Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesLernpfadePreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Strafrecht

/

AT

/

Beteiligung

§ 25 II StGB (Mittäterschaft)

Teilgebiet

AT

Thema

Beteiligung

Tags

Täterschaft
Beteiligung
Tatbeitrag
Zurechnung
Mittäterexzess
Tatherrschaft
Tatherrschaftslehre
Sukzessive Mittäterschaft
Beihilfe durch Unterlassen
Tatbestandsverschiebung
Strafbarkeitsdefizit
Mittäterschaft
§ 27 StGB
§ 25 StGB
§ 28 StGB
§ 30 StGB
§ 249 StGB
§ 266 StGB
§ 340 StGB
§ 218 StGB
§ 216 StGB
§ 24 StGB
§ 244 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

    • 1. Abgrenzungen

    • 2. Getrennte oder gemeinschaftliche Prüfung?

  • II. Gemeinsame Prüfung

    • 1. Deliktspezifische objektive Merkmale

    • 2. Tathandlung

      • a) Tatbeiträge der Beteiligten

      • b) Identische Tatbeiträge

      • c) Die Beteiligten erfüllen den Tatbestand nur gemeinsam

        • aa) Arbeitsteiliges Zusammenwirken durch aktives Tun

        • bb) Arbeitsteiliges Zusammenwirken durch Unterlassen

      • d) Gegenseitige Zurechnung, § 25 II StGB

      • e) Gemeinsamer Tatplan

    • 3. Taterfolg

    • 4. Kausalität und objektive Zurechnung

    • 5. Subjektiver Tatbestand

      • a) Mittäterexzess

  • III. Getrennte Prüfung

    • 1. Deliktspezifische objektive Merkmale

    • 2. Tathandlung

      • a) Tatbeitrag des Tatnächsten

      • b) Zurechnung des Tatbeitrages des Tatnächsten, § 25 II StGB

      • c) Zurechnung bei aktivem Tun

        • aa) Sonderfall: Sukzessive Mittäterschaft

      • d) Zurechnung bei Unterlassen

      • e) Gemeinsamer Tatplan

    • 3. Subjektiver Tatbestand

      • a) Mittäterexzess

      • b) Auswirkungen des error in persona auf den Mittäter

        • aa) Dritter betroffen

        • bb) Sonderfall: Mittäter selbst ist betroffen

  • IV. Versuch und Mittäterschaft

  • V. Mittäterschaft und § 28 StGB

    • 1. Strafbegründende besondere persönliche Merkmale (Absatz 1)

    • 2. Strafmodifizierende besondere persönliche Merkmale (Absatz 2)

Dieser Artikel behandelt die Mittäterschaft gemäß § 25 II StGB. Die Mittäterschaft beschreibt die gemeinsame Begehung einer Straftat durch mehrere Personen, die arbeitsteilig zusammenwirken, um den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen. Anders als bei der Anstiftung oder der Beihilfe sind alle Mittäter als Täter zu behandeln und werden deshalb für die gesamte Tat verantwortlich gemacht, unabhängig davon, welche konkrete Handlung sie selbst vorgenommen haben. Die Mittäterschaft setzt voraus, dass jeder Beteiligte einen Beitrag zur Tat leistet, der über eine bloße Unterstützung hinausgeht, und dabei mit gemeinschaftlichem Tatentschluss und in bewusstem Zusammenwirken handelt. Die Mittäterschaft ist eine Form der tätergleichen Zurechnung, bei der die Tatbeiträge aller Beteiligten zu einem einheitlichen Straftatbestand zusammengeführt werden, was eine enge Abstimmung und Arbeitsteilung der Beteiligten erfordert. Im Verlaufe dieses Artikels gibt es immer Verknüpfungen, Überschneidungen und Verlinkungen zur Beihilfe und zur Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme. Du solltest die entsprechenden Artikel daher immer im Blick behalten, um die Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen der jeweiligen Rechtsinstitute nachzuvollziehen.

I. Allgemeines

Die Mittäterschaft ist in § 25 II StGB geregelt.

Zitat

§ 25 II StGB:

Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

1. Abgrenzungen

Der Norm ist bereits zu entnehmen, dass eine “gemeinschaftliche” Begehung der Straftat vorausgesetzt wird. Anders als bei der mittelbaren Täterschaft wird hier nicht nur eine Person als Täter bestraft, die die Tat durch einen anderen begeht (§ 25 I 2. Alt. StGB), sondern mindestens zwei Personen, die die Tat gemeinschaftlich begehen. Die Abgrenzung zur Teilnahme - vor allem in Form der Beihilfe, § 27 I StGB - findet im Rahmen der gegenseitigen Zurechnung der Tatbeiträge statt, wenn eine getrennte Prüfung vorgenommen werden muss. Hier muss auf die besondere, herausgehobene Stellung der Tatbeteiligten eingegangen werden.

2. Getrennte oder gemeinschaftliche Prüfung?

Die Frage, ob die Strafbarkeit der Beteiligten in einer gemeinsamen Prüfung oder in zwei getrennten Prüfungen festgestellt werden muss, hängt maßgeblich davon ab, wie die Tatbeiträge konkret ausgestaltet sind.

II. Gemeinsame Prüfung

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

1. Deliktspezifische objektive Merkmale

Zunächst sollte im Rahmen des objektiven Tatbestands auf deliktspezifische Merkmale eingegangen werden, die keiner Zurechnung bedürfen.

Beispiel

Etwa eine fremde bewegliche Sache beim Diebstahl.

2. Tathandlung

a) Tatbeiträge der Beteiligten

Im objektiven Tatbestand muss im Rahmen der Tathandlung festgestellt werden, welche Tatbeiträge die Beteiligten genau vorgenommen haben.

b) Identische Tatbeiträge

Eine gemeinsame Prüfung bietet sich zunächst immer dann an, wenn die Tatbeteiligten die gleichen Tatbeiträge leisten und den Taterfolg dadurch gleichermaßen herbeiführen. Jeder Beteiligte verwirklicht den Tatbestand durch seinen Tatbeitrag also voll.

Beispiel

A und B wollen O eine Abreibung verpassen. Sie lauern O eines Abends auf. A und B treten und schlagen auf den O ein, sodass dieser multiple Platzwunden und Prellungen erleidet. Es kann nicht mehr festgestellt werden, welcher Tritt/Schlag genau welche Platzwunde herbeigeführt hat.

Im Rahmen der Prüfung muss hier also festgestellt werden, dass A und B Schläge und Tritte als Tatbeitrag im Rahmen der Tathandlung vorgenommen haben.

c) Die Beteiligten erfüllen den Tatbestand nur gemeinsam

Neben dem Fall der identischen Tatbeiträge muss eine gemeinsame Prüfung auch immer dann erfolgen, wenn die Beteiligten nur durch ihr Zusammenwirken den Tatbestand erfüllen.

aa) Arbeitsteiliges Zusammenwirken durch aktives Tun

Wenn die Täter unterschiedliche Tatbeiträge vornehmen, die nur kumulativ die Anforderungen an die tatbestandliche Handlung erfüllen und so den Taterfolg herbeiführen, muss die Prüfung gemeinsam erfolgen.

Beispiel

A und B wollen gemeinsam den O ausrauben. Sie lauern dem O auf. A schlägt auf den O ein, damit der B die Geldbörse des O entwenden kann. Beide wollen sich die Geldbörse rechtswidrig zueignen.

Im Rahmen dieser Prüfung müssen die beiden unterschiedlichen Tatbeiträge im Rahmen der Tathandlung gesondert bestimmt werden. A und B erfüllen nur gemeinsam die Anforderungen an die tatbestandliche Handlung des Raubes (§ 249 I StGB). A übt durch seine Schläge die Gewalt aus (Nötigungshandlung), während der B die Wegnahmehandlung (Bruch fremden Gewahrsams) erfüllt.

Merke

Beachte, dass es sich hierbei nicht um einen Fall der kumulativen Kausalität handelt. In diesen Fällen werden die Bedingungen nämlich nicht unabhängig voneinander erbracht, sondern im bewussten Zusammenwirken. Die kumulative Kausalität kannst du dir in diesem Artikel durchlesen.

bb) Arbeitsteiliges Zusammenwirken durch Unterlassen

Als Unterfall des arbeitsteiligen Zusammenwirkens kann auch das gemeinsame Unterlassen in Betracht kommen. Die Mittäterschaft durch Unterlassen ist aber nur dann möglich, wenn die Tatbeteiligten beide eine Garantenpflicht innehaben und die Unterlassungstäterschaft nur durch einen gemeinsamen Willensentschluss begründet wird, weil sie nur gemeinsam in der Lage sind, die Pflicht zu erfüllen.

Beispiel

A und B sind Vorarbeiter in einem Stahlwerk. Beide haben die (vertragliche) Pflicht, die Arbeitsabläufe zu überwachen und die Sicherheit der an den Arbeitsabläufen beteiligten Mitarbeiter sicherzustellen. Im Falle eines Notfalls müssen A und B von ihren jeweiligen Kontrollräumen aus zusammen einen Notaus-Schalter betätigen, um die Maschinen augenblicklich abzustellen. Als sie ihren verhassten Kollegen O dabei beobachten, wie dieser zischen zwei schwere Maschinen gerät, beschließen sie gemeinsam per Funk, den Notaus-Schalter nicht zu betätigen, um O “endgültig aus dem Weg” zu räumen. O stirbt.

In diesem Beispiel liegt nur deshalb ein mittäterschaftlicher Totschlag durch Unterlassen vor, weil A und B nur zusammen ihre Pflicht (Verhinderung von Verletzungen durch Betätigung des Notaus-Schalters) erfüllen konnten.

Können die unterlassenen Täter hingegen ihre Pflicht auch einzeln erfüllen, liegt kein mittäterschaftliches Unterlassen, sondern ein einzeltäterschaftliches Unterlassen vor.

Beispiel

Die Vorarbeiter A und B haben jeweils einen eigenen Notaus-Schalter, den sie eigenständig ohne Mitwirkung des anderen betätigen können. Beide betätigen nach Absprache den Notaus-Schalter nicht, O stirbt.

In diesem Beispiel liegt ein jeweils einzeltäterschaftliches Unterlassen vor, weil sie Ihre Pflicht jeweils selbst, ohne Hilfe des anderen hätten erfüllen können. Ein gemeinsamer Tatentschluss ist dabei nicht von Relevanz.

d) Gegenseitige Zurechnung, § 25 II StGB

Im Prüfungspunkt “Gegenseitige Zurechnung, § 25 II StGB” muss nun geprüft werden, ob die jeweiligen Tatbeiträge den Beteiligten wechselseitig mittäterschaftlich zugerechnet werden können. An dieser Stelle muss die herausgehobene Stellung der Beteiligten bei der Tatausführung eingegangen werden.

Merke

Hier muss der Streit um die Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme geführt werden. Der Streit wird regelmäßig unproblematisch sein, weil die herausgehobene Stellung offensichtlich sein wird. Sowohl im Rahmen der identischen Tatbeiträge als auch der arbeitsteiligen Tatbestandsverwirklichung (durch aktives Tun oder Unterlassen) wird weder die Begründung der Tatherrschaft noch die Begründung des Täterwillens Probleme bereiten.

Wichtig zu beachten ist, dass besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 StGB nicht zugerechnet werden können. Besondere persönliche Merkmale müssen durch jeden (Mit-)Täter selbst erfüllt werden. Hierzu zählt auch die Garantenstellung!

e) Gemeinsamer Tatplan

Sodann muss die Prüfung der gemeinschaftlichen Begehung noch durch einen vorhandenen gemeinsamen Tatplan finalisiert werden. Der gemeinsame Tatplan ist auch bei identischen Handlungen und damit gemeinsamer Prüfung der Tatbeteiligten relevant, um gemeinsames Handeln von zufällig parallelem Handeln abzugrenzen und eine Mittäterschaft begründen zu können.

Definition

Ein gemeinsamer Tatplan bezeichnet die einvernehmliche Entscheidung mehrerer Personen, eine Straftat gemeinschaftlich zu begehen, wobei alle Beteiligten bewusst und gewollt zusammenwirken, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Ein solcher Tatplan kann sowohl arbeitsteiliges Handeln als auch identische Handlungen umfassen. Entscheidend ist, dass alle Beteiligten sich zur Verwirklichung der Tat abgesprochen haben und die wesentlichen Tatmerkmale gemeinsam verwirklichen möchten.

Merke

Nehmen die Beteiligten identische Tathandlungen vor, scheitert die Mittäterschaft aber am gemeinsamen Tatplan, liegt nur paralleles Handeln vor, das zu einer Nebentäterschaft der Beteiligten führt. Die Täter begehen die Tat also als Einzeltäter, weil sie den Tatbestand nebeneinander, aber nicht miteinander erfüllen.

3. Taterfolg

Im nächsten Schritt muss der Eintritt des Taterfolges festgestellt werden.

4. Kausalität und objektive Zurechnung

Im weiteren Verlauf muss dann geprüft werden, ob die Tathandlungen der Beteiligten den Erfolg im Sinne der Conditio-sine-qua-non-Formel hervorgerufen haben und ob eine objektive Zurechnung erfolgen kann. Insofern identische Handlungen vorliegen (alle Beteiligten haben den Tatbestand voll verwirklicht), können die Tatbeiträge der Beteiligten zusammen abgearbeitet werden. Sollte ein derart arbeitsteiliges Zusammenwirken vorliegen, dass nur beide zusammen den Tatbestand voll verwirklichen, muss die Kausalität und objektive Zurechnung getrennt betrachtet werden. Weil aber nur beide Handlungen zusammen den tatbestandlichen Erfolg in seiner konkreten Gestalt hervorrufen können, wird die Conditio-sine-qua-non-Formel regelmäßig keine Probleme bereiten. Und auch im Rahmen der objektiven Zurechnung stellt sich die Tat durch die wesentlichen Tatbeiträge wertend betrachtet meist problemlos als Werk der Täter dar.

5. Subjektiver Tatbestand

Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes muss zum einen geprüft werden, ob die Beteiligten auch vorsätzlich hinsichtlich ihrer konkreten Tatbeiträge gehandelt haben.

Zum anderen muss der Vorsatz aber auch die gemeinschaftliche Begehungsweise umfassen. Das bedeutet, dass auch der Tatbeitrag des jeweils anderen und der gemeinsame Tatplan vom Vorsatz umfasst sein muss. Im Rahmen des gemeinsamen Prüfungsaufbaus kann vor allem der sogenannte Mittäterexzess Probleme bereiten. Die ebenfalls problematische Frage der Auswirkung des error in personas auf den Mittäter stellt sich vor allem im Rahmen des getrennten Prüfungsaufbaus (dazu weiter unten).

Klausurtipp

In der Klausur sollte der Vorsatz sauber herausgearbeitet werden. Jeder Beteiligte sollte hier getrennt betrachtet und der Vorsatz für den Tatbeitrag des jeweils anderen festgestellt werden.

a) Mittäterexzess

Ein Mittäterexzess liegt vor, wenn ein Mittäter im Rahmen der gemeinsamen Tat erheblich über den vereinbarten Tatplan hinausgeht und eine Handlung vornimmt, die die anderen Mittäter weder geplant noch gebilligt haben. Dieser Exzess wird den übrigen Mittätern regelmäßig nicht zugerechnet.

Grundsätzlich haftet nur derjenige für den Exzess, der die Tat eigenmächtig ausführt, die übrigen Mittäter sind von dieser Handlung strafrechtlich nicht betroffen, da sie nicht durch den gemeinsamen Tatplan gedeckt ist.

Beispiel

A und B planen, beim wohlhabenden O einzubrechen, um wertvolle Gemälde zu stehlen. Beide rechnen damit, dass O zu Hause sein könnte, und beschließen für diesen Fall, ihn zu überwältigen und zu fesseln. Als O den A im Wohnzimmer dabei erwischt, wie er an seinem Lieblingsgemälde hantiert, droht O damit, die Polizei zu rufen. Daraufhin ersticht A ihn mit einem Messer. B befindet sich währenddessen im Obergeschoss.

In diesem Beispiel weicht A erheblich vom gemeinsamen Tatplan ab, indem er O eigenmächtig tötet. Diese Abweichung war auch nicht vorhersehbar oder erwartbar, da A und B ausdrücklich vereinbart hatten, O im Falle seines Auftauchens lediglich zu fesseln.

Ausnahmsweise haften die Mittäter dann, wenn der Exzess erwartbar oder vorhersehbar war. Das ist in der Regel der Fall, wenn es sich bei der Exzesshandlung um nur eine unwesentliche Abweichung vom Tatplan handelt, etwa weil sich die Möglichkeit der Realisierung der Exzesshandlung durch die konkrete Tatplangestaltung hätte den Mittätern aufdrängen müssen.

Beispiel

A und B planen, beim wohlhabenden O einzubrechen, um wertvolle Gemälde zu stehlen. Da beide davon ausgehen, dass O zu Hause sein könnte, vereinbaren sie, ihn im Falle seines Auftauchens zu überwältigen und ihn, falls nötig, auch etwas härter anzugehen, um ihn ruhigzustellen, jedoch ohne ihn ernsthaft zu verletzen.

Als O dann tatsächlich auftaucht und A im Wohnzimmer erwischt, beginnt O laut zu schreien und droht, die Polizei zu rufen. In der Absicht, den Widerstand des O zu brechen und die Ruhe wiederherzustellen, entsteht ein Gerangel, infolgedessen der O mit dem Kopf auf den Boden aufschlägt. O erleidet eine Gehirnblutung, überlebt aber.

Da sich A und B darauf vorbereitet hatten, O mit erhöhter Gewalt ruhigzustellen, und es im Rahmen des Risikos lag, dass sich das Opfer wehren könnte, hätte es sich aus Ihrem Plan aufdrängen müssen, dass es auch zu ernsthaften Verletzungen hätte kommen können. Die Verletzung durch A ist somit dem B als zurechenbarer Mittäterexzess anzulasten.

Merke

Ein Mittäterexzess kann ebenso bei einer getrennten Prüfung vorkommen. Dazu siehe weiter unten!

III. Getrennte Prüfung

Eine getrennte Prüfung bietet sich immer dann an, wenn die Tathandlungen der Beteiligten derart auseinanderfallen, dass ein Beteiligter den Tatbestand durch seinen Tatbeitrag voll verwirklicht und der andere nur teilweise. Begonnen werden sollte dann mit dem Tatnächsten, also der Person, die dem Taterfolg am nächsten ist.

Beispiel

A und B wollen O töten. Sie beschließen, dass A den O in eine dunkle Gasse locken und ablenken soll. Währenddessen soll sich B von hinten anschleichen und den O erdrosseln. Sodann wollen sie den Körper des O in einen Müllcontainer werfen. So geschieht es.

In diesem Beispiel muss mit der Prüfung der Strafbarkeit des B begonnen werden, weil dieser den Tatbestand durch seine Erdrosselungshandlung voll verwirklicht, also dem Taterfolg am nächsten ist. Erst in einer zweiten Prüfung sollte dann auf den A eingegangen und geprüft werden, ob ihm die Tathandlung des B zugerechnet werden kann, weil er als Mittäter zu bestrafen ist.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Merke

Auch wenn es zunächst verwirrend erscheint, den Tatnächsten als Einzeltäter zu prüfen und erst in der Prüfung des anderen Beteiligten auf die Mittäterschaft einzugehen, ist dieser Aufbau gängige Praxis in Examenklausuren. Er soll Logikfehler vermeiden und den zuzurechnenden, entscheidenden Tatbeitrag klar herausstellen. Wichtig zu beachten ist aber, dass im Gesamtergebnis unbedingt beide Täter als Mittäter zu qualifizieren sind. Es wird empfohlen, den § 25 II StGB auch in die Paragrafenkette des Tatnächsten aufzunehmen, um klarzustellen, dass auch dieser gemeinschaftlich handelte.

1. Deliktspezifische objektive Merkmale

Auch hier muss im Rahmen des objektiven Tatbestandes zunächst auf deliktspezifische Merkmale eingegangen werden, die keiner Zurechnung bedürfen (Beispiel siehe oben).

2. Tathandlung

a) Tatbeitrag des Tatnächsten

Sodann muss auf die Tathandlung des bereits geprüften Tatnächsten eingegangen werden. Die genaue Tathandlung muss hier noch einmal angesprochen werden, weil sie nun dem Beteiligten zugerechnet werden soll.

Merke

Auf den Tatbeitrag des anderen Beteiligten muss an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Dieser wird erst im Rahmen der Zurechnung betrachtet. Das liegt daran, dass bei der getrennten Prüfung nur der Tatbeitrag des Tatnächsten den Tatbestand verwirklicht und daher nur dieser zugerechnet werden muss. Während bei der gemeinsamen Prüfung die Tatbeiträge wechselseitig zugerechnet werden, ist bei der getrennten Prüfung lediglich eine einseitige Zurechnung erforderlich.

b) Zurechnung des Tatbeitrages des Tatnächsten, § 25 II StGB

Die Frage, wie genau die Zurechnung begründet werden muss und welche Meinungsstreitigkeiten hierfür herangezogen werden müssen, hängt maßgeblich davon ab, ob die Mitwirkungshandlung des Beteiligten, die den Tatbestand im Gegensatz zum Tatnächsten nicht voll verwirklicht, als aktives Tun oder Unterlassen zu qualifizieren ist. Je nachdem, ob der Tatbeitrag des Mittäters (Beteiligten) in einem aktiven Tun oder Unterlassen besteht, muss entweder der klassische Meinungsstreit um die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme oder der Streit um die Abgrenzung von Beihilfe durch Unterlassen und mittäterschaftlichem Unterlassen geführt werden.

c) Zurechnung bei aktivem Tun

Wenn es sich beim Tatbeitrag des Mittäters um ein aktives Tun handelt (z. B. Planung und Organisation der Tat), muss der Meinungsstreit um die Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme geführt und das aktive Tun des Mittäters genauer beleuchtet werden. Innerhalb der Tatherrschaftslehre muss etwa genau analysiert werden, ob es sich um einen Tatbeitrag im Ausführungs- oder Vorbereitungsstadium handelt, während nach der subjektiven Theorie untersucht werden muss, ob der Tatbeitrag auf einen animus auctoris (Täterwillen) schließen lässt. Nur wenn Tatherrschaft anzunehmen sein sollte, kann der Tatbeitrag des Beteiligten als gleichrangige Mitwirkungshandlung durch aktives Tun qualifiziert werden. Scheitert die Prüfung, kommt nur eine Beihilfe in Betracht.

Vernetztes Lernen

Die genaue Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme kannst du dir hier durchlesen.

aa) Sonderfall: Sukzessive Mittäterschaft

Die sukzessive Mittäterschaft beschreibt den Fall, dass ein Täter ohne vorherige Absprache mit einer anderen Person mit der Tat beginnt, eine weitere Person aber nach Versuchsbeginn in die Tat „mit einsteigt“. Der einsteigende Mittäter leistet seinen Tatbeitrag also nicht im Vorbereitungsstadium der Tat, sondern zwangsläufig erst im weiteren Verlauf. Die sukzessive Mittäterschaft ist immer dann kein Problem, wenn der Tatbeitrag des Einsteigenden im Ausführungsstadium der Tat bis zur Vollendung geleistet wird. Umstritten ist die sukzessive Mittäterschaft in Parallele zur sukzessiven Beihilfe aber immer dann, wenn der Tatbeitrag des Mittäters nach Vollendung, aber vor Beendigung erbracht wird. Der nachfolgende Meinungsstreit um die sukzessive Mittäterschaft weist argumentative Überschneidungen mit dem Problem der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme auf und sollte als Ergänzung dieses Streits betrachtet werden.

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Merke

Die problematische Form der sukzessiven Mittäterschaft kommt also nur bei solchen Delikten in Betracht, bei denen Vollendung und Beendigung auseinanderfallen. Insbesondere sind hier der Diebstahl und der Raub zu beachten, die beide mit der erfolgreichen Wegnahme (Gewahrsamsbruch) vollendet, aber erst mit der Sicherung der Beute (Gewahrsamssicherung) beendet sind.

Problem

Sukzessive Mittäterschaft nach Vollendung

  • Die Rechtsprechung bejaht die Möglichkeit der sukzessiven Mittäterschaft auch nach Vollendung der Tat. Sie argumentiert, dass auch nach Vollendung noch derart gewichtige und die Tat fördernde Tatbeiträge durch einen anderen geleistet werden können, dass diese für die Feststellung eines animus auctoris (Täterwillen) ausreichen können.

  • Die herrschende Literatur hingegen will eine sukzessive Mittäterschaft nach Vollendung als unmöglich ansehen. Das maßgebende Unrecht der Tat geschieht vor Vollendung der Tat, sodass eine objektive Tatherrschaft schon nicht möglich ist. Der Beteiligte sei nicht mehr in der Lage, die Tat funktional zu beherrschen.

Beispiel

A beschließt, bei O einzubrechen. Er schreitet zur Tat und entwendet mehrere wertvolle Gemälde aus dem Haus des O. Als A die Gemälde schließlich aus dem Haus transportiert hat, bemerkt er, dass er ohne Hilfe nicht weit kommen wird und ruft B zu Hilfe. B erfasst das bereits Geschehene vollständig und erklärt sich zum endgültigen Abtransport der Gemälde bereit, wenn er dafür die Hälfte des Erlöses erhält. A willigt ein.

In diesem Beispiel wird das Problem um die Mittäterschaft klar. Nach der Rechtsprechung ist die sukzessive Mittäterschaft möglich, wenn die Indizien für einen vorhandenen Täterwillen nur stark genug sind. Im vorliegenden Fall nimmt B eine wichtige (aber nicht tatbeherrschende!) Stellung ein, weil nur durch seine Hilfe die Beute gesichert und die Tat beendet werden kann. Außerdem erhält er die Hälfte des Erlöses vom Verkauf der Beute, sodass er auch im Nachhinein ein großes Interesse am Gelingen der Tat hat. Außerdem handelt er in Kenntnis des von A bereits weitgehend umgesetzten Tatplans und billigt diesen. Nach der Rechtsprechung wird in diesem Fall also eine (sukzessive) Mittäterschaft des B nach § 25 II StGB bejaht.

Nach der Tatherrschaftslehre hingegen ist B nur als Gehilfe zu bestrafen, da er die Tat mangels Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium (Planung und Organisation) bzw. Ausführungsstadium nicht funktional beherrschen konnte.

d) Zurechnung bei Unterlassen

Liegt ein Fall vor, in dem es sich nicht um ein arbeitsteiliges Zusammenwirken durch Unterlassen geht (dann gemeinsame Prüfung, siehe oben), sondern nur der Mittäter (Beteiligte) durch Unterlassen handelt und der Tatbeitrag des Tatnächsten ein aktives Handeln darstellt, verwirklicht letzteres schon für sich betrachtet den Tatbestand. Dann stellt sich aber die Frage, ob eine Unterlassungstäterschaft als Mittäterschaft neben einem Aktivtäter überhaupt möglich ist.

Um dies zu entscheiden, muss der Streit um die Abgrenzung von Beihilfe durch Unterlassen und mittäterschaftlichem Unterlassen geführt werden. Um diesen komplexen Prüfungsaufbau in Klausurfällen, in denen es um ein gemeinschaftliches Handeln eines Aktiv- und eines Unterlassungstäters geht, möglichst konsequent aufzubauen, empfiehlt sich folgendes Vorgehen:

Merke

Vorgehensweise bei der Mittäterschaft zwischen einem Aktiv- und einem Unterlassungstäter

  1. Prüfung des Aktivtäters als Einzeltäter

    • Der Aktivtäter, der den Tatbestand bereits durch sein aktives Tun vollständig verwirklicht, wird zunächst als Einzeltäter geprüft.

  2. Prüfung der Beihilfe durch Unterlassen des Unterlassungstäters

    • Erster Schritt: Verweis auf die bereits geprüfte Tat des Aktivtäters.

    • Zweiter Schritt: Im Prüfungspunkt „Hilfeleisten“ wird untersucht, ob das Unterlassen des Unterlassungstäters eine Förderung der Tat des Aktivtäters darstellt.

      • Hier wird der Streit um die Abgrenzung zwischen Beihilfe durch Unterlassen und mittäterschaftlichem Unterlassen geführt.

      • Ergebnis: Die Beihilfe wird abgelehnt, da das Unterlassen des Beteiligten den Anforderungen an einen täterschaftlichen Tatbeitrag genügt.

  3. Prüfung der Mittäterschaft des Unterlassungstäters

    • Prüfungspunkt „Zurechnung nach § 25 II StGB“: Verweis auf den zuvor geführten Meinungsstreit in der Beihilfeprüfung und Feststellung eines täterschaftlichen Unterlassens.

    • Zwischenergebnis: Eine Zurechnung der Tathandlung des Aktivtäters zum unterlassenden Mittäter erfolgt.

  4. Prüfung des gemeinsamen Tatplans

    • Letzter Schritt: Der gemeinsame Tatplan wird als abschließende Grundlage für das gemeinschaftliche Zusammenwirken geprüft, womit die Prüfung des objektiven Tatbestands der Mittäterschaft abgeschlossen wird.

Vernetztes Lernen

Den Streit um die Abgrenzung von Beihilfe durch Unterlassen und mittäterschaftlichem Unterlassen kannst du dir in diesem Artikel durchlesen.

e) Gemeinsamer Tatplan

Der gemeinsame Tatplan hat in der getrennten Prüfung eine besondere Bedeutung, weil hierdurch die Gemeinschaftlichkeit der Tatbegehung maßgeblich begründet wird. Denn anders als beim arbeitsteiligen Zusammenwirken (siehe oben gemeinsame Prüfung), bei welchem der Tatbestand nur gemeinsam verwirklicht werden kann, verwirklicht der Tatnächste den Tatbestand eigenständig voll. Der Tatplan dient also hier noch weitergehend dazu, die Mittäterschaft zu begründen.

Grundsätzlich gelten die bereits im Rahmen der gemeinsamen Prüfung angesprochenen Ausführungen auch hier. Einzig zu beachten ist im Rahmen der getrennten Prüfung nur der Ausstieg des Mittäters vor Versuchsbeginn. Gemeint sind Fälle, in denen sich ein Mittäter noch vor Versuchsbeginn von der Tat lossagt, sich also vom gemeinsamen Tatplan distanziert. Die Tat wird dann aber durch den tatnächsten Mittäter wie ursprünglich geplant ausgeführt. Es kann sich beim Tatbeitrag des sich lossagenden Mittäters in diesen Fällen konsequenterweise also nur um eine Mitwirkungshandlung im Vorbereitungsstadium handeln.

Problem

Ausstieg des Mittäters vor Versuchsbeginn

  • Rechtsprechung: Der BGH vertritt die Auffassung, dass ein Mittäter, der sich im Vorbereitungsstadium von der Tat lossagt, dennoch für die Tatvollendung verantwortlich bleibt, sofern sein Tatbeitrag weiterhin kausal für die Tat ist. Wichtig ist dabei, dass der Tatbeitrag stark genug ist, die Zurechnung nach § 25 II StGB zu begründen und bis in die Tatbestandsverwirklichung durch den tatnächsten Mittäter fortwirkt. Ein Rücktritt nach § 24 Abs. 2 StGB ist nur möglich, wenn der Mittäter seinen Tatbeitrag neutralisiert oder die Tatvollendung anderweitig verhindert. Dies bedeutet, dass eine bloße Lossagung nicht ausreicht; es bedarf aktiver Maßnahmen zur Verhinderung der Tat.

  • Herrschende Literatur: Ein Großteil der Literatur lehnt die Ansicht des BGH ab. Hier wird argumentiert, dass die Mittäterschaft auf einem gemeinsamen Tatplan basiert, der zum Zeitpunkt der Tatausführung bestehen muss. Wenn sich ein Mittäter vor Versuchsbeginn lossagt, entfällt dieser gemeinsame Tatplan, sodass eine täterschaftliche Verantwortlichkeit nicht mehr gegeben ist. Allerdings wird teilweise gefordert, dass die Lossagung den anderen Beteiligten mitgeteilt wird, um wirksam zu sein.

Merke

Die Prüfung des objektiven Tatbestands der Mittäterschaft ist nach der Darstellung des gemeinsamen Tatplans abgeschlossen. Eine Prüfung der Kausalität oder der objektiven Zurechnung braucht es bei der getrennten Prüfung der Mittäterschaft nicht, weil diese Voraussetzungen in der vorhergehenden Prüfung des Tatnächsten als Einzeltäters bereits beleuchtet wurden. Indem die kausale und objektiv zurechenbare Tathandlung des Tatnächsten dem Mittäter über § 25 II StGB bereits zugerechnet wurde, ist auch er kausal und objektiv zurechenbar für den Taterfolg verantwortlich.

3. Subjektiver Tatbestand

Auch in der getrennten Prüfung muss der Mittäter nicht nur Vorsatz hinsichtlich seines eigenen Tatbeitrags aufweisen, sondern auch in Bezug auf die Tathandlung des Tatnächsten. Verwirklicht der Tatnächste den Tatbestand schon durch seine Handlung voll, kann es zu Problemen kommen, die im Vorsatz behandelt werden müssen.

a) Mittäterexzess

Der Mittäterexzess kann ebenso wie in der gemeinsamen Prüfung Probleme bereiten.

Beispiel

A und B beschließen, die D-Bank auszurauben. B plant die Tat minutiös. Während A die Bank ausrauben soll, soll B in einem Fluchtwagen vor der Tür warten. Beide sind sich aber einig, dass niemand zu Schaden kommen soll. Bei der von A mitgeführten Scheinwaffe handelt es sich in Wahrheit entgegen den Vorstellungen des B um eine echte Waffe. Während des Raubes entscheidet sich A dazu, Wachmann W zu erschießen.

Dieses Beispiel zeigt recht gut, dass ein Mittäterexzess auch vorkommen kann, wenn der Tatnächste (A) den Tatbestand eigenständig voll verwirklicht und dies dem Mittäter (B) zugerechnet werden muss. Es gelten auch in diesem Fall die oben aufgeführten Ausführungen.

b) Auswirkungen des error in persona auf den Mittäter

Im Vorsatz des Mittäters kann es ebenfalls problematisch werden, wenn sich der ausführende oder tatnächste Mittäter irrt. Fraglich ist vor allem, wie sich ein error in persona des tatnächsten Mittäters auf den anderen Mittäter auswirkt. Zu unterscheiden ist dabei, ob ein Dritter oder ein Mittäter selbst vom error in persona betroffen ist.

aa) Dritter betroffen

Beispiel

A und B wollen den von ihnen gehassten O töten. Sie planen, den O abends auf einem einsamen Waldweg aus einem Gebüsch heraus zu erschießen. A und B gehen sicher davon aus, dass der O wie jeden Abend seinen Waldspaziergang macht und um 19:30 Uhr an dem Gebüsch vorbeikommt. A soll die Tat ausführen, während B etwas weiter entfernt in einem Fluchtfahrzeug wartet. Anders als erwartet kommt um 19:30 Uhr nicht O sondern der U vorbei, der dem O aber in der Dämmerung sehr ähnlich ist. A erschießt U.

Problem

Auswirkungen des error in persona auf den Mittäter bei Drittbetroffenheit

  • Eine Ansicht geht davon aus, dass der error in persona für den Mittäter immer beachtlich ist, insofern das Tatobjekt konkretisiert wurde. Dem Mittäter fehlt es somit am Vorsatz hinsichtlich des tatsächlich getroffenen Tatobjekts, sodass eine Exzesshandlung des Tatnächsten vorliegt. Der Tatnächste kann daher nur nach dem ursprünglichen Tatplan wegen mittäterschaftlichen Versuchs bestraft werden.

  • Die herrschende Meinung hingegen sieht den error in persona für den Mittäter in der Regel als unbeachtlich an. Denn regelmäßig wird das geplante tatbestandliche Unrecht wie geplant ausgeführt (etwa Tötung eines Menschen, an einem Ort, zu einer bestimmten Zeit), sodass auch eine Verwechselung im vorhersehbaren Risiko des Tatplans liegt.

Im obigen Beispiel wäre B nach der ersten Ansicht nur wegen mittäterschaftlichen Versuchs strafbar, weil der error in persona nicht in seiner Person begründet liegt. Nach der herrschenden Meinung ist B hingegen als Mittäter an der Tötung des U zu bestrafen. Es wurde wie geplant ein Mensch am vereinbarten Ort und zur vereinbarten Zeit getötet. In der Dämmerung zur Tat zu schreiten, begründet das Risiko einer Verwechselung und liegt somit im vorhersehbaren Risiko des Tatplans.

bb) Sonderfall: Mittäter selbst ist betroffen

Beispiel

A und B planen, in einer Lagerhalle einzubrechen. Für den Fall, dass sie erwischt werden, fliehen müssen und verfolgt werden, vereinbaren sie, auf den Verfolger zu schießen. Dabei nehmen sie den Tod des Verfolgers billigend in Kauf, um zu entkommen. Als A und B zur Tat schreiten, hören sie ein Geräusch, das sie zur Flucht veranlasst. Beide rennen zunächst in getrennte Richtungen, dennoch kreuzen sich ihre Wege im Lagerhaus erneut. A rennt B hinterher. B denkt, er werde verfolgt und schießt auf A. Dieser wird getroffen und überlebt nur knapp. Ist auch A wegen versuchten Totschlags zu bestrafen?

Problem

Auswirkungen des error in persona auf den Mittäter bei Selbstbetroffenheit

  • Die herrschende Literatur geht davon aus, dass eine mittäterschaftliche Strafbarkeit ausgeschlossen ist, weil niemand Opfer und Täter der gleichen Tat sein kann.

  • Die Rechtsprechung hingegen meint, der error in persona sei dem getroffenen Mittäter zuzurechnen, sodass es sich um einen strafbaren untauglichen Versuch (untaugliches Tatobjekt) an sich selbst handele. Der gemeinsame Tatplan wurde eingehalten, weil aus Sicht des B auf den Verfolger absprachegemäß geschossen wurde.

Nach der herrschenden Literatur wäre A also nicht wegen versuchten, mittäterschaftlichen Totschlags strafbar. Nach dem BGH ist A gemäß § 212 I, 22, 23 I, III, 25 II StGB strafbar.

IV. Versuch und Mittäterschaft

Regelmäßig wird die Mittäterschaft auch mit dem Versuch kombiniert. Von einem mittäterschaftlichen Versuch spricht man, wenn die geplante gemeinschaftliche Tatbegehung im Versuchsstadium stecken bleibt.

Beispiel

A und B planen, O auszurauben. A soll O an der Haustür ablenken, während B durchs Fenster ins Haus steigt, um den Safe zu knacken. Als B im Arbeitszimmer den Safe erreicht, hört er Sirenen und flieht; A beendet daraufhin ebenfalls die Ablenkung und flieht.

Hier ist der mittäterschaftliche Wohnungseinbruchdiebstahl im Versuch stecken geblieben, sodass A und B jeweils gemäß §§ 242, 244 I Nr. 3, II, 22, 25 II StGB strafbar.

Vernetztes Lernen

Das Schema des Versuchs ist mit dem Schema (getrennter oder gemeinsamer Aufbau) der Mittäterschaft folglich zu verknüpfen. Die gemeinschaftliche Tatbegehung muss vollständig im Tatentschluss der Mittäter enthalten sein. Es gelten darüber hinaus die besonderen Anforderungen an den Rücktritt nach § 24 II StGB. Den Artikel zum Versuch kannst du dir hier, den Artikel zum modularen Arbeiten hier und den Artikel zum Rücktritt hier durchlesen.

V. Mittäterschaft und § 28 StGB

§ 28 StGB bereitet vielen Studierenden vor allem im Rahmen der Mittäterschaft Probleme. Generell ist § 28 StGB zu beachten, wenn ein Fall der Täterschaft und Teilnahme vorliegt.

Der § 28 StGB teilt sich in zwei Absätze auf: Während § 28 I StGB nur für die Teilnehmer (Anstifter oder Gehilfe) gilt, gilt § 28 II StGB sowohl für den Teilnehmer als auch für den Täter (Mittäter, mittelbaren Täter).

Grundsätzlich ist der § 28 StGB nur bei den sogenannten täterbezogenen Merkmalen anwendbar. Täterbezogene (oder besondere persönliche Merkmale) sind alle subjektiven oder objektiven Tatbestandsmerkmale, die den Aspekt der Höchstpersönlichkeit einer Tat ausmachen. Es gibt in vielen Straftatbeständen ein Tatbestandsmerkmal, das einen höchstpersönlichen Charakter aufweist und die Anwendung der allgemeinen Regeln der Zurechnung zum Beteiligten (§§ 26, 27 I, 25 I 2. Alt., 25 II StGB) als nicht befriedigend erscheinen lassen. Während die täterbezogenen Merkmale also besondere persönliche Merkmale im Sinne des § 28 StGB sind, ist § 28 StGB nicht auf tatbezogene Merkmale anzuwenden, also Tatbestandsmerkmale, die sich nicht durch einen höchstpersönlichen Charakter auszeichnen.

Der Begriff des besonderen persönlichen Merkmals im Sinne des § 28 StGB ist in § 14 I StGB legal definiert:

Zitat

§ 14 I StGB:

“(…) so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) (…).”

Unter besonderen persönlichen Merkmalen versteht man folglich alle besonderen persönlichen Eigenschaften des Täters, seine besonderen persönlichen Verhältnisse zu anderen Personen oder Institutionen sowie besondere persönliche Umstände, die seine Stellung oder Verantwortlichkeit beeinflussen.

Solche Merkmale beziehen sich schwerpunktmäßig auf den Täter und sind von den bereits erwähnten tatbezogenen Merkmalen zu unterscheiden, die die objektive Beschaffenheit der Tat betreffen. Sie können strafbegründend, strafschärfend oder strafmildernd wirken, je nachdem, wie sie im jeweiligen Straftatbestand normiert sind.

§ 28 I StGB behandelt die sogenannten strafbegründenden Merkmale, § 28 II StGB die strafmodifizierenden.

1. Strafbegründende besondere persönliche Merkmale (Absatz 1)

Strafbegründende (§ 28 I StGB) persönliche Merkmale sind nach heutiger Ansicht nur objektive Tatbestandsmerkmale, die erfüllt werden müssen, damit eine Strafbarkeit aus dem Grunddelikt überhaupt in Betracht kommt.

Beispiel

Strafbegründende besondere persönliche Merkmale sind solche Tatbestandsmerkmale, die eine objektiv feststellbare Eigenschaft, einen besonderen Umstand oder ein persönliches Verhältnis des Täters als notwendige Voraussetzung für die Strafbarkeit aus dem Grundtatbestand voraussetzen.

Beispiele:

  • Amtsträgereigenschaft in strafbegründend wirkender Weise, sogenannte echte Amtsdelikte (§ 331, 332, 336, 334, 345, 348StGB): Die Strafbarkeit setzt voraus, dass der Täter Amtsträger ist.

  • Vermögensbetreuungspflicht bei der Untreue (§ 266 StGB): Die Strafbarkeit erfordert, dass der Täter eine Vermögensbetreuungspflicht innehat.

Diese Merkmale sind täterbezogen und betreffen die Person des Täters, nicht das Tatgeschehen selbst. Die zahlreichen Bereicherungs- und Zueignungsabsichten (§§ 242 I, 263 I StGB) fallen nicht unter § 28 StGB, weil sie hingegen das Tatunrecht prägen. Sie betreffen jedoch nicht die Persönlichkeit oder besonderen Verhältnisse des Täters und sind somit keine besonderen persönlichen Merkmale.

§ 28 I StGB gilt nur für den Teilnehmer. Das liegt daran, dass besondere persönliche Merkmale durch den (Mit-)Täter eigenständig verwirklicht werden müssen, damit eine Täterschaft überhaupt in Frage kommt. Fehlt ein besonderes persönliches Merkmal beim Beteiligten, kommt nur die (schwächere) Teilnahme etwa in Form der Beihilfe (§ 27 I StGB) in Betracht. Im Rahmen der Teilnahme ist für strafbegründende besondere persönliche Merkmale dann wiederum § 28 I StGB und die damit verbundene obligatorische Strafmilderung zu beachten. Das heißt: ohne Vorliegen des besonderen persönlichen Merkmals beim Beteiligten keine Täterschaft, allenfalls kommt eine Teilnahme in Betracht.

Kurz und knapp bedeutet das:

  • Fehlen strafbegründende besondere persönliche Merkmale beim potenziellen Mittäter oder mittelbaren Täter (etwa die Garantenstellung), scheitert bereits eine täterschaftliche Beteiligung, sodass auch die obligatorische Strafmilderung des § 28 I StGB keine Anwendung findet.

  • Fehlen strafbegründende besondere persönliche Merkmale beim Anstifter oder Gehilfen, können ihm diese nicht uneingeschränkt über § 26 StGB bzw. § 27 I StGB zur Last gelegt werden. Vielmehr muss die Strafrahmenverschiebung nach § 28 I StGB und damit die obligatorische Strafmilderung beachtet werden.

Merke

Für Gehilfen kann das bedeuten, dass die Strafe aufgrund zweier obligatorischer Strafmilderungsvorschriften gemildert wird (§ 27 II und § 28 I StGB), wenn es sich um eine Beihilfe zu einer Straftat handelt, die ein strafbegründendes besonderes persönliches Merkmal voraussetzt und dieses beim Gehilfen jedoch fehlt. Der Anstifter wird gemäß § 26 StGB gleich dem Täter bestraft, wobei unter den gleichen Voraussetzungen nur die obligatorische Strafmilderung aus § 28 I StGB in Betracht kommt. Näheres hierzu in den Artikeln Anstiftung und Beihilfe.

2. Strafmodifizierende besondere persönliche Merkmale (Absatz 2)

Strafmodifizierende (§ 28 II StGB) besondere persönliche Merkmale zeichnen sich dadurch aus, dass sie zwar nicht für eine Strafbarkeit aus dem Grundtatbestand relevant sind, sie aber die Strafbarkeit modifizieren. Modifikation meint hier, dass das Fehlen von besonderen persönlichen Merkmalen die Strafe schärfen, mildern oder ausschließen kann.

Wichtige strafschärfende persönliche Merkmale:

  • Amtsträgereigenschaft in strafschärfend wirkender Weise, sog. unechte Amtsdelikte (§ 223 zu § 340; § 120 Abs. 1 zu § 120 Abs. 2; § 133 Abs. 1 zu § 133 Abs. 3 StGB). Diese Delikte können grundsätzlich von jedermann verwirklicht werden, lediglich die Qualifikation ist abhängig von der Amtsträgereigenschaft.

  • Mordmerkmale der 1. und 3. Gruppe sind als täterspezifische Motive besondere persönliche Umstände im Sinne des § 28 StGB i.V.m. § 14 I StGB. Umstritten ist jedoch, ob sie strafschärfend oder strafbegründend wirken. Folgt man der herrschenden Lehre, zählen sie zu den wichtigsten und in Strafrechtsklausuren am meisten frequentierten strafschärfenden besonderen persönlichen Merkmalen im Sinne § 28 II StGB. Mehr zum Streit rund um die Mordmerkmale findest du hier.

Wichtige strafmildernde persönliche Merkmale:

  • Schwangerschaftseigenschaft im Rahmen des § 218 III StGB

  • Motivierung durch das ernsthafte Tötungsverlangen im Rahmen des § 216 I StGB

Wichtige strafausschließende persönliche Merkmale:

  • Rücktritt nach § 24 StGB

  • Angehörigeneigenschaft nach § 258 VI StGB

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten