I. Einleitung
Wie auch das Kauf- oder das Werkvertragsrecht kennt auch das Mietrecht den Begriff des Mangels. Dieser steht im Zentrum der Prüfung von Leistungsstörungen, die nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Klausur oft relevant werden - was angesichts des langfristigen Dauerschuldcharakters von Mietverträgen nicht überrascht.
II. Mangelbegriff

1. Sachmangel (§ 536 I BGB)
Definition
Ein Sachmangel ist die subjektive Abweichung der Ist- von der vertraglich geschuldeten Soll-Beschaffenheit.
Das setzt gemäß § 536 I BGB voraus, dass die Tauglichkeit der Sache zum vertragsmäßigen Gebrauch aufgehoben oder nicht unerheblich gemindert ist (§ 536 I 3 BGB).
Unerheblich ist ein Mangel, wenn er
kurzfristig
mit geringen Kosten beseitigt werden kann
oder den Mieter nur unwesentlich beeinträchtigt.
Merke
Der Mangel kann sich auch aus der Beziehung der Sache zur Umwelt ergeben. Der Vermieter von Gewerbemieträumen hat etwa die vertragliche Pflicht zum Konkurrenzschutz. Besteht dennoch eine unzulässige Konkurrenzsituation, liegt hierin ein Mangel.
2. Fehlen einer zugesicherten Eigenschaft (§ 536 II BGB)
Definition
Eine Eigenschaftssicherung liegt vor, wenn man aus der Erklärung des Vermieters schließen kann, dass dieser für alle Folgen, die sich aus der nicht vorhandenen Eigenschaft ergeben, auch einstehen möchte, er das Vorhandensein der Eigenschaft also garantieren will.
Wird eine Eigenschaft zugesichert, liegt auch in einer unerheblichen Abweichung ein Mangel.
Merke
Dies ergibt sich daraus, dass dies eine Ausnahme ist, die in § 536 I 3 BGB geregelt ist. Mangels Normbezug gilt diese Regelung nicht für die Zusicherung von Eigenschaften.
Die Zusicherung einer Eigenschaft ist von der bloßen Angabe einer konkreten Beschaffenheit abzugrenzen. Die Zusicherung stellt eine Garantie im Sinne des § 276 I 1 BGB dar und begründet anders als die Beschaffenheitsangabe eine verschuldensunabhängige Haftung.
Merke
Merke: Testfrage: Will der Vermieter bei Fehlen der Eigenschaft verschuldensunabhängig auf Schadensersatz haften?
3. Rechtsmängel (§ 536 III BGB)
Definition
Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache durch das Recht eines Dritten ganz oder teilweise entzogen wird.
Beispiel
Doppelvermietung
III. Mängelrechte
Die im Mietrecht zur Verfügung stehenden Mängelrechte dürften dir aus anderen Rechtsgebieten bekannt vorkommen.

Zu beachten ist, dass bevor diese greifen, zunächst der Primärleistungsanspruch auf Mängelbeseitigung direkt aus dem Erhaltungsanspruch aus § 535 I 2 BGB besteht. Erst wenn dieser nicht erfüllt wird, ist auf die Mängelrechte aus §§ 536 ff. BGB zuzugreifen.
Klausurtipp
Wenn ein Anspruch aus den §§ 536 ff. BGB bejaht wird, besteht - sofern dieser Anspruch nicht erfüllt wird - ein Zurückbehaltungsrecht des Mieters hinsichtlich der Miete gemäß § 320 BGB.
1. Mietminderung (§ 536a BGB)
Mietminderung bedeutet, dass der Mieter nur einen geringeren Mietzins zahlen muss. Sie tritt anders als im Kaufrecht kraft Gesetz ein - sie ist kein Gestaltungsrecht, das zunächst geltend gemacht werden muss. Die Minderung kann gemäß § 536 I 1 BGB bis auf null gehen, wenn die Tauglichkeit der Mietsache vollständig aufgehoben ist - andernfalls findet eine anteilsmäßige Minderung statt (§ 536 I 2 BGB).
Merke
Während die konkrete Höhe der Minderung eine sehr praxisrelevante Frage ist, wird sie dir in der Klausur in der Regel nicht begegnen, da sie stark durch die Praxis und die Gegebenheiten der jeweiligen Mietsache geprägt ist.
Wurde die Miete dennoch gezahlt, kann der Mieter die überzahlte Geldmenge zurückverlangen. Dies erfolgt über das Bereicherungsrecht gemäß § 812 I 1 Fall 1 BGB.
2. Schadensersatz (§ 536a I BGB)
Neben der Mietminderung kann der Mieter auch einen Schadensersatzanspruch geltend machen.
Merke
Die Mietminderung ist allerdings anzurechnen - der Mieter kann nicht doppelt „kassieren“.
§ 536a I BGB regelt diesen Anspruch wegen eines Mietmangels und differenziert dabei zwischen verschiedenen Mangelarten:
Zitat
Ist ein Mangel im Sinne des § 536 BGB bei Vertragsschluss vorhanden oder entsteht ein solcher Mangel später wegen eines Umstands, den der Vermieter zu vertreten hat, oder kommt der Vermieter mit der Beseitigung eines Mangels in Verzug, so kann der Mieter unbeschadet der Rechte aus § 536 BGB Schadensersatz verlangen.
Dies zeigt:
Bei einem anfänglichen Mangel unterliegt der Vermieter einer verschuldensunabhängigen Garantiehaftung.
Bei einem nachträglichen Mangel unterliegt er einer Verschuldenshaftung.
Bei Verzug in Bezug auf die Mangelbeseitigung haftet er ebenfalls aufgrund seines Verschuldens.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 286 BGB an den § 536a I BGB, um dich an die für den Verzugseintritt relevante Norm zu erinnern. Zitiere dir außerdem den § 280 I 2 BGB, um dich an die auch hier geltende Vermutungsregelung hinsichtlich des Verschuldens zu erinnern.
Von dem Schadensersatzanspruch sind sowohl der Mangelschaden selbst als auch der Mangelfolgeschaden umfasst. Es sind also nicht nur etwa die Kosten der Mängelbeseitigung oder der Minderwert zu ersetzen, sondern auch etwaige Körperschäden des Mieters, Sachschäden außerhalb der Mietsache oder die Kosten für eine Ersatzsache.
Klausurtipp
Somit ist in der Klausur die Abgrenzung zwischen Schadensersatz statt und neben der Leistung entbehrlich.
3. Selbstvornahmerecht und Aufwendungsersatz (§ 536a II BGB)
Liegen die Voraussetzungen des § 536a II BGB vor, darf der Mieter den Mangel selbst beseitigen und Ersatz seiner dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen.
Vernetztes Lernen
Dies ähnelt der Regelung des Selbstvornahmerechts im Werkvertragsrecht.
Der Vermieter muss also mit der Vornahme der Beseitigung im Verzug sein oder „die umgehende Beseitigung des Mangels zur Erhaltung oder Wiederherstellung des Bestands der Mietsache notwendig“ sein.
Merke
Achtung: Nimmt der Mieter die Arbeiten vor, ohne dass die Voraussetzungen vorliegen, besteht kein Ersatzanspruch. Dies gilt auch für § 539 BGB, der in diesen Fällen nicht greift.
4. Kündigungsrecht (§ 543 I, II Nr. 1 BGB)
Der Mieter kann den Mietvertrag bei Vorliegen eines wichtigen Grundes fristlos kündigen (§ 543 I BGB). Ein solcher wichtiger Grund ist gemäß § 543 II Nr. 1 BGB bei Vorliegen eines Mangels gegeben. Voraussetzung ist aber, dass der Mieter den Vermieter abmahnt oder eine angemessene Frist erfolglos abläuft (§ 543 III 1 BGB).
Vernetztes Lernen
Beachte die Ähnlichkeit zum allgemeinen Rücktrittsrecht. Auch dort ist grundsätzlich eine Fristsetzung erforderlich. So wie in § 323 II BGB aber Fälle geregelt sind, in denen die Fristsetzung entbehrlich ist, ist dies auch der Fall in § 543 III 2 BGB.
IV. Haftungsausschluss
Die Mängelrechte des Mieters können auch ausgeschlossen sein, beziehungsweise vertraglich ausgeschlossen werden.

1. Gesetzlicher Haftungsausschluss
a) § 536b BGB
Gemäß § 536b BGB ist die Geltendmachung der Mängelrechte ausgeschlossen, wenn der Mieter den Mangel bei Vertragsschluss kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (§ 536b S. 1, S. 2 BGB). Im Fall der Kenntnis kann er ausnahmsweise jedoch trotzdem seine Rechte geltend machen, wenn er sich die Geltendmachung vorbehält (§ 536b S. 3 BGB).
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 277 BGB an den § 536b BGB, um dich an die Definition der groben Fahrlässigkeit zu erinnern.
Problem
Haftungsausschluss gemäß § 536b BGB analog durch Mietzahlung:
Teilweise wird vertreten, dass sich ein Mieter, der in Kenntnis eines Mangels dennoch die Miete zahlt, widersprüchlich verhält. Insofern ist es gerechtfertigt, § 536b BGB analog anzuwenden.
Die herrschende Meinung lehnt die analoge Anwendung ab, da es an einer planwidrigen Regelungslücke mangelt. Bloße Mietzahlung kommt einem ausdrücklichen Vorbehalt nicht gleich. Außerdem steht für solche Fälle das allgemein anerkannte Rechtsinstitut der Verwirkung zur Verfügung (§ 242 BGB), sodass es keines Rückgriffs auf eine Analogie bedarf.
b) § 536c II 2 BGB
Wenn der Mieter bei Vorliegen eines Mangels seiner Anzeigepflicht aus § 536c I BGB nicht nachkommt, kann er seine Mängelrechte gemäß § 536 II 2 BGB nicht geltend machen, wenn der Mieter infolge der Nichtanzeige nicht in der Lage war, die Mängel zu beseitigen.
Merke
Die gilt nicht absolut, denn die Norm benutzt den Begriff „soweit“. Dies bedeutet, dass nur für die Zeit, in der die Mangelbeseitigung nicht möglich war, die Mängelrechte ausgeschlossen sind. Sie können aber später wieder aufleben.
Der Ausschluss entfällt dann, wenn der Vermieter den Mangel kennt oder wenn die Mangelbeseitigung nicht möglich ist. Denn dann fehlt es an dem Kausalzusammenhang zwischen dem Unterlassen der Anzeige und der Nichtbehebung des Mangels.
2. Vertraglicher Haftungsausschluss
Grundsätzlich kann eine Haftung für Mängel im Rahmen der Privatautonomie auch vertraglich ausgeschlossen werden. Das Gesetz enthält aber einige Einschränkungen der Privatautonomie:
§§ 305 ff. BGB: Bei formularmäßig abgeschlossenen Mietverträgen muss ein Haftungsausschluss den Vorschriften des AGB-Rechts standhalten.
§ 536 IV BGB: Im Wohnraummietrecht kann nicht zulasten des Mieters von den gesetzlichen Mängelrechten abgewichen werden.
§ 536d BGB: Wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschweigt, kann er sich nicht auf den Haftungsausschluss berufen.
V. Konkurrenzen
Das mietrechtliche Mängelrecht besteht neben dem allgemeinen Teil des BGB sowie dem allgemeinen Schuldrecht. Fraglich ist jedoch, in welchen Fällen das speziellere Mietrecht die allgemeineren Regelungen verdrängt.
1. Anfechtung
Die Anfechtung wegen eines arglistigen Mangels (§ 123 BGB) ist immer möglich. Bei der Anfechtung aufgrund eines Eigenschaftsirrtums (§ 119 II BGB) ist dies umstritten.
Problem
Konkurrenz von §§ 536 ff. BGB und § 119 II BGB
Vor Überlassung der Mietsache ist unstrittig, dass eine Anfechtung möglich ist.
Nach Überlassung der Mietsache wird teilweise vertreten, dass durch eine Anwendung von § 119 II BGB gesetzliche Haftungsausschlüsse (siehe oben (§§ 536b, 536c II 2 BGB) umgangen werden würden. Die herrschende Meinung lässt eine Anfechtung aber zu. Anders als z. B. im Kaufrecht, wo eine lange Verjährungsfrist besteht, die durch Anwendung von § 119 II BGB umgangen werden würde, besteht eine vergleichbare Regelung im Mietrecht nicht.
2. Culpa in contrahendo (c.i.c.)
Die §§ 536 ff. BGB schließen die Anwendung der c.i.c. aus, wenn
sich die Pflichtverletzung auf einen Mangel bezieht und
die Mietsache dem Mieter bereits überlassen ist.
3. Deliktische Ansprüche (§§ 823 ff. BGB)
Zwischen den §§ 536 ff. BGB und den §§ 823 ff. BGB besteht Anspruchskonkurrenz - die verschiedenen Ansprüche können also unabhängig voneinander geltend gemacht werden.
Merke
Eine Besonderheit besteht jedoch im Rahmen des § 536c II BGB: Unterlässt der Mieter die Anzeige des Mangels, kann dies gegebenenfalls zu einem anzurechnenden Mitverschulden (§ 254 BGB) führen.