I. Einführung
Unmöglichkeit heißt, dass eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung nicht erbracht werden kann. Die Unmöglichkeit ist in § 275 I, 311a BGB geregelt.
Merke
§ 275 II BGB enthält keine Regelung zur „Unmöglichkeit“, sondern regelt eine Fallgruppe der Leistungserschwerung. Auch wenn die Fallgruppen des § 275 II BGB regelmäßig als Unmöglichkeit bezeichnet werden, ist die Leistungspflicht in diesen Fällen nicht unmöglich im rechtstechnischen Sinne.

Da also mindestens eine Partei etwas nicht bekommt, was ihr vertraglich zugesagt war, schließen sich hier viele praxis- und klausurrelevante Rechtsfragen an. Die Unmöglichkeitsnormen haben daher hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs eine große Überschneidung zu Regelungen des Schadensersatz- und Rücktrittsrechts und sollten daher gut beherrscht werden.
II. Unmöglichkeit (§§ 275 I, 311a I BGB)
1. Definition
Definition
Unmöglichkeit heißt, dass eine Pflicht endgültig nicht mehr erfüllt werden kann.
Dabei wird zwischen verschiedenen Arten der Unmöglichkeit unterschieden, abhängig davon, für wen die Leistungserbringung unmöglich ist:
Objektive Unmöglichkeit: Die Leistung kann von niemandem erbracht werden
Subjektive Unmöglichkeit: Die Leistung kann vom Schuldner nicht erbracht werden.
Außerdem kann die Unmöglichkeit auch in zeitlicher Hinsicht differenziert werden:
Anfängliche Unmöglichkeit: Die Leistung war schon bei Vertragsschluss unmöglich.
Nachträgliche Unmöglichkeit: Die Leistung wurde erst nach Vertragsschluss unmöglich.
2. Objektive Unmöglichkeit
a) Regelung
§ 275 I BGB enthält die Regelung zur objektiven Unmöglichkeit.
Klausurtipp
Lies den Absatz genau durch. § 275 I BGB regelt, dass der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen wird, wenn Unmöglichkeit vorliegt. Dies solltest du so auch in der Klausur beachten und nicht etwa schreiben „Der Gläubiger hat keinen Anspruch, weil die Leistung unmöglich ist“, sondern „Der Anspruch des Gläubigers ist aufgrund der Unmöglichkeit der Leistungserbringung durch den Schuldner ausgeschlossen“.
b) Eintritt der Unmöglichkeit
Im Rahmen des § 275 I BGB kann danach unterschieden werden, welche „Art“ der Schuld vorliegt und welchen „Zweck“ der Vertrag verfolgt. Abhängig davon sind unterschiedliche Anforderungen an die „Unmöglichkeit“ zu stellen.
aa) Geldschuld
Bei Geldschulden ist die Unmöglichkeit praktisch nicht denkbar.
Merke
Geld hat man zu haben. Grenzen sind dem allenfalls durch das Insolvenzrecht gesetzt.
bb) Gattungsschuld
aaa) Grundsatz
Gemäß § 243 I BGB liegt eine Gattungsschuld vor, wenn der Schuldner eine nur der Gattung nach bestimmte Sache schuldet. Er hat dann eine Sache von mittlerer Art und Güte zu leisten.
Unmöglichkeit liegt nur vor, wenn die entsprechende Gattung komplett untergegangen ist.
Beispiel
Die ganze Plantage einer speziellen Kaffeebohne wird bei einem Feuer zerstört.
bbb) Konkretisierung (§ 243 II BGB)
Eine Gattungsschuld kann sich jedoch auch zu einer Stückschuld „konkretisieren“ (§ 243 II BGB). Das heißt, dass sich die Leistungspflicht des Schuldners nicht mehr nur auf eine Sache mittlerer Art und Güte bezieht, sondern auf diese ganz konkrete Sache. Dafür ist erforderlich, dass der Schuldner das „zur Leistung einer solchen Sache seinerseits Erforderliche“ getan hat. Was dies ist, hängt davon ab, welche Art von Schuld vereinbart ist (z. B. Hol-, Bring- oder Schickschuld - mehr dazu findest du hier).
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 300 II BGB an den § 273 II BGB. Gemäß § 300 II BGB tritt Konkretisierung auch mit Eintritt des Gläubigerverzugs ein.
cc) Vorratsschuld
Bei der Vorratsschuld liegt Unmöglichkeit nur vor, wenn der Vorrat komplett untergegangen ist. Es können also noch weitere Exemplare des Produkts existieren, der Schuldner muss aber nicht mehr leisten.
Beispiel
Einem Elektronikhändler werden sämtliche Smartphones eines speziellen Herstellers geklaut. Weitere Modelle gibt es aber auch bei anderen Händlern sowie beim Hersteller.
Merke
Wenn der Vorrat teilweise untergegangen ist und verschiedene Gläubiger zu befriedigen sind, muss der Schuldner diese anteilsmäßig befriedigen (sogenannte Repartierung).
dd) Absolute Fixschuld
Wenn eine absolute Fixschuld vereinbart ist, tritt mit Zeitablauf Unmöglichkeit ein, wenn die Leistung nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erbracht wurde.

ee) Zweckstörung
Die Unmöglichkeit kann aber auch dann eintreten, wenn die Leistung zwar eigentlich erbracht werden kann, dies jedoch keinen Sinn mehr hat. In diesen Fällen tritt durch die Störung des Zwecks Unmöglichkeit ein.
aaa) Zweckerreichung
Definition
Zweckerreichung liegt vor, wenn der Leistungserfolg nicht mehr herbeigeführt werden kann, da er schon anderweitig eingetreten ist.
Beispiel
Die Pannenhilfe wird gerufen, um den Motor zum Laufen zu bringen; vor Eintreffen der Pannenhilfe springt der Motor wieder an.
bbb) Zweckfortfall
Definition
Zweckfortfall liegt vor, wenn das Objekt wegfällt, an dem die Leistung zu erbringen war.
Beispiel
Das liegengebliebene Auto verbrennt, bevor der Pannendienst auftaucht.
ccc) Zweckvereitelung
Definition
Bei der Zweckvereitelung kann die Leistung noch vorgenommen werden, sie wird aber sinnlos.
Beispiel
X ruft Y, um sein Kfz abzuschleppen, nicht jedoch, um es wieder in Gang zu setzen. Kurz bevor Y ankommt, springt der Motor an.
Achtung: In den Fällen der Zweckvereitelung tritt keine Unmöglichkeit ein, sondern vielmehr die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 II BGB). Mehr zu diesem Thema findest du hier.
3. Subjektive Unmöglichkeit
Subjektive Unmöglichkeit liegt vor, wenn die Leistung durch den Schuldner nicht erbracht werden kann, dies aber Dritten noch möglich wäre oder jedenfalls deren Hilfe erfordert.
Dabei ist wichtig, dass das Leistungshindernis unüberwindbar sein muss. Dafür wiederum ist erforderlich, dass der Dritte nicht auffindbar ist oder seine Mitwirkung definitiv verweigert.
Merke
Wäre das Hindernis überwindbar, dann wäre die Leistungserbringung durch den Schuldner schon begrifflich nicht „unmöglich“, sondern allenfalls mit Schwierigkeiten verbunden.
Die Hauptanwendungsfälle der subjektiven Unmöglichkeit sind der Diebstahl oder das sonstige Abhandenkommen des Leistungsobjekts. Daneben gibt es regelmäßig Fälle, in denen sich ein Dritter aufgrund persönlicher Gründe weigert, seinen zur Leistungserfüllung durch den Schuldner notwendigen Teil beizutragen.
Beispiel
(1) Schuldner S schuldet die Übereignung einer dem E abhanden gekommenen Sache. Hier kann der Eigentümer E die Verfügung des S nach § 185 II 1 Fall 1 BGB genehmigen. Solange E die Genehmigung nicht verweigert, ist S nur vorübergehend leistungsunfähig. Erst wenn E die Genehmigung verweigert, wird S die Leistung nachträglich unmöglich.
(2) S schuldet die Übergabe einer Sache, die ihm gehört und von D gestohlen wurde. Hier ist der aktuelle Besitzer nach § 985 BGB verpflichtet, die Sache an den Schuldner herauszugeben. Solange noch eine Chance besteht, den aktuellen Besitzer zu ermitteln, ist der Schuldner nur vorübergehend leistungsunfähig. Erst wenn die Realisierung des Anspruchs aus § 985 BGB definitiv ausgeschlossen ist, wird der Schuldner die Leistung nachträglich unmöglich.
4. Rechtsfolgen der Unmöglichkeit

a) Nachträgliche Unmöglichkeit
Gemäß § 275 I BGB ist der Anspruch auf die Leistung „ausgeschlossen“, wenn die Leistung unmöglich ist.
Merke
§ 275 I BGB regelt somit eine Einwendung.
Das heißt: Der Vertrag besteht, aber die Leistungspflicht erlischt. Außerdem erlangt der Gläubiger verschiedene Sekundäransprüche:
Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 I, III, 283 BGB)
Aufwendungsersatz: (§ 284 BG)
Herausgabe des stellvertretenden Commodus (§ 285 I BGB)
b) Anfängliche Unmöglichkeit
§ 311a I BGB regelt ergänzend zu § 275 I BGB, dass die anfängliche Unmöglichkeit der Wirksamkeit des Vertrages nicht entgegensteht.
Das heißt: Der Vertrag entsteht, aber die Leistungspflicht entsteht nicht. Außerdem erlangt der Gläubiger verschiedene Sekundäransprüche:
Schadensersatz statt der Leistung (§ 311a II BGB)
Aufwendungsersatz (§§ 311a II, 284 BGB)
Herausgabe des stellvertretenden Commodus (§ 285 I BGB)
III. Leistungserschwerung (§ 275 II BGB)
Zitat
Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
§ 275 II BGB regelt die (sogenannte) faktische (oder praktische) Unmöglichkeit, also den Fall, dass kein vernünftiger Gläubiger die Behebung des Leistungshindernisses erwarten kann und kein vernünftiger Schuldner den Versuch einer Leistungserbringung wagen würde.
1. Fallgruppen
Dabei ist zwischen unterschiedlichen Fallgruppen zu unterscheiden.
a) Wirtschaftliche Sinnlosigkeit
Die Leistung ist faktisch unmöglich, wenn es wirtschaftlich sinnlos wäre, sie zu erbringen.
Beispiel
V ist verpflichtet, einen Ring zu übereignen. Der Ring liegt unter dem Fundament eines Hauses. Er könnte durch Abbruch des Hauses zutage gefördert werden.
b) Unverhältnismäßige Anstrengung
Die Leistung ist auch dann unmöglich, wenn sie eine „unverhältnismäßige“ Anstrengung des Schuldners erfordert. Wann die Grenze der „Unverhältnismäßigkeit“ überschritten ist, hängt davon ab, welchen Aufwand man dem Schuldner aufbürdet, um die Leistung von einem Dritten zu erlangen/besorgen.
Beispiel
Der Schuldner könnte sich den geschuldeten Gegenstand zum doppelten Marktpreis von Dritten beschaffen.
Dies hängt von verschiedenen Faktoren ab:
aa) Leistungsinteresse des Gläubigers
Zunächst ist das Leistungsinteresse des Gläubigers zu berücksichtigen. Damit ist das Interesse des Gläubigers gemeint, die geschuldete Leistung in Natur zu erhalten. Zu berücksichtigen sind nicht nur seine wirtschaftlichen Interessen, sondern auch seine für den Schuldner erkennbaren ideellen Motive.
Beispiel
Der Käufer sammelt Erstausgaben. Das geschuldete Buch soll seine Sammlung vervollständigen.
bb) „Grobes Missverhältnis“ im Sinne des § 275 II BGB
Des Weiteren muss ein „grobes Missverhältnis“ vorliegen. Dies bezieht sich auf das Verhältnis von Leistungsinteresse des Gläubigers zu Leistungsaufwand des Schuldners.
Wann dies der Fall ist, muss von Fall zu Fall unter Berücksichtigung der beidseitigen Parteiinteressen wertend ermittelt werden. Aufwendungen sind mindestens bis zu der Höhe geschuldet, die als Schadensersatz statt der Leistung zu erbringen wäre.
c) Leistung belastet den Schuldner über die „Opfergrenze“ hinaus
Wenn kein „grobes Missverhältnis“ im Sinne des § 275 II BGB vorliegt, liegt auch keine faktische Unmöglichkeit vor. Wenn aber dennoch der Schuldner in einem Maße belastet wird, das die ihm über das vertraglich zugedachte und angenommene Risiko hinaus belastet, liegt gegebenenfalls ein Fall der Störung der Geschäftsgrundlage vor (§ 313 II BGB) - mehr dazu hier.
2. Rechtsfolgen der Leistungserschwerung gemäß § 275 II BGB
Der Leistungsanspruch des Gläubigers bleibt bestehen. Als „Minus“ zum Ausschluss des Anspruchs kann der Schuldner die Leistung verweigern.
Merke
Somit handelt es sich bei § 275 II BGB um eine (durch den Berechtigten geltend zu machende) Einrede, welche auf der dritten Ebene im Anspruchsaufbau zu prüfen ist.
Ist ihm am Entgelt gelegen oder will er schlicht vertragstreu sein, kann er die Leistung auch erbringen.
3. Abgrenzung zur wirtschaftlichen Unmöglichkeit
Die in § 275 II BGB geregelte faktische Unmöglichkeit ist in Klausuren oft von der wirtschaftlichen Unmöglichkeit abzugrenzen, die eine Fallgruppe der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB darstellt.
Beispiel
Bauer B einigt sich auf den Verkauf von Getreide für 3000 € mit K. Bei dem Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages, hat das Getreide einen Einkaufswert von 1000 €. Nach Abschluss des Kaufvertrages stellt sich heraus, dass sich durch die schlechte Ernte der Einkaufspreis auf 5000 € erhöht hat.
Diese Unterscheidung ist nicht leicht und erfordert eine genaue Betrachtung und Differenzierung der unterschiedlichen Interessen.

Wichtig ist hier:
Bei der faktischen Unmöglichkeit liegt ein grobes Missverhältnis von Leistungsinteresse des Gläubigers und dem für die Leistungserbringung erforderlichen Aufwand vor, indem der Aufwand des Schuldners anwächst, aber das Interesse des Gläubigers gleich bleibt. Maßgeblich ist also, ob der Aufwand des Schuldners für den Gläubiger von unverhältnismäßig geringem Nutzen ist. Unerheblich ist hierfür das Interesse des Schuldners an der Erfüllung des Vertrages.
Bei der wirtschaftlichen Unmöglichkeit gemäß § 313 BGB besteht eine Störung der Geschäftsgrundlage darin, dass wie bei § 275 II BGB der zu erbringende Aufwand durch den Schuldner ansteigt, aber gleichzeitig auch das Leistungsinteresse des Gläubigers wächst. Ein Missverhältnis besteht zwischen dem Schuldneraufwand und dem Schuldnerinteresse an der Gegenleistung.
IV. Leistungserschwerung aus immateriellen Gründen (§ 275 III BGB)
So wie auch § 275 II BGB regelt § 275 III BGB einen Fall der Leistungserschwerung, nicht der Unmöglichkeit. Dennoch wird diese Fallgruppe auch persönliche Unmöglichkeit genannt.
Beispiel
Ein Künstler tritt nicht auf, weil (1) ein naher Familienangehöriger im Sterben liegt, (2) der Vater wird / gerade geworden ist.
Ein ausländischer Arbeitnehmer erscheint nicht zur Arbeit, weil er seine Wehrpflicht erfüllen muss, deren Verletzung mit Todesstrafe geahndet wird.
Ein Drucker weigert sich, kriegsverherrlichende Schriften zu drucken,
V. Auswirkung der Unmöglichkeit auf die Gegenleistungspflicht
Oben haben wir bereits festgestellt, dass eine Geldschuld in der Regel nicht unmöglich werden kann - in Klausur und Praxis wird daher fast immer die charakteristische Leistung des jeweiligen Vertragstyps unmöglich sein (Übereignung einer Sache, Vermietung einer Wohnung, …). Was passiert aber dann mit der korrespondierenden Gegenleistungspflicht (oft eine Geldschuld)?
1. Grundsatz
a) Wegfall der Gegenleistungspflicht
§ 326 I 1 Hs. 1 BGB regelt insofern für den Grundsatz klar, dass wer gemäß § 275 BGB nicht zu leisten braucht, den Anspruch auf die Gegenleistung verliert. Für die Einreden gemäß § 275 II, III BGB gilt dies nur, wenn die Einrede auch erhoben wird.
Merke
Achtung: Leistung im Sinne des § 326 BGB ist die unmöglich gewordene Leistung. Schuldner und Gläubiger im Sinne der Norm sind Schuldner dieser Leistung. Die Begriffe beziehen sich also nicht auf die Gegenleistung, in Bezug auf welche die Rollen umgekehrt sind: Der Leistungsschuldner ist zugleich Gegenleistungsgläubiger und der Leistungsgläubiger ist zugleich Gegenleistungsschuldner.
Im Kontext des Wegfalls der Gegenleistungspflicht stellt sich aber die Frage, ob der Gläubiger dennoch leisten darf, auch wenn er nach § 326 1 1 Hs. 1 BGB nicht leisten muss.
Wenn der Gläubiger nicht mehr leisten muss, gibt es auch keine Schuld, die er durch seine Leistung erfüllen kann. Er kann aber, wenn die Unmöglichkeit durch den Schuldner zu vertreten ist, Schadensersatz nach der Surrogationsmethode verlangen. Das heißt, dass er
seine Gegenleistung (= Zahlung) vornimmt und
Wertersatz für die unmögliche Leistung gemäß § 251 BGB
fordern kann.
b) Teilweise Unmöglichkeit (§ 326 I 1 Hs. 2 BGB)
Wird die Leistung nur teilweise unmöglich, entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung nicht komplett, sondern entsprechend § 441 III BGB nur, soweit Unmöglichkeit vorliegt.
Merke
Dieser Fall ist nur denkbar, wenn die Leistung teilbar ist. Ist die Leistung für den Gläubiger nur vollständig von Interesse, liegt trotz teilweise möglicher Erfüllung Gesamtunmöglichkeit vor, da eine „Teilleistung“ eine Nichtleistung darstellt.
c) „Qualitative“ Unmöglichkeit
§ 326 I 2 BGB bestimmt, dass die Gegenleistung nicht entfällt, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist.
Merke
Dieser Satz bezieht sich damit insbesondere auf das Mängelrecht im Kauf- (§§ 434 ff. BGB) und Werkvertragsrecht (§§ 633 ff. BGB).
§ 326 I 2 BGB bezweckt, dem Gläubiger die Wahl zwischen allen in §§ 437, 634 BGB vorgesehenen Mängelrechten offenzuhalten, anstatt dass ihm die Unmöglichkeit der Leistung und der Wegfall des Gegenleistungsanspruchs als Rechtsfolge aufgedrängt wird. Insbesondere soll der Gläubiger selbst entscheiden, ob er
nach Rücktritt den Kaufpreis zurückverlangt (und die mangelhafte Ware zurückgibt),
den Kaufpreis nur mindert (und die mangelhafte Ware behält) oder
Schadensersatz statt der Leistung (§§ 280 I, III, 283 BGB) verlangt und ihn mit der geschuldeten Gegenleistung verrechnet.
2. Ausnahme: Aufrechterhaltung der Gegenleistungspflicht (§ 326 II BGB)
Die Regelfolge des § 326 I 1 BGB, dass die Gegenleistungspflicht (im Rahmen des Umfangs der Unmöglichkeit) wegfällt, gilt nicht ausnahmslos. Denn wenn es die „Schuld“ des Gläubigers ist, dass die Leistung unmöglich geworden ist, soll der Gläubiger nicht „profitieren“ indem auch er nicht mehr leisten muss.
a) § 326 II 1 Alt. 1 BGB: Verantwortlichkeit des Gläubigers
Alt. 1 betrifft den Fall, dass der Gläubiger „verantwortlich“ ist, das heißt, den Untergang zu vertreten hat.
Merke
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 276 BGB, um dich an die Prüfung des Vertretenmüssens zu erinnern.
Merke
Was es heißt, dass der Gläubiger „weit überwiegend“ verantwortlich ist im Sinne des § 326 II 1 BGB, ist gesetzlich nicht definiert. In der Rechtsprechung hat sich allerdings ein Richtwert von 80 % herausgebildet.
b) § 326 II 1 Alt. 2 BGB: Verzug des Gläubigers
Diese Ausnahme vom Wegfall der Gegenleistungspflicht ergibt sich daraus, dass mit Eintritt des Gläubigerverzugs der Schuldner nicht mehr darunter „leiden“ soll, dass der Gläubiger die Annahme verzögert und daraufhin die Leistung unmöglich wird.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 293 BGB an den § 326 II 1 Alt. 2 BGB, um dich an die normorientierte Prüfung des Gläubigerverzugs zu erinnern.
c) Anrechnungen auf die Gegenleistung nach § 326 II 2 BGB
Auch wenn der Schuldner den Anspruch auf die Gegenleistung gemäß § 326 II 1 BGB behält, muss er sich gewisse Dinge anrechnen lassen, wenn er davon profitiert, wegen § 275 BGB nicht mehr leisten zu müssen, aber gleichzeitig seinen Zahlungsanspruch behält. Dies ist der Fall, wenn er
sich Kosten aufgrund der Tatsache erspart, dass er nicht mehr leisten muss,
anderweitige Einnahmen durch seine Arbeitskraft erzielt oder
es böswillig unterlässt, anderweitige Einnahmen durch seine Arbeitskraft zu erzielen.
3. Geltendmachung des stellvertretenden commodum (§§ 326 III BGB)
Wenn der Gläubiger seinen Anspruch auf das stellvertretende commodum (§ 285 BGB) geltend macht, bleibt er zur Gegenleistung verpflichtet, soweit der Ersatz oder Ersatzanspruch den Wert der geschuldeten Leistung „deckt“ (§ 326 III 2 BGB).
Merke
Hintergrund dieser Regel ist, dass § 285 I BGB einen Anspruch auf den Ersatz oder Ersatzanspruch gibt, den der Schuldner aufgrund der Tatsache erhält, dass er nicht leisten muss. Wenn der Gläubiger aber diesen Ersatz erhält, ist er wirtschaftlich befriedigt - jedenfalls wenn der Ersatz nicht hinter dem Wert der eigentlichen Leistung zurückbleibt. Das heißt: Wenn das commodum x% des Wertes der Leistung entspricht, wird der Gläubiger in dieser Höhe befriedigt und schuldet nur noch 100-x% der Gegenleistung.
4. Rückforderung der Gegenleistung (§ 326 IV BGB)
Hat der Gläubiger die Gegenleistung schon erbracht, obwohl und soweit sie nicht geschuldet war, hat er einen Anspruch auf deren Rückgewähr nach §§ 346 f., und zwar ohne Rücktrittserklärung.
Merke
Der Rücktritt erfordert als Gestaltungsrecht grundsätzlich eine Erklärung. Hier wird aber nur auf die Rechtsfolge verwiesen, daher ist hier keine Erklärung erforderlich (sogenannter Rechtsfolgenverweis).
Teilweise ist aber der Anwendungsbereich dieses Absatzes umstritten.
Problem
Anwendbarkeit des § 326 IV BGB bei anfänglicher Unmöglichkeit
T.v.A.: § 326 IV BGB ist nur anwendbar, wenn die Gegenleistung vor Erlöschen des Anspruchs auf die Gegenleistung (also vor Eintritt der Unmöglichkeit erbracht wurde. Eine spätere Gegenleistung des Gläubigers ist eine „Leistung auf Nichtschuld“ und nach § 812 I 1 Fall 1 rückabzuwickeln.
H.M.: § 326 IV BGB ist stets anwendbar. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs ist durch das Gesetz nicht vorgesehen. Im Übrigen ist der § 346 BGB besser auf die Rückabwicklung fehlgeschlagener Verträge zugeschnitten.
5. Rücktrittsrecht (§ 326 V BGB)
§ 326 V BGB enthält ein Rücktrittsrecht des Gläubigers bei Unmöglichkeit der Leistung nach § 275 BGB. Mehr dazu findest du im Artikel zum Rücktrittsrecht.