Die rechtsgeschäftliche Selbstbestimmung unterliegt Grenzen. Es handelt sich hierbei um Beschränkungen der Gestaltungsfreiheit als Bestandteil der Privatautonomie. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn ein Rechtsgeschäft gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
I. Gesetzliches Verbot
Rechtsgeschäfte können rechtswidrig sein. Nach § 134 BGB ist dies bei einem Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot der Fall. Gesetzliche Verbote existieren sowohl im Privatrecht, im öffentlichen Recht als auch im Strafrecht.
Merke
§ 134 BG greift als „Blankettgesetz“ nur ein, wenn das entsprechende Verbotsgesetz nicht schon selbst die Nichtigkeit anordnet.
II. Rechtsgeschäft
Mit Rechtsgeschäft im Sinne des § 134 BGB sind nicht nur Verpflichtungsgeschäfte, sondern auch Verfügungsgeschäfte gemeint. Ob nur das Verpflichtungs- oder auch das Verfügungsgeschäft von der Verbotsnorm erfasst wird, ist durch Auslegung der Verbotsnorm zu ermitteln.
Merke
Wegen des Abstraktionsprinzips schlägt die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht auf Verfügungsgeschäfte durch; sie müssen vielmehr selbst gestezeswidrig sein. Man spricht dann von Fehleridentität oder einem Doppelmangel. Siehe zur Fehleridentität mehr hier.
III. Rechtsfolgen von Verstößen
1. Regel
Ein gesetzwidriges Rechtsgeschäft ist nach § 134 BGB nichtig. Es ist ex tunc, also von Anfang an, unwirksam.
Die Nichtigkeit stellt eine rechtshindernde Einwendung dar.
a) Schuldrechtliche Geschäfte
Ein gesetzwidriges schuldrechtliches Rechtsgeschäft löst keine Pflichten aus. Ein wichtiges Beispiel für diese Konstellation ist der sogenannte Schwarzarbeiterfall.
Merke
Schwarzarbeiterfall - Schwarzarbeit bei beiderseitigem Verstoß
Beispielfall
A ist Eigentümer mehrerer Häuser. Er beauftragt Elektriker E mit der Ausführung von Elektroinstallationsarbeiten.
A und E vereinbaren, dass E im Gegenzug 8. 000 € in bar erhält, ohne dass eine Rechnung ausgestellt werden soll. Auf diese Weise soll die Umsatzsteuer gespart werden.
Nachdem E die Elektroinstallationsarbeiten ausgeführt hat, stellt A Mängel fest und möchte nicht zahlen.
Hat E gegen A einen Anspruch auf Zahlung der 8. 000 €?
1. Anspruch aus Werkvertrag, § 631 I BGB
E könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung von 8. 000 € aus Werkvertrag gemäß § 631 I BGB haben.
Hierzu müsste ein wirksamer Werkvertrag zwischen A und E bestehen.
Aus der Beauftragung des E mit der Durchführung von Elektroinstallationsarbeiten folgt, dass entsprechend § 631 II BGB ein Erfolg geschuldet ist. Damit ist die Vereinbarung als Werkvertrag einzuordnen.
Dieser Werkvertrag könnte jedoch angesichts der „Ohne Rechnung“ - Abrede nach § 134 BGB nichtig sein. Dies setzt voraus, dass der Werkvertrag gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
Es kommt ein Verstoß gegen § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG in Betracht. § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG normiert, dass derjenige Schwarzarbeit leistet, wer Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt und dabei als Steuerpflichtiger seine sich auf Grund der Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt.
Hierbei handelt es sich um ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB.
Der Werkvertrag ist damit nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG nichtig.
E hat damit keinen Anspruch auf Zahlung von 8. 000 € gegen A aus Werkvertrag gemäß § 631 I BGB.
2. Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB
E könnte gegen A einen Anspruch auf Aufwendungsersatz aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB haben. Dies setzt voraus, dass eine berechtigte Geschäftsführung ohne Auftrag vorliegt. E müsste hierzu ein Geschäft des A ohne Berechtigung mit Fremdgeschäftsführungswillen ausgeführt haben.
E führte Elektroinstallationsarbeiten in den Häusern des A aus. Da die Häuser im Eigentum des A stehen, fällt die Durchführung der Arbeiten in dessen Interessenkreis. Gleichzeitig war E zu deren Durchführung vermeintlich vertraglich verpflichtet.
Es handelt sich damit um ein auch - fremdes Geschäft.
E müsste mit Fremdgeschäftsführungswillen gehandelt haben. Da für E die Erfüllung seiner vermeintlichen vertraglichen Verpflichtung im Vordergrund stand, ist ein solcher zweifelhaft.
Die Annahme eines Fremdgeschäftsführungswillens würde dazu führen, dass über die §§ 677 ff. BGB die speziell auf die Rückabwicklung nichtiger Verträge anwendbaren Vorschriften des Bereicherungsrechts gemäß §§ 812 ff. BGB unterlaufen würden.
Damit ist ein Anspruch des E gegen A aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB mangels Fremdgeschäftsführungswillens zu verneinen.
3. Anspruch aus § 817 S. 1 BGB
E könnte gegen A einen Anspruch auf Zahlung von 8. 000 € aus § 817 S. 1 BGB haben.
Ein solcher erfordert, dass A etwas durch Leistung des E erlangt hat und deren Annahme durch A gegen ein gesetzliches Verbot verstößt.
A hat angesichts der von E geleisteten Elektroinstallationsarbeiten eine Werkleistung im Wert von 8. 000 € erlangt. Dies ist jedoch unter Verstoß gegen das gesetzliche Verbot des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG geschehen. Damit sind die Voraussetzungen des § 817 S. 1 BGB erfüllt.
Der Anspruch des E könnte jedoch nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Nach § 817 S. 2 BGB ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn der Leistende ebenfalls gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat.
Die Ausführung der Elektroinstallationsarbeiten als solche ist neutral.
E hatte jedoch bereits bei Abschluss des Werkvertrags die Absicht seine steuerlichen Pflichten nicht zu erfüllen.
Durch das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz soll nicht allein die Steuerhinterziehung bekämpft und damit öffentlichen Interessen gedient werden. Vielmehr sollen auch Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden. Das Verbot dient auf diese Weise auch dem Schutz gesetzestreuer Werkunternehmer.
Angesichts des telos des § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG verstößt auch die Ausführung der Elektroinstallationsarbeiten gegen das gesetzliche Verbot.
4. Ergebnis
Der Anspruch des E gegen A aus § 817 S. 1 BGB ist damit ausgeschlossen.
b) Verfügungsgeschäfte
Ein gesetzwidriges Verfügungsgeschäft führt zu keiner Rechtswirkung.
Merke
Übereignung von Betäubungsmitteln
2. Ausnahmen
Nach § 134 BGB ist das Rechtsgeschäft nichtig, „wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“.
Verstöße gegen reine Ordnungsvorschriften, die nur die Begleitumstände eines Rechtsgeschäfts verbieten, führen nie zu Nichtigkeit.
Beispiel
Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz
Kreditgewährung ohne Erlaubnis nach § 32 I KWG
Auch Verstöße, die sich nur gegen eine Partei richten, führen in der Regel nicht zur Nichtigkeit.
IV. Rückabwicklung
Bei der Rückabwicklung gesetzwidriger Geschäfte ist danach zu differenzieren, ob die Nichtigkeit das Verpflichtungs- oder auch das Verfügungsgeschäft betrifft.
1. Gesetzwidrigkeit des Verpflichtungsgeschäfts
Ist nur das Verpflichtungsgeschäft gesetzwidrig, erfolgt die Rückabwicklung nach § 812 I 1 Var. 1 BGB. Im Rahmen der Leistungskondiktion ist unbedingt an den Ausschlussgrund nach § 817 S. 2 BGB zu denken. Hiernach ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zur Last fällt - das heißt: wenn er gegen § 134 BGB verstoßen hat.
2. Gesetzwidrigkeit des Verpflichtungs- und des Verfügungsgeschäfts
Bei einem zusätzlich nichtigem Verfügungsgeschäft wird nach § 985 BGB, § 894 BGB rückabgewickelt.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir die § 812 I 1 Var. 1 BGB, § 985 BGB, § 894 BGB neben den § 134 BGB, um die Anspruchsgrundlagen für die Rückabwicklung auf einen Blick zu haben.Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 817 S. 2 BGB neben den § 134 BGB kommentieren, um an diesen Ausschlussgrund zu denken.
V. Umgehungsgeschäfte
Auch Umgehungsgeschäfte können von § 134 BGB erfasst sein.
Definition
Umgehungsgeschäfte sind Rechtsgeschäfte mit dem Ziel, ungewollte Rechtsfolgen durch Wahl einer alternativen Rechtskonstruktion zu umgehen/ vermeiden.
Das Verbot von Umgehungsgeschäften ist ausdrücklich in § 306a BGB (in Bezug auf Allgemeine Geschäftsbedingungen) und § 512 S. 2 BGB (in Bezug auf Darlehensverträge) geregelt.
Im Übrigen sind Umgehungsgeschäfte nur verboten, wenn das umgangene Verbotsgesetz einen bestimmten Erfolg verhindern will und nicht nur ein bestimmtes Vorgehen.
Beispiel
Ein Kfz - Händler möchte ein von einem Privaten in Zahlung gegebenes Kfz weiterveräußert, aber die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf „vermeiden“. Da §§ 474 - 476 BGB nur für Verkäufe von Unternehmern gelten, tritt er im Namen des Eigentümers auf.
Kettenarbeitsverträge, die den Kündigungsschutz des Arbeitnehmers (nach dem KSchG) umgehen sollen -> Rechtsfolge: Unbefristeter Arbeitsvertrag