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Verbrauchsgüterkauf

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§ 474 BGB
§ 475 BGB
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§ 476 BGB
§ 477 BGB
§ 434 BGB
§ 478 BGB
§ 479 BGB
§ 475a BGB
§ 475b BGB
§ 475c BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

    • 1. Definition und Voraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufs

    • 2. Anwendbare Vorschriften

  • II. Modifikationen der §§ 433 ff. BGB

    • 1. § 475 I BGB: Leistungszeitpunkt

    • 2. § 475 II BGB: Gefahrtragung

    • 3. § 475 III BGB

      • a) S. 1: Nutzungsersatz bei Nacherfüllung

      • b) S. 2: Kenntnis des Mangels

    • 4. § 475 IV BGB: Aufwendungsersatz/Kostenvorschuss

    • 5. § 475 V BGB: Umstände der Nacherfüllung

    • 6. § 475 VI BGB: Rücksendekosten

  • III. Entbehrlichkeit der Frist bei Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB

  • IV. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB

    • 1. § 476 I 1 BGB: Grundsatz

    • 2. § 476 I 2 BGB: Ausnahmen

    • 3. § 476 II BGB: Verjährung

  • V. § 476 IV BGB: Umgehungsverbot

  • VI. Beweislastumkehr, § 477 BGB

    • 1. Grundlagen

    • 2. Grundmängel

    • 3. Sonderbestimmungen für den Unternehmerregress

  • VII. Garantien, § 479 BGB

    • 1. Form der Garantieerklärung

    • 2. Anspruch auf Nacherfüllung

  • VIII. Exkurs: Verbrauchsgüterkauf digitaler Produkte

    • 1. Definitionen

      • a) §§ 475a, 475b BGB

      • b) § 327 BGB

    • 2. § 475a BGB (Verweisnorm)

      • a) Verbrauchsgüterkauf über einen körperlichen Datenträger (Abs. 1)

      • b) Verbrauchsgüterkauf über sonstige digitale Produkte (Abs. 2)

    • 3. Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB

      • a) Systematik

      • b) Besondere Vertragstypen 

        • aa) Paketverträge (§ 327a I BGB)

        • bb) Verträge über Sachen mit digitalen Produkten (§ 327a II BGB)

      • c) Rechte des Verbrauchers (§ 327c BGB)

        • aa) Beendigung des Vertrags (Abs. 1)

        • bb) Schadensersatz (Abs. 2)

        • cc) Rückabwicklung 

      • d) Mängelrecht

I. Einleitung

In diesem Kapitel geht es um die einzelnen Besonderheiten, welche zu beachten sind, sobald ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt. Denn Verbraucher sollen im Rechtsverkehr geschützt werden - daher werden die allgemeinen kaufrechtlichen Normen durch weitere spezifische Normen ergänzt und angepasst.

1. Definition und Voraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufs

Die Definition und Voraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufs ergeben sich aus § 474 I BGB:

Zitat

§ 474 I 1 BGB: Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine Ware (§ 241a Absatz 1) kauft.

  • Kaufgegenstand = Ware, § 241a I BGB

  • V = Unternehmer, § 14 BGB

  • K = Verbraucher, § 13 BGB

Gemäß § 474 I 2 BGB liegt „auch“ ein Verbrauchsgüterkauf vor, wenn der Vertrag „neben dem Verkauf einer Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat“.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir die §§ 13, 14 BGB an den § 474 I BGB, um dich an die normorientierte Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Verbrauchsgüterkaufs zu erinnern.

2. Anwendbare Vorschriften

Auf Verbrauchsgüterkäufe sind primär die §§ 433 - 473 BGB anwendbar. Gemäß § 474 II 1 BGB gelten die §§ 475 - 479 BGB nämlich nur „ergänzend“, sozusagen als „besonderes Kaufrecht“.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir die Normen des Verbrauchsgüterkaufs an die jeweiligen Normen des allgemeinen Kaufrechts zitieren, um dir die Arbeit mit dem Gesetz zu erleichtern.

 

Ausnahmsweise gelten die §§ 475 - 479 BGB beim Verkauf gebrauchter Sachen im Rahmen öffentlich zugänglicher Versteigerungen, sofern der Verbraucher klar und umfassend über diese Ausnahme informiert wurde.

II. Modifikationen der §§ 433 ff. BGB

1. § 475 I BGB: Leistungszeitpunkt

Gemäß § 475 I BGB ist § 271 I BGB dergestalt zu modifizieren, sodass anstelle von sofortiger Leistung nur die unverzügliche Leistung verlangt werden kann. Was „unverzüglich“ bedeutet, ergibt sich aus der Legaldefinition in § 121 I BGB: „ohne schuldhaftes Zögern“.

Merke

§ 475 I BGB modifiziert nur die Primärpflichten des § 433 BGB, nicht jedoch die Sekundärrechte. Hinsichtlich der Sekundärrechte bleibt es daher bei der sofortigen Fälligkeit gemäß § 271 I BGB. Die Unterscheidung wird selten relevant, kann jedoch eine „schöne“ kleine Klausurfalle darstellen.

2. § 475 II BGB: Gefahrtragung

Gemäß § 475 II BGB gilt die Gefahrtragungsregel des § 447 I BGB beim Versendungskauf nur unter engsten Voraussetzungen, namentlich dann, wenn der Käufer die Transport- oder Versendungsperson ohne Benennung des Verkäufers selbst ausgewählt hat. Dies dürfte selten der Fall sein.

Merke

Praktisch wird durch § 475 II BGB die Regelung des § 447 BGB nicht nur modifiziert, sondern ausgeschlossen, denn im Falle der Auswahl einer Versendungsperson durch den Käufer handelt es sich nicht um ein Versenden im Sinne des § 447 I BGB, sodass die Norm schon gar nicht anwendbar ist. Vielmehr wird in der Übergabe an den vom Käufer ausgewählten Transporteur schon eine Übergabe im Sinne des § 446 BGB liegen, denn der beauftragte Transporteur mittelt dem Käufer gemäß § 868 BGB.

Gesetzesverweis

Soweit in deinem Bundesland zulässig, solltest du dir § 475 II BGB neben § 447 BGB kommentieren, damit du den Ausschluss im Verbrauchsgüterkauf nicht vergisst.

Beim Verbrauchsgüterkauf wird in der Klausur also ein Gefahrübergang erst gemäß § 446 BGB, also durch Übergabe der Sache, anzunehmen sein.

Hintergrund der Vorschrift ist, dass der Verkäufer die Transportrisiken besser beherrschen oder versichern kann als der Verbraucher und somit der Gefahrübergang möglichst spät angesetzt werden soll.

3. § 475 III BGB

a) S. 1: Nutzungsersatz bei Nacherfüllung

§ 475 III 1 BGB modifiziert § 439 VI BGB dergestalt, dass Nutzungen weder herauszugeben, noch wertmäßig zu ersetzen sind.

Gesetzesverweis

Um den Ausschluss der Nutzungsherausgabe oder Nutzungsersatz beim Verbrauchsgüterkauf nicht zu vergessen, solltest du dir § 475 III 1 BGB neben § 439 VI BGB kommentieren. Vergewissere dich davor, dass solche Kommentierungen nach dem geltenden Prüfungsrecht zulässig sind.

b) S. 2: Kenntnis des Mangels

Des Weiteren schadet beim Verbrauchsgüterkauf die Mangelkenntnis des Käufers gemäß § 475 III 2 BGB nicht, da § 442 BGB ausgeschlossen wird. Seine Haftung wegen Fehlen der objektiven Anforderungen kann der Verkäufer daher nur einschränken, wenn unter den engen Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB das Vorliegen einer spezifizierten Beschaffenheit vereinbart wurde, dazu sogleich.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 476 I 2 BGB an den § 475 III BGB zitieren, um dich an den Zusammenhang zwischen Kenntnis und Beschaffenheitsvereinbarung zu erinnern.

Gemäß § 475 III 2 BGB ist ein Ausschluss der Sekundärrechte im Rahmen des Verbrauchsgüterkaufs durch Versteigerungen aufgrund § 474 II 2 BGB nur noch bei der Versteigerung von Neuware wirksam.

Durch den Ausschluss des § 447 II BGB gemäß § 475 III 2 BGB wird dem Verkäufer ein möglicher Schadensersatzanspruch verwehrt. Indem § 447 I BGB gemäß § 475 II BGB für unanwendbar erklärt wird, liegt die Preisgefahr ohnehin beim Verkäufer, sodass ein Schaden ebenso nicht vorliegt.

4. § 475 IV BGB: Aufwendungsersatz/Kostenvorschuss

Wegen § 475 IV BGB kann der Verbraucher nicht nur, wie üblich, Aufwendungsersatz verlangen, sondern darüber hinaus auch einen Vorschuss für Kosten, die im Rahmen der Nacherfüllung entstehen.

Bietet der Verkäufer an, die Sache beim Verbraucher abzuholen, so ist nach dem Telos der Vorschrift ein Anspruch auf Zahlung des Vorschusses ausgeschlossen.

5. § 475 V BGB: Umstände der Nacherfüllung

§ 475 V BGB entspricht Art. 14 I WKRL und sieht vor, dass die Nacherfüllung für den Verkäufer „ohne erhebliche Unannehmlichkeit“ bedeuten darf.

Definition

Erhebliche Unannehmlichkeiten = Belastungen solcher Art, die nach ihrem objektiven Maß dazu geeignet sind, einen Durchschnittsverbraucher von der Geltendmachung seiner Rechte abzuhalten.

Diese Regelung wird insbesondere zur Bestimmung des Nacherfüllungsorts herangezogen, weshalb sie dir aus dem Artikel zur Nacherfüllung schon bekannt sein könnte.

6. § 475 VI BGB: Rücksendekosten

Gemäß § 475 VI 1 BGB trägt der Unternehmer beim Rücktritt und beim Schadensersatz statt der Leistung die Kosten der Rückgewähr.

Ferner wird § 348 BGB durch § 475 VI 2 BGB dergestalt modifiziert, dass der Rücksendenachweis genügt, damit der Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises leisten muss.

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III. Entbehrlichkeit der Frist bei Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB

§ 475d BGB erleichtert den Rücktritt (§ 475d I BGB) und Schadenersatz (§ 475d II BGB) des Verbrauchers, indem die Fristsetzung für entbehrlich erklärt wird. 

Stattdessen genügt gemäß § 475d I Nr. 1 BGB grundsätzlich der Ablauf einer angemessenen Frist nach Mangelunterrichtung. Der Verbraucher muss also nicht ausdrücklich eine Frist setzen, sondern alleine den Verkäufer über den Mangel informieren.

Selbst dieses Fristablaufs bedarf es jedoch nicht, wenn die Fälle des § 475d I Nr. 2 - 5 BGB erfüllt sind:

  • Hinsichtlich § 475d I Nr. 2 BGB ist zu beachten, dass diese Vorschrift zwar § 440 BGB entspricht, jedoch anders als § 440 S. 2 BGB bereits ein einziger und nicht zwei erfolglose Versuche, genügt. Weiterhin genügt es auch, wenn sich nach dem Nacherfüllungsversuch ein anderer Mangel offenbart.

  • § 475d I Nr. 3 und 5 BGB entsprechen § 440 BGB in seiner vorausgesetzten Unzumutbarkeit oder Abwägung beiderseitigen Interessen nach § 323 II Nr. 3 BGB.

  • § 475d I Nr. 4 BGB sieht ein Leistungsverweigerungsrecht unabhängig von § 439 IV BGB vor, welches § 323 II Nr. 1 BGB entspricht.

Gesetzesverweis

Soweit nach deinem Prüfungsrecht zulässig, solltest du dir § 475d BGB neben § 323 I BGB und § 281 I BGB kommentieren, damit du die Entbehrlichkeit der Fristsetzung bedenkst.

IV. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB

1. § 476 I 1 BGB: Grundsatz

Gemäß § 476 I 1 BGB sind Abweichungen der §§ 433 - 435, 437, 439 - 441, 443 BGB „sowie den Vorschriften dieses Untertitels“ (also den Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf) unwirksam, sofern sie vor Mitteilung des Mangels getroffen wurden und zum Nachteil des Verbrauchers abweichen. Im Umkehrschluss sind Vergleiche oder sonstige Vereinbarungen nach Mängelanzeige zulässig.

Merke

Gemäß § 476 III BGB ist ein Ausschluss des Schadensersatzanspruchs möglich, jedoch nur unter Vereinbarkeit mit der AGB-Kontrolle gemäß §§ 307 - 309 BGB und § 444 BGB.

2. § 476 I 2 BGB: Ausnahmen

Abweichungen von § 434 III BGB oder § 475b IV BGB sind gemäß § 476 I 2 BGB nur wirksam, wenn die Abweichung von den objektiven Anforderungen durch eine ausdrückliche und gesonderte negative Beschaffenheitsvereinbarung festgehalten wurde.

3. § 476 II BGB: Verjährung

Auch eine verkürzte Verjährungsfrist, die von § 438 BGB abweicht, muss den Voraussetzungen des § 476 II BGB genügen und insbesondere gesondert und ausdrücklich vereinbart werden.

V. § 476 IV BGB: Umgehungsverbot

Gemäß § 476 IV BGB ist es unzulässig, den Schutz des Verbrauchers durch eine Umgehung der §§ 474 ff. BGB zu umgehen.

Beispiel

Der Kunde muss eine Bestätigung mit dem Inhalt abgeben, dass er Unternehmer sei.

Beispiel

Problematisch ist folgender Fall: Der Autohändler tritt nicht in eigener Eigenschaft als Unternehmer auf, sondern als Vertreter des Voreigentümers, welcher Verbraucher ist („Agenturvertrag“). Der BGH hat dies nicht als Umgehungsversuch gewertet und toleriert (BGH NJW 2005, 1039).

Problematisch kann ferner die Abgrenzung zwischen einem Haftungsausschluss (unzulässig) und der Beschaffenheitsvereinbarung sein.

Beispiel

Ein Kfz wird als „Bastlerfahrzeug“ oder „rollender Schrott“ verkauft. Diese Regelung kann unzulässig sein, wenn der Käufer eigentlich davon ausgeht, dass es ein fahrbares Fahrzeug ist und durch die Bezeichnung nur die Gewährleistungsansprüche umgangen werden sollen.

VI. Beweislastumkehr, § 477 BGB

1. Grundlagen

Gemäß § 434 BGB muss die Kaufsache bei Gefahrübergang frei von Sachmängeln sein.

Nach allgemeinen Grundsätzen (vgl. § 363 BGB) müsste eigentlich der Käufer beweisen, dass der Mangel schon bei Gefahrübergang vorlag, was ihm in der Praxis selten gelingt. Deshalb verlagert § 477 BGB die Beweislast auf den Unternehmer.

Voraussetzung ist gemäß § 477 I BGB, dass sich der Mangel innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang zeigt. Für den Kauf lebendiger Tiere gilt eine Frist von sechs Monaten.

Merke

Gegebenenfalls ist die Beweislastumkehr gemäß § 477 I 1 a.E. BGB ausgeschlossen, falls die Beweislastumkehr mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar ist (Beispiel: Verschleißteile, also z.B. Zündkerzen oder verderbliche Ware).

2. Grundmängel

Umstritten war bis zu einem Urteil des EuGH, ob sich die Beweislastumkehr auch auf Grundmängel erstreckt. Grundmängel sind Mängel, die einen weiteren Mangel verursachen.

Beispiel

Ein Kfz-Motor wird beschädigt, da der Zahnriemen zu locker war.

Der BGH urteilte damals noch, dass sich die Vermutung des § 477 I BGB nur auf das „Mangelsymptom“ (hier: Motorschaden) erstreckt. In der Folge konnte der Unternehmer die Vermutung schon dadurch entkräften, indem er beweist, dass das Mangelsymptom bei Gefahrübergang bisher nicht vorhanden war. Der Verbraucher geriet hierdurch in Beweisnot.

Im Anschluss an ein Urteil des EuGH („Faber“) hat der BGH dann jedoch seine Grundmangel-Rechtsprechung aufgegeben und insbesondere aufgrund richtlinienkonformer Auslegung im Lichte des Art. 11 WKRL erkannt, dass auch Grundmängel von der Vermutungswirkung des § 477 BGB erfasst werden, also dass nach § 477 BGB auch vermutet wird, dass die Sache bei Gefahrübergang generell mangelhaft war. Dies entspricht auch dem Wortlaut der Norm („zeigt sich ein Mangel“, nicht „zeigt sich dieser Mangel“).

Die Lehre kritisiert diese Entscheidung deutlich, denn eine solche Interpretation des § 477 BGB führe de facto zu einer Haltbarkeitsgarantie im Sinne des § 443 BGB und entfremdet bzw. pervertiert die eigentliche Intention der Norm.

Merke

Die Ansicht des BGH wird aber auch in der Literatur geteilt und kann als herrschende Meinung angesehen werden und wird daher regelmäßig der vorgesehenen Musterlösung entsprechen.

3. Sonderbestimmungen für den Unternehmerregress

Verkauft der Unternehmer eine Sache an einen Verbraucher weiter, so findet gemäß § 478 I BGB die Vermutungsregelung des § 477 BGB auch im Verhältnis zwischen Unternehmer und Lieferanten Anwendung - der Unternehmer kann also Regress bei seinem Lieferanten nehmen.

Hintergrund der Vorschrift ist, dass der Letztverkäufer selbst wenig für die mangelhafte Sache kann und die Ware oft noch unverändert und unverpackt weiterverkauft und deshalb im Verhältnis zu seinem Lieferanten nicht weniger schutzwürdig als der Verbraucher ist, zumal häufig eher dem Lieferanten ein Mangel anzulasten ist.

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Die Frist des § 477 I BGB beginnt dann jedoch erst mit dem Gefahrübergang (§§ 446, 447 BGB) auf den Verbraucher. § 478 II BGB setzt das Verbot des Haftungsausschlusses, welches zwischen Verbraucher und Letztverkäufer besteht, im Verhältnis zwischen Letztverkäufer und Lieferanten fort. Auch hier darf der Schutz des Verbrauchers sich nicht zulasten des auch schutzwürdigen Letztverkäufer gehen, da der Mangel regelmäßig aus dem Herstellungsprozess beim Lieferanten entspringt.

Gemäß § 478 III BGB finden die §§ 478 I, II BGB auf jeder Handelsstufe entsprechende Anwendung, soweit die Parteien des Kaufvertrags Unternehmer gemäß § 14 BGB sind.

VII. Garantien, § 479 BGB

Gemäß § 473 BGB kann jeder Verkäufer eine Garantie für die Mangelhaftigkeit einer Sache abgeben. § 479 BGB ergänzt diese Regelung, die nach § 476 I 1 BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abdingbar ist. 

1. Form der Garantieerklärung

Zunächst muss eine Garantieerklärung gemäß § 479 I 1 BGB einfach und verständlich abgefasst sein und einen Mindestinhalt gemäß § 479 I 2 BGB haben.

Ist die Garantieerklärung nicht einfach und verständlich abgefasst, so gehen Zweifel bei der Auslegung zulasten des Unternehmers. Bei Garantieerklärungen im Rahmen von AGB ist § 305c II BGB zu beachten.

2. Anspruch auf Nacherfüllung

Gemäß § 479 III BGB hat der Verbraucher bei einer Haltbarkeitsgarantie des Herstellers während des Garantiezeitraums mindestens einen Anspruch auf die Nacherfüllung. Die Erfüllung dieses Nacherfüllungsanspruchs kann der Hersteller nicht aufgrund von Unverhältnismäßigkeit gemäß § 439 IV BGB verweigern, da § 479 III BGB ausdrücklich nicht auf § 439 IV BGB verweist.

VIII. Exkurs: Verbrauchsgüterkauf digitaler Produkte

Durch die Kaufrechtsnovellierung zum 01.01.2022 wurden die §§ 475a - §§ 475e BGB neu eingefügt, um im Kontext digitaler Produkte das Zusammenspiel des Kaufrechts und die Besonderheiten digitaler Produkte klarer zu regeln. Diese unübersichtlichen Vorschriften sind dann leichter verständlich, wenn man sich bewusst macht, welche unterschiedlichen Produktarten sie regelt und von wo auf welche anderen Stellen im Gesetz verwiesen wird. 


Die §§ 475a ff. BGB sind insbesondere praxisrelevant, denn sie werden in einer zunehmend softwarebasierten und technologisierten Produktlandschaft immer wichtiger werden.

1. Definitionen

Vorab soll zur Übersichtlichkeit auf einzelne Definitionen und Abgrenzungen dieses Regelungskomplexes eingegangen werden. 


a) §§ 475a, 475b BGB

Unterschieden wird im Rahmen der §§ 475a ff. BGB zwischen Verbrauchsgüterkäufen über

  • körperliche Datenträger, die ausschließlich als Träger inhaltlicher digitaler Inhalte dienen (§ 475a I BGB),

  • Waren, die digitale Produkte enthalten oder mit digitalen Produkten verbunden sind, die ihre Funktion auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen können (§ 475a II BGB) und

  • Waren, die digitale Produkte enthalten oder mit digitalen Produkten verbunden sind, die ihre Funktion ohne diese Produkte nicht erfüllen können, sogenannte Waren mit digitalen Elementen (§§ 475b, 327a III BGB).


b) § 327 BGB

Ergänzend dazu lässt sich in § 327 I 1 BGB die Definition des Begriffes “digitale Produkte” finden:

Zitat

§ 327 I 1 BGB:

“Digitale Produkte sind digitale Inhalte sowie digitale Dienstleistungen.”

Digitale Inhalte wiederum sind in § 327 II 1 BGB definiert:

Zitat

§ 327 II 1 BGB:

“Digitale Inhalte sind Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt wurden”.

Digitale Dienstleistungen ermöglichen die Verarbeitung und Speicherung digitaler Daten, sowie den Zugang zu digitalen Daten.

2. § 475a BGB (Verweisnorm)

§ 475a BGB enthält die zentrale Neuregelung, die auf die §§ 327 ff. BGB (Verbraucherverträge über digitale Produkte) verweist und einzelne Regelungen des kaufrechtlichen Mängelrechts ausschließt.

Merke

Das heißt, dass dann, wenn ein Kaufvertrag vorliegt, du zunächst von der vollständigen Anwendbarkeit der §§ 434 ff. BGB ausgehst. Sofern es sich um einen Verbrauchsgüterkauf handelt, kannst du zusätzlich in die §§ 475 ff. BGB schauen, ob es dort spezielle Regelungen gibt. Wenn dies der Fall ist und es sich dann auch noch um einen Verbrauchsgüterkauf über ein digitales Produkt handelt, schaust du weiter in die §§ 475a ff. BGB, ob sich dort weitere Abweichungen von den §§ 434 ff. BGB befinden.

a) Verbrauchsgüterkauf über einen körperlichen Datenträger (Abs. 1)

Gemäß § 475a I 1 BGB sind die Vorschriften der § 433 I 2, §§ 434-442, § 475 III 1, §§ 475 IV-VI, §§ 475b-475e, §§ 476, 477 BGB auf Verbrauchsgüterkäufe über körperliche Datenträger nicht anwendbar, wenn diese ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen. 

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, empfiehlt es sich zunächst, in § 475a I 1 BGB „ausschließlich“ und „Träger digitaler Inhalte“ zu unterstreichen. In § 475a II 1 BGB solltest du dir „Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann“ unterstreichen. Zuletzt solltest du dir neben den § 475a BGB die §§ 327 - 327s BGB kommentieren, um dir das Auffinden der Normen für Verbraucherverträge über digitale Produkte zu erleichtern.

Stattdessen finden die Vorschriften der §§ 327-327u BGB Anwendung (§ 475a I 2 BGB). 

Das Mängelrecht für solche Kaufverträge richtet sich somit abweichend von den §§ 434 ff. BGB nach den §§ 327 ff. BGB (§ 475a I 2 BGB).

Beispiel

USB-Stick oder CD-ROM mit darauf gespeicherter Software

b) Verbrauchsgüterkauf über sonstige digitale Produkte (Abs. 2)

Gemäß § 475a II BGB sind auf einen Verbrauchsgüterkauf über Waren, die digitale Produkte enthalten oder mit digitalen Produkten verbunden sind, die ihre Funktion auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen können, die

  • §§ 433 I 1, 475 I BGB über die Übergabe der Kaufsache und die Leistungszeit nicht anzuwenden.

  • §§ 433 I 2, 434 - 442, 475 III 1, IV - VI, 475b - 475e, 476, 477 BGB über die Rechte bei Mängeln nicht anzuwenden.


Somit ist auch hier die wesentliche Aussage, dass sich bei solchen Verbrauchsgüterkäufen das Mängelrecht abweichend von den §§ 434 ff. BGB nach den §§ 327 ff. BGB richtet (§ 475a II 2 BGB). Dies gilt jedenfalls “im Hinblick auf diejenigen Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen”:

  • Mängel an der Ware selbst werden somit nach den “normalen” Regelungen des Kaufrechts (§§ 434 ff. BGB) behandelt. 

  • Für Mängel an dem digitalen Produkt sind wie dargestellt die §§ 327 ff. BGB heranzuziehen.

Beispiel

Thermomixer mit App- Anbindung, Smart TV

c)

Sofern keiner der in § 475a BGB aufgeführten Verbrauchsgüterkäufe vorliegt, sondern es sich um eine Ware mit digitalen Elementen handelt (§ 327a III 1 BGB), bleiben die §§ 434 ff. BGB anwendbar. Ergänzend werden allerdings in § 475b BGB Regelungen aufgeführt, die die Mangelvorschrift des § 434 BGB für solche Käufe konkretisiert und verdrängt.


Sofern die Ware mit digitalem Element “dauerhaft bereitgestellt” wird, ist ergänzend § 475c BGB anzuwenden.  

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 327e I 3 BGB an den § 475c BGB zitieren, um dich an die Definition des Begriffs der dauerhaften Bereitstellung zu erinnern.

Beispiel

Smartphone, Spielekonsole, Smartwatch 

3. Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB

Die Vorschriften der §§ 327 ff. gelten wie auch die Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf für Verbraucherverträge zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (§ 310 III BGB). Gegenstand des Vertrags ist die Bereitstellung digitaler Produkte, die in digitale Inhalte (§ 327 II 1 BGB) und digitale Dienstleistungen (§ 327 II 2 BGB) unterteilt werden.

Beispiel

Digitale Produkte sind etwa Computerprogramme, Musikdateien, Videodateien. Digitale Dienstleistungen sind Cloud-Speicher, soziale Netzwerke, Plattformen für Textverarbeitung oder Online-Spiele.

a) Systematik

Die §§ 327 ff. BGB sind grundsätzlich ungeachtet des zugrundeliegenden Vertragstyps anwendbar (also nicht nur für Kaufverträge). Soweit es sich um ein Produkt im Sinne der §§ 327 ff. BGB handelt und ein Verbrauchervertrag vorliegt, sind diese Normen grundsätzlich anwendbar. Dies gilt auch, wenn z. B. ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, der eigene Regelungen vorsieht.

Merke

Dies widerspricht der grundsätzlichen Systematik des Gesetzes, wonach leges speciales den allgemeineren Gesetzen vorgehen. Hier ist es so, dass das lex generalis, also das allgemeinere Gesetz, dem spezielleren Gesetz vorgeht.

Um diesen Widerspruch aufzulösen, wurden in § 475a BGB die bereits dargestellten Regelungen aufgenommen, die die kaufrechtlichen Sondernormen (§§ 434 ff. BGB) im Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB zum Teil für nichtanwendbar erklären. Weitere Nichtanwendungsnormen finden sich in den §§ 453 I, 516a, 650 II, III BGB.

Merke

Zuvor haben wir bereits dargestellt, bei welchen Arten von Verbrauchsgüterkaufverträgen § 475a BGB Ausnahmeregelungen trifft. Die wesentliche Frage, die du dir im Kontext kaufrechtlicher Klausuren stellen musst, ist, ob du die Anspruchsgrundlage, die du prüfst, in den §§ 327 ff. BGB oder den §§ 434 ff. BGB zu suchen hast. 

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b) Besondere Vertragstypen 

§ 327a BGB enthält verschiedene Regelungen zu besonderen Vertragstypen im Anwendungsbereich der §§ 327 ff. BGB, die sicherlich kein Prüfungssschwerpunkt sind, von denen man jedoch einmal gehört haben sollte:

aa) Paketverträge (§ 327a I BGB)

Bei Verträgen, die neben digitalen Produkten auch andere Leistungen umfassen, gelten die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB für den digitalen Bestandteil. Bei Nicht- oder Schlechtleistung kann der Verbraucher unter bestimmten Voraussetzungen auch den anderen Vertragsteil beenden (§ 327c VI BGB).

bb) Verträge über Sachen mit digitalen Produkten (§ 327a II BGB)

Diese Vorschriften betreffen z. B. Waren mit integrierter Software, wie Autos mit Navigationssystemen. Auch hier können Verbraucher bei Nichterfüllung des digitalen Bestandteils vom gesamten Vertrag zurücktreten (§ 327c VII BGB).

cc)

Sofern eine Sache ohne das digitale Produkt nicht funktionsfähig ist (Ware mit digitalen Elementen), gelten die Vorschriften des Kaufrechts für den gesamten Vertrag und nicht nur für einzelne Teilelemente der Ware (S. 2) - siehe oben.

Beispiel

Bei einem Ofen mit Digitaluhr sind bei einem Defekt der Digitaluhr die §§ 327 ff. BGB vorrangig anwendbar. Heizt der Ofen jedoch nicht, sind die §§ 434 ff. BGB anwendbar

c) Rechte des Verbrauchers (§ 327c BGB)

aa) Beendigung des Vertrags (Abs. 1)

Bei unterbliebener Bereitstellung kann der Verbraucher den Vertrag beenden. Voraussetzung ist eine Aufforderung zur Leistung, es sei denn, diese ist entbehrlich (z. B. bei Fixgeschäften).

bb) Schadensersatz (Abs. 2)

Neben der Vertragsbeendigung kann der Verbraucher Schadensersatz nach §§ 280 ff. BGB geltend machen.

cc) Rückabwicklung 

Kommt es zur Beendigung des Vertrags, so hat der Unternehmer dem Verbraucher die Zahlungen zu erstatten, die zur Erfüllung des Vertrags geleistet wurden und für die er keine Leistung erhalten hat (§ 327o II BGB). Digitale Produkte dürfen nicht weiter genutzt werden (§ 327n I BGB). Bei physischen Datenträgern ist eine Rückgabe auf Verlangen des Unternehmers erforderlich.

d) Mängelrecht

§ 327i BGB enthält außerdem einen Verweis auf spezielles Mängelrecht, das in seiner Struktur dem Mängelrecht der besonderen Schuldverhältnisse und insbesondere dem § 437 BGB nachempfunden ist.

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