Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesLernpfadePreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Strafrecht

/

BT

/

9. Abschnitt: Aussagedelikte

§ 160 StGB (Verleitung zur Falschaussage)

Teilgebiet

BT

Thema

9. Abschnitt: Aussagedelikte

Tags

Falschaussage
Verleitung zur Falschaussage
Mittelbare Täterschaft
Anstiftung
Verleitung
Gutgläubige Falschaussage
Böswillige Falschaussage
Strafbarkeitslücken
Susbidiarität
Verleitungsvorsatz
Vordermann
Falsche uneidliche Aussage
Meineid
Aussagedelikte
§ 160 StGB
§ 153 StGB
§ 154 StGB
§ 156 StGB
§ 159 StGB
§ 30 StGB
§ 26 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

    • 1. Anwendungsbereich und Konkurrenzen

    • 2. Versuchsstrafbarkeit

    • 3. Prüfungsschema

  • II. Objektiver Tatbestand der §§ 153, 154 StGB oder § 156 StGB durch einen anderen

  • III. Verleiten

  • IV. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

  • V. Rechtswidrigkeit und Schuld

Dieser Artikel behandelt die Verleitung zur Falschaussage nach § 160 StGB. Die Examensrelevanz der beiden Vorschriften ergibt im Zusammenspiel mit den §§ 153-156 StGB beziehungsweise dem System der Aussagedelikte.

Aufgrund einiger Parallelen und Überschneidungen sollte unbedingt zunächst die Artikel zu § 153 bis § 159 StGB gelesen werden:

I. Allgemeines

Die Verleitung zur Falschaussage gemäß § 156 StGB ist systematisch dem 9. Abschnitt des StGB “Falsche uneidliche Aussage und Meineid” zugeordnet. Geschütztes Rechtsgut ist wie bei §§ 154 ff. StGB auch die staatliche Rechtspflege. § 160 StGB stellt eine besondere Ausnahme vom Prinzip der Beteiligung bei eigenhändigen Delikten dar.

  • Grundsätzlich sind die §§ 153 ff. StGB eigenhändige Delikte. D. h. der Täter muss die Tathandlung (etwa uneidliche Falschaussage oder Meineid) grundsätzlich selbst vornehmen. Eine Zurechnung von Tatbeiträgen, wie es im Rahmen der Mittäterschaft (Tatbeiträge des jeweils anderen Mittäters werden wegen des gemeinsamen Tatplans zugerechnet) und mittelbaren Täterschaft (Zurechnung des Tatbeitrages des Vordermanns zum Hintermann) notwendig ist, ist daher bei den Aussagedelikten eigentlich nicht möglich.

  • Dennoch hat es der Gesetzgeber für notwendig erachtet, dass bestimmte Strafbarkeitslücken, die sich aus der Unanwendbarkeit der mittelbaren Täterschaft auf die Aussagedelikte ergeben, geschlossen werden.

Merke

Beachte aber, dass § 160 StGB nicht alle Fälle erfasst, die nach den Grundsätzen des Strafrecht AT unter die mittelbare Täterschaft fallen. Vielmehr behandelt § 160 StGB nur solche Fälle, in denen die Aussageperson derart manipuliert wird, dass die aussagende Person etwas falsches aussagt beziehungsweise eine objektiv falsche Versicherung an Eides statt abgibt, sich dessen aber nicht bewusst ist.

Strafbarkeitslücken entstehen hier, weil:

  • der Hintermann die Tathandlung nicht selbst ausgeführt hat (Eigenhändigkeit der Aussagedelikte) und daher nach den Regeln des AT keine mittelbare Täterschaft in Frage kommt und

  • der Vordermann sich der Falschaussage nicht bewusst ist und damit unvorsätzlich handelt, womit auch keine Teilnahme in Form der Anstiftung für den Hintermann in Frage kommt (keine rechtswidrige vorsätzliche Haupttat)

Vernetztes Lernen

Der Tatbestand des § 160 StGB ist im Übrigen ein schlagendes Argument für die objektive Theorie im Rahmen des Streits, wann eine Aussage “falsch” ist. Nach der subjektiven Theorie ist eine Aussage “falsch”, wenn Wort und Wissenauseinanderfallen. Danach könnte eine Aussage gar nicht falsch sein, wenn der Aussagende nach bestem Wissen glaubt, er sage die Wahrheit, auch wenn er entsprechend manipuliert wurde, dies zu glauben. Damit wären die objektiven Tatbestände der §§ 153-156 StGB schon gar nicht erfüllt, womit auch § 160 StGB nicht zur Anwendung kommen würde.

Den Streit um die Falschheit der Aussage kannst du dir im Artikel zu § 153 StGB noch einmal durchlesen.

1. Anwendungsbereich und Konkurrenzen

§ 160 StGB findet auf alle Grundformen der Aussagedelikte Anwendung:

  • Verleitung zur uneidlichen Falschaussage, § 160 I Var. 2 StGB,

  • Verleitung zum Meineid, § 160 I Var. 1 StGB,

  • Verleitung zur Leistung einer falschen Versicherung an Eides Statt, § 160 I Var. 3 StGB.

Nach herrschender Meinung ist § 160 StGB wegen der äußerst geringen Strafandrohung subsidiär. Er greift daher nur ein, wenn die Tat nicht auch als Anstiftung (§§ 153, 154, 156 StGB i.V.m. § 26 StGB) oder Anstiftung zum Versuch (§ 159 StGB) eingestuft werden kann.

Merke

Strafrahmen § 160 StGB:

  • Verleitung zum Meineid, § 160 I Var. 1 StGB: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren

  • Verleitung zur uneidlichen Falschaussage oder falschen Versicherung an Eides statt, Var. 2 und Var. 3: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten

Strafrahmen der Anstiftung (§ 26 StGB), Beihilfe (§ 27 StGB), versuchte Beteiligung (§ 30 StGB / § 159 StGB) richten sich nach dem Strafrahmen der entsprechenden Haupttat:

  • Meineid: Freiheitsstrafe nicht unter 1 Jahr

  • Uneidliche Falschaussage: (Mindest- !) Freiheitsstrafe 3 Monate bis 5 Jahre

  • Falsche Versicherung an Eides Statt: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren

2. Versuchsstrafbarkeit

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

§ 160 II StGB ordnet die Strafbarkeit des Versuchs der Verleitung zur Falschaussage ausdrücklich an. Diese gesetzgeberische Entscheidung ist – wie auch bei § 159 StGB – nicht unumstritten. Denn: Der Gesetzgeber hat sich bewusst gegen die Versuchsstrafbarkeit der §§ 153, 156 StGB (also der uneidlichen Falschaussage und der falschen Versicherung an Eides statt) entschieden, wohl aber für eine Versuchsstrafbarkeit der jeweiligen Teilnahmehandlungen, insbesondere

  • der versuchten Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage beziehungsweise Versicherung an Eides statt (§ 159 StGB) und

  • der versuchten Verleitung zur uneidlichen Falschaussage beziehungsweise zur falschen Versicherung an Eides statt (§ 160 Abs. 2 StGB).

Hintergrund dieser gesetzgeberischen Entscheidung:

Wie § 158 StGB zeigt, möchte der Gesetzgeber Falschaussagende motivieren, ihre falsche Aussage rechtzeitig zu berichtigen. Wer seine Aussage noch während der laufenden Vernehmung berichtigt, ist daher nach §§ 153, 156 StGB nicht strafbar.

Anders liegt der Fall bei Dritten – etwa Anstiftern oder Verleitenden. Diese treten nicht unmittelbar vor Gericht in Erscheinung, sodass dem Gericht die Möglichkeit zur Einflussnahme auf ihr Verhalten fehlt. Um solchen externen Manipulationen dennoch wirksam zu begegnen, wurde die Versuchsstrafbarkeit dieser Beteiligungsdelikte bewusst vorverlagert, um sie frühzeitig sanktionieren zu können.

Vernetztes Lernen

Hier lohnt ein Vergleich zur mittelbaren Täterschaft nach den Grundsätzen des Strafrecht AT (§ 15 I Alt. 2 StGB):

  • Sowohl im Rahmen der mittelbaren Täterschaft als auch im Rahmen des § 160 StGB sind zwei Konstellationen voneinander zu unterscheiden:

    1. Die Tat wird durch den Vordermann oder Verleiteten nicht vollendet: Dann handelt es sich um die Strafbarkeit wegen eines versuchten Delikts in mittelbarer Täterschaft (z. B. versuchter Totschlag in mittelbarer Täterschaft, §§ 212 I, 22, 23 I, 25 I. 2. Alt. StGB) beziehungsweise wegen der versuchten Verleitung zur Falschaussage (§ 160 I, II StGB).

    2. Die Tat wird zwar durch den Vordermann oder Verleiteten vollendet, allerdings handelte dieser entgegen der Vorstellung des Hintermanns oder Verleitenden voll deliktisch, weist also gar kein Strafbarkeitsdefizit auf, beziehungsweise handelte gar nicht gutgläubig. Das bedeutet: In diesem Fall liegt kein Versuch vor, weil der objektive Tatbestand des Aussagenden nicht vollständig verwirklicht wäre, sondern weil die Voraussetzungen für eine mittelbare Täterschaft – also ein strafbarkeitsbegründender „Defekt“ beim Aussagenden – fehlen. In Wahrheit liegt deshalb gar keine echte Verleitung vor.

  • Während die erste Konstellation unproblematisch der Versuchsstrafbarkeit unterliegt, muss hinsichtlich der zweiten Konstellation unterschieden werden.

    • Nach h.M. gibt es die versuchte mittelbare Täterschaft nicht. Das bedeutet, irrt sich der Hintermann über den Defekt des Vordermanns, liegt also entgegen seiner Vorstellung gar kein Strafbarkeitsdefekt beim Vordermann vor, handelt es sich um eine vollendete Anstiftung, weil der Anstiftervorsatz (hinsichtlich: vorsätzliche rechtswidrige Vortat eines anderen + Bestimmen zur Tat) als Minus zum Vorsatz im Rahmen der mittelbaren Täterschaft (Verwirklichung objektiver Tatbestand durch den Tatmittler + der Merkmale der mittelbaren Täterschaft) enthalten ist.

      • Ganz nach dem Motto: “Wenn der (vermeintlich) Manipulierende schon Tätervorsatz (mittelbarer Täter) hat, hat er erst recht Teilnehmervorsatz (Anstiftervorsatz).”

    • Oben Gesagtes kann aber i.R.d. Verleitung zur Falschaussage i.S.d. § 160 StGB nicht gelten. Hier ist nämlich das schwerere Delikt nicht die versuchte Verleitung zur Falschaussage (= mittelbare Täterschaft i.R.d. Aussagedelikte) gemäß § 160 I, II StGB, sondern die versuchte Anstiftung gemäß § 159 / § 30 StGB!

      • Wie der Irrtum des Verleitenden über die Gutgläubigkeit des Verleiteten zu behandeln ist, ist umstritten und wird unten ausgeführt.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

3. Prüfungsschema

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

II. Objektiver Tatbestand der §§ 153, 154 StGB oder § 156 StGB durch einen anderen

Für die Strafbarkeit aus vollendeter Verleitung ist es notwendig, dass ein anderer den objektiven Tatbestand der uneidlichen Falschaussage (§ 153 StGB), des Meineids (§ 154) oder der falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) verwirklicht.

Merke

Für eine Verleitung zur uneidlichen Falschaussage (§§ 160 I Var. 3, 153 StGB) bedeutet das, dass der Verleitete (Vordermann):

  • als tauglicher Täter (Zeuge oder Sachverständige)

  • eine uneidliche Falschaussage

  • vor einer zuständigen Stelle

getätigt haben muss.

Allerdings scheitert die Prüfung des Vordermanns hinsichtlich § 153 StGB daran, dass er gutgläubig war, also keinen Vorsatz hatte.

Insofern der Verleitete (Vordermann) den objektiven Tatbestand nicht voll verwirklicht (etwa weil dieser seine falsche Angabe im Rahmen seiner Vernehmung noch berichtigt), kommt hier eine Versuchsstrafbarkeit nach § 160 II StGB in Betracht (1. Konstellation siehe oben).

III. Verleiten

Definition

Verleiten meint jede Einwirkung auf den Willen des Verleiteten, sodass bei diesem der Entschluss zu einer unvorsätzlichen Falschaussage (z. B. fahrlässig oder gutgläubig falscher Meineid) hervorgerufen wird.

Vernetztes Lernen

Verleiten i.S.d. § 160 StGB ist damit der Gegenbegriff zum “Bestimmen” i.S.d. § 26 StGB, also das Hervorrufen des Tatentschlusses. “Tatentschluss” meint schon begriffsnotwendig das Hervorrufen des Entschlusses zu einer vorsätzlichen Tat (Falschaussage/Meineid/Versicherung).

Beispiel

A und B sind Freunde. Als sie eines Abends im Club feiern, geraten B und D in Streit. B, der leicht reizbar ist, rastet aus und schlägt D zweimal ins Gesicht. D erleidet schwere Prellungen.

Als es zum Prozess gegen B kommt, versucht dieser, den Vorfall als Notwehr erscheinen zu lassen. Er weiß jedoch, dass sein Freund A – Jurastudent und prinzipientreu – niemals bewusst falsch aussagen würde.

In den Tagen vor As Aussage redet B wiederholt auf ihn ein und schildert ihm detailliert seine eigene Version des Geschehens – so glaubhaft und eindringlich, dass A die manipulierte Darstellung schließlich für seine eigene Erinnerung hält.

Vor Gericht sagt A entsprechend falsch aus – in dem Glauben, die Wahrheit zu sagen. Als später ein Video auftaucht, das eindeutig zeigt, dass B den Angriff ohne Anlass begann, stellt sich die Frage der Strafbarkeit:

  • A ist nicht nach § 153 StGB strafbar, da ihm der Vorsatz fehlt – er glaubte, die Wahrheit zu sagen.

  • B hingegen ist nach § 160 I Var. 3 StGB strafbar, da er A gezielt zur unvorsätzlichen Falschaussage verleitet hat.

Problematisch im Rahmen des Tatbestandsmerkmals ist - wie bereits erwähnt - die 2. Versuchskonstellation, also der Irrtum des (vermeintlich) Verleitenden über die Gutgläubigkeit des Aussagenden. Der Aussagende sagt entgegen der Vorstellung des Verleitenden nicht unvorsätzlich falsch aus.

Wie diese Konstellation zu behandeln ist, ist umstritten:

Problem

Wie ist der Irrtum des Verleitenden über die Gutgläubigkeit des Aussagenden zu behandeln?

  • Eine Ansicht: Die Gutgläubigkeit ist des Aussagenden, ist ungeschriebenes (objektives) Tatbestandsmerkmal und von der Begriffsdefintion des “Verleitens” vorausgesetzt. Insofern der objektive Tatbestand nicht gegeben ist, der Täter in seiner Vorstellung aber genau davon ausgeht, handelt es sich um einen typischen Fall der Versuchsstrafbarkeit gemäß § 160 II StGB, da es nicht zu der eigentlich beabsichtigten (gutgläubigen) Tat kam.

  • Herrschende Meinung: Trotz der Bösgläubigkeit des Aussagenden liegt ein vollendeter § 160 StGB vor, da die Tatvollendung nicht daran scheitern dürfe, dass der Verleitete (Aussagende) in subjektiver Hinsicht mehr tut als er tun sollte.

  • Stellungnahme: In diesem Fall kann die herrschende Meinung nicht überzeugen. Für die erste Ansicht spricht die Dogmatik, da hier objektiver und subjektiver Tatbestand auseinanderfallen, was gerade typisch für den Versuch ist. Ferner fehlt es in dieser Konstellation an dem für die mittelbare Täterschaft typischen Defekt des Vordermanns (Unvorsätzlichkeit).

Beispiel

Abwandlung des Ausgangsbeispiels:

Im Prozess wegen der Clubschlägerei versucht B erneut, A durch detaillierte Erzählungen von seiner „Notwehr-Version“ zu überzeugen. A erkennt jedoch sofort, was B beabsichtigt – er erinnert sich klar an den tatsächlichen Ablauf. Dennoch übernimmt A vor Gericht bewusst die unwahre Darstellung – nicht aus Irrtum, sondern aus Sympathie für B und Antipathie gegen D.

  • Nach der herrschenden Meinung ist B nach § 160 I Alt. 3 StGB strafbar: Entscheidend sei, dass es zur Einwirkung auf A kam, unabhängig davon, ob dieser gutgläubig oder bösgläubig aussagte.

  • Nach der überzeugenderen Gegenauffassung liegt nur eine versuchte Verleitung (§ 160 II StGB) vor: B ging von einer gutgläubigen Falschaussage aus, A handelte aber vorsätzlich. Damit weichen die Vorstellung und die Wirklichkeit auseinander, was gerade der typische Anwendungsfall des Versuchs ist.

IV. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz

Der Verleitungsvorsatz muss die Verwirklichung des objektiven Unrechtstatbestands umfassen und darauf gerichtet sein, dass der zu Verleitende gutgläubig aussagen soll.

Klausurtipp

Faustregel: § 160 StGB in versuchter oder vollendeter Form wird regelmäßig einschlägig sein, wenn der Sachverhalt davon spricht, dass der Tatveranlasser die Aussageperson für gutgläubig gehalten hat.

V. Rechtswidrigkeit und Schuld

Im Rahmen der Rechtswidrigkeit und Schuld sind keine Besonderheiten zu beachten.

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten