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9. Abschnitt: Aussagedelikte

§§ 157, 158 StGB (Strafmilderungsgründe)

Teilgebiet

BT

Thema

9. Abschnitt: Aussagedelikte

Tags

Strafmilderung
Aussagenotstand
Sonderdelikt
Dolus directus
Meineid
Falschaussage
Falscheid
Tätige Reue
§ 157 StGB
§ 158 StGB
§ 49 StGB
§ 154 StGB
§ 153 StGB
§ 156 StGB
§ 159 StGB
§ 30 StGB
§ 34 StGB
Gliederung
  • I. Aussagenotstand gemäß § 157 StGB

    • 1. Prüfungsschema

    • 2. Persönlicher Anwendungsbereich

    • 3. Sachlicher Anwendungsbereich

  • II. Subjektive Voraussetzungen: Gefahrabwendungsabsicht

    • 1. Absicht

    • 2. Strafverfolgungsgefahr

    • 3. Angehöriger

  • III. Berichtigung einer falschen Angabe, § 158 StGB (tätige Reue)

    • 1. Berichtigung

    • 2. Rechtzeitig

    • 3. Zuständige Stelle

Dieser Artikel behandelt den Aussagenotstand nach § 157 StGB sowie die Berichtigung einer falschen Angabe nach § 158 StGB. Die Examensrelevanz der beiden Vorschriften ergibt im Zusammenspiel mit den §§ 153-156 StGB beziehungsweise dem System der Aussagedelikte. Es wird dringend empfohlen, zunächst die Artikel zu §§ 153, 154, 156 StGB durchzuarbeiten, um sich des Grundlagenwissens zu bemächtigen.

I. Aussagenotstand gemäß § 157 StGB

Systematisch sind §§ 157, 158 StGB ebenso wie die Grunddelikte, auf die sie sich beziehen, im 9. Abschnitt des StGB “Falsche uneidliche Aussage und Meineid” zugeordnet. § 157 StGB ermöglicht eine fakultative (= freiwillige oder im Ermessen des Gerichts stehende) Strafmilderung nach § 49 II StGB, beziehungsweise im Falle des § 153 StGB gar ein Absehen von Strafe.

1. Prüfungsschema

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2. Persönlicher Anwendungsbereich

In persönlicher Hinsicht ist der Anwendungsbereich eingeschränkt. § 157 StGB gilt nur für Zeugen und Sachverständige. Hier ist die Gemeinsamkeit zum einzigen eigenhändigen Sonderdelikt des § 153 StGB besonders auffällig, da hier der Täterkreis ebenfalls auf Zeugen und Sachverständige begrenzt ist.

Da § 157 StGB aber bei einem Meineid nach § 154 StGB Anwendung findet und der Meineid im Unterschied zu § 153 StGB kein Sonderdelikt ist, da der Täterkreis nicht begrenzt ist, kann es zur Situation kommen, dass etwa eine Partei im Zivilprozess einen Meineid nach § 154 StGB begeht. Hier ist § 157 StGB nach g.h.M. wegen des eingeschränkten persönlichen Anwendungsbereichs unanwendbar.

Gleiches gilt im Übrigen für Teilnehmer an den Aussagedelikten.

Beispiel

Der Freund F des A wird eines Abends Zeuge eines Einbruchdiebstahls in seiner Nachbarschaft, der vom Sohn S des A begangen wird. Als Anklage gegen S erhoben wird und F als Zeuge aussagen soll, fleht ihn der A an, falsch auszusagen, damit sein Sohn S keine strafrechtlichen Konsequenzen drohen. Ist § 157 StGB hinsichtlich F oder A anwendbar?

  • Obwohl sich der A in der von § 157 StGB vorausgesetzten Zwangslage befindet, ist der Wortlaut der Vorschrift glasklar. Nur “Zeugen und Sachverständige” kommen in den Genuss der Strafmilderungsvorschrift des § 157 StGB. A ist aber “nur” Anstifter, also Teilnehmer des Aussagedelikts. Er selbst ist weder Zeuge noch sagt er falsch aus.

  • Auch hinsichtlich F ist § 157 StGB nicht einschlägig. F ist zwar Zeuge, befindet sich aber nicht in der von § 157 StGB vorausgesetzten Zwangslage.

Vernetztes Lernen

Oben Gesagtes gilt auch für denjenigen, der eine Anstiftung nur versucht, gemäß §§ 153, 156, 159, 30 I StGB beziehungsweise §§ 154, 12 I, 30 I StGB.

3. Sachlicher Anwendungsbereich

Der Aussagenotstand ist eine Strafzumessungsvorschrift speziell für die uneidliche Falschaussage nach § 153 StGB und dem Meineid nach § 154 StGB. Keine Anwendung findet § 157 bei einer falschen Versicherung an Eides statt nach § 156 StGB.

Merke

Das bedeutet, § 157 StGB hat einen doppelt eingeschränkten Anwendungsbereich. Zum einen muss es sich um eine uneidliche Falschaussage oder Meineid handeln und zum anderen muss es sich um einen Sachverständigen oder Zeugen handeln, der kein Teilnehmer ist.

II. Subjektive Voraussetzungen: Gefahrabwendungsabsicht

In subjektiver Hinsicht muss der Täter in der Absicht handeln, eine Strafverfolgungsgefahr von sich oder einem Angehörigen abzuwenden.

1. Absicht

Durch den Wortlaut des § 157 I StGB, konkret durch das Wort “um” macht der Gesetzgeber klar, dass die uneidliche Falschaussage oder der Meineid in der umschriebenen Absicht begangen worden sein muss. Der Gesetzgeber fordert hier, dass der Täter die Tat gerade deshalb begangen hat, um einer Strafverfolgung zu entgehen oder diese von einem Angehörigen abzuwenden. Absicht meint hier letztlich dolus directus 1. Grades. Es muss ihm also gerade darauf ankommen, die Falschaussage/den Meineid zu begehen, damit es nicht zu einer Strafverfolgung kommt.

Dieses Gefahrabwendungsmotiv ist tatsächlich qualitätsmäßig vergleichbar mit dem Gefahrabwendungswillen des Rechtfertigungsgrundes “rechtfertigender Notstand nach § 34 StGB”.

2. Strafverfolgungsgefahr

Fraglich ist, wann eine Strafverfolgungsgefahr im Sinne des § 157 StGB vorliegt.

Definition

Eine Strafverfolgungsgefahr liegt vor, wenn aus Sicht des Täters die Möglichkeit der Bestrafung beziehungsweise Maßregelung nicht völlig fern liegt.

Merke

Die Gefahr einer rechtmäßigen Strafverfolgung ist keine (!) Gefahr im Sinne der §§ 34, 35 StGB. Die Gemeinsamkeit besteht darin, dass der Täter in beiden Fällen gerade deshalb gehandelt haben muss, um die Gefahr für Rechtsgüter (§ 34 StGB) beziehungsweise die Gefahr der Strafverfolgung (§ 157 StGB) abzuwenden.

Hier erkennt man mehrere Dinge: zum einen muss die Gefahr aus Sicht des Täters vorliegen. Es gilt also ausschließlich ein subjektiver Beurteilungsmaßstab. D. h. auch wenn der Täter sich objektiv über die Gefahr einer Strafverfolgung irrt, kann § 157 StGB trotzdem einschlägig sein, wenn der Täter von ihr ausgeht. Zum anderen ist der Strafverfolgungsgefahr-Begriff sehr weit gefasst und umfasst auch eine fern liegende und sehr abstrakte Gefahr.

Beispiel

Vater V beobachtet einen Einbruchdiebstahl bei seinem Nachbarn und kontaktiert die Polizei. Als die beiden Einbrecher S und T flüchten, bevor die Polizei eintrifft, erkennt der V zu seinem Schreck, dass ein Täter sein Sohn S ist, der bereits seit längerer Zeit mit “komischen Gestalten” abhängt. A wird von der Polizei befragt, verrät aber nicht, dass er den S erkannt hat. Als die Polizei dem T anderweitig auf die Schliche kommt und Anklage gegen ihn erhoben wird, wird der V als Zeuge geladen. Er sagt vor Gericht uneidlich falsch aus, indem er angibt, er habe den T erkannt und dieser habe allein gehandelt, um die Gefahr der Strafverfolgung von seinem Sohn S abzuwehren, obwohl objektiv überhaupt kein Verdacht in Richtung S vorlag.

3. Angehöriger

Gesetzesverweis

Die Legaldefinition des Angehörigenbegriffs findest du in § 11 I Nr. 1 StGB, den du dir neben § 157 StGB schreiben kannst!

III. Berichtigung einer falschen Angabe, § 158 StGB (tätige Reue)

Anders als bei § 157 StGB ist der Anwendungsbereich des § 158 StGB weder in sachlicher Hinsicht auf §§ 153, 154 StGB noch in persönlicher Hinsicht auf Zeugen und Sachverständige begrenzt. Vielmehr gilt § 158 StGB auch für die falsche Versicherung an Eides statt, § 156 StGB. Für § 160 StGB gilt § 158 StGB analog. Für fahrlässige Falscheide oder fahrlässige Versicherungen an Eides statt gilt § 158 II, II StGB über § 161 II 2 StGB. Insbesondere gilt § 158 StGB auch für Teilnehmer.

Kurzer Überblick über die Systematik des § 158 StGB:

  • Absatz 1 ist die eigentliche Strafmilderungsvorschrift mit dem Verweis auf eine fakultative Strafmilderung nach § 49 II StGB.

    • Voraussetzung: Rechtzeitige Berichtigung einer falschen Angabe

  • Absatz 2 regelt, wann eine Berichtigung einer falschen Angabe verspätet, also nicht mehr rechtzeitig erfolgt.

  • Absatz 3 regelt die zuständige Stelle, bei der eine Berichtigung erfolgen muss.

Klausurtipp

Beachte, dass du § 158 StGB nicht zu vorschnell anwendest. Differenziere zwischen der Berichtigung nach § 158 StGB und dem Rücktritt nach § 24 StGB. Entscheidend ist, ob die Tat zum Zeitpunkt der Berichtigung bereits vollendet war. Das richtet sich etwa im Rahmen des Meineids vor allem danach, ob es sich um einen Voreid oder Nacheid handelt.

  • Beim Voreid (Täter leistet den Eid vor der eigentlichen Aussage) ist die Tat vollendet, wenn der Täter erkennbar zum Gegenstand der Aussage nicht mehr zu bekunden hat.

  • Beim Nacheid (Täter leistet den Eid nach der eigentlichen Aussage) ist die Tat mit dem vollständigen Leisten der Eidesformel vollendet.

Beispiel

A fährt der B an einer roten Ampel im Straßenverkehr hinten auf. F der Freund des A saß mit im Auto. F wird als Zeuge im Prozess geladen und sagt im Zeugenstand aus, dass die B an der roten Ampel – vermutlich versehentlich – den Rückwärtsgang eingelegt und dem stehenden A plötzlich vorn aufgefahren wäre. Als der Richter den F mittels Nacheid vereidigen will, stimmt F zunächst zu.

Der Richter fragt gemäß § 64 StPO:

"Sie schwören, dass Sie nach bestem Wissen die reine Wahrheit gesagt und nichts verschwiegen haben”

F erwidert: “Ich schwö… “. Er bricht ab und erklärt, er habe die Unwahrheit gesagt und berichtigt seine Aussage.

  • Falschaussage (§ 153 StGB) ist bereits vollendet, aber die Berichtigung erfolgte noch rechtzeitig, sodass § 158 StGB (tätige Reue) Anwendung findet.

  • Falscheid (§ 154 StGB) ist hingegen noch nicht vollendet, da die Eidesformel nicht vollständig geleistet wurde. Daher greift ein Rücktritt vom Versuch nach § 24 I 1 StGB, nicht jedoch § 158 StGB.

1. Berichtigung

Definition

Berichtigen meint die Ersetzung einer falschen Angabe durch die richtige.

Merke

Zwei wichtige Exkurse:

  1. Gerade bei subjektiv bestimmten Falschaussagen (subjektive Theorie) entstehen Schwierigkeiten: Behauptet der Täter, er habe nun „nach bestem Wissen“ korrigiert, lässt sich eine bewusste Falschberichtigung schwer nachweisen. Dies erschwert eine effektive Strafverfolgung in Fällen, in denen die neue Aussage ebenfalls unwahr ist.

  2. Nach dem früheren Wortlaut der Vorschrift “widerruft” statt “berichtigt” war § 157 StGB auch einschlägig, wenn der Täter nur die Falschheit der Aussage bekundete, ohne eine Korrektur vorzunehmen. Dies wollte der Gesetzgeber in Zukunft nicht mehr privilegieren.

2. Rechtzeitig

Nach Absatz 2 ist eine Berichtigung verspätet, also nicht mehr rechtzeitig, wenn:

  • sie bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann.

  • bereits ein Nachteil für einen anderen eingetreten ist.

  • bereits eine Anzeige erstattet oder eine Untersuchung (z. B. Ermittlungsverfahren) eingeleitet worden ist.

3. Zuständige Stelle

Die Vorschriften über die zuständige Stelle dienen dazu, den Kreis der möglichen Adressaten einer Berichtigung bewusst zu erweitern.

Zuständig ist daher nicht nur die Stelle, die die ursprünglich falsche Angabe entgegengenommen oder deren Prüfung veranlasst hat, sondern jede dafür zuständige Gerichtsbehörde, Staatsanwaltschaft oder Polizeidienststelle.

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