Dieser Artikel behandelt den Widerstand gegen oder tätlichen Angriff auf Personen, die Vollstreckungsbeamten gleichstehen, gemäß § 115 StGB. Dieser Paragraf erweitert den geschützten Personenkreis der §§ 113, 114 StGB auf vulnerable Gruppen, die regelmäßig mit den gleichen Gefahren in Berührung kommen wie Vollstreckungsbeamte. Es wird empfohlen, zunächst die Artikel zu § 113 StGB und § 114 StGB zu lesen.
I. Prüfung von § 115 I StGB und § 115 II StGB
1. Gleichstehende Personen nach Absatz 1
§ 115 I StGB normiert, dass auch solche Personen vom Anwendungsbereich der §§ 113, 114 StGB erfasst sind, die:
die Rechte und Pflichten eines Polizeibeamten haben, ohne Amtsträger zu sein oder
Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind, ohne Amtsträger zu sein.
Merke
Nichtamtsträger mit den Rechten und Pflichten eines Polizeibeamten
Jagdaufseher § 25 II BJagdG
Fischereiaufseher
2. Gleichstehende Personen nach Absatz 2
§ 115 II StGB bestimmt, dass §§ 113, 114 StGB auch dann angewendet wird, wenn Widerstand gegen oder ein tätlicher Angriff auf Personen vorliegt, die zur Unterstützung der Vollstreckungshandlung (§ 113 StGB) oder der Diensthandlung (§ 114 StGB) herangezogen werden.
Merke
Personen, die zur Unterstützung herangezogen werden
Personal bei einer medizinischen Untersuchung (Blutabnahme nach Alkoholfahrt)
Abschleppbedienstete
3. Prüfungsschemata
Die Prüfungsschemata unterscheiden sich nur geringfügig von denen der §§ 113, 114 StGB. In Fällen, in denen gleichstehende Personen Widerstand oder einem tätlichen Angriff ausgesetzt sind, muss anstelle des Amtsträgers oder Soldaten die gleichstehende Person geprüft werden.
a) § 115 I, II StGB in Verbindung mit § 113 StGB

b) § 115 I, II in Verbindung mit § 114 StGB

II. Prüfung von § 115 III StGB
§ 115 III StGB wurde eingeführt, um die bisherige, nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den bereits geschützten Hilfeleistenden auszuräumen. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass auch andere Hilfeleistende ähnlichen Gefahrenlagen ausgesetzt sind wie Vollstreckungsbeamte. Allerdings ergeben sich hier Besonderheiten im Schema. Im Rahmen des § 115 III StGB müssen zwei Fälle unterschieden werden.
1. Behinderung von Hilfspersonen § 115 III 1 StGB in Verbindung mit § 113 StGB
§ 115 III 1 StGB ersetzt den Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte bei einer Vollstreckungshandlung gegen die Behinderung von Hilfspersonen bei einer Notlage.
a) Prüfungsschema

b) Hilfeleistende
Zunächst muss es sich beim Tatobjekt um eine Person der in § 115 III 1 StGB aufgeführten Personengruppen handeln. Dabei kommen Hilfeleistende:
der Feuerwehr,
des Katastrophenschutzes,
eines Rettungsdienstes,
eines ärztlichen Notdienstes oder
einer Notaufnahme in Betracht.
Merke
Damit sind auch die Krankenpfleger und Ärzte in einem Krankenhaus innerhalb der Notaufnahme umfasst.
c) Bei Unglücksfall, gemeiner Gefahr, gemeiner Not
Vernetztes Lernen
Die Tatbestandsmerkmale und die dazugehörigen Definitionen der hier aufgeführten Tatbestandsmerkmale sind identisch mit denen des § 323c StGB.
aa) Unglücksfall
Definition
Ein Unglücksfall ist jedes plötzliche Ereignis**,** das erheblichen Schaden an Menschen oder Sachen verursacht und weiteren Schaden zu verursachen droht.
Beispiel
Verkehrsunfall
Arbeitsunfall
das bewusstlose Liegen eines Betrunkenen auf der Fahrbahn
Suizidversuch (strittig)
bb) Gemeine Gefahr
Definition
Eine gemeine Gefahr liegt vor, wenn aus ex ante Sicht eine konkrete Gefahr für Leib oder Leben einer unbestimmten Zahl von Menschen oder für bedeutende Sachwerte in einem nicht mehr kontrollierbaren Umfang besteht oder droht.
Beispiel
Wald- oder Gebäudebrand
drohende Überschwemmungen
Unfall in einem Atomkraftwerk
Toter wird auf Fahrbahn liegen gelassen
Giftgaswolke aus einer Chemiefabrik
cc) Gemeine Not
Definition
Gemeine Not ist eine bereits eingetretene, die Allgemeinheit betreffende Notlage, bei der viele Menschen oder bedeutende Sachwerte bereits geschädigt sind – im Unterschied zur gemeinen Gefahr, bei der ein solcher Schaden nur droht.
Beispiel
Großbrand
Überschwemmungen eines ganzen Dorfes
Erdbeben
eingeschneites Tal
zusammengebrochene Trinkwasserversorgung
Blackout
d) Behinderung
Der Täter muss die Hilfeleistende Person behindert haben.
Definition
Eine Behinderung liegt vor, wenn der Täter durch sein Verhalten eine laufende Hilfeleistung unterbricht oder ihre Wirksamkeit beeinträchtigt.
Beispiel
Den alarmierten Rettungssanitätern wird der Zugang zum Unglücksort verwehrt.
e) Subjektiver Tatbestand
§ 115 StGB ist ein Vorsatzdelikt, sodass der Täter mindestens dolus eventualis aufweisen muss.
2. Tätlicher Angriff auf Hilfspersonen § 115 III 2 StGB in Verbindung mit § 114 StGB
Auch im Rahmen des § 115 III 2 StGB braucht es einen tätlichen Angriff. Allerdings werden parallel zu § 115 III 1 StGB die Merkmale “Amtsträger oder Soldat” sowie “bei einer Diensthandlung” gegen die Merkmale “Hilfspersonen” und “bei einer Notlage” ersetzt.
Hinsichtlich des Merkmals “tätlicher Angriff” kann dabei auf die Ausführungen im Artikel zu § 114 StGB verwiesen werden.

III. Zusammenfassende Tabelle für die §§ 113 - 115 StGB
