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Öffentliches Recht

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Verwaltungsrecht AT

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Verwaltungsakt

Nichtigkeit eines Verwaltungsakts

Teilgebiet

Verwaltungsrecht AT

Thema

Verwaltungsakt

Tags

Nichtigkeit
Positivkatalog
Negativkatalog
Generaltatbestand
Evidenztheorie
Nichtigkeitsgrund
örtliche Zuständigkeit
Behörde
Teilnichtigkeit
§ 44 VwVfG
§ 3 VwVfG
§ 20 VwVfG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Prüfung der Nichtigkeit nach § 44 VwVfG

    • 1. Positivkatalog, § 44 II VwVfG

    • 2. Negativkatalog, § 44 III VwVfG

    • 3. Generaltatbestand, § 44 I VwVfG

      • a) Fehler

      • b) Besondere Schwere des Fehlers

      • c) Offensichtlichkeit

  • III. Teilnichtigkeit, § 44 IV VwVfG

I. Einleitung

Von der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts zu unterscheiden.

Die Nichtigkeit nach § 44 VwVfG tritt nur in Fällen besonders schwerwiegender und offensichtlicher Rechtsfehler ein. Sie ist die Ausnahme zur allgemeinen Regel, dass rechtswidrige Verwaltungsakte zunächst wirksam bleiben und durch Rücknahme, Widerruf oder Aufhebung beseitigt werden müssen.

Merke

Ein rechtswidriger Verwaltungsakt bleibt also wirksam, ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

II. Prüfung der Nichtigkeit nach § 44 VwVfG

§ 44 VwVfG beginnt in Absatz 1 mit:

Zitat

§ 44 I: “Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist.”

und fährt in Absatz 2 fort mit:

§ 44 II: “Ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1 ist ein Verwaltungsakt nichtig.”

Hier zeigt sich eine Besonderheit in der Prüfung der Norm, die strukturell von gewohnten Mustern abweicht. In Gesetzestexten werden häufig in Absatz 1 einer Norm die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolge statuiert und im Folgenden oder einem folgenden Absatz Tatbestandsvoraussetzungen konkretisiert und die Norm ist entlang der Absätze zu prüfen.

Beispiel

§ 28 II: “Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn [...]”. Hier baut Absatz 2 also auf Absatz 1 auf und beide Absätze werden nacheinander geprüft: Erst wird das Erfordernis einer Anhörung nach § 28 I VwVfG festgestellt und dann darauf eingegangen, ob eine Entbehrlichkeit nach § 28 II VwVfG vorliegt.

Bei § 44 VwVfG ist dies anders: Die Norm beginnt in § 44 I VwVfG mit einer Generalklausel, wann ein Verwaltungsakt nichtig ist. In Absatz 2 findet sich dann ein von Absatz 1 unabhängiger Positivkatalog mit alternativen Fallgruppen, bei deren Vorliegen der Verwaltungsakt nichtig ist. Wenn also eine Fallgruppe des Absatzes 2 einschlägig ist, ist der Verwaltungsakt “ohne Rücksicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1” nichtig. Der Aufbau der Norm entspricht somit dem üblichen Schema, allerdings bestehen Besonderheiten in der Reihenfolge der Prüfung.

§ 44 III VwVfG enthält zudem demgegenüber einen Negativkatalog mit Fallgruppen, bei deren Vorliegen der Verwaltungsakt nicht nichtig ist.

Daher ist auch der Aufbau der Prüfung etwas ungewöhnlich:

  • Es wird begonnen mit der Prüfung des Positivkatalogs nach Absatz 2, da dieser absolute Nichtigkeitsgründe enthält. Ist eine der Fallgruppen einschlägig, ist der Verwaltungsakt nichtig und die Prüfung beendet.

  • Ist dies nicht der Fall, wird im Anschluss geprüft, ob der gegenständliche Umstand eine Fallgruppe des Negativkatalogs in Absatz 3 berührt. Diese führen für sich genommen nie zur Nichtigkeit, auch nicht, wenn sie als besonders schwerwiegend und offensichtlich im Sinne des Absatzes 1 anzusehen sind. Daher ist auch dann bei einer Einschlägigkeit einer der Fallgruppen die Prüfung zu Ende.

  • Nur wenn beides nicht der Fall ist, kommt es zur Prüfung des Generaltatbestands in § 44 I VwVfG.

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Merke

Die Absätze des § 44 VwVfG sind nicht nacheinander, sondern in der Reihenfolge II, III und zuletzt I zu prüfen.

1. Positivkatalog, § 44 II VwVfG

Zu beginnen ist also mit der Prüfung des Positivkatalogs in § 44 II VwVfG.

Merke

An Wörtern wie “insbesondere” oder “Ohne Rücksicht” kannst du die Struktur einer Norm erkennen.

  • "Insbesondere" stellt immer eine nicht abschließende Konkretisierung einer vorher genannten Tatbestandsvoraussetzung dar.

  • “Ist unbeachtlich, wenn” oder allgemein “ist [..], wenn” zeigt eine abschließende Konkretisierung an.

  • “Ohne Rücksicht auf” oder “Unbeschadet des” zeigt an, dass die Voraussetzungen und Rechtsfolge unabhängig von anderen Voraussetzungen sind.

Dort sind in Nr. 1 bis 6 absolute (alternative) Nichtigkeitsgründe aufgezählt:

  • ein schriftlicher oder elektronischer Verwaltungsakt lässt nicht die erlassende Behörde erkennen (Nr. 1)

  • das Formerfordernis einer Urkunde ist nicht gewahrt (Nr. 2)

  • die Behörde war nicht ausdrücklich (nach § 3 I Nr. 1 VwVfG) zuständig und nicht ermächtigt (Nr. 3)

  • der Verwaltungsakt kann aus tatsächlichen Gründen von niemandem ausgeführt werden (Nr. 4)

  • der Verwaltungsakt verlangt die Begehung einer rechtswidrigen Tat (Nr. 5)

  • Der Verwaltungsakt verstößt gegen die guten Sitten (Nr. 6)

Diese Fallgruppe stellt einen Auffangtatbestand dar.

Wiederholung: Der Begriff der guten Sitten ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Er ist nach sozialethischen Wertvorstellungen zu bestimmen.

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2. Negativkatalog, § 44 III VwVfG

Wenn keine Fallgruppe des Positivkatalogs nach Absatz 1 einschlägig ist, wird als Nächstes der Negativkatalog des § 44 III VwVfG geprüft. Diese führen bei Vorliegen für sich genommen nie zur Nichtigkeit, auch nicht, wenn sie als besonders schwerwiegend und offensichtlich im Sinne des Absatzes 1 anzusehen sind.

Die Fallgruppen des Negativkatalogs sind:

  • Nr. 1: Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit nicht eingehalten, außer in Fällen des § 44 II Nr. 3 VwVfG (siehe oben)

  • Nr. 2: Es hat eine nach § 20 I 1 Nr. 2 - 6 VwVfG ausgeschlossene Person mitgewirkt

  • Nr. 3: Ein zur Mitwirkung berufener Ausschuss hat den für den Verwaltungsakt erforderlichen Beschluss nicht gefasst oder war nicht beschlussfähig

  • Nr. 4: Die nach Rechtsvorschrift erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde ist unterblieben

Klausurtipp

Wenn eine Fallgruppe der § 44 III Nr. 1 bis Nr. 4 einschlägig ist, ist die Prüfung vorbei. Es braucht nicht auf Absatz 1 eingegangen werden. Es empfiehlt sich, kurz darzulegen, dass die Betroffenheit des Negativkatalogs nie zur Nichtigkeit führt.

3. Generaltatbestand, § 44 I VwVfG

Wenn keine der Fallgruppen der Absätze 2 und 3 einschlägig ist, ist zuletzt zu prüfen, ob eine Nichtigkeit nach der Generalklausel des § 44 I VwVfG gegeben ist.

Dies ist der Fall, wenn ein besonders schwerer Fehler gegeben ist und Offensichtlichkeit besteht (sogenannte Evidenztheorie).

Die Prüfung dieses Teils erfolgt ebenfalls gestuft:

a) Fehler

Der Fehler liegt in den Umständen, die die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründen. Wenn du diese nicht bereits an einem anderen Punkt deiner Prüfung in der Klausur festgestellt hast, musst du die Rechtswidrigkeit an dieser Stelle inzident prüfen.

b) Besondere Schwere des Fehlers

Die besondere Schwere des Fehlers ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Sie ist insbesondere erfüllt, wenn Verfassungsprinzipien oder immanente Wertvorstellungen der Rechtsordnung verletzt sind.

c) Offensichtlichkeit

Damit Offensichtlichkeit gegeben ist, muss der Fehler klar ersichtlich sein, er muss sich “aufdrängen”. Es ist zu betrachten, was sich bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände ergibt. Für einen verständigen durchschnittlichen Beobachter darf nicht eine ernsthafte Möglichkeit bestehen, dass der Bescheid rechtmäßig sein könnte. Es muss daher nach einer Parallelwertung in der Laiensphäre eine so erhebliche Verletzung der Rechtmäßigkeitsanforderungen bestehen, dass der Verwaltungsakt nach dieser nicht als rechtmäßig angesehen werden kann.

III. Teilnichtigkeit, § 44 IV VwVfG

§ 44 IV VwVfG regelt, dass ein Verwaltungsakt, bei dem ein Teil nach § 44 I-III VwVfG nichtig ist, im Gesamten nichtig ist, wenn der nichtige Teil so wesentlich ist, dass die Behörde den Verwaltungsakt ohne den nichtigen Teil nicht erlassen hätte.

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