Dieser Artikel befasst sich mit dem fahrlässigen Meineid beziehungsweise der fahrlässigen falschen Versicherung an Eides Statt nach § 161 StGB. Diese Vorschrift ist wie alle Aussagedelikte wegen ihres besonderen Systems relevant, das etwa Sonderregelungen für Teilnehmer, sowie Strafzumessungsregelungen einschließt.
Aufgrund einiger Parallelen und Überschneidungen sollte unbedingt zunächst die Artikel zu § 153 bis § 160 StGB gelesen werden:
I. Allgemeines
Der fahrlässige Falscheid beziehungsweise die fahrlässige falsche eidesstattliche Versicherung nach § 160 StGB ist systematisch dem 9. Abschnitt des StGB “Falsche uneidliche Aussage und Meineid” zugeordnet. Geschütztes Rechtsgut ist wie bei §§ 153 ff. StGB auch die staatliche Rechtspflege. § 160 StGB stellt eine weitere Besonderheit der Aussagedelikte dar. Der Gesetzgeber hat es für notwendig erachtet, den fahrlässigen Falscheid sowie die fahrlässige falsche eidesstattliche Versicherung unter Strafe zu stellen, nicht jedoch die fahrlässige uneidliche Falschaussage! Ebenso gilt für § 161 StGB wie im Rahmen von § 153 beziehungsweise § 154 StGB:
Es handelt sich um ein reines Tätigkeitsdelikt.
Es handelt sich um ein eigenhändiges Delikt.
Wie auch bei § 154 StGB, handelt es sich bei § 156 StGB nicht um ein Sonderdelikt, da der Täterkreis nicht begrenzt ist.
1. Prüfungsaufbau
Aufgrund der Tatsache, dass es sich um ein Fahrlässigkeitsdelikt handelt, ist ein besonderer Prüfungsaufbau zu berücksichtigen.
Beispiel
Bei § 161 StGB handelt es sich um einen sehr seltenen Fall eines fahrlässigen reinen Tätigkeitsdelikts, also eines abstrakten Gefährdungsdelikts, bei dem es keinen tatbestandlichen Erfolg gibt. Aus diesem Grund muss im Unterschied zum fahrlässigen Erfolgsdelikt weder die Kausalität und objektive Zurechnung noch die objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgs geprüft werden. Denn:
Kausalität und objektive Zurechnung stellen die Verknüpfung von Tathandlung und Taterfolg her und
die objektive Vorhersehbarkeit stellt auf die Vorhersehbarkeit des eingetretenen tatbestandlichen Erfolgs ab!

II. Täter: Jedermann
Hinsichtlich des tauglichen Täters kann grundsätzlich auf die Ausführungen zu § 154 StGB verwiesen werden. Weil § 161 StGB nicht auf § 153 StGB verweist, ergeben sich keine Besonderheiten hinsichtlich des tauglichen Täters.
Klausurtipp
Regelmäßig wird es sich um Zeugen oder Sachverständige, Parteien im Zivilprozess oder Dolmetscher handeln, die sich durch einen fahrlässigen Falscheid strafbar gemacht haben!
III. Adressat: Zuständige Stelle
Hinsichtlich eines fahrlässigen Falscheids kann an dieser Stelle auf den Artikel zum Meineid nach § 154 StGB verwiesen werden.
Hinsichtlich einer fahrlässigen eidesstattlichen Versicherung kann auf die Ausführungen zu § 156 StGB verwiesen werden.
IV. Tathandlung
Auch im Rahmen der Tathandlungen kann auf die Artikel zu den jeweiligen Hauptaussagedelikten verwiesen werden:
Falsch Schwören: § 154 StGB,
Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung: § 156 StGB.
V. Objektive Pflichtwidrigkeit
Die objektive Pflichtwidrigkeit kann sich bei einem Zeugen vor allem folgendermaßen ergeben:
Es fehlt aus Nachlässigkeit an der gebotenen Anspannung des Gedächtnisses
Erkennbare Fehlerquellen bzgl. Wahrnehmungsmöglichkeiten werden nicht berücksichtigt
Bei Zweifeln über den Umfang der Wahrheits- und Eidespflicht wird nicht der Richter befragt.
Merke
Nach der h.M. ist bei der objektiven Pflichtwidrigkeit auf eine Durchschnittsperson aus dem Verkehrskreis des Täters abzustellen. Daher haben etwa Zeugen in amtlicher Stellung (z.B. Polizeibeamter), Sachverständige, Prozessparteien und der zur Offenbarung seines Vermögens verpflichtete Schuldner eine Informationspflicht vor der Aussage. Ansonsten besteht besteht grundsätzlich keine Vorbereitungspflicht für den Aussagenden.
Definition
Objektiv sorgfaltswidrig/pflichtwidrig handelt, wer in der konkreten Situation und unter Berücksichtigung der sozialen Rolle des Täters anders vorgegangen ist, als es ein besonnener und gewissenhafter Mensch ex ante getan hätte.
VI. Rechtswidrigkeit und Schuld
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit und Schuld sind keine Besonderheiten zu beachten.
VII. Sonstiges
1. Persönlicher Strafaufhebungsgrund
Im Rahmen der Strafzumessung ist zu beachten, dass der Aussagenotstand nach § 157 StGB hier keine Anwendung findet.
Allerdings hat der Gesetzgeber im Rahmen der fahrlässigen Aussagedelikte einen zwingenden Strafaufhebungsgrund vorgeschrieben:
Gemäß § 161 II 1 StGB tritt – anders als bei § 158 I StGB, der eine fakultative Strafaufhebung regelt – zwingend Straflosigkeit ein, wenn der Täter die falsche Angabe rechtzeitig berichtigt.
Hinsichtlich der Rechtzeitigkeit und zuständigen Stelle für die Berichtigung verweist § 161 II 2 StGB auf § 158 II und II StGB. Hier kann auf den Artikel zu § 158 StGB verwiesen werden.
2. Konkurrenzen
Der fahrlässige Falscheid geht im vorsätzlichen Meineid (§ 154 StGB) auf.
Es ist Tateinheit mit § 153 StGB möglich, weil sich § 161 StGB gerade nicht auf § 153 StGB bezieht.