Die Verjährung ist eine Einrede, die der Schuldner dem Gläubiger entgegensetzen kann. In diesem Fall ist der Anspruch nicht mehr durchsetzbar, der Schuldner muss nicht leisten. Es handelt sich also um ein Leistungsverweigerungsrecht. Der Schuldner kann entscheiden, ob er von diesem Recht Gebrauch macht.
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Die Verjährung ist immer dann zu prüfen, wenn zeitliche Angaben im Sachverhalt gemacht werden. Diese können ein Hinweis darauf sein, dass der Anspruch zwar dem Grunde nach besteht, aber infolge der Verjährung nicht mehr durchsetzbar ist. Der Schuldner müsste dann nicht mehr leisten. Auf diese Weise kann der Klausursteller möglichst viel abprüfen.
I. Gegenstand der Verjährung
Nach § 194 I BGB können nur Ansprüche verjähren. Gemäß der Legaldefinition des Gesetzes handelt es sich dabei um das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (auf schuldrechtlicher Ebene spricht man auch von Forderung, vergleiche § 241 I BGB).
Rechte, die keine Ansprüche sind, können nicht verjähren. Das sind zum Beispiel Gestaltungsrechte wie das Anfechtungs-, Rücktritts- oder Widerrufsrecht. Für diese gelten gesetzliche Ausschlussfristen oder andere zeitliche Vorgaben, vergleiche die Anfechtungsfrist in §§ 121 und 124 BGB oder die Widerrufsfrist in § 355 II BGB. Besonderheiten für den Rücktritt sind in § 218 BGB geregelt. Hiernach ist der Rücktritt unwirksam, wenn der Anspruch auf die Leistung oder der Nacherfüllungsanspruch verjährt ist.
Ausnahmsweise verjähren auch Ansprüche nicht, sofern ihre Unverjährbarkeit gesetzlich angeordnet wird.
Beispiel
Anspruch auf Herstellung der ehelichen oder sonstigen familienrechtlichen Lebensgemeinschaft, vergleiche § 194 II Nr. 2 BGB.
Unverjährbarkeit der Berichtigungsansprüche in §§ 894 bis 896 BGB.
Ansprüche aus dem gesetzlichen Nachbarrecht, vergleiche § 924 BGB.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir diese Ausnahmen neben die §§ 194 ff. BGB schreiben, um dich an den Zusammenhang mit diesen speziellen Normen zu erinnern.
II. Wirkung
Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern, vergleiche § 214 I BGB. Das heißt, der Schuldner kann die Leistung verweigern, muss dies aber nicht. Die Verjährung stellt also eine Einrede dar. Sie wird nicht von Amts wegen geprüft, sondern nur berücksichtigt, wenn sich der Schuldner hierauf beruft. Falls sich der Schuldner darauf beruft, ist der Anspruch (dauerhaft) nicht durchsetzbar.
Merke
Die Verjährung ist eine Einrede, auf die sich der Schuldner berufen muss.
Sie wird unter „Anspruch durchsetzbar“ geprüft. Sie begründet eine rechtshemmende Einwendung (Einrede) und wirkt peremptorisch, das heißt dauerhaft. Daneben gibt es auch sogenannte dilatorische, also nur vorübergehende Einreden. Sie hindern die Durchsetzbarkeit des Anspruches nur für eine gewisse Zeit. Beispiel hierfür ist die Stundung.
III. Verjährungsfristen
1. Regelmäßige Verjährungsfrist
a) Dauer
Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre, vergleiche § 195 BGB. Das heißt, alle Ansprüche, die nicht ausnahmsweise einer besonderen Verjährungsfrist unterliegen, verjähren in drei Jahren.
b) Beginn
Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt nach § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

aa) Entstehen des Anspruchs
Nach der Rechtsprechung entsteht der Anspruch, wenn er fällig wird.
bb) Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Anspruchs
Der Verjährungsbeginn hängt aber letztlich von der positiven Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässigen Unkenntnis (wenn sich die Kenntnisnahme förmlich aufdrängen musste) des Gläubigers ab. Das kann unter Umständen dazu führen, dass die Verjährungsfrist erst Jahre später zu laufen beginnt, wenn Anspruchsentstehung und Kenntnis des Anspruchs in zwei unterschiedlichen Jahren liegen. Für diesen Fall sieht das Gesetz in § 199 II-IV BGB Höchstfristen vor, die unabhängig von der Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis gelten.
§ 199 II BGB: Schadensersatzansprüche, die auf Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf Kenntnis und Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Pflichtverletzung oder der schädigenden Handlung.
§ 199 III BGB: Für sonstige Schadensersatzansprüche sind Höchstfristen von zehn und dreißig Jahren vorgesehen.
§ 199 IV BGB: Andere Ansprüche verjähren in zehn Jahren ab Entstehung.
2. Besondere Verjährungsfristen
Neben der regelmäßigen Verjährungsfrist sieht das Gesetz auch zwei besondere Verjährungsfristen vor.
a) Grundstücksrechte
Rechte an einem Grundstück – wie zum Beispiel der klausurrelevante Anspruch auf Übertragung des Eigentums – verjähren nach § 196 BGB erst in zehn Jahren.
b) Bestimmte Schadensersatzansprüche
In dreißig Jahren verjähren beispielsweise Schadensersatzansprüche aus vorsätzlich begangener Körperverletzung (§ 823 I BGB) oder Herausgabeansprüche aus Eigentum, vergleiche § 197 I Nr. 1–6 BGB.
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Diese Normen sollten aufmerksam gelesen werden, wenn in der Klausur zeitliche Angaben gemacht werden, insbesondere wenn mehrere Jahre zwischen Anspruchsentstehung und Geltendmachung liegen.
Die besonderen Verjährungsfristen beginnen nach § 200 BGB mit der Entstehung des Anspruches, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist.

IV. Vereinbarungen über die Verjährung
Die Verjährung kann durch Vereinbarung grundsätzlich erleichtert oder erschwert werden.
Zwei Ausnahmen hiervon sind in § 202 BGB geregelt. Danach ist die Erleichterung der Verjährung bei Vorsatztaten (§ 202 I BGB) sowie die Verlängerung der dreißigjährigen Verjährungsfrist (§ 202 II BGB) ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn hinaus, unzulässig und entsprechend unwirksam.
Außerdem gelten im Rahmen der AGB und des Verbrauchsgüterkaufs weitere Besonderheiten:
Der unzulässige Haftungsausschluss bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit, vergleiche § 309 Nr. 7 BGB, erfasst auch zeitliche Beschränkungen und somit Einschränkungen der Verjährungsfrist.
Auch sind Klauseln, die eine Erleichterung der Verjährung vorsehen, unzulässig, vergleiche § 309 Nr. 8 b) ff.
Zudem kann die Verjährung der in § 437 BGB bezeichneten Ansprüche nicht vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, vergleiche § 476 II BGB.
V. Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB)
Die Verjährung beginnt neu bei
Anerkenntnis des Schuldners (§ 212 I Nr. 1 BGB) oder
bei der Vornahme oder Beantragung einer gerichtlichen oder behördlichen Vollstreckungshandlung (§ 212 I Nr. 2 BGB).
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Da der Neubeginn in der Klausur regelmäßig kaum eine Rolle spielt, sollte man sich merken, dass ein Neubeginn in den genannten Fällen in Betracht kommt und sich der Neubeginn aufgrund der Rechtsfolgen von der Hemmung der Verjährung unterscheidet.
Merke
Während der Neubeginn eine gänzlich neue Verjährungsfrist in Gang setzt, wird bei der Hemmung die Dauer der Hemmung lediglich nicht in die Verjährungsfrist einberechnet, vergleiche § 209 BGB. Die Verjährungsfrist läuft also nach Hemmung einfach weiter, also unter Anrechnung der zuvor verstrichenen Frist.
VI. Hemmung der Verjährung
Wie bereits erwähnt ist das besondere an der Hemmung, dass lediglich die Dauer der Hemmung nicht in die Verjährungsfrist einberechnet wird. Nach Aufhebung der Hemmung würde die Verjährungsfrist also einfach weiterlaufen.
In den §§ 203 ff. BGB wird eine Vielzahl an Gründen aufgeführt, die zu einer Hemmung führen. Die Verjährung kann beispielsweise durch
Verhandlungen (§ 203 BGB),
Rechtsverfolgung (§ 204 BGB) oder
bei vorübergehenden Leistungsverweigerungsrechten (§ 205 BGB) oder
in den Fällen der §§ 206 bis 208 BGB
gehemmt werden.
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In einer Klausur sollten diese Normen im Falle einer Verjährung aufmerksam gelesen werden. Auch zur Vorbereitung auf die mündliche Prüfung empfiehlt sich das Lesen dieser Normen.
VII. Exkurs
1. Verwertbarkeit von Realsicherheiten bei Verjährung der gesicherten Forderung, § 216 BGB
Trotz Verjährung des gesicherten Anspruchs bleibt eine Realsicherheit verwertbar.
Das gilt für:
Hypothek, § 216 I;
Sicherungseigentum, § 216 II 1;
Eigentumsvorbehalt, § 216 II 2.
Merke
Es ist eine andere Frage, ob der Sicherungsnehmer diese Sicherheit verwerten darf. Dies ist aber eine Frage des Sicherungsvertrages, also des Innenverhältnisses zwischen Sicherungsgeber und -nehmer. Mehr zu diesem Thema findest du hier.
2. Aufrechnung und Zurückbehaltungsrecht nach Eintritt der Verjährung, § 215 BGB
Auch im Hinterkopf haben sollte man die Regelung des § 215 BGB. Danach kann unter Umständen auch dann noch wirksam aufgerechnet (§§ 389 ff. BGB) oder ein Zurückbehaltungsrecht (z. B. §§ 273, 320 BGB) geltend gemacht werden, wenn der Anspruch selbst mittlerweile verjährt ist. Voraussetzung ist, dass der Anspruch noch nicht verjährt war, als die Aufrechnungslage erstmals bestand beziehungsweise als die Leistung erstmals verweigert hätte werden können.
Beispiel
Mieterin M beendigt das Mietverhältnis mit Vermieter V und gibt die Wohnung zum 30.11.2019 zurück. M fordert Rückzahlung der Barkaution von V. Am 02.06.2020 schickt V der M ein Schreiben, in dem er die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen (die gemäß § 249 II 1 BGB ebenfalls auf Geldleistung gerichtet sind) wegen Beschädigung der Mietsache erklärt. Grundsätzlich gilt im Mietrecht die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten, § 548 I BGB. Diese hat V hier verstreichen lassen, sodass seine Ansprüche verjährt und M zur Leistungsverweigerung berechtigt sein könnte, § 214 I BGB. Hier greift jedoch § 215 BGB: Die Forderung des V stand der Forderung der M in der Zeit zwischen dem 01.12.19-31.05.20 unverjährt gegenüber. Damit kann V wirksam aufrechnen.