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Schuld

Notwehrexzess (§ 33 StGB)

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Schuld

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Notwehrexzess
Intensiver Notwehrexzess
Extensiver Notwehrexzess
Asthenische Affekte
Sthenische Affekte
Verteidigungswille
Gebotenheit
Überschreitung der Notwehrgrenzen
Bewusstseinstrübung
Notwehr
Erforderlichkeit
§ 32 StGB
§ 33 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

  • II. Vorliegen einer Notwehrlage

    • 1. Extensiver Notwehrexzess

  • III. Überschreitung der Notwehrgrenzen der Erforderlichkeit oder Gebotenheit (Intensiver Notwehrexzess)

    • 1. Vorliegen eines asthenischen Affekts

    • 2. Verteidigungswille

Dieser Artikel behandelt den Notwehrexzess. Der Notwehrexzess ist in § 33 StGB geregelt und stellt einen Schuldausschließungsgrund dar, der dazu führt, dass der Täter trotz Überschreitung der Grenzen der Notwehr unter bestimmten Voraussetzungen straffrei bleibt. Dies dient dem Schutz des Täters in außergewöhnlichen psychischen Belastungssituationen. Dieser Artikel beleuchtet die Voraussetzungen, das Prüfungsschema sowie die wesentlichen Meinungsstreitigkeiten rund um den Notwehrexzess. Aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten und Verstrickungen zur Notwehr, sollte parallel auch der Notwehrartikel geöffnet werden.

Zitat

§ 33 StGB:

"Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft."

I. Allgemeines

Der Notwehrexzess ist ein Entschuldigungsgrund, der - anders als die Notwehr - nicht die Rechtswidrigkeit der Tat entfallen lässt, sondern die persönliche Verantwortbarkeit ausschließt, sodass der sich im Notwehrexzess Befindende ohne Schuld handelt. Der Notwehrexzess wird folglich auch im Schema unter der Schuldhaftigkeit geprüft.

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In Abgrenzung zum Erlaubnistatbestandsirrtum muss tatsächlich eine Notwehrlage vorliegen. Nur die Notwehrhandlung überschreitet die zulässigen Grenzen. Sie ist also nicht mehr geboten oder erforderlich.

Der Notwehrexzess kann auf zwei unterschiedliche Weisen in Erscheinung treten. Die Grenzen der Notwehr können entweder in

  • zeitlicher Hinsicht (Extensiver Notwehrexzess) oder hinsichtlich der

  • Intensität der Verteidigungshandlung (Intensiver Notwehrexzess)

überschritten werden.

II. Vorliegen einer Notwehrlage

Weil der Notwehrexzess erst nach der Rechtfertigung in der Schuld geprüft wird, wird die Notwehrlage in aller Regel bereits bei der Notwehr geprüft worden sein, sodass auf sie verwiesen werden kann. Überschreitet der Täter die zeitlichen Grenzen der Notwehr (extensiver Notwehrexzess), wird schon kein gegenwärtiger Angriff vorliegen und damit keine Notwehrlage. Daher muss im Falle des extensiven Notwehrexzesses an dieser Stelle diskutiert werden, ob der § 33 StGB überhaupt auf den extensiven Notwehrexzess angewendet werden kann.

1. Extensiver Notwehrexzess

Eine Überschreitung der zeitlichen Grenzen der Notwehr (extensiver Notwehrexzess) kann auf zwei unterschiedliche Weisen erfolgen.

1. Der Angegriffene wehrt sich vor dem Angriff (vorzeitiger extensiver Notwehrexzess).

Beispiel

A wurde in der Vergangenheit schon mehrfach auf seinem Heimweg von B mit einem Messer bedroht und ausgeraubt. Als A den B eines Abends erneut erblickt, wie er schnellen Schrittes auf ihn zu läuft, gerät A in panische Angst. Noch bevor B in unmittelbarer zum A sein Messer ziehen oder Drohungen aussprechen kann, zückt der A seine Gaspistole und feuert mehrfach auf den in einigen Metern Entfernung befindlichen B. B erleidet schwere Reizungen der Augen.

2. Der Angegriffene wehrt sich nach dem Angriff (nachzeitiger extensiver Notwehrexzess).

Beispiel

A wird auf dem Heimweg von B bedroht, der ein Messer in der Hand hält. A kann den Angriff mit einem gezielten Faustschlag abwehren.B fällt bewusstlos zu Boden, dennoch tritt der panische A noch mehrfach auf B ein, obwohl keine weitere Gefahr von ihm ausgeht. B erleidet schwere Verletzungen.

Gemein ist beiden, dass zum Zeitpunkt der Handlung des Angegriffenen kein gegenwärtiger Angriff (mehr) vorliegt.

Problem

Gilt § 33 StGB auch für den extensiven Notwehrexzess?

  • Die herrschende Meinung ist der Ansicht, dass § 33 StGB nur für den intensiven Notwehrexzess gilt, da der Wortlaut von einer „Überschreitung der Notwehrgrenzen“ spricht, was sich auf die Erforderlichkeit und Gebotenheit bezieht. Eine zeitliche Überschreitung der Notwehrlage werde nicht erfasst, da hier keine Notwehrlage mehr vorliege.

  • Eine Mindermeinung will § 33 StGB auch auf den vorgelagerten und nachgelagerten extensiven Notwehrexzess anwenden, da die psychische Ausnahmebelastung in beiden Fällen gleich sei. Der Täter handele unter Verwirrung, Furcht oder Schrecken und benötige denselben Schutz wie beim intensiven Notwehrexzess.

  • Eine weitere Meinung will § 33 StGB nur auf den nachgelagerten Notwehrexzess anwenden, da hier eine Notwehrlage bereits bestand. Nur in diesem Fall kam es überhaupt zu einer Notwehrlage, die in zeitlicher Hinsicht überschritten werden konnte.

  • Stellungnahme: Es ist der herrschenden Meinung zu folgen. Der extensiv Handelnde schützt kein gegenwärtiges Rechtsgut mehr, sodass die Voraussetzungen einer Notwehrlage nach § 32 StGB nicht mehr gegeben sind. § 33 StGB setzt jedoch das Vorliegen einer Notwehrlage voraus, weshalb auch eine analoge Anwendung auf den extensiven Notwehrexzess unzulässig ist. Auch beim nachgelagerten extensiven Notwehrexzess besteht keine Notwehrlage mehr, da bereits kein gegenwärtiger Angriff mehr besteht. Der Schutz des Täters in psychischen Ausnahmebelastungen kann in solchen Fällen über die allgemeinen Regeln der Strafzumessung oder über einen Schuldvorwurf gemildert werden.

III. Überschreitung der Notwehrgrenzen der Erforderlichkeit oder Gebotenheit (Intensiver Notwehrexzess)

Insofern eine Notwehrlage bejaht wird, also ein gegenwärtiger Angriff vorliegt und damit kein extensiver Notwehrexzess, muss geprüft werden, ob die Grenzen der Verteidigung überschritten wurden. Die Prüfung der Notwehr muss also im Rahmen der Notwehrhandlung an der Erforderlichkeit der Gebotenheit scheitern. In diesem Fall spricht man von einem intensiven Notwehrexzess, auf den der § 33 StGB gerade abzielt. Es sollen also Verhaltensweisen geschützt werden, die in einem engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang zum Angriff stehen (es liegt ein gegenwärtiger Angriff vor) und auf eine verständliche Überreaktion des Angegriffenen zurückzuführen sind.

Beispiel

A ist ein erfahrener Sportschütze und hat einen großen Waffenschein (darf also scharfe Waffen in der Öffentlichkeit führen). A wird eines Nachts auf dem Heimweg von dem körperlich weit überlegenen B bedroht, der ein Messer in der Hand hält und Wertsachen heraus verlangt. A gerät in einen panischen Angstzustand und ergreift nicht sein in der Hintertasche befindliche Portemonnaie, sondern seine im Holster befindliche Waffe und schießt B in den Kopf und nicht etwa in Arme oder Beine.

In diesem Beispiel überschreitet A die Grenzen der Erforderlichkeit. Während der Faustschlag für die Abwehr des Angriffs noch erforderlich war, sind es das Nachtreten und die damit einhergehenden Verletzungen nicht mehr.

1. Vorliegen eines asthenischen Affekts

Für die Annahme eines Notwehrexzess, der von § 33 StGB umfasst ist, braucht es zudem das Vorliegen eines asthenischen Affekts. Beim Angegriffenen muss eine Überreaktion vorliegen, die auf eine emotionale Ausnahmesituation zurückzuführen ist.

Definition

Unter asthenischen Affekten werden Gemütsregungen oder Bewusstseinstrübungen verstanden, die sich aus einer Schwäche wie Furcht, Schrecken, Panik oder Verwirrung heraus entwickelt haben.

Der A handelte aus Todesangst und damit einhergehender Panik, sodass eine Bewusstseinstrübung vorliegt, die auf eine emotionale Ausnahmesituation zurückzuführen ist. Ein asthenischer Affekt liegt vor.

Merke

In Abgrenzung zu den asthenischen Affekten entstehen die sogenannten sthenischen Affekte nicht aus einer Situation der Schwäche heraus, weil sich die Person in einer Notsituation befindet, sondern aus der einer Situation der Stärke heraus, weil sich die Person in einem energiemobilisierenden Gemütszustand befindet. Sthenische Affekte:

  • Wut

  • Zorn

  • Rachegelüste

2. Verteidigungswille

Zuletzt muss noch der Verteidigungswille vorliegen. Auch der Notwehrexzess verlangt ein subjektives Element, das den gleichen Anforderungen unterliegt wie im Rahmen der Notwehr. Im Wesentlichen kann hier auf die Ausführungen zum Notwehrwillen verwiesen werden.

Es muss aber darauf geachtet werden, dass es einen inneren Zusammenhang zwischen der Überschreitung der Grenzen der Notwehr und dem asthenischen Affekt braucht. Der Täter muss gerade wegen des asthenischen Affekts überreagiert haben.

Definition

Der stets aggressive Dealer D wird auf dem Heimweg von B bedroht, der ein Messer in der Hand hält. A gerät in Panik, weil er Drogen dabeihat, die für den Verkauf bestimmt sind. Er kann den Angriff mit einem gezielten Faustschlag abwehren. Als B zu Boden fällt, tritt A mehrfach auf B ein, obwohl keine weitere Gefahr von ihm ausgeht, um ihm zu zeigen, wem das Viertel gehört. B erleidet schwere Verletzungen.

In diesem Fall ist zunächst zwar ein asthenischer Affekt zu bejahen, die Überreaktion fand aber gerade nicht wegen dieses asthenischen Affekts statt, sondern weil der D dem A zeigen wollte, wer die Oberhand hat. Während man den Notwehrwillen beim Faustschlag noch bejahen kann, fehlt der Verteidigungswille und der hierfür notwendige innere Zusammenhang von Überschreitung und Affekt hinsichtlich der Tritte.

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