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Gefährdungshaftung

Haftung im Straßenverkehr

Teilgebiet

Deliktsrecht

Themen

Gefährdungshaftung, Verschuldenshaftung

Tags

Deliktsrecht
Schadensersatz
Gefährdungshaftung
Straßenverkehrsrecht
§ 7 StVG
§ 8 StVG
§ 9 StVG
§ 10 StVG
§ 11 StVG
§ 12 StVG
§ 13 StVG
§ 15 StVG
§ 18 StVG
§ 115 VVG
Gliederung
  • I. Grundsatz

  • II. Haftung des Kfz - Halters (§ 7 I StVG)

    • 1. Tatbestandsvoraussetzungen

      • a) Kfz - Halter

      • b) Verletzung eines geschützten Rechts oder Rechtsguts

      • c) Bei dem Betrieb eines Kfz

      • d) Keine höhere Gewalt (§ 7 II StVG)

      • e) Kein Ausschluss (§§ 7 III 1 Hs. 1, 8 StVG)

      • f) Kein vertraglicher Haftungsausschluss

    • 2. Rechtsfolge

      • a) Anspruchsumfang

      • b) Anspruchsminderung /-verlust 

  • III. Haftung des Fahrers (§ 18 StVG)

  • IV. Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers (§ 115 I Nr. 1 VVG)

  • V. Schadensabwicklung bei Kfz-Beschädigung

    • 1. Reparatur in Fachwerkstatt

    • 2. Keine Reparatur

    • 3. Eigene Reparatur

I. Grundsatz

Eine weitere Form der Gefährdungshaftung neben § 1 I 1 ProdHaftG und § 833 S. 1 BGB ist in §§ 7 I, 18 StVG vorgesehen. Diese Norm befasst sich mit der Haftung im Straßenverkehr. Unfälle im Straßenverkehr spielen nicht nur in der Praxis eine große Rolle, sondern sind auch als Fallgestaltungen in Examensklausuren beliebt. Dabei sind spezielle verkehrsrechtliche Anspruchsnormen und anderweitige Besonderheiten zu beachten.

II. Haftung des Kfz - Halters (§ 7 I StVG)

In § 7 I StVG wird eine Gefährdungshaftung des Kfz - Halters normiert.

Merke

Die Gefährdungshaftung zeichnet sich dadurch aus, dass unabhängig von einem Fehlverhalten / Verschulden gehaftet wird.

Die Voraussetzungen des § 7 I StVG werden üblicherweise in der folgenden Reihenfolge geprüft:

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1. Tatbestandsvoraussetzungen

a) Kfz - Halter

Passivlegitimiert ist der Kfz - Halter.

Definition

Halter ist, wer ein Kfz auf eigene Rechnung gebraucht, andauernd die tatsächliche Verfügungsgewalt besitzt und über die Nutzung des Fahrzeugs bestimmen kann.

Typischerweise ist der Eigentümer Halter. Es gibt aber auch "besondere" Konstellationen, wie ein Leasingverhältnis, in dem etwa der Leasingnehmer als Halter gilt. Der Leasingnehmer ist zwar nicht Eigentümer des Fahrzeugs, aber er ist derjenige, der tatsächlich über das Fahrzeug verfügt und dabei auf eigene Rechnung Leasingraten an den Leasinggeber zahlt. Anders ist dies beim Mieter eines Kfz, der das Auto nur für eine relativ kurze Zeit mit der Erlaubnis des Eigentümers im Besitz hat.

Merke

Bei der Beurteilung der Haltereigenschaft ist eine tatsächliche und wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich, unabhängig vom Besitz des Kfz-Briefs.

b) Verletzung eines geschützten Rechts oder Rechtsguts

§ 7 I StVG normiert eine Haftung für die Fälle, in denen ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt wird oder eine Sache beschädigt werden.

Dabei ist zu beachten, dass mit Sache im Sinne des § 7 I StVG nach überwiegender Ansicht nicht das Kfz selbst gemeint ist, da die dem BGB gegenüber schärfere Haftung gerade Dritte schützen soll und nicht etwa den vom Halter verschiedenen Eigentümer.

c) Bei dem Betrieb eines Kfz

Der Unfall muss sich bei dem Betrieb eines Kfz ereignet haben. Nach der herrschenden verkehrstechnischen Auffassung ist hierzu erforderlich, dass ein naher örtlicher und zeitlicher (innerer) Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung besteht.

Problem


Betrieb eines Kfz 

  • Nach der herrschenden verkehrstechnischen Auffassung ist hierzu erforderlich, dass ein naher örtlicher und zeitlicher (innerer) Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung im öffentlichen Verkehrsbereich besteht. Dies ist nicht nur bei Bewegung der Fall, sondern auch, wenn das Kfz in verkehrsbeeinflussender Art und Weise ruht.

  • Nach der maschinentechnischen Auffassung ist ein Kfz dann im Betrieb, sofern der Motor angeschaltet ist und es sich infolgedessen bewegt.


In der Klausur sollte der verkehrstechnischen Auffassung gefolgt werden. Zwar spricht der Wortlaut „bei dem Betrieb“ für die maschinentechnische Auffassung, jedoch spricht die Systematik des StVG, das auch den ruhenden Verkehr regelt, für die herrschende Meinung sowie der Sinn und Zweck da eine Gefahr auch von einem ruhenden Fahrzeug ausgehen kann, wenn es den Verkehr eben „beeinflusst“. Insoweit ist ausreichend, dass das Fahrzeug den fließenden Verkehr beeinflussen kann (keine Kollision erforderlich!). Dies wiederum ist auch dann der Fall, wenn das Fahrzeug nicht fährt, sondern in verkehrsbeeinflussender Art und Weise ruht. Daher befinden sich auch auf öffentlichen Parkplätzen, in Parkbuchten oder auf Parkstreifen (ordnungsgemäß) abgestellte Kfz oder Anhänger noch in Betrieb.

Merke: Ein Kfz ist in Betrieb, solange es den fließenden Verkehr beeinflussen kann. 

Die Rechts- oder Rechtsgutsverletzung im Sinne des § 7 I StVG muss auch "bei" dem Betrieb des Kfz erfolgen. Der Zurechnungszusammenhang zwischen Betrieb und Schaden erfordert die Verwirklichung einer spezifischen Betriebsgefahr. Eine Fahrzeugberührung ist hierfür jedoch nicht erforderlich. 

Beispiel


Jemand führt sein Kfz so, dass ein begegnendes Fahrzeug ausweichen muss und von der Fahrbahn abkommt.

Gegenbeispiel

Die infolge der Massentierhaltung zur Panik neigenden Tiere des Landwirts L verenden infolge des Lärms, der durch einen Verkehrsunfall erzeugt wurde.
Hier hat sich nicht die spezifische Betriebsgefahr der Kfz, sondern das durch die Massentierhaltung geschaffene Risiko verwirklicht.

d) Keine höhere Gewalt (§ 7 II StVG)

Gemäß § 7 II StVG ist die Ersatzpflicht nach § 7 I StVG ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wurde.

Definition

Höhere Gewalt ist ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist und auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und überdies nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist. Unter die höhere Gewalt im Sinne des § 7 II StVG fallen somit Ereignisse, die unvorhersehbar sind und nicht verhindert werden können. 

Die Beweislast für das Vorliegen höherer Gewalt trägt der Fahrzeughalter. Dies ergibt sich aus der Formulierung des § 7 II StVG: Die Ersatzpflicht ist nur ausgeschlossen wenn höhere Gewalt gegeben ist.

Beispiel

Blitzschlag, Terroranschlag

Gegenbeispiele

Ölspur auf der Straße, Kind läuft in ein Auto, Kfz-Beschaffenheit

e) Kein Ausschluss (§§ 7 III 1 Hs. 1, 8 StVG)

Die Haftung nach § 7 I StVG kann aber auch aus anderen Gründen als höherer Gewalt im Sinne des § 7 II StVG ausgeschlossen sein:

  • Nach § 7 III 1 Hs. 1 StVG ist dies der Fall, wenn das Kfz ohne Wissen und Willen des Fahrzeughalters benutzt wird. Der Schwarzfahrer haftet dann verschuldensunabhängig anstelle des Halters.

  • Auch § 8 StVG sieht weitere Ausnahmen von der Haftung vor.

f) Kein vertraglicher Haftungsausschluss

Der Anspruch aus § 7 I StVG kann überdies aufgrund eines vertraglichen Haftungsausschlusses ausgeschlossen sein. Bei solchen vertraglichen Regelungen ist jedoch die Regelung des § 8a StVG zu beachten, wonach ein vertraglicher Haftungsausschluss bei entgeltlicher, geschäftsmäßiger Personenbeförderung nicht möglich ist.

2. Rechtsfolge

a) Anspruchsumfang

Sind alle Voraussetzungen des § 7 I StVG erfüllt und liegt auch kein Haftungsausschluss vor, bestimmt sich der Umfang des Schadensersatzanspruchs nach §§ 10, 11, 13 StVG.

Merke

§§ 12, 12a StVG normieren Haftungshöchstbeträge.

b) Anspruchsminderung /-verlust 

Außerdem kann eine Anspruchsminderung oder ein Anspruchsverlust nach §§ 9, 17 II, 15 StVG vorliegen:

  • § 9 StVG bestimmt, dass bei einem Verschulden des Verletzten § 254 BGB anwendbar ist. Das bedeutet, dass der Schadensersatzanspruch des Geschädigten wegen Mitverschulden anteilig gekürzt werden kann. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass auch bei einem Mitverschulden des Geschädigten der Schädiger mindestens die (abstrakte) Betriebsgefahr seines Kfz in Höhe von 20% der Schadenssumme zu tragen hat.

Merke

Eine typische Konstellation im Straßenverkehr ist die Schädigung von Kindern. Ob diesen ein Mitverschulden zur Last gelegt werden kann, ist unter Berücksichtigung der Haftungsprivilegierung des § 828 BGB zu bestimmen.

  • § 15 StVG bestimmt, dass der Anspruch verwirkt werden kann, wenn der Unfall nicht innerhalb einer gewissen Zeit angezeigt wird.

  • § 17 I StVG ordnet an, dass bei einem Unfall zwischen zwei Kfz der Anspruch davon abhängt, inwiefern der Schaden vorwiegend von dem Verletzten oder dem Schädiger verursacht worden ist. Hierbei handelt es sich um eine spezielle straßenverkehrsrechtliche Mitverschuldensregelung. Nach § 17 II StVG gilt § 17 I StVG auch im Verhältnis mehrerer Fahrzeughalter zueinander. Es ist also eine Norm, die auf Ebene der Rechtsfolge eine Rolle spielt, denn sie bestimmt, - wie beispielsweise auch § 254 BGB und § 17 I StVG - dass die Anspruchshöhe abhängig davon ist, inwieweit der Schaden durch die jeweilige Person verursacht worden ist. Eine Haftung nach § 17 I, II StVG ist gemäß § 17 III StVG ausgeschlossen, wenn es sich um ein unanwendbares Ereignis handelt. 

Definition

Ein solches liegt vor, wenn selbst ein Idealfahrer bei Beachtung der äußerst möglichen Sorgfalt nicht in der Lage gewesen wäre, den Unfall zu vermeiden.

III. Haftung des Fahrers (§ 18 StVG)

§ 18 StVG regelt die Haftung des Kfz-Führers.

Definition

Der Fahrzeugführer ist diejenige Person, die ein Gerät zur Fortbewegung, also ein Fahrzeug (Fahrrad, Kfz etc.), bewusst lenkt oder steuert.

Die Norm hat abgesehen von der Passivlegitimation (Führer statt Halter) die gleichen Voraussetzungen wie § 7 I StVG mit einer wichtigen Ausnahme:

Bei § 18 StVG handelt es sich um eine Haftung für vermutetes Verschulden. Der Anspruch entsteht also nur, wenn dem Kfz-Führer ein Verschulden vorgeworfen kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass § 18 I 2 StVG eine Vermutung aufstellt, dass ein solches Verschulden vorliegt (Die Haftung ist ausgeschlossen "wenn... nicht" ein Verschulden eine Rolle gespielt hat). Somit ist also der Kfz-Führer beweispflichtig, dass kein Verschulden vorliegt.

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IV. Haftung des Kfz-Haftpflichtversicherers (§ 115 I Nr. 1 VVG)

Grundsätzlich sind alle Kfz-Halter zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung verpflichtet. Ein Anspruch, der sich gegen den Kfz-Halter richtet kann daher auch gegenüber dessen Versicherung geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus § 115 I 1 Nr. 1 VVG. Der Halter und die Versicherung haften dann als Gesamtschuldner gemäß § 421 BGB. In der Regel deckt der Haftpflichtversicherer den Schaden im Außenverhältnis ab. 

V. Schadensabwicklung bei Kfz-Beschädigung

Ist ein Anspruch zu bejahen und ein Schaden festgestellt worden, stellt sich die Frage, wie der Geschädigte den Schaden zu ersetzen hat. Dabei gibt es unterschiedliche Optionen, die zu unterschiedlichen Haftungshöhen führen (die Abgrenzung ist in Kfz-Fällen daher sehr relevant und regelmäßig vorzunehmen!):

1. Reparatur in Fachwerkstatt

Eine Reparatur ist bis zu einem Kostenaufwand in Höhe von 130 % des Wiederbeschaffungswerts erforderlich (sogenannter Integritätszuschlag). Das Integritätsinteresse ist jedoch darzulegen. Das heißt, dass der Integritätszuschlag nur gezahlt wird, wenn die Reparatur auch tatsächlich durchgeführt und das Auto im Anschluss mindestens 6 Monate genutzt wird. Nur dann kann nämlich angenommen werden, dass der Geschädigte tatsächlich ein besonderes Interesse an dem beschädigten Pkw hat. Wenn der Integritätszuschlag überschritten wird, besteht der Anspruch nur in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwands (Wiederbeschaffungswert abzüglich des Restwerts des Kfz), da keine "unnötig" teure Reparatur gefördert werden soll.

Merke

Wiederbeschaffungsaufwand = Wiederbeschaffungswert - Restwert des Kfz

2. Keine Reparatur

Wenn der Geschädigte das Kfz nicht repariert, wird ihm auch kein Integritätszuschlag zugesprochen. Maßgeblich ist dann der Wiederbeschaffungsaufwand, wenn nicht die fiktiven Reparaturkosten geringer sind. Wenn der Geschädigte den Pkw weiter nutzt, kann er die fiktiven Reparaturkosten sogar bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes geltend machen.

3. Eigene Reparatur

Hier gelten die gleichen Regelungen wie bei der Reparatur in einer Fachwerkstatt. Abgerechnet werden die fiktiven Werkstattkosten bis zu Integritätsgrenze.

Merke

Die Umsatzsteuer, die bei einer "offiziellen" Reparatur anfallen würde, wird nicht ersetzt, da sie ja bei einer privaten Reparatur auch nicht entsteht. Sie wird aber für den Vergleich der Werkstattkosten zu dem Wiederbeschaffungswert einbezogen, da sie bei der Wiederbeschaffung des Kfz anfallen würde.

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