I. Einleitung
In diesem Artikel gehen wir auf die Besonderheiten des kaufrechtlichen Schadensersatzanspruchs gemäß § 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB ein, der eine der wesentlichen Rechtsfolgen des Mängelrechts der §§ 434 ff. BGB ist.
Ist die Kaufsache mangelhaft, so verweist § 437 Nr. 2 BGB als „Brückennorm“ ins allgemeine Schuldrecht, sodass § 437 Nr. 2 BGB dogmatisch nicht als Anspruchsgrundlage, sondern als Rechtsgrundverweisung zu verstehen ist. Wichtig zum Verständnis ist daher die Kenntnis des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, insbesondere der Schadensersatzansprüche aus §§ 280 ff. BGB.
II. Pflichtverletzung (Anknüpfungspunkt im Rahmen des Schadensersatzes statt der Leistung)
Für die Ansprüche auf Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§ 437, 280 I, III, 281/283 BGB sind zwei Anknüpfungspunkte denkbar:
Verletzung der Verkäuferpflicht auf mangelfreie Leistung aus dem Kaufvertrag (§ 433 I 1 BGB) oder
Verletzung der Verkäuferpflicht zur Nacherfüllung gemäß § 439 I BGB

Beide Pflichtverletzungen können Schadensersatzansprüche begründen, jedoch muss hinsichtlich des Vertretenmüssens und für die Kausalität strikt zwischen den beiden Anknüpfungspunkten für die Pflichtverletzung unterschieden werden.
1. Unbehebbare Mängel vor Gefahrübergang
Tritt ein nicht behebbarer Mangel („qualitative Unmöglichkeit“) schon vor Gefahrübergang ein, so ist die Pflichtverletzung die Verletzung der ursprünglichen Pflicht zur mangelfreien Leistung aus Kaufvertrag gemäß § 433 I 2 BGB. Diese Fälle haben alle gemein, dass ein Nacherfüllungsanspruch wegen der Unbehebbarkeit gar nicht in Frage kommen kann, sodass der Verkäufer seine Pflicht hierzu auch nicht verletzen kann. Der Verkäufer verletzt in allen diesen Fällen seine Pflicht zur mangelhaften Lieferung aus Kaufvertrag gemäß § 433 I 2 BGB.
a) Bei Vertragsschluss
Ist die Kaufsache schon bei Vertragsschluss mangelhaft und nicht behebbar, so ist §§ 437 Nr. 3, 311a II BGB die richtige Anspruchsgrundlage.
b) Nach Vertragsschluss
Liegt der Mangel erst nach Vertragsschluss vor, jedoch vor Gefahrübergang vor, so ist §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB die richtige Anspruchsgrundlage.
2. Unbehebbare Mängel nach Gefahrübergang
Wenn der Mangel während des Gefahrübergangs behebbar war, jedoch nach Gefahrübergang unbehebbar wird, ist die Pflichtverletzung die Verursachung der Unmöglichkeit der Nacherfüllung (§ 439 I BGB). Grund hierfür ist, dass § 283 I BGB (anders als § 281 BGB bei behebbaren Mängeln) bei Unmöglichkeit einer Nacherfüllung nach Gefahrübergang nicht auf die ursprüngliche Schlechtleistung abstellt.
3. Behebbare Mängel
Bei behebbaren Mängeln („qualitative Verspätung“) kann beim Schadensersatzanspruch statt der Leistung als Pflichtverletzung sowohl
die Pflicht zur mangelfreien Leistung (§ 433 I 2 BGB)
als auch die Pflicht zur Nacherfüllung (§ 439 I BGB)
als Anknüpfungspunkt infrage kommen.
Der Käufer kann also Schadensersatz verlangen, falls der Verkäufer alternativ die Verletzung der Nacherfüllungspflicht (§ 439 I BGB) oder der ursprünglichen Pflicht (§ 433 I 2 BGB) zu vertreten hat. Weiterhin müssen (selbstverständlich) auch die weiteren Voraussetzungen des § 281 BGB erfüllt sein, insbesondere der Ablauf einer angemessenen Frist bzw. die Entbehrlichkeit einer solchen Pflicht.
Problem
Anknüpfungspunkt für die Pflichtverletzung im Rahmen des kaufrechtlichen Schadensersatzes
Von der herrschenden Meinung, wonach Anknüpfungspunkt bei behebbaren Mängeln die Verletzung der Pflicht zur mangelfreien Leistung oder der Nacherfüllungspflicht ist, gibt es eine Mindermeinung der Literatur. Dieser zufolge soll ausschließlich die Pflicht zur Nacherfüllung tauglicher Anknüpfungspunkt sein. Dafür spreche, dass der ursprüngliche Anspruch aus § 433 I 2 BGB vom Nacherfüllungsanspruch (§ 439 I BGB) ersetzt wird und daher nicht mehr fällig (§ 281 BGB) sei. Weiterhin soll es wertungswidersprüchlich sein, wenn behebbare und unbehebbare Mängel unterschiedlich behandelt werde, obwohl §§ 311a II, 283 nicht darauf abstellen.
Ausnahmsweise ist nur dann die Verletzung der Pflicht aus § 433 I 2 BGB der richtige Anknüpfungspunkt, wenn die Fristsetzung nach § 281 II BGB, § 440 BGB oder § 475d BGB entbehrlich ist.
Diese Mindermeinung ist jedoch abzulehnen, denn es ist widersprüchlich, die Verletzung von § 433 I 2 BGB abzulehnen, da eine Ablösung dieser Pflicht stattfindet, jedoch bei einer Entbehrlichkeit der Fristsetzung eine Ausnahme zuzulassen. Dass die Fristsetzung entbehrlich ist, wirkt sich nicht auf die Ablösung des ursprünglichen Lieferanspruchs aus. Sinn und Zweck der § 281 II BGB, § 440 BGB und § 475d BGB ist nur dem Käufer zu ermöglichen, die Schadensersatzansprüche vorzeitig geltend zu machen. Das Recht auf die Nacherfüllung, ungeachtet eines sofortigen Schadensersatzanspruchs, zu bestehen, soll dem Käufer jedoch nicht genommen werden. Auch bei einer entbehrlichen Fristsetzung müsste die Gegenauffassung daher konsequent die Fälligkeit des Lieferungsanspruchs (§ 433 I 2) BGB verneinen und daher den Schadensersatzanspruch ablehnen.
Weiterhin setzt § 281 I 1 BGB nicht mal einen fälligen Anspruch zum Zeitpunkt des Ersatzverlangens, sondern dem Wortlaut zufolge nur, dass der Verkäufer die fällige Leistungspflicht des § 433 I BGB nicht wie geschuldet erbringt.
Klausurhinweis: Dieser Meinungsstreit ist kaum noch relevant und soll eher der Verständlichkeit dienen. Wird der Verkäufer mit Frist zur Nacherfüllung aufgefordert, so liegt darin ohnehin eine Mahnung gemäß § 286 I 1 BGB. Sofern das (vermutete) Vertretenmüssen nicht durch einen Entlastungsbeweis widerlegt werden kann (§ 286 IV BGB), gerät er in Schuldnerverzug. Dann haftet der Verkäufer auch für Zufall gemäß § 287 S. 2 BGB. Auch wenn die Nacherfüllung ohne sein Verschulden unterbleibt, so haftet der Verkäufer für das Ausbleiben der Nacherfüllungsleistung.
III. Vertretenmüssen, § 280 I 2 BGB
Für das Vertretenmüssen gelten nicht viele Besonderheiten, sodass maßgeblich auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurückgegriffen werden kann.
Unseren Artikel zum Vertretenmüssen bzw. den Grundsätzen des § 280 I 2 BGB findest du hier.
Merke
Das Vertretenmüssen ist stets anhand der maßgeblichen Pflichtverletzung - also im Rahmen der Erfüllung oder Nacherfüllung - zu verknüpfen. Bei Unmöglichkeit der Leistungserbringung des Verkäufers aus § 433 I 2 BGB gilt: Für das Vertretenmüssen wird bei § 311a II 2 BGB die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis des Mangels und dessen Unbehebbarkeit abzustellen sein, bei § 283 BGB hingegen auf das Leistungshindernis selbst, also danach, ob der Verkäufer die Unbehebbarkeit des Mangels selbst zu verantworten hat.
Hat der Verkäufer eine Garantie übernommen, also eine bestimmte Eigenschaft zugesichert, so ist das Verschulden grundsätzlich nicht erforderlich.
Unseren Artikel zur Garantie findest du hier.
IV. Frist
Gemäß § 281 I BGB ist grundsätzlich bei Geltendmachung von Schadensersatz statt der Leistung dem Schuldner eine Frist zu setzen. Im Kaufrecht ist insoweit die Vorschrift des § 440 BGB zu beachten, der regelt, dass in gewissen Fällen für den kaufrechtlichen Schadensersatz keine Frist zu setzen ist (mehr dazu hier).
V. „Kleiner“ und „großer“ Schadensersatz
Grundsätzlich kann der Käufer wählen, ob er den „großen“ oder „kleinen“ Schadensersatz geltend macht. Ist der Mangel jedoch so geringfügig, so ist die Pflichtverletzung unerheblich, sodass der Käufer nur den „kleinen“ Schadensersatz geltend machen kann. Das Gleiche gilt, wenn der Käufer sich durch Erklärung der Minderung für ein Festhalten am Vertrag entschieden hat.
VI. Verzögerungsschäden
§ 437 Nr. 3 BGB verweist auch auf den gesamten § 280 BGB und somit auch auf Abs. 2, sodass bei Geltendmachung des Verzögerungsschadens zusätzlich ein Verzug des Verkäufers gemäß § 286 BGB vorausgesetzt wird.
Beispiel
Ein Verzug wird bereits dann anzunehmen sein, wenn der Käufer zur Nacherfüllung auffordert, insbesondere verbunden mit einer Fristsetzung, da dies regelmäßig auch als Mahnung auszulegen sein wird.
Ein Verzögerungsschaden wird dann abzulehnen sein, wenn der Verkäufer eine mangelhafte Maschine liefert und somit seine Pflicht gemäß § 433 I 2 BGB verletzt, sodass sich die Inbetriebnahme verzögert. Stattdessen liegt also ein Schaden statt der Leistung vor, sodass für diesen Betriebsausfallschaden nicht § 280 II BGB, sondern § 280 I BGB die Anspruchsgrundlage ist. Ob der Verkäufer in Verzug ist, ist daher überhaupt nicht zu prüfen.
VII. Schadensersatz neben der Leistung
Schäden, die durch einen Mangel der Kaufsache an anderen Rechtsgütern des Käufers eintreten, also das Integritätsinteresse verletzen, sind als Schadensersatz neben der Leistung einzuordnen.
Merke
Um einen Schadensersatz statt der Leistung handelt es sich deshalb nicht, weil auch eine erfolgreiche Nacherfüllung an der Kaufsache der Verletzung des anderen Rechtsguts nicht mehr abhilft.
Eine Frist, welche den Vorrang der Nacherfüllung sichert (§ 281 I 1 BGB) ist dann im übrigen sinnlos und wird daher nicht vorausgesetzt.