Dieser Artikel behandelt den Meineid nach § 154 StGB. Der Meineid ist wie alle Aussagedelikte wegen ihres besonderen Systems relevant, das etwa Sonderregelungen für Teilnehmer, sowie Strafzumessungsregelungen einschließt.
Aufgrund einiger Parallelen und Überschneidungen sollte unbedingt zunächst der Artikel zu § 153 StGB gelesen werden.
I. Allgemeines
Der Meineid nach § 154 StGB ist systematisch dem 9. Abschnitt des StGB “Falsche uneidliche Aussage und Meineid” zugeordnet. Geschütztes Rechtsgut ist die staatliche Rechtspflege. Die Aussagedelikte im Allgemeinen sind reine Tätigkeitsdelikte, was bedeutet, dass kein tatbestandlicher Erfolg vorgegeben ist. Das Gericht muss also nicht tatsächlich durch einen Meineid getäuscht worden sein. Hinzu kommt, dass die §§ 153 ff. StGB eigenhändige Delikte sind, weil der Täter den Meineid selbst tätigen muss, sodass eine mittäterschaftliche Zurechnung oder mittelbare Täterschaft nicht möglich ist. Anders als § 153 StGB handelt es sich bei § 154 StGB nicht um ein Sonderdelikt, da der Täterkreis nicht auf Zeugen oder Sachverständige begrenzt ist.
Klausurtipp
Der Gesetzgeber hat es trotzdem für notwendig erachtet, dass die mittelbare Täterschaft bei Aussagedelikten strafbewährt ist, obwohl es sich um ein eigenhändiges Delikt handelt. Daher hat er § 160 StGB geschaffen.
Besonderheiten ergeben sich vor allem aus der Struktur der Aussagedelikte. So gibt es, wie erwähnt, eigenständige Regelungen zur Teilnahme sowie angeordnete Fahrlässigkeitsstrafbarkeit.
Merke
§ 154 StGB ist im Verhältnis zu § 153 StGB immer dann eine Qualifikation, wenn es sich bei den falsch schwörenden Tätern um die tauglichen Täter des § 153 StGB handelt.
Ist der Eidleistende ein Zeuge oder Sachverständige, erfüllt er den Grundtatbestand des § 153 StGB durch seine Falschaussage vor einer zuständigen Stelle und
darüber hinaus den unrechtserhöhenden Qualifikationstatbestand des § 154 StGB, indem zusätzlich den Eid ablegt.
Handelt es sich nicht um einen Zeugen oder Sachverständigen, sondern etwa um einen Dolmetscher oder eine Partei in einem Zivilprozess, ist § 154 StGB als eigenständiges Delikt zu sehen, da § 153 StGB mangels tauglicher Täter gar nicht erst erfüllt werden kann!

Weitere Besonderheit ergibt sich aus der Versuchsstrafbarkeit nach §§ 12 I, 23 I StGB, da § 154 I StGB als Verbrechen eingeordnet wird. Der Versuch beginnt mit dem Beginn des Sprechens der Eidesformel. Vollendet und zugleich beendet ist die Tat mit vollständiger Ableistung des Eides.
Aus der Einstufung als Verbrechen ergibt sich auch, dass sich die Strafbarkeit des Versuchs der Beteiligung direkt nach den allgemeinen Regeln des § 30 StGB ergibt, nicht nur eingeschränkt über § 159 StGB wie im Rahmen des § 153 StGB.

II. Prüfungsschema
Im Rahmen des Prüfungsschemas muss zwischen dem Qualifikationsaufbau und dem Aufbau als eigenständiges Delikt unterscheiden werden.
1. Qualifikationsaufbau
Insofern es sich bei den Eidleistenden um einen tauglichen Täter des § 153 StGB handelt (Zeuge oder Sachverständiger) sollte das Qualifikationsschema angewendet werden:

2. Schema als eigenständiges Delikt
Insofern es sich bei den Eidleistenden nicht um einen tauglichen Täter des § 153 StGB handelt, ist § 154 StGB als eigenständiges Delikt zu behandeln.

3. Täter: Jedermann
Täter kann, mit Ausnahme des Beschuldigten selbst, nach h.M. jeder sein, der auf Grund seiner Verstandesreife eine genügende Vorstellung von der Bedeutung des Eides besitzt (hier zeigt sich die konsequente Anwendung der Strafzumessungslösung bei Verfahrensfehlern). Nach a.A. kann Täter nur ein Eidesmündiger i.S.d. § 60 StPO sein.
Klausurtipp
Regelmäßig sind die Täter des § 154 StGB:
Dolmetscher, vgl. § 189 GVG,
Partei eines Zivilprozesses, vgl. § 452 ZPO,
weil hier die Gefahr besteht, dass die Bearbeiter übersehen, dass es sich weder um Zeugen noch um Sachverständige im Sinne des § 153 StGB handelt und damit keine Qualifikation vorliegt.
III. Adressat: Zuständige Stelle
Schon im Rahmen des § 153 StGB muss es sich um eine Stelle handeln, die für die eidliche Vernehmung zuständig ist, sodass auf den Artikel zu § 153 StGB verwiesen werden kann.
IV. Tathandlung
Tathandlung ist das Beschwören einer falschen Aussage.
1. Falschaussage
Auch im Rahmen des § 154 StGB muss der Täter zunächst eine Falschaussage tätigen. Hinsichtlich der Fragen, wann eine Aussage vorliegt, wann diese als falsch einzuordnen ist und auf welchen Gegenstand sich die Falschheit beziehen muss, gilt das in § 153 StGB gesagte.
2. Eidesleistung
Der Täter muss einen Eid im Rahmen eines gesetzlich vorgesehenen Verfahrens leisten. Von Bedeutung sind insbesondere folgende Formen des Eides:
Merke
Der Zeugeneid
Strafprozess, §§ 59 ff. StPO
Zivilprozess, §§ 391 ff. ZPO.
Verwaltungsprozess, über § 98 VwGO
Der Parteieid
Zivilprozess, § 452 ZPO
Verwaltungsprozess, über § 98 VwGO (sogenannter Beteiligteneid)
Sachverständigeneid
Strafprozess, § 79 StPO
Zivilprozess, § 410 ZPO.
Verwaltungsprozess, über § 98 VwGO
Dolemtschereid, § 189 GVG
Beachte, dass § 155 StGB den Tatbestand des § 154 StGB auf eidesgleiche Bekräftigungen ausweitet und einer Eidesleistung gleichstellt.
Beispiel
Nr. 1:
Ein Zeuge schließt seine Aussage mit den Worten ab: „Ich versichere, bei Strafe des Meineids, dass meine Angaben der Wahrheit entsprechen.“
Nr. 2:
Ein Zeuge verweist bei seiner Aussage auf einen zuvor geleisteten Eid: „Ich schwöre, wie bereits beim ersten Mal, dass alles korrekt ist.“
3. Subjektiver Tatbestand
Auch hier reicht wie im Rahmen des § 153 StGB dolus eventualis. Dieser Vorsatz muss sich grundsätzlich auch darauf erstrecken, dass sich der ihm abverlangte Eid gerade auf den falschen Teil der Aussage bezieht.
Vernetztes Lernen
Auch hier ist umstritten, wie der Fall zu behandeln ist, wenn ein Zeuge z. B. nicht weiß, dass sich die Eidespflicht auch auf die Angaben zur Person bezieht und er etwa aus Eitelkeit ein falsches Alter angibt. Hinsichtlich des Streitstandes ist auf § 153 StGB zu verweisen, sodass nach überwiegender Ansicht ein Rechtsirrtum vorliegt, der gemäß § 17 StGB zu behandeln ist. Ein solcher Irrtum wird dann regelmäßig vermeidbar sein, es sei denn die Belehrung ist fehlerhaft gewesen.
V. Rechtswidrigkeit und Schuld
Im Rahmen der Rechtswidrigkeit und Schuld sind neben den möglicherweise vorliegenden oben genannten Irrtümern keine Besonderheiten zu beachten.
VI. Strafzumessung
Im Rahmen der §§ 153 bis 156 StGB sind die Vorschriften zum Aussagenotstand sowie zur tätigen Reue zu beachten.
Hinsichtlich § 154 StGB gilt speziell noch der minder schwere Fall nach § 154 II StGB.