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Gesetzliche Erbfolge

Pflichtteil, §§ 2303 ff. BGB

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Erbrecht

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Gesetzliche Erbfolge

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Pflichtteil
Pflichtteilsanspruch
Pflichtteilsberechtigte
Enterbung
Ausschluss von der Erbfolge
Zusatzpflichtteil
Erbteil
Nachlasswert
Stundung
Zugewinnausgleich
§ 2303 BGB
§ 2305 BGB
§ 2306 BGB
§ 2307 BGB
§ 2310 BGB
§ 2311 BGB
§ 2313 BGB
§ 2315 BGB
§ 2316 BGB
§ 2317 BGB
§ 2318 BGB
§ 2319 BGB
§ 2320 BGB
§ 2050 BGB
§ 2058 BGB
§ 426 BGB
§ 1371 BGB
§ 1931 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Voraussetzungen des Pflichtteilsanspruchs

    • 1. Pflichtteilsberechtigter, § 2303 I BGB

      • a) Berechtigte Personengruppen

      • b) Gesetzliche Erbenstellung 

    • 2. Ausschluss von der Erbfolge, § 2303 I 1 BGB

      • a) Ausschluss durch Verfügung von Todes wegen

      • b) Ausschluss durch Vermächtnis

    • 3. Erbfall, § 2317 BGB

    • 4. Anspruchsgegner

      • a) Grundsatz

      • b) Mehrere Erben

        • aa) Außenverhältnis: Haftung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten

        • bb) Sonderfall: Miterbe ist selbst pflichtteilsberechtigt

        • cc) Innenverhältnis: Pflichtteilslast nach § 2320 BGB

      • c) Zahlungsmodalitäten

  • III. Höhe des Pflichtteils

    • 1. Fiktiver gesetzlicher Erbteil, §§ 2303 I 2, 2310 BGB

    • 2. Wert des Nachlasses, § 2311 BGB

    • 3. Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil, § 2315 BGB

    • 4. Ausgleichung bei mehreren Abkömmlingen, § 2316 BGB

    • 5. Zusammenfassung der Berechnung

    • 6. Pflichtteilsrestanspruch, § 2305 BGB

    • 7. Beschränkungen und Beschwerungen

  • IV. Eherechtliche Besonderheiten beim Pflichtteilsanspruch

I. Einleitung

Der Grundsatz der Testierfreiheit im Erbrecht findet eine bedeutende Grenze im Pflichtteilsrecht. Die §§ 2303 ff. BGB sichern bestimmten nahen Angehörigen, insbesondere Abkömmlingen, dem Ehegatten und den Eltern des Erblassers, einen gesetzlich garantierten Mindestanteil am Nachlass (Pflichtteil), selbst wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurden.


Das Pflichtteilsrecht dient dem familiären Interessenschutz und soll verhindern, dass nahe Angehörige vollständig enterbt werden. Es garantiert zwar keinen Erbteil im klassischen Sinne, verschafft den Pflichtteilsberechtigten aber einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Voraussetzungen des Pflichtteilsanspruchs, der Berechnung der Höhe des Pflichtteils und den Besonderheiten die diesbezüglich im Rahmen der Zugewinngemeinschaft bestehen

II. Voraussetzungen des Pflichtteilsanspruchs

Zunächst soll es um die Voraussetzungen für den Anspruch auf den Pflichtteil gehen.

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1. Pflichtteilsberechtigter, § 2303 I BGB

Als Erstes muss eine Pflichtteilsberechtigung des Anspruchstellers vorliegen.

a) Berechtigte Personengruppen

Dafür muss der Anspruchsteller einer der grundsätzlich pflichtteilsberechtigten Personengruppen angehören. Diese finden sich in § 2303 BGB. Nach § 2303 I BGB sind dies zunächst die Abkömmlinge des Erblassers. Zudem steht das gleiche Recht den Eltern (§ 2303 II 1 Alt. 1 BGB) und dem Ehegatten (§ 2303 II 1 Alt. 2 BGB) des Erblassers zu.

b) Gesetzliche Erbenstellung 

Als Nächstes muss eine gesetzliche Erbenstellung vorliegen. Hier ist also die gewohnte Prüfung der gesetzlichen Erbfolge vorzunehmen.

2. Ausschluss von der Erbfolge, § 2303 I 1 BGB

a) Ausschluss durch Verfügung von Todes wegen

Die zentrale Voraussetzung ist darauf aufbauend, dass die eigentlich gesetzlich erbberechtigte Person durch Verfügung von Todes wegen, also gewillkürte Erbfolge, von der Erbfolge ausgeschlossen wird. An dieser Stelle ist daher zu prüfen, ob ein wirksames Testament oder ein wirksamer Erbvertrag besteht, welcher den Anspruchsteller von seiner eigentlichen gesetzlichen Erbenstellung ausschließt, beziehungsweise diese Position entzieht.

b) Ausschluss durch Vermächtnis

Zu beachten sind hierbei auch zwei weitere Regelungen.

§ 2307 BGB regelt den Fall des Vermächtnisses statt Erbeinsetzung, also wenn ein Pflichtteilsberechtigter nicht als Erbe eingesetzt wird, sondern stattdessen nur ein Vermächtnis erhält. 

In dieser Situation hat der Pflichtteilsberechtigte eine Wahlmöglichkeit: 

  • Wenn er das Vermächtnis ausschlägt, kann er seinen vollen Pflichtteil in Geld verlangen (§ 2307 I 1 BGB). 

  • Wenn er das Vermächtnis annimmt, kann er nur dann zusätzlich den Pflichtteil verlangen, wenn der Wert des Vermächtnisses unter dem Pflichtteil liegt und dann auch nur in Höhe der Differenz (§ 2307 I 2 BGB).

Nach § 2307 II 1 BGB kann der Erbe den Pflichtteilsberechtigten auffordern, innerhalb einer angemessenen Frist zu erklären, ob er das Vermächtnis annimmt. Reagiert der Berechtigte nicht rechtzeitig, gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen, mit der Folge, dass er den Pflichtteil fordern kann, § 2307 II 2 BGB.

Beispiel

Ein Sohn, der eigentlich die Hälfte des Nachlasses als Pflichtteil bekommen müsste, erhält im Testament nur ein Auto als Vermächtnis. Ist das Auto weniger wert als sein Pflichtteil, kann er das Auto ausschlagen und stattdessen den Pflichtteil in Geld verlangen. Nimmt er das Auto an, kann er nur die Differenz verlangen.

3. Erbfall, § 2317 BGB

Das den Pflichtteilsanspruch auslösende Ereignis ist nach § 2317 I BGB der Erbfall.

Zudem statuiert § 2317 II BGB, dass der Anspruch vererblich und übertragbar ist.

4. Anspruchsgegner

a) Grundsatz

Der Pflichtteilsanspruch stellt eine Nachlassverbindlichkeit dar, die der Erbe nach § 2303 I 1 BGB zu erfüllen hat. Gleichzeitig kann er Vermächtnisse und Auflagen, die ihm auferlegt sind, nach § 2318 I BGB so kürzen, dass die daraus resultierende Last anteilig zwischen ihm und dem Begünstigten verteilt wird. 

Übt der Vermächtnisnehmer selbst einen Pflichtteilsanspruch aus, greift die Kürzung nach § 2318 II BGB nur insoweit, als sein eigener Mindestpflichtteil gewahrt bleibt. Ist der Erbe zugleich Pflichtteilsberechtigter, erlaubt § 2318 III BGB die Vermächtnis- und Auflagenlast so zu mindern, dass sein verbleibendes Erbteil dem geschuldeten Pflichtteil entspricht.

Merke

§ 2318 BGB ist eine materiell-rechtliche Einwendung, die den Umfang der Leistungspflicht aus Vermächtnis oder Auflage beschränkt.

b) Mehrere Erben

aa) Außenverhältnis: Haftung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten

Sind mehrere Personen Erben, haften sie gemäß § 2058 BGB gesamtschuldnerisch für die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs. Der Pflichtteilsberechtigte kann sich daher nach seiner Wahl an jeden Miterben in voller Höhe wenden. Im Verhältnis der Erben untereinander richtet sich die Verteilung der Pflichtteilslast nach dem Umfang ihrer Erbquoten (§ 426 BGB analog).

bb) Sonderfall: Miterbe ist selbst pflichtteilsberechtigt

Besonderheiten gelten, wenn ein Miterbe zugleich selbst pflichtteilsberechtigt ist. In diesem Fall darf er gemäß § 2319 S. 1 BGB die Auszahlung an andere Pflichtteilsberechtigte insoweit verweigern, als dass sein eigener Pflichtteil dadurch beeinträchtigt würde. Die verbleibende Pflichtteilslast muss von den übrigen Miterben anteilig getragen werden (§ 2319 S. 2 BGB).

cc) Innenverhältnis: Pflichtteilslast nach § 2320 BGB

Im Innenverhältnis unter den Erben regelt § 2320 BGB, dass jeder gesetzliche Miterbe die Pflichtteilslast allein in Höhe des Vorteils trägt, der ihm daraus erwächst, dass er anstelle des Pflichtteilsberechtigten zur Erbfolge gelangt ist oder diesen durch letztwillige Verfügung vom Erbe ausgeschlossen hat. Maßgeblich ist also der konkrete Mehrwert, den der einzelne Erbe durch die Enterbung des Pflichtteilsberechtigten erhält.

c) Zahlungsmodalitäten

Die Pflichtteilslast entsteht in voller Höhe bereits mit dem Erbfall, unabhängig davon, ob der Erbe sofort zur Leistung in der Lage ist. Führt die sofortige Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs aber zu einer unbilligen Härte, kann der Erbe gemäß § 2331a I BGB die Stundung der Zahlung verlangen.

III. Höhe des Pflichtteils

1. Fiktiver gesetzlicher Erbteil, §§ 2303 I 2, 2310 BGB

Zur Ermittlung der Höhe des Pflichtteilsanspruchs ist zunächst festzustellen, welcher gesetzliche Erbteil dem Pflichtteilsberechtigten zustehen würde, wenn er als Erbe berufen wäre. Nach § 2303 I 2 BGB beträgt der Pflichtteilsanspruch die Hälfte dieses fiktiven gesetzlichen Erbteils. Bei der Ermittlung des fiktiven Erbteils bleiben Personen unberücksichtigt, die durch Erbverzicht ausgeschlossen sind (§ 2310 S. 2 BGB). Personen, die die Erbschaft ausgeschlagen haben, testamentarisch ausgeschlossen wurden oder für erbunwürdig erklärt werden, werden dagegen gemäß § 2310 S. 1 BGB bei der Berechnung berücksichtigt. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein ausgeschlagener Erbe dennoch mit seinem Anteil den Pflichtteil eines anderen Berechtigten beeinflusst.

2. Wert des Nachlasses, § 2311 BGB

Parallel hierzu ist der Wert des Nachlasses nach dem Stichtagsprinzip (§ 2311 I 1 BGB) zu bestimmen. Alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten des Nachlasses sind mit ihrem Verkehrswert zum Zeitpunkt des Erbfalls zu erfassen, wobei sich Verbindlichkeiten mindernd auswirken. 

Bedingte Rechte und Verbindlichkeiten bleiben bei aufschiebender Bedingung unberücksichtigt (§ 2313 I 1 BGB), bei auflösender Bedingung allerdings anzusetzen (§ 2313 I 2 BGB). Ungewisse und zweifelhafte Ansprüche oder Belastungen sind wie aufschiebend behandelt (§ 2313 II 1 BGB). 

3. Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil, § 2315 BGB

Hat der Pflichtteilsberechtigte vom Erblasser zu Lebzeiten eine Zuwendung unter der Bestimmung erhalten, dass sie auf den Pflichtteil angerechnet werden soll, so ist diese Zuwendung gemäß § 2315 I BGB auf den Pflichtteil anzurechnen. Eine solche Bestimmung kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen und muss dem Pflichtteilsberechtigten im Zeitpunkt der Zuwendung bekannt gewesen sein.
Der Begriff der Zuwendung erfasst jede freiwillige Vermögensminderung des Erblassers zugunsten des Empfängers, etwa im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge.
Für die Anrechnung wird die Zuwendung fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet, um den Pflichtteil auf dieser erweiterten Grundlage zu berechnen. Der Pflichtteilsberechtigte erhält sodann nur die Differenz zwischen dem so berechneten Pflichtteil und der bereits erhaltenen Zuwendung (§ 2315 II BGB).
Die Anrechnung wirkt ausschließlich gegenüber dem betroffenen Pflichtteilsberechtigten; die Ansprüche anderer Berechtigter bleiben unberührt.
Stirbt der Zuwendungsempfänger vor dem Erblasser, kann sich die Anrechnung unter bestimmten Voraussetzungen auf dessen Abkömmlinge erstrecken. Dies ergibt sich nicht aus § 2315 selbst, sondern im Wege der Auslegung gemäß § 2317 II BGB.

4. Ausgleichung bei mehreren Abkömmlingen, § 2316 BGB

Unabhängig von der Anrechnung regelt § 2316 BGB die fiktive Ausgleichung unter Abkömmlingen: Es wird so gerechnet, als ob der Nachlass unter Einbeziehung der Ausgleichspflichten (etwa für Ausstattung oder Unterhaltsleistungen) gemäß den §§ 2050 ff. BGB aufgeteilt würde. Der Pflichtteil wird sodann als Hälfte dieses bereinigten Erbteils berechnet. Die Ausgleichung hat keine Auswirkungen auf die Höhe des Nachlasses, sondern führt lediglich zu einer gerechteren Verteilung unter den Pflichtteilsberechtigten, begünstigt werden solche, die weniger Vorempfänge erhalten haben.

Beispiel

Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder: A und B. A hat von E zu Lebzeiten eine Ausstattung in Höhe von 40.000 € erhalten (§ 2050 I BGB). B hat keine Zuwendung erhalten. Der Nachlasswert beim Erbfall beträgt 120.000 €. E hat B testamentarisch enterbt.

Schritt 1: Berechnung des fiktiven Erbteils unter Einbeziehung der Ausgleichung

Nach § 2316 BGB ist bei der Pflichtteilsberechnung so zu tun, als ob die Ausgleichspflichten gemäß §§ 2050 ff. BGB unter gesetzlichen Erben berücksichtigt würden.

  • Tatsächlicher Nachlass: 120.000 €

  • Fiktiv hinzugerechnete Ausstattung: 40.000 €

  • Ausgleichsfähiger Gesamtnachlass: 160.000 €

Da A und B zwei gesetzliche Erben sind, würde bei gleichmäßiger Verteilung (ohne Berücksichtigung der Vorempfänge) jeder 80.000 € erhalten. Weil A bereits 40.000 € erhalten hat, bekäme er bei tatsächlicher Auseinandersetzung nur noch 40.000 €, während B die vollen 80.000 € erhielte.

Schritt 2: Berechnung des Pflichtteils

B ist enterbt und macht seinen Pflichtteilsanspruch geltend. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte seines fiktiven gesetzlichen Erbteils, also:

  • Gesetzlicher Erbteil (unter Berücksichtigung der Ausgleichung): 80.000 €

  • Pflichtteil: 1/2 von 80.000 € = 40.000 €

B kann also 40.000 € Pflichtteil verlangen, obwohl der tatsächliche Nachlass nur 120.000 € beträgt.

Ergebnis: Die Ausgleichung wirkt sich nicht auf die Nachlasshöhe, sondern nur auf die interne Berechnungsgrundlage für den Pflichtteil aus. Ohne die Ausgleichung hätte B nur einen Pflichtteil von 60.000 € ÷ 2 = 30.000 € erhalten. Durch § 2316 BGB wird er besser gestellt, da A schon zu Lebzeiten bevorzugt wurde.

5. Zusammenfassung der Berechnung

Zusammenfassend errechnet sich der Pflichtteilsanspruch also in vier Schritten: 

  1. Zunächst wird der fiktive gesetzliche Erbteil nach §§ 2303, 2310 BGB bestimmt,

  2. dann der Nachlasswert nach § 2311 BGB unter Berücksichtigung bedingter und ungewisser Positionen (§ 2313 BGB) ermittelt. 

  3. Anschließend erfolgt die Anrechnung etwaiger Vorempfänge (§ 2315 BGB) durch Zugabe zum Nachlass, Neuberechnung und Abzug des Vorempfangs. 

  4. Schließlich kann bei mehreren Abkömmlingen eine Ausgleichung nach § 2316 BGB zu einer gerechten Verteilung des Pflichtteils führen. 

6. Pflichtteilsrestanspruch, § 2305 BGB

Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht vollständig enterbt, sondern vom Erblasser testamentarisch als Erbe eingesetzt, steht ihm grundsätzlich kein Pflichtteilsanspruch nach § 2303 BGB zu. Wird ihm jedoch weniger zugewendet als sein Pflichtteil wert wäre, hat er gemäß § 2305 BGB einen Anspruch auf Zahlung der Differenz, den sogenannten Pflichtteilsrestanspruch (auch: Zusatzpflichtteil).
Dieser Anspruch tritt neben den erhaltenen Erbteil und führt dazu, dass der Berechtigte wirtschaftlich so gestellt wird, als hätte er seinen vollen Pflichtteil erhalten. Voraussetzung ist eine gewillkürte Erbeinsetzung unterhalb des Pflichtteilswerts.

Beispiel

Der Erblasser E hinterlässt zwei Kinder, A und B. Nach der gesetzlichen Erbfolge wären A und B jeweils zur Hälfte erbberechtigt, also mit einem Erbteil von je 1/2. In seinem Testament setzt E jedoch nur A zum Alleinerben ein und bestimmt zugleich, dass B lediglich einen kleinen Erbteil in Höhe von 1/8 erhalten soll. B ist damit zwar als Erbe eingesetzt, erhält aber weniger als den ihm zustehenden Pflichtteil, der bei der Hälfte seines gesetzlichen Erbteils liegt, also 1/4.
Da der ihm testamentarisch zugewandte Erbteil (1/8) geringer ist als sein Pflichtteil (1/4), steht B gemäß § 2305 BGB ein sogenannter Zusatzpflichtteil zu. Das bedeutet, B kann von A, dem Miterben, die Differenz zwischen seinem tatsächlichen Erbteil und seinem Pflichtteil in Geld verlangen. In diesem Fall also 1/4 minus 1/8, also 1/8. B erhält daher neben seinem Erbteil von 1/8 zusätzlich den Wert eines weiteren Achtels in Geld von A, sodass er insgesamt wirtschaftlich so gestellt ist, wie es seinem Pflichtteil entspricht.


Merke

§ 2305 BGB greift nur dann, wenn eine Erbeinsetzung erfolgt ist, also der Pflichtteilsberechtigte überhaupt etwas geerbt hat, aber zu wenig. Wird er hingegen gar nicht bedacht, hat er nur den normalen Pflichtteilsanspruch (§ 2303 BGB).

7. Beschränkungen und Beschwerungen

Beschränkungen und Beschwerungen im Sinne des § 2306 BGB sind gemäß § 2306 I BGB die Einsetzung eines Nacherben, die Anordnung einer Testamentsvollstreckung, eine Teilungsanordnung und die Belastung mit einem Vermächtnis oder einer Auflage.

Allgemein regelt § 2306 BGB, dass in diesen Fällen dem Pflichtteilsberechtigten ebenfalls eine Wahl zusteht: Er kann den beschwerten oder beschränkten Erbteil ausschlagen und stattdessen seinen Pflichtteil in Geld verlangen (§ 2303 BGB) oder den Erbteil annehmen.

Wichtig ist dabei, dass gemäß 2306 I BGB die gesetzliche Frist zur Ausschlagung (6 Wochen) erst beginnt, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der konkreten Beschränkung oder Beschwerung Kenntnis erlangt. Dadurch soll ihm ermöglicht werden, die Situation zu prüfen, bevor er sich entscheidet.

Beispiel

Die Tochter T ist pflichtteilsberechtigt und wird im Testament ihrer Mutter M als Erbin eingesetzt. Gleichzeitig bestimmt M, dass T nach ihrem Tod nur Vorerbin sein soll und ihr Bruder B als Nacherbe folgen soll. T wäre also nicht dauerhaft Eigentümerin des Nachlasses.

T kann daher gemäß § 2306 BGB die Erbschaft ausschlagen und stattdessen ihren Pflichtteil in Geld verlangen, weil sie durch die Einsetzung des Nacherben in ihrer Erbenstellung beschränkt ist.

Wenn jemand nur als Nacherbe eingesetzt wird, also das Erbe erst zu einem späteren Zeitpunkt erhält, gilt gemäß § 2306 II BGB dies rechtlich ebenfalls als Beschränkung im Sinne des § 2306 I BGB. Auch in diesem Fall kann der Pflichtteilsberechtigte den Erbteil ausschlagen und den Pflichtteil verlangen.

IV. Eherechtliche Besonderheiten beim Pflichtteilsanspruch


Im Rahmen der Zugewinngemeinschaft gelten für den überlebenden Ehegatten besondere Regeln, wenn er durch letztwillige Verfügung nicht oder nur unzureichend bedacht wird. Hat der Erblasser den Ehegatten enterbt und ihm kein Vermächtnis zugewiesen, steht ihm nach güterrechtlichen Vorschriften (§ 1931 III i.V.m. §§ 1371 II, 1371 ff. BGB) zunächst der Zugewinnausgleich zu, berechnet aus der Hälfte des während der Ehezeit entstandenen Mehrwerts. Daneben erhält er den sogenannten kleinen Pflichtteil, der sich nach seinem gesetzlichen Erbanteil vor Berücksichtigung des Zugewinnausgleichs bemisst.


Wenn der Ehegatte die Erbschaft ausschlägt, behält er seinen Anspruch auf den konkreten Zugewinnausgleich und kann weiterhin den kleinen Pflichtteil geltend machen, es sei denn, er hat in einem Ehe- oder Erbverzichtsvertrag auf sein gesetzliches Erbrecht bzw. seinen Pflichtteil verzichtet (§ 1371 III BGB). Das stellt eine Ausnahme zu § 2303 BGB dar, wonach Pflichtteilsansprüche grundsätzlich nur bei enterbten Erben entstehen.


Erhält der Ehegatte hingegen als Erbe oder Vermächtnisnehmer einen Teil am Nachlass, die geringer ist als sein gesetzlicher Anspruch aus dem erhöhten Erbteil, kann er nach § 2305 BGB einen Zusatzpflichtteil um die Differenz auszugleichen. Damit ist sichergestellt, dass der Ehegatte in jedem Fall wenigstens seinen vollen gesetzlichen Erbteil erhält, sei es über den kleinen Pflichtteil, den Zugewinnausgleich oder über Zusatz‑ bzw. Restpflichtteil.

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