I. Einleitung
Das häufigste Mietverhältnis, das dir in der Praxis begegnen wird, ist das Mietverhältnis über Wohnraum (oder auch gewerbliche Räume wie Büros). Dieses unterliegt aufgrund seiner existenziellen Bedeutung für den Alltag von Menschen und deren Schutzbedürftigkeit einigen Sonderregelungen, die einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Vermieters und dem Interesse des Mieters schaffen, eine verlässliche und sichere Wohnung zu haben. Außerdem besteht in aller Regel ein strukturelles Ungleichgewicht zwischen Mieter und Vermieter, das dem Arbeitsrecht ähnelt, das im Kern auch aus Sonderregelungen zum Dienstvertragsrecht besteht. Aufgrund der Besonderheiten in diesen speziellen Mietverhältnissen eignen sich die §§ 549 ff. BGB auch gut für die Klausur, da sie erfordern, dass du eine gute Übersicht über das Mietrecht hast und auch weißt, an welchen Stellen du die Besonderheiten des (Wohn-)Raummietrechts einbringen musst.
II. Anwendbare Normen
Grundsätzlich ist zu beachten, dass auch auf das Wohnraummietrecht die Regelungen der §§ 535 ff. BGB, also des allgemeinen Mietrechts, anwendbar sind - nur „soweit sich [aus diesen] nicht etwas anderes ergibt“, ist auf die §§ 549 ff. BGB zurückzugreifen.
Merke
§§ 549 ff. BGB beziehen sich auf Wohnraum, nicht auf Wohnungen. Denn natürlich können nicht nur Wohnungen, sondern auch ganze Häuser oder Grundstücke vermietet werden. In §§ 578 ff. BGB werden Regelungen insbesondere über sonstige Räumlichkeiten getroffen, die ihrerseits wieder vereinzelt auf das Wohnraummietrecht verweisen - auf diese Mietverhältnisse können also die hier dargestellten Ausführungen ebenfalls angewendet werden, sofern die entsprechende Norm für anwendbar erklärt wird.
III. Sonderregelungen
1. Formbedürfnis
Ein Mietvertrag über Wohnraum bedarf gemäß § 550 BGB der Schriftform. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Erwerber der Immobilie geschützt werden sollen, indem es ihnen einfach gemacht wird, herauszufinden, welche Mietverträge es in der Immobilie gibt.
2. Mietsicherheit („Kaution“)
Gemäß § 551 BGB darf ein Vermieter eine Sicherheitsleistung von dem Mieter verlangen in einer Höhe von maximal 3 Monatskaltmieten (§ 551 I BGB), die in bis zu drei Teilraten beglichen werden darf (§ 551 II BGB). Auch diese Regelung ist verständlich vor dem Hintergrund, dass Wohnungen einerseits einen hohen Wert haben und Mietverhältnisse oft über Jahre hinweg andauern, sodass der Vermieter ein berechtigtes Interesse daran hat, eine gewisse wirtschaftliche Absicherung für einen möglichen Wertverfall seines Wohnraums zu haben.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 569 IIa BGB an den § 551 BGB, zitieren, um dich daran zu erinnern, dass die Nichterbringung der Kaution ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 I BGB ist, der zur Kündigung berechtigt.
§ 551 IV BGB regelt, dass eine „zum Nachteil des Mieters abweichende“ Regelung unwirksam ist. Dies bezieht sich einerseits auf die Höhe der Sicherheitsleistung, aber auch auf die Teilzahlungsregelung.
Merke
Das heißt, dass insoweit ein Bereicherungsanspruch des Mieters gegen den Vermieter aus § 812 I 1 Alt. 1 BGB besteht. Bedenke, dass nicht die gesamte Kautionszahlung unwirksam ist, sondern nur die „abweichende“ Regelung - der Anspruch richtet sich also nur auf den Teil der Kaution, der über den Höchstbetrag hinausgeht.
3. „Kauf bricht nicht Miete“ (§ 566 BGB)
§ 566 I BGB regelt, dass ein Mietverhältnis nicht beendet wird, wenn der Eigentümer der Mietsache durch rechtsgeschäftlichen Eigentumsübergang wechselt.
a) Rechtsnachfolge des Erwerbers
Das bedeutet, dass ein Erwerber des Wohnraums auch mit Blick auf bestehende Mietverhältnisse (und damit verbundene Sicherheitsleistungen, § 566a BGB) Rechtsnachfolger des Veräußerers wird.
Merke
Diese - eigentlich selbstverständliche - Regelung ist gesetzlich nicht zwingend. Bei der Übereignung von beweglichen Sachen gemäß §§ 929, 931 BGB, die sich aufgrund eines Mietverhältnisses nicht im Besitz des Veräußerers befindet, könnte ein Mieter dem Erwerber gemäß § 986 II BGB sein Besitzrecht entgegenhalten. Eine vergleichbare Regelung gibt es für eine Immobilienübereignung gemäß §§ 873, 925 BGB nicht. Daher ist der Mieter von Wohnraum schutzbedürftig und es bedarf einer spezifischen Regelung.
§ 566 BGB setzt voraus, dass der Mieter im Zeitpunkt der Veräußerung bereits im Besitz der Sache ist.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 567a BGB an den § 566 BGB, um dich an die Ausnahme von dieser Regelung zu erinnern.
b) Mithaftung des Erwerbers
Gemäß § 566 II BGB muss der Veräußerer mithaften, wenn der Erwerber eine Pflichtverletzung begeht. Dies gilt jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem dem Mieter der Eigentumsübergang mitgeteilt wird.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 771 BGB an den § 566 II BGB, um dich an die Regelung zur Einrede der Vorausklage zu erinnern.
c) Vorauszahlungen des Mieters (§ 566c BGB)
Sofern der Mieter vereinbarungsgemäß eine Vorauszahlung an den Veräußerer geleistet hat, muss der Erwerber diese gegen sich gelten lassen (das heißt: Er hat für den jeweiligen Zeitraum keinen Anspruch gegen den Mieter). Das gilt jedenfalls bis zu dem Monat, in dem der Mieter Kenntnis von dem Eigentumsübergang erhält.
Beispiel
M hat zu Jahresbeginn die Miete für das ganze Jahr an V bezahlt. Im März erwirbt E die Wohnung, davon erfährt M aber erst am 14. April. Somit kann E keine Miete für die Monate Januar-April verlangen, sondern erst ab Mai. Hätte M erst am 16. April von dem Eigentumsübergang erfahren, hätte E erst ab Juni Mietzahlungen verlangen können.
4. Vermieterpfandrecht (§§ 562 - 562d BGB)
Dem Vermieter steht an den in den Wohnraum eingebrachten Sachen des Mieters ein Vermieterpfandrecht zu. Siehe hierzu den Artikel zu den gesetzlichen Pfandrechten.
IV. Schwerpunkt: Kündigungsschutz
Einer der wesentlichen Regelungsbereiche des Wohnraummietrechts ist das Kündigungsschutzrecht in den §§ 568 ff. BGB.
Merke
Dass ein solcher Schutz notwendig ist, ist klar - in der Praxis kommt hinzu, dass viele Vermieter versuchen, die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung durch den Mieter auszuhebeln, indem sie befristete Mietverträge vereinbaren (was die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung ausschließt). § 575 BGB verhindert dies, wenn kein hinreichender Befristungsgrund im Sinne des § 575 I 1 BGB vorliegt, indem ein ohne solchen Grund befristetes Mietverhältnis als unbefristet abgeschlossen gilt (§ 571 I 2 BGB).
Im Wesentlichen handelt es sich um Sonderregelungen zum allgemeinen Kündigungsrecht. Soweit die §§ 568 ff. BGB also keine eigenen Regelungen enthalten, kannst du auf die allgemeinen Regelungen ausweichen.
1. Ordentliche Kündigung
a) Kündigungsgrund
Als Kündigungsgrund wird das Vorliegen eines berechtigten Interesses angeordnet. Ein solches liegt insbesondere (d.h.: nicht abschließend) in den in § 573 II BGB genannten Fällen vor.
aa) Nr. 1: Pflichtverletzung durch den Mieter
Wenn der Mieter seine Pflichten schuldhaft, in „nicht unerheblichem“ Maße verletzt, darf der Vermieter kündigen.
Merke
Ein solcher Grund liegt bei Vorliegen eines Zahlungsverzuges in der Regel schon dann vor, wenn der Mietrückstand mehr als eine Monatsmiete beträgt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Begriff der „Erheblichkeit“ im Einzelfall bestimmt werden muss. Der Sachverhalt wird insoweit Hinweise enthalten, dass es sich nicht um eine „normale“, sondern um eben eine „erhebliche“ Pflichtverletzung handelt.
bb) Nr. 2: Eigenbedarf
Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn der Vermieter den sogenannten Eigenbedarf hat, da ein Familien- oder ein Haushaltsmitglied die Wohnung selbst nutzen will.
Merke
Diese Regelung wird in der Praxis oft genutzt, um eine Kündigung auszusprechen. Problematisch an ihr ist, ob der Vermieter den Wohnraum wirklich „benötigt“. Ein Kündigungsgrund liegt nämlich dann nicht vor, wenn der Vermieter den Eigenbedarf zwar anmeldet, aber diesen eigentlich gar nicht ausüben will. Das Gleiche gilt, wenn der Wohnraum den Bedürfnissen des Vermieters nicht entspricht. Liegt insoweit kein „berechtigtes Interesse“ des Vermieters vor, ist die Kündigung unwirksam - da der Mietvertrag insoweit weiterhin wirksam ist, hat der Mieter nach wie vor ein Recht zum Besitz.
cc) Nr. 3: Angemessene Verwertung
Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn „der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde“. Was im Einzelfall „angemessen“ ist, bemisst sich an einer von vernünftigen und nachvollziehbaren Erwägungen getroffenen Abwägung.
b) Kündigungserklärung
Die Kündigung ist gemäß § 568 I BGB schriftlich zu erklären. Gemäß § 573 III BGB ist das zur Kündigung führende berechtigte Interesse in dem Kündigungsschreiben anzugeben.
c) Kündigungsfrist
Gemäß § 573c I 1 BGB besteht zunächst eine dreimonatige Kündigungsfrist. Nach fünf und dann wieder nach insgesamt acht Jahren Mietdauer verlängert sich diese um jeweils drei weitere Monate.
Merke
Für die Fristberechnung kannst du auf die allgemeinen Grundlagen zurückgreifen.
2. Außerordentliche Kündigung
a) Fristlose Kündigung
aa) Kündigungsgrund
Die außerordentliche fristlose Kündigung ist in § 569 BGB geregelt und bestimmt zusätzliche wichtige Gründe im Sinne des § 543 BGB:
Abs. 1: Gesundheitsgefährdung aufgrund der Beschaffenheit des Wohnraums
Abs. 2: Nachhaltige Hausstörung einer Vertragspartei
Abs. 2a: Zahlungsverzug hinsichtlich der Sicherheitsleistung durch den Mieter
Abs. 3: Zahlungsverzug hinsichtlich der Mietzahlung durch den Mieter (Konkretisierung der Bestimmung des § 543 II 1 Nr. 3 BGB)
bb) Kündigungserklärung
Die Kündigung ist gemäß § 568 I BGB schriftlich zu erklären. Gemäß § 569 IV BGB ist der zur Kündigung führende Grund in dem Kündigungsschreiben anzugeben.
b) Außerordentliche Kündigung mit gesetzlicher Frist
aa) Kündigungsgrund
Neben den in §§ 540, 540 BGB geregelten Kündigungsgründen aus dem allgemeinen Teil des Mietrechts enthält das Wohnraummietrecht spezielle Kündigungsgründe in §§ 563 IV, 563a II, 564 S. 2 BGB weitere außerordentliche Kündigungsgründe für eine fristgerechte Kündigung.
bb) Kündigungserklärung
Die Kündigung ist gemäß § 568 I BGB schriftlich zu erklären. Gemäß §§ 575a, 573d BGB gilt für die Kündigung, dass in dem Kündigungsschreiben die Kündigungsgründe genannt werden müssen (vgl. § 573a III BGB).
cc) Kündigungsfrist
§§ 573d, 575a BGB enthalten Regelungen zur Kündigungsfrist - abhängig davon, ob das zugrundeliegende Mietverhältnis befristet oder unbefristet ist.
3. Widerspruch (§ 574 BGB)
Der Mieter kann der Kündigung gemäß §§ 574, 574b BGB widersprechen und verlangen, dass das Mietverhältnis trotz einer grundsätzlich wirksamen Kündigung fortgesetzt wird, wenn eine besondere Härte vorliegt. § 574a BGB regelt, unter welchen Umständen das Mietverhältnis fortgesetzt wird.
Klausurtipp
Der Begriff der „Härte“ ist im Einzelfall zu bestimmen und unterliegt einer umfassenden Interessenabwägung, für die der Sachverhalt entsprechende Hinweise bereithalten wird.