Dieser Artikel beschäftigt sich mit der Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB. Die Tötungsdelikte haben höchste Examensrelevanz und stellen regelmäßig den Schwerpunkt der strafrechtlichen Examensklausur dar. § 216 StGB kommt dabei als Privilegierung (strittig) zu § 212 StGB eine besondere Rolle zu. § 216 StGB ist immer wieder Gegenstand höchstrichterlicher Urteile und wegen seiner Brisanz auch in den Medien ein absoluter Dauerbrenner!
Es wird empfohlen, zunächst die Artikel zum Totschlag (§ 212 StGB) und dann zum Mord (§ 211 StGB) zu bearbeiten!
I. Allgemeines
§ 216 StGB ist in den 16. Abschnitt des StGB „Straftaten gegen das Leben“ eingeordnet und schützt – ebenso wie §§ 212, 211 StGB – das Rechtsgut Leben.
Nach der herrschenden Lehre ist § 216 StGB als Privilegierungstatbestand eine Privilegierung für den Täter, der sich dem ernsthaften und endgültigen Todeswunsch des Opfers unterordnet.
Aufgrund des § 216 StGB ist das Rechtsgut „Leben“ grundsätzlich nicht dispositiv (Ausnahme: Fälle der passiven Sterbehilfe), das heißt, eine rechtfertigende Einwilligung kommt außerhalb der zulässigen Sterbehilfe nicht in Betracht (dazu weiter unten).

1. Problemübersicht
Der Tatbestand des § 216 StGB bietet immer wieder Anlass zu Diskussionen und Streitigkeiten. Konkret hängen alle mit dem Tatbestand des § 216 StGB verbundenen Meinungsstreitigkeiten mit dem äußerst sensiblen Spannungsfeld der Abwägung des Rechts auf einen selbstbestimmten sowie schmerzlosen Tod und des nicht disponiblen Rechts auf Leben zusammen.
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Nicht disponibel heißt lediglich, dass der Rechtsgutsinhaber nicht frei über das Rechtsgut (Leben) entscheiden kann, also etwa beliebig in die Verletzung des Rechtsgutes durch Dritte einwilligen kann.
Es heißt nicht, dass der Rechtsgutsinhaber das Rechtsgut nicht frei- und eigenverantwortlich straflos verletzen darf!
Es bietet sich aufgrund der mit der grundlegenden Frage der Abwägung zusammenhängenden Probleme im Rahmen des Tatbestandes an, sich zunächst eine Übersicht über die verschiedenen Probleme und Unterprobleme zu verschaffen.
1. Problem 1: Abgrenzung Fremdtötung vs. Selbsttötung
Im Rahmen dieses Problems muss zunächst untersucht werden, ob es sich überhaupt um eine Fremdtötung oder um einen straflosen Suizid handelt. Dieses Problem wird i.d.R. in der objektiven Zurechnung unter dem Punkt “eigenverantwortliche Selbstgefährdung“ behandelt.
Abgrenzung Tötung auf Verlangen und straflose Beihilfe zum Suizid
In der Regel wird die zu prüfende Person an der (Selbst-)Tötung irgendwie beteiligt sein, da sich sonst die Frage der Abgrenzung von Fremdötung und Suizid (Problem 1) nicht stellt. Insofern man i.R.d. Behandlung des Problems 1 zur Annahme einer Selbsttötung gelangt, wird damit also auch parallel die Frage beantwortet, ob es sich um eine straflose Beihilfe zum Suizid handelt. Mithin kann man von ein und demselben Problem sprechen.Unterproblem 1: Bestimmung der Eigenverantwortlichkeit
Für die Lösung des übergeordneten Problems, ob eine Fremdtötung oder eine Selbsttötung vorliegt, muss zunächst untersucht werden, ob der Getötete eigenverantwortlich gehandelt hat. Wann genau ein eigenverantwortliches Handeln gegeben ist, ist umstritten!Unterproblem 2: Bestimmung der Selbstgefährdung
Ebenso ist für die Lösung des übergeordneten Problems 1 relevant, ob eine Selbstgefährdung oder Fremdgefährdung vorliegt. Auch die Frage, wann genau von einer Selbstgefährdung gesprochen werden kann, ist umstritten.
2. Problem 2: Aktive vs. passive vs. indirekte Sterbehilfe
Ganz regelmäßig spielen sich Fälle der Tötung auf Verlangen in einem Arzt-Patienten-Verhältnis ab, sodass die Frage der Strafbarkeit des Arztes von der Einordnung der Tathandlung als aktive Sterbehilfe (strafbares aktives Tun), passive Sterbehilfe (strafloser Behandlungsabbruch) und indirekte Sterbehilfe (straflose palliative Medikation) abhängt.
Unterproblem: passive Sterbehilfe durch aktives Tun und passive Sterbehilfe durch Unterlassen
Im Rahmen der passiven Sterbehilfe muss unterschieden werden, ob es ein tätiger Behandlungsabbruch (aktives Tun) oder ein Untätiger Behandlungsabbruch (Unterlassen) vorliegt.
3. Problem 3: Tötung auf Verlangen durch Unterlassen des straflosen Tatbeteiligten
Ebenfalls problematisch und von der grundsätzlichen Frage der Abwägung des Rechts auf Leben und des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben abhängig ist die Frage, ob für den an der straflosen Selbsttötung Beteiligten eine Garantenpflicht erwächst, aufgrund derer er zur Rettung des Suizidenten verpflichtet ist und sich eine Strafbarkeit wegen Unterlassens ergibt, insofern der Beteiligte dieser Pflicht nicht nachkommt.
II. Prüfung der Tötung auf Verlangen als Begehungsdelikt
Grundsätzlich sollte stets mit der Prüfung des § 216 I StGB als Begehungsdelikt begonnen werden, unabhängig davon, ob es sich bei der Tathandlung um ein aktives Tun oder Unterlassen handelt. Im Rahmen dieser Prüfung kann dann auf die Frage der Unterlassungstäterschaft eingegangen werden.
1. Prüfungsschema

2. Grundtatbestand, § 212 I StGB
Die Prüfung des Grundtatbestandes des § 212 I StGB bildet in der Klausursituation meist den Schwerpunkt der Prüfung. So ist das übergeordnete Problem 1 samt der Unterprobleme hier zu verorten.
a) Tathandlung: Töten
Zunächst muss die Tötungshandlung des Täters dargestellt werden. Schon hier könnte man wie der BGH, der bei Vorsatzdelikten keine objektive Zurechnung prüft, das Problem der Fremdtötung oder Selbsttötung ansprechen. Klausurfälle werden i.d.R. aber so gestaltet sein, dass der Täter eine Handlung vornimmt, die irgendwie kausal für den Tod der anderen Person ist. Hier sollte diese Tathandlung aufgezeigt werden, ohne diese weiter zu problematisieren - die Problemverortung spielt hier eine wichtige Rolle!
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Beispiel 1: Ehefrau F besorgt nach eindringlicher Bitte ihres schwerkranken Ehemannes M eine tödliche Menge Tabletten und löst sie in einem Glas Wasser auf. F überreicht das Glas dem M, der es austrinkt. M wird zunächst ohnmächtig und stirbt später.
Hier wäre im Rahmen der Tathandlung festzustellen, dass die Tathandlung der F in dem Besorgen und Auflösen der Tabletten liegt.
“Fraglich ist, ob eine Tathandlung der F vorliegt. F besorgte eine tödliche Menge Medikamente, die sie in Wasser auflöste und dem M übergab. Eine Tathandlung der F liegt vor.”
Beispiel 1 a): Ehefrau F besorgt nach eindringlicher Bitte ihres schwerkranken und halsabwärts gelähmtenEhemannes M eine tödliche Menge Tabletten und löst sie in einem Glas Wasser auf. F hält das Glas an die Lippen des M und kippt die Flüssigkeit nach und nach in den Mund des M. M schluckt die Flüssigkeit nach und nach. M stirbt.
Tathandlung: Besorgen und Auflösen der Tabletten, sowie das Nachkippen der Flüssigkeit.
Beispiel 1 b): Ehefrau F besorgt dem schwerkranken und schwachen Ehemann M nach seiner eindringlichen Bitte eine Waffe. F verklemmt die Waffe so zwischen den Armen des M, dass diese auf den Kopf M gerichtet ist legt den Finger des M auf den Abzug. F geht aus dem Zimmer, M drückt ab und stirbt.
Tathandlung: Besorgen und Verklemmen sowie Ausrichten der Waffe und das Legen von Ms Finger auf den Abzug
Beispiel 1 c): Ehefrau F versorgt ihren schwerkranken und u.a. an Diabetes leidenden bettlägerigen Ehemann seit mehreren Jahren. Als die mit der Erkrankung einhergehenden Schmerzen unerträglich werden und auch Medikamente keine Abhilfe mehr schaffen, beschließt M sterben zu wollen. Er bittet die F ihm alle verfügbaren Medikamente zu holen, welche der M eigenständig mit einem Glas Wasser einnimmt. Dazu bittet M die F ihm alle verbliebenen Insulinspritzen zu verabreichen, damit er auch sicher in den Tod findet. Die F spritzte sodann der jahrelangen Übung entsprechend, dem M das Insulin. Nach dem Einnehmen der Medikamente und dem Setzen der Spritzen blieb der M noch eine Weile bei Bewusstsein und verstirbt kurz nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit an der Überdosis Insulin, wäre jedoch auch an den zuvor eingenommenen Medikamenten verstorben.
Tathandlung: Holen der Medikamente und Setzen der Spritze
aa) Töten durch Unterlassen durch Behandlungsabbruch
Insofern es sich um eine Arzt-Patienten-Konstellation handelt, muss unterschieden werden, ob es sich um aktive oder passive Sterbehilfe handelt.
Merke
Abgrenzung aktive und passive Sterbehilfe
Aktive Sterbehilfe: Bei der aktiven oder täterschaftlichen Sterbehilfe verabreicht der Arzt dem schwer kranken oder todgeweihten Patienten auf dessen ausdrücklichen Wunsch hin etwa eine Überdosis tödlich wirkender Medikamente.
Die aktive Sterbehilfe ist im Prüfungspunkt der Tathandlung nicht weiter zu problematisieren. Vielmehr muss hier nur die konkrete Tathandlung (etwa das Verabreichen der Medikamente) dargestellt werden. Ob die aktive Sterbehilfe in einem Arzt-Patienten-Verhältnis anders beurteilt werden muss und ob sie etwa rechtfertigungsfähig ist, muss im Rahmen der Rechtswidrigkeit problematisiert werden.
Als Unterfall der aktiven Sterbehilfe muss auch die indirekte Sterbehilfe im Rahmen der Rechtswidrigkeit problematisiert werden. Bei der indirekten Sterbehilfe wird der Tod als unbeabsichtigte Nebenwirkung durch die Verabreichung schmerzlindernder Medikamente beschleunigt und dies billigend in Kauf genommen.
Passive Sterbehilfe: Bei der passiven Sterbehilfe steht das Unterlassen oder Beenden einer lebensverlängernden Behandlungsmaßnahme im Vordergrund. Es handelt sich hier also um ein Handeln durch Unterlassen (§ 13 I StGB).
Insofern es sich um ein Handeln durch Unterlassen handelt, muss dies im Rahmen des hiesigen Prüfungspunktes (Tathandlung) problematisiert und festgestellt werden, dass es sich um eine Unterlassungstäterschaft handelt. Mithin muss die Prüfung der vorsätzlichen Begehungstat beendet werden und es muss das Schema des unechten Unterlassungsdelikts (§§ 216 I, 13 I StGB) geprüft werden (dazu weiter unten).
b) Taterfolg: Tod eines anderen Menschen
Der Tod eines anderen Menschen muss eingetreten sein. Hier gelten die Ausführungen, die im Artikel zu § 212 StGB gemacht wurden.
Insofern eine Tathandlung vorgenommen wurde, der Sterbewillige aber nicht verstorben ist, kommt eine Versuchsstrafbarkeit nach § 216 II StGB in Betracht.
c) Kausalität
Im Rahmen der Kausalität muss die Tathandlung durch die Conditio-sine-qua-non-Formel dem Taterfolg zugeordnet werden.
d) Objektive Zurechnung
Schwerpunkt der Prüfung des Grundtatbestandes ist die objektive Zurechnung. Hier muss untersucht werden, ob sich die Tat auch wertend betrachtet als Werk des Täters darstellt. Diese Zurechnung könnte durch die Fallgruppe der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ausgeschlossen sein.
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Zunächst solltest du dir kurz die Grundlagen zu dieser Fallgruppe im Rahmen des Artikels zur Objektiven Zurechnung anschauen.
Im Rahmen des Privilegierungstatbestandes des § 216 StGB ist jedoch umstritten, wann die eigenverantwortliche Selbstgefährdung genau gegeben ist.
aa) Eigenverantwortlichkeit
Zunächst ist fraglich, wann eine Eigenverantwortlichkeit vorliegt. Konkret ist umstritten, an welchem Maßstab die Frage der Autonomie der getroffenen Suizidentscheidung gemessen werden soll, wann man also tatsächlich von einem “Freitod“ sprechen kann.
Problem
Eigenverantwortlichkeit der getroffenen Suizidentscheidung
Die Schuldlösung begreift den Suizidenten als Täter gegen sich selbst. Sie verlangt deshalb strafrechtliche Verantwortlichkeit und überträgt die Maßstäbe der §§ 19, 20, 35 StGB analog. Eigenverantwortlichkeit scheidet aus, wenn der Suizident z. B. psychisch krank, jugendlich unreif oder lebensmüde unter nötigendem Druck war.
Die Einwilligungslösung sieht den Suizidenten als Opfer seiner selbst. Vertreter dieser Lösung sehen lehnen eine Freiverantwortlichkeit bei Verantwortlichkeitsdefiziten nach §§ 19, 20, 35 StGB - wie auch die Schuldlösung ab - fordern aber ein hierüber hinausgehendes “Mehr” in Form der Kriterien der rechtfertigenden Einwilligung. Die Entscheidung muss frei von wesentlichen Willensmängeln und geistig-sittlich getragen sein.
Stellungnahme: Die Einwilligungslösung überzeugt. Nur wer auch frei von Willensmängeln und mit der nötigen Einwilligungsfähigkeit die Entscheidung zum Freitod trifft, entscheidet eigenverantwortlich. Es kann nicht angehen, dass die Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung zum Freitod geringer sind, als die Anforderungen an die eigenverantwortliche Entscheidung zum Eingriff in die körperliche Integrität.
Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen Ansichten insbesondere bei Motivirrtümern.
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Auch im Rahmen der rechtfertigenden Einwilligung in die körperliche Integrität kommt die Frage auf, ob die Entscheidung frei von Willensmängeln ist, wenn der Einwilligende über die Beweggründe irrt.
Konkret ist hier das Beispiel der täuschungsbedingten Einwilligung in eine Nierenspende im Rahmen des Artikels zur rechtfertigenden Einwilligung gemeint.
Zur Darstellung der Relevanz des Motivirrtums i.R.d. § 216 StGB ein kurzes Beispiel:
Beispiel
Beispiel 2:
M und F sind bereits seit 30 Jahren verheiratet. Als die F schwerkrank wird und unter erheblichen Schmerzen leidet, denkt die F wiederholt über den Freitod nach, kann sich aber aus Angst nicht final dazu entschließen. Auch als die Schmerzen unerträglich werden, fürchtet F allein in den Tod zu gehen. M kann das Leiden der F nicht mehr ertragen und verspricht, mit ihr Zusammen in den Tod zu gehen. F ist erleichtert und bittet den M alle Vorkehrungen zu treffen. M besorgt eine Überdosis eines tödlich wirkenden Medikaments und zieht es in eine Spritze auf. Die F lässt sich von M noch einmal versichern, dass dieser direkt im Anschluss die Medikamente einnimmt. Sodann setzt M die Spritze an und F drückt das Medikament aus der Spritze in ihre Wehne. F verliert sofort das Bewusstsein und verstirbt. M hingegen setzt sich die Spritze - wie von Anfang an geplant - nicht. Strafbarkeit des M wegen § 212 I StGB oder § 216 I StGB?
In diesem Beispiel kommen die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen:
Nach der Schuldlösung liegt eine Eigenverantwortlichkeit der F vor, weil F weder psychisch krank noch schuldunfähig war nach den Maßstäben der §§ 19, 20, 35 StGB analog.
Nach der Einwilligungslösung hingegen liegt keine Eigenverantwortlichkeit der F vor, weil sie einem wesentlichen Willensmangel in Form eines wesentlichen Motivirrtums war. F hätte sich ohne den Irrtum über den Suizid des M nicht final zum Freitod entschlossen.
Merke
Bei diesem Beispiel scheidet ein Suizid und damit eine straflose Beihilfe zum Suizid des M schon wegen fehlender Eigenverantwortlichkeit der Selbstgefährdung aus, sodass mit der Prüfung des § 216 I StGB weiter fortgefahren werden kann.
bb) Selbstgefährdung
Insofern man die Eigenverantwortlichkeit nach der Einwilligungslösung annimmt, muss noch die Frage geklärt werden, ob es sich um eine Selbstgefährdung oder eine Fremdgefährdung handelt. Nur wenn es sich neben der Eigenverantwortlichkeit auch um eine Selbstgefährdung handelt, ist die objektive Zurechnung unterbrochen und es liegt ein strafloser Suizid vor.
Einigkeit herrscht zunächst darüber, dass bei dieser Abgrenzung die Tatherrschaftslehre in Form der Handlungsherrschaft Anwendung findet. Die subjektive Theorie der Rechtsprechung, die der BGH bei der generellen Frage von der Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme anwendet, muss im Rahmen der Abgrenzung von § 216 StGB und strafloser Beihilfe zum Suizid zwangsläufig versagen, da der Tatbestand des § 216 StGB schließlich die Unterwerfung unter den Willen des Todeswilligen verlangt.
Grundsätzlich ist mithin entscheidend, wer die unmittelbare Handlungsherrschaft über den todbringenden Akt innehatte. Zu fragen ist also, durch wessen Hand der Sterbewillige stirbt.
Ohne Probleme wären hier die Beispiele 1 bis 1 b) zu lösen, nicht aber das Beispiel 1 c).
Beispiel
Beispiel 1: Ehefrau F besorgt nach eindringlicher Bitte ihres schwerkranken Ehemannes M eine tödliche Menge Tabletten und löst sie in einem Glas Wasser auf. F überreicht das Glas dem M, der es austrinkt. M wird zunächst ohnmächtig und stirbt später.
Hier wäre eine Selbstgefährdung anzunehmen, da der M die Handlungsherrschaft über den todbringenden Akt - also das Ansetzen und Austrinken der Medikamente - hatte.
Beispiel 1 a): Ehefrau F besorgt nach eindringlicher Bitte ihres schwerkranken und halsabwärts gelähmtenEhemannes M eine tödliche Menge Tabletten und löst sie in einem Glas Wasser auf. F hält das Glas an die Lippen des M und kippt die Flüssigkeit nach und nach in den Mund des M. M schluckt die Flüssigkeit nach und nach. M stirbt.
Auch hier wäre eine Selbstgefährdung anzunehmen, da der M die Handlungsherrschaft über den todbringenen Akt hatte. Zwar setzte F das Glas an die Lippen und kippte immer wieder nach, allerdings hatte der M die Herrschaft über den unmittelbar zum Tode führenden Akt - nämlich das Schlucken der Flüssigkeit.
Beispiel 1 b): Ehefrau F besorgt dem schwerkranken und schwachen Ehemann M nach seiner eindringlichen Bitte eine Waffe. F verklemmt die Waffe so zwischen den Armen des M, dass diese auf den Kopf M gerichtet ist legt den Finger des M auf den Abzug. F geht aus dem Zimmer, M drückt ab und stirbt.
Hier wäre ebenfalls eine Selbstgefährdung anzunehmen, da M die Kontrolle über den letzten unmittelbar todbringenden Akt hatte - nämlich das Betätigen des Abzugs der Waffe.
Beispiel 1 c): Ehefrau F versorgt ihren schwerkranken und u.a. an Diabetes leidenden bettlägerigen Ehemann seit mehreren Jahren. Als die mit der Erkrankung einhergehenden Schmerzen unerträglich werden und auch Medikamente keine Abhilfe mehr schaffen, beschließt M sterben zu wollen. Er bittet die F ihm alle verfügbaren Medikamente zu holen, welche der M eigenständig mit einem Glas Wasser einnimmt. Dazu bittet M die F ihm alle verbliebenen Insulinspritzen zu verabreichen, damit er auch sicher in den Tod findet. Die F spritzte sodann der jahrelangen Übung entsprechend, dem M das Insulin. Nach dem Einnehmen der Medikamente und dem Setzen der Spritzen blieb der M noch eine Weile bei Bewusstsein und verstirbt kurz nach dem Eintritt der Bewusstlosigkeit an der Überdosis Insulin, wäre jeodch auch an den zuvor eingenommenen Medikamenten verstorben.
Hier wäre eine Selbstgefährdung abzulehnen. Die Handlungsherrschaft über den unmittelbar zum Tod führenden Akt hatte die F, indem sie das Medikament in den Blutkreislauf einspritzte.
Der BGH hat die auf den unmittelbar todbringenden Akt ruhende Unterscheidung von Selbstgefährdung und Fremdgefährdung im Rahmen des Urteils zum Beispiel 1 c) jedoch durch eine normative Gesamtwürdigung aufgeweicht.
Hiernach stirbt der Sterbewillige auch dann nicht unmittelbar durch die Hand des Dritten, wenn dem Opfer nach dem Tatbeitrag des anderen noch die freie Entscheidung über Leben und Tod verbleibt.
Konkret hatte der BGH eine Fremdtötung in diesem Fall ausgeschlossen, weil der M einerseits bereits die tödliche Dosis Medikamente selbst eingenommen hatte und weil der M nach dem Setzen der Spritzen der F noch eine Weile bei Bewusstsein blieb und es unterlassen hatte, um Rettung zu bitten (BGHSt 67, 95).
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Insofern man an dieser Stelle eine Selbsttötung annimmt, darf wegen der Beteiligung des Dritten keine Beihilfe zum Suizid geprüft werden, da es an einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat fehlt (Suizid ist straflos).
Allerdings sollte wegen der Hilfeleistung des Dritten am Suizid stets an eine Garantenstellung aus Ingerenz (pflichtwidrigen Vorverhaltens) mithin an eine Unterlassungstäterschaft gedacht werden (dazu weiter unten i.R.d. Prüfung des § 216 StGB als Unterlassungsdelikt)!
3. Privilegierungstatbestand
Insofern man den Grundtatbestand bejaht, also eine kausale und objektiv zurechenbare Fremdtötung vorliegt, sind die Merkmale des Privilegierungstatbestandes zu prüfen.
a) Ausdrückliches und ernstes Verlangen
aa) Verlangen
Definition
Ein Verlangen meint mehr als nur ein Einverständnis, vielmehr muss das Opfer kommunikativ auf den Täter einwirken.
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Hier kann eine Parallele zum “Bestimmen” im Rahmen der Anstiftung gezogen werden. Auch der Anstifter muss nach der h.M. kommunikativ auf den Täter eingewirkt haben.
bb) Ausdrücklichkeit
Definition
Das Verlangen ist ausdrücklich, wenn es in eindeutiger nicht misszuverstehender Weise kommuniziert wurde.
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Gerade bei der Prüfung, ob ein ausdrückliches Verlangen seitens des Opfers vorlag bietet es sich an einen Irrtum des Täters über privilegierende Umstände einzubauen. Das passende Beispiel dazu findest du im Artikel zu den strafrechtlichen Irrtümern.
cc) Ernstlichkeit
Definition
Das Verlangen ist ernstlich, wenn es von einem freien Willen getragen und zielbewusst auf die Tötung gerichtet ist.
Problem
Zu beachten ist dabei, dass ein freier Wille nur gebildet werden kann, wenn der Rechtsgutsträger auch an dieser Stelle die Vorgaben der Einwilligungslösung erfüllt. Ansonsten gerät man an dieser Stelle in Widersprüche!
D.h., der Getötete darf kein Verantwortlichkeitsdefizit aufweisen (§§ 19, 20, 35 StGB analog), muss über die nötige Einsichts- und Urteilsfähigkeit verfügen und darf keinen wesentlichen Willensmängeln unterliegen.
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Für das Beispiel 2 rund um den Motivirrtum der F über den anschließenden Suizid des M, bedeutet das, dass man an dieser Stelle die Prüfung des § 216 I StGB abbrechen und einen Totschlag in mittelbarer Täterschaft prüfen (§§ 212 I, 25 I Alt. 2 StGB) müsste, weil kein ernstliches Verlangen der F vorliegt und M keine Handlungsherrschaft hatte, sondern Wissensherrschaft. Er wusste, dass er sich in Wahrheit nicht das Leben nehmen würde und dass die F bei Kenntnis vom Freitod abgesehen hätte. Er hatte somit Tatherrschaft.
b) Zur Tötung bestimmt
Definition
Der Täter wurde zur Tötung bestimmt, wenn der Tatentschluss beim Täter durch das Verlangen des Sterbewilligen hervorgerufen wurde.
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Auch hier ist die Parallele zum Strafrecht AT bei der Anstiftung unübersehbar. D.h. aber auch, dass etwa die Figur des omnimodo facturus auch hier Anwendung findet. Ist der Täter bei Verlangen des Sterbewilligen also bereits zu dessen Tötung entschlossen, kann der Täter durch das Verlangen nicht bestimmt worden sein.
4. Rechtswidrigkeit
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit ist bei der Prüfung des § 216 I StGB als Begehungsdelikt lediglich die Rechtmäßigkeit der aktiven Sterbehilfe anzusprechen, insoweit es sich um einen solchen Arzt-Patienten-Fall handelt.
a) Allgemeines zur Sterbehilfe
Bei dem Problemkreis der Sterbehilfe geht es letztlich um eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 212 ff. StGB Dabei ist insbesondere ein Recht auf einen würdevollen und schmerzfreien Tod als Ausdruck der Menschenwürde zu berücksichtigen. Die Grundrechte überlagern in diesem Zusammenhang das StGB als einfach gesetzliche Regelungen.
Vor diesem Hintergrund ist es nicht möglich, sämtliche Tötungshandlungen unter Strafe zu stellen. Dies hätte gegebenenfalls zur Folge, dass der todkranke Mensch erhebliche Schmerzen in Kauf nehmen müsste, damit das Rechtsgut Leben abstrakt absolut geschützt wird. Hierdurch könnte der Einzelne zum Objekt degradiert werden. Bei der Sterbehilfe handelt es sich somit gegebenenfalls um eine verfassungskonforme Auslegung des StGB.
Die sogenannte Rechtfertigungslösung (§ 34 StGB) geht davon aus, dass die Ermöglichung des Todes in Würde und unter Beachtung des Selbstbestimmungsrechts ein höherwertiges Rechtsgut darstellt als die Aussicht, unter schwersten Schmerzen, insbesondere sogenannten Vernichtungsschmerzen, noch kurze Zeit leben zu müssen (Überwiegen des Schmerzlinderungsinteresses im Rahmen der „internen Güterkollision“), sodass in Fällen zulässiger Sterbehilfe der Täter nach § 34 StGB gerechtfertigt ist.
Der BGH nimmt hingegen nunmehr eine Lösung auf Rechtfertigungsebene über eine Einwilligung vor. In den Fällen passiver Sterbehilfe ist daher ausnahmsweise eine rechtfertigende Einwilligung möglich (dazu weiter unten).
b) Aktive Sterbehilfe
Die aktive (tatherrschaftliche) Sterbehilfe ist dabei jedoch auch bei Einverständlichkeit und aussichtsloser Krankheitsprognose strafrechtlich verboten. Es ist daher festzuhalten, dass der strafrechtliche Lebensschutz auch unheilbar Kranken und Todgeweihten zugutekommt. Die §§ 212 ff. erfassen grundsätzlich jede aktive, tatherrschaftliche Verkürzung des Lebens und differenzieren nicht danach, ob das Opfer nur noch kurze Zeit weitergelebt hätte. Eine Versagung des Schutzes der §§ 212 f. StGB für diese Fälle käme der Definition „unwerten Lebens“ gleich. Sofern man jedoch von aktiver „Sterbehilfe“ spricht, wird eine Einwilligung des Sterbenden vorliegen, sodass keine Strafbarkeit nach § 212 StGB, sondern nach dem milderen § 216 StGB in Betracht kommt.
c) Indirekte Sterbehilfe (palliative Sedierung)
Von der strafbaren aktiven Sterbehilfe ist die sogenannte indirekte Sterbehilfe zu unterscheiden. Im Unterschied zur aktiven Sterbehilfe, bei der die Handlung des Täters (etwa das Verabreichen der Medikamente) den Tod des Opfers zum Ziel hat, wird der Tod bei der indirekten Sterbehilfe als unbeabsichtigte Nebenwirkung durch die Verabreichung schmerzlindernder Medikamente beschleunigt und dies billigend in Kauf genommen. Hier greift die oben bereits aufgeführte Rechtfertigungslösung. Der BGH sieht ein Überwiegen des Patienteninteresses, in Würde und Schmerzfreiheit zu sterben.
d) Passive Sterbehilfe (Unterlassen der Behandlungsmaßnahme/Behandlungsabbruch)
Die sogenannte passive Sterbehilfe ist im Gegensatz zur oben erwähnten aktiven Sterbehilfe straflos. Die passive Sterbehilfe zeichnet sich durch einen Behandlungsabbruch aus, also ein „Sterbenlassen“ durch das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen.
Zu unterscheiden sind insoweit der untätige Behandlungsabbruch durch das Unterlassen lebenserhaltender Behandlungsmaßnahmen und der tätige Behandlungsabbruch durch das aktive Beenden lebenserhaltender Maßnahmen.
aa) Tätige Behandlungsabbruch durch aktives Beenden lebenserhaltender Maßnahmen
Auch wenn es sich bei dem tätigen Behandlungsabbruch um ein aktives Tun handelt, liegt zumindest in normativer Hinsicht ein Unterlassen vor. Passive Sterbehilfe bedeutet also nicht Untätigkeit im klassischen strafrechtlichen Sinn. Andernfalls wäre zum Beispiel das Abschalten einer Herz-Lungen-Maschine oder das Durchtrennen eines Infusionsschlauchs durch eine außenstehende Person kein aktives Tun – was dem tatsächlichen Geschehen widersprechen würde. Entscheidend ist eine Passivität im Sinne eines Abbruches lebenserhaltender Maßnahmen, was ein Sterbenlassen herbeiführt, sodass der Patient quasi „passiv“ stirbt.
Ob eine tätige passive Sterbehilfe rechtmäßig ist, hängt von folgenden Voraussetzungen ab:
Lebensbedrohliche Erkrankung: Es muss eine „Schädigung“ in der Art vorliegen, dass der Patient ohne medizinische, lebensverlängernde Rettungsmaßnahmen (etwa Infusion, Herz-Lungen-Maschine) sterben würde.
Die lebensbeendende Maßnahme muss einen Behandlungsbezug aufweisen.
Das Unterlassen der lebensverlängernden Maßnahmen muss dem (mutmaßlichen) Willen des Sterbenden entsprechen. Hierbei ist eine Patientenverfügung nunmehr bindend.
Es muss zumindest „normativ“ ein Unterlassen vorliegen, also das Unterlassen einer Behandlung („passiv“ = z.B. Einstellen einer Reanimation) oder Beenden einer lebenserhaltenden Maßnahme („aktiv“ = z.B. Durchtrennen eines Ernährungsschlauchs), um einem Krankheitsprozess seinen natürlichen tödlichen Lauf zu lassen.
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An dieser Stelle muss bei einer ausdrücklichen Erklärung des Patienten sodann eine rechtfertigende Einwilligung geprüft werden und insofern keine ausdrückliche Erklärung vorliegt, eine mutmaßliche Einwilligung.
Merke
In strafrechtlicher Hinsicht ist dabei interessant, dass auch hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens der Einwilligung des Opfers in der Hauptverhandlung der in dubio pro reo Grundsatz gilt. Sofern die Voraussetzung der Sterbehilfe vorliegen, aber eine (ggf. mutmaßliche) Einwilligung des Sterbenden keinesfalls sicher, aber auch nicht auszuschließen ist, erfolgt ein Freispruch. Hintergrund ist das verfassungsrechtlich gebotenen Erfordernis, einen Menschen entsprechend seinem Willen menschenwürdig sterben zu lassen. Das Unterlassen muss zwingend dem (mutmaßlichen) Willen des Todgeweihten entsprechen und sich diesem unterordnen.
bb) Untätiger Behandlungsabbruch durch das Unterlassen lebenserhaltender Behandlungsmaßnahmen
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Insofern ein strafrechtliches Unterlassen vorliegt, indem der Arzt die Behandlungsmaßnahme von Anfang an unterlässt, muss § 216 I StGB als unechtes Unterlassungsdelikt geprüft werden. Dazu weiter unten.
5. Schuld
Im Rahmen der Schuld sind keine Besonderheiten zu beachten.
III. Prüfung der Tötung auf Verlangen als Unterlassungsdelikt
Zur Prüfung der Tötung auf Verlangen als Unterlassungsdelikt kommt man in der Regel dann, wenn es sich wie - bereits erwähnt - um einen Behandlungsabbruch handelt oder wenn in einer zweiten Prüfung die Unterlassungstäterschaft des Beteiligten aus Ingerenz untersucht werden muss.
1. Prüfungsschema

a) Eintritt des tatbestandlichen Erfolges
Zunächst muss der Tod eines anderen Menschen eingetreten sein. Auch hier kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu § 212 StGB verwiesen werden.
Insofern der Tod des Sterbewilligen durch das Unterlassen nicht eingetreten ist, kommt die versuchte Tötung auf Verlangen durch Unterlassen in Betracht.
b) Unterlassen der zur Erfolgsabwendung objektiv gebotenen und dem Täter real möglichen Handlung
aa) Unterlassen des Beteiligten
Regelmäßig kommt hier ein Unterlassen in Form der Nichtvornahme einer Behandlung wegen eines Behandlungsverbots des Patienten in Betracht (sogenannte untätige passive Sterbehilfe - siehe oben)
Beispiel
Beispiel 3:
Die 75-jährige schwerkranke P leidet unheilbar an Krebs im Endstadium und bittet ihren Arzt A mehrfach, keine lebenserhaltende Beatmung vorzunehmen, um in Würde sterben zu können. A entspricht dem Wunsch und schreibt verschreibt keine künstliche Beatmung. P verstirbt kurze Zeit später.
Neben den Fällen der passiven Sterbehilfe gilt: Insofern der Sterbewillige nach einer durch ihn selbst vorgenommenen, unmittelbar todbringenden Handlung die Tatherrschaft verliert, kann ein Unterlassen des Hilfeleistenden angenommen werden.
Beispiel
So etwa im Beispiel 1:
Ehefrau F besorgt nach eindringlicher Bitte ihres schwerkranken Ehemannes M eine tödliche Menge Tabletten und löst sie in einem Glas Wasser auf. F überreicht das Glas dem M, der es austrinkt. M wird zunächst ohnmächtig und stirbt später.
Hier liegt das Hilfeleisten und die daraus potenziell folgende Garantenstellung aus Ingerenz in dem Besorgen und Zubereiten der Medikamente.
Als der M in Ohnmacht fällt, verliert er die Tatherrschaft. Indem F den Tod des M daraufhin nicht verhindert, liegt ein Unterlassen im Sinne des § 13 I StGB vor.
bb) Objektiv gebotene und dem Täter real mögliche Handlung
Hier kann auf die generellen Ausführungen zum unechten Unterlassungsdelikt verwiesen werden.
c) Garantenstellung
Hinsichtlich der Konstellation des Unterlassens von Behandlungsmaßnahmen (Beispiel 3) ist fraglich, ob die Garantenstellung in Form des Beschützergaranten (Behandlungsvertrag) vorliegt. Nach herrschender Meinung hat der Arzt, der aufgrund eines Behandlungsverbots (ausdrücklich akut oder durch Patientenverfügung) eine lebensverlängernde Behandlungsmaßnahme unterlässt, keine Garantenstellung. Vielmehr darf er wegen der Patientenautonomie keine solche Behandlungsmaßnahme durchführen, sodass insoweit auch keine Garantenpflicht entstehen kann.
Klausurtipp
In der Klausursituation kann es notwendig werden, auf die Prüfung der Rechtswidrigkeit zu verweisen.
“Ob eine Garantenstellung des Arztes letztlich besteht oder durch ein wirksames Behandlungsverbot des Patienten ausgeschlossen ist, hängt davon ab, ob der Patient wirksam in das Unterlassen der lebensverlängernden Behandlungsmaßnahme rechtfertigend eingewilligt hat. Die rechtfertigende Einwilligung ist im Rahmen der Rechtswidrigkeit zu prüfen”
Hinsichtlich des Hilfeleistenden Dritten kommt eine Garantenstellung aus Ingerenz in Betracht, also wegen pflichtwidrigen Vorverhaltens.
aa) Pflichtwidriges Vorverhalten
Durch die Beihilfehandlung des Dritten am Suizid des Sterbewilligen (Beispiele 1 bis 1 b) etwa durch Besorgen und Zubereiten des Medikamentencocktails oder Besorgen und Ausrichten der Waffe) liegt ein objektiv pflichtwidriges Vorverhalten in Form einer Beihilfehandlung vor.
bb) Pflichtwidrigkeitszusammenhang
Fraglich ist aber, ob auch der Pflichtwidrigkeitszusammenhang gegeben ist. Dies ist nur der Fall, wenn der rechtlich missbilligte Taterfolg (Tod des Suizidenten) konkret auf das gefahrschaffende Vorverhalten zurückzuführen ist.
Problem
Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei Beihilfehandlung durch Suizid?
Nach früherer Rechtsprechung findet ein sogenannter Tatherrschaftswechsel in dem Moment statt, in dem der Suizident bewusstlos wird. Unternimmt der hilfeleistende Dritte dann keine Rettungsversuche und stirbt der Sterbewillige, ist das pflichtwidrige Vorverhalten konkret auf den Erfolgseintritt zurückzuführen. Eine Garantenpflicht besteht.
Nach neuerer Rechtsprechung und der h.L. liegt kein Pflichtwidrigkeitszusammenhang vor, auch dann nicht, wenn der Suizident zunächst bewusstlos wird und nicht unmittelbar verstirbt.
Stellungnahme: Die zweite Ansicht überzeugt. Es liefe der Wertentscheidung des Gesetzgebers zuwider, wenn ohne Hinweis auf eine Sinnesänderung beim Suizidenten die bloße Passivität des Teilnehmers in eine strafbare Unterlassungstäterschaft umgedeutet wird. Darüber hinaus kommt es zu Zufallsergebnissen. Wird der Suizident zunächst nur ohnmächtig oder stirbt er unmittelbar?
Klausurtipp
Hier wäre die Prüfung des hilfeleistenden Dritten wegen fehlender Garantenpflicht vorbei!
d) Entsprechungsklausel und hypothetische Kausalität
Hinsichtlich der Entsprechungsklausel und der hypothetischen Kausalität kann auf den Artikel zum unechten Unterlassungsdelikt verwiesen werden.
e) Objektive Zurechnung
Insofern es sich um den unterlassenden Arzt handelt, muss im Rahmen der objektiven Zurechnung einmal mehr untersucht werden, ob der Tod des Patienten wertend betrachtet als Werk des Täters darsteht.
Klausurtipp
Weil die Rechtmäßigkeit des Behandlungsabbruchs n.h.M. im Rahmen der Rechtswidrigkeit geprüft wird, kann hier darauf verwiesen werden, dass die Einordnung davon abhängt, ob die passive Sterbe rechtmäßig ist oder nicht. Es kann insoweit konstatiert werden, dass eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung nur dann vorliegt, wenn der Arzt nicht zur Behandlung verpflichtet ist, die passive Sterbehilfe insoweit also rechtmäßig ist.
2. Privilegierungstatbestand
Hinsichtlich des ausdrücklichen und ernstlichen Verlangens sowie des Bestimmens zur Tötung, kann nach oben verwiesen werden.
3. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
Der Unterlassungstäter benötigt wenigstens dolus eventualis.
4. Rechtswidrigkeit
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit muss hinsichtlich des untätigen Behandlungsabbruchs durch Unterlassen lebenserhaltender Behandlungsmaßnahmen nach obigen Maßgaben ebenfalls entweder eine
rechtfertigende Einwilligung bei ausdrücklicher Erklärung des Patienten oder
eine mutmaßliche Einwilligung bei fehlender ausdrücklicher Äußerung des Patienten
geprüft werden.
5. Schuld
Im Rahmen der Schuld sind keine Besonderheiten zu beachten.