sogenanntes relatives Antragsdelikt – das heißt, die Tat wird grundsätzlich nur auf Antrag des Verletzten verfolgt (§ 230 StGB). Die Staatsanwaltschaft kann aber auch ohne Strafantrag tätig werden, wenn sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht. In der Praxis ist das oft der Fall – zum Beispiel bei wiederholter Gewalt, bei Taten in der Öffentlichkeit oder wenn das Opfer besonders schutzbedürftig ist.

Merke

In der Klausur sollte man daher unbedingt auf den Bearbeitervermerk achten – dort findet sich in der Regel ein Hinweis darauf, ob ein Strafantrag gestellt wurde oder nicht. Diese Information ist entscheidend dafür, ob die Tat überhaupt geprüft werden kann, sofern kein öffentliches Interesse angenommen wird.

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