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Zivilrecht

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Vertragliche & quasivertragliche Schuldverhältnisse

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Werkvertragsrecht

Grundlagen des Werkvertragsrechts

Teilgebiet

Vertragliche & quasivertragliche Schuldverhältnisse

Thema

Werkvertragsrecht

Tags

Werkvertrag
Sachmangel
Rechtsmangel
Abnahme
Leistungsgefahr
Gegenleistungsgefahr
Kündigung
Gefahrübergang
§ 631 BGB
§ 633 BGB
§ 640 BGB
§ 644 BGB
§ 632a BGB
§ 641 BGB
§ 634 BGB
§ 275 BGB
§ 447 BGB
§ 645 BGB
§ 650 BGB
§ 13 BGB
§ 14 BGB
§ 91 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

    • 1. Dienstvertrag, §§ 611 ff. BGB

    • 2. Kaufvertrag, §§ 433 ff. BGB

    • 3. Werklieferungsvertrag, § 650 BGB

    • 4. Geschäftsbesorgungsvertrag, §§ 675 ff. BGB

  • III. Pflichten im Werkvertrag

    • 1. Werkunternehmer

    • 2. Besteller

      • a) Werklohn

        • aa) Vereinbarung

          • aaa) Ausdrücklich

          • bbb) Fiktion einer konkludenten Einigung

          • ccc) Bestimmung der Vergütungshöhe

        • bb) Abschlagszahlungen (§ 632a BGB)

        • cc) Fälligkeit

      • b) Abnahme

        • aa) Durchführung der Abnahme

        • bb) Rechtsfolgen der Abnahme

      • c) Mitwirkungspflicht

  • IV. Gefahrübergang

    • 1. Leistungsgefahr

      • a) Grundsatz

      • b) Abgrenzung zur Gefahrtragung im Kaufrecht

      • c) Ausnahmen vom Grundsatz

        • aa) Unmöglichkeit (§ 275 I, II BGB)

        • bb) Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung (§ 635 III BGB)

        • cc) Annahmeverzug des Bestellers

        • dd) Versendung des Werkes (§ 644 II BGB i.V.m. § 447 BGB)

    • 2. Gegenleistungsgefahr

      • a) Grundsatz der Gegenleistungsgefahr (Vergütungsgefahr)

      • b) Ausnahmen vom Grundsatz

        • aa) Annahmeverzug (§ 644 I 2 BGB)

        • bb) Risiko des Bestellers durch zur Verfügung gestellte Materialien (§ 644 I 3 BGB)

        • cc) Versendung des Werkes (§ 644 II BGB i.V.m. § 447 BGB)

        • dd) Anspruch auf Teilvergütung (§ 645 BGB)

      • c) Besonderer Fall; Vollvergütung bei verschuldetem Untergang durch den Besteller

I. Einleitung

Das Werkvertragsrecht ist in den §§ 631 ff. BGB geregelt und ist ein sowohl praktisch als auch in der Klausur höchst relevanter Vertragstyp des Zivilrechts. Der Werkvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Besteller dem Werkunternehmer eine Vergütung in Form eines Werklohns zahlt, während der Werkunternehmer verpflichtet ist, ein bestimmtes Werk zu schaffen.

Beispiel

Herstellung eines Musikinstruments, Reinigung einer Wohnung, Reparatur eines Elektronikgeräts

Weitere im besonderen Schuldrecht explizit geregelte Vertragstypen sind etwa der Kaufvertrag, der Dienstleistungsvertrag, Werklieferungsvertrag oder der Geschäftsbesorgungsvertrag.

Beispiel

Bauarbeiten, Reparaturen, Gutachtenerstellung

II. Abgrenzung zu anderen Vertragstypen

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1. Dienstvertrag, §§ 611 ff. BGB

Beim Werkvertrag schuldet der Werkunternehmer dem Besteller einen Erfolg in Form der Herstellung eines bestimmten Werkes. Dieses hat er gemäß § 633 I BGB frei von Sach- und Rechtsmängeln dem Besteller zu erbringen. Beim Dienstvertrag gemäß §§ 611 ff. BGB schuldet der Dienstleistungspflichtige lediglich ein Bemühen für aber keinen Eintritt des Erfolges.

Beispiel

A und B schließen einen Dienstvertrag, indem B sich verpflichtet, A Nachhilfestunden in Mathematik zu erteilen. A und B vereinbaren, dass B wöchentlich einmal für zwei Stunden zu A kommt, um ihm beim Lernen zu helfen. A verpflichtet sich im Gegenzug, B für jede Nachhilfestunde einen bestimmten Honorarbetrag zu zahlen. 

2. Kaufvertrag, §§ 433 ff. BGB

Ein Kaufvertrag ermöglicht es dem Käufer, eine Sache oder ein Recht zu erwerben, während der Verkäufer Anspruch auf eine finanzielle Gegenleistung hat. Nach Zustandekommen des Kaufvertrags ist der Verkäufer verpflichtet, die vereinbarte Sache an den Käufer zu übereignen. Der Käufer wiederum muss den Kaufpreis zahlen und die Sache vom Verkäufer annehmen. Im Gegensatz zum Werkvertrag muss der Verkäufer die Sache nicht erst herstellen. Der Verkäufer veräußert bereits ein hergestelltes Produkt. Außerdem muss ´der Käufer nicht zwingend ein Unternehmer gemäß § 14 BGB sein, wie es § 633 I BGB vorschreibt.

Gesetzesverweis


Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 14 BGB an den § 633 I BGB, um dich daran zu erinnern, dass ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB nicht Werkunternehmer sein kann.

Beispiel

Kauf eines Laptops

3. Werklieferungsvertrag, § 650 BGB

Beim Werklieferungsvertrag handelt es sich um eine Mischung zwischen dem Werkvertrag und dem Kaufvertrag, d.h. Herstellung und Lieferung einer beweglichen Sache, § 650 S. 1 BGB. Der Werklieferungsvertrag umfasst somit nur bewegliche Sachen, während der Werkvertrag sich auf bewegliche und unbewegliche Sachen beziehen kann. Bei einem Werklieferungsvertrag finden gemäß § 650 I 1 BGB grundsätzlich die Regelungen des Kaufrechts nach §§ 433 ff. BGB Anwendung. Darüber hinaus treten die Vorschriften §§ 642, 643, 645, 648, 649 BGB neben die Vorschriften des Kaufrechts, wenn die Lieferung nicht vertretbare Sachen (§ 91 BGB) beinhaltet.

Gesetzesverweis

Soweit in deinem Bundesland zulässig, kannst du dir § 91 BGB neben § 650 I 3 BGB kommentieren, um die Legaldefinition für vertretbare/unvertretbare Sachen nicht zu vergessen.

Beispiel

Bestellung eines maßgefertigten Schreibtischs bei einem Schreiner

4. Geschäftsbesorgungsvertrag, §§ 675 ff. BGB

Der Geschäftsbesorgungsvertrag gemäß §§ 675 ff. BGB ist ein Vertrag, bei dem eine entgeltliche oder unentgeltliche Geschäftsbesorgung — die Wahrnehmung fremder Interessen — geschuldet wird. Ein charakteristischer Punkt ist, dass bei der Geschäftsbesorgung oft die Vertretung des Auftraggebers gegenüber Dritten umfasst ist. Beim Werkvertrag ist ein konkreter Erfolg geschuldet. Hingegen bezieht sich der Geschäftsbesorgungsvertrag nicht immer auf einen garantierten Erfolg, sondern auf eine sorgfältige Durchführung des Geschäfts im Interesse des Auftraggebers. Der Geschäftsbesorgungsvertrag richtet sich speziell auf wirtschaftliche oder rechtliche Aufgaben, bei denen die Wahrnehmung Interessen Dritter im Zentrum steht. Der Geschäftsbesorgungsvertrag kann sowohl werk- als auch dienstvertragliche Elemente enthalten. 

Beispiel

Verwaltung von Vermögen durch einen Steuerberater oder einen Finanzdienstleister

III. Pflichten im Werkvertrag

Die Leistungspflichten im Rahmen eines Werkvertrages sind in § 631 BGB geregelt.

1. Werkunternehmer

Der Werkunternehmer verpflichtet sich nach § 631 I BGB, ein bestimmtes Werk herzustellen sowie dem Besteller daran den Besitz zu verschaffen (§ 633 BGB).

Definition

Ein Werk ist das herzustellende Ergebnis einer Leistung, das auf einem konkreten Erfolg beruht. Der Werkunternehmer schuldet nicht nur die Tätigkeit, sondern das Erreichen des vereinbarten Erfolges.

Dabei schuldet der Werkunternehmer dem Besteller einen Erfolg, der frei von Sach- und Rechtsmängeln ist, § 633 I BGB. Der Erfolg kann hierbei entweder in der Veränderung einer Sache oder einem durch eine Arbeitsleistung herbeigeführten Ergebnis bestehen. Darüber hinaus gibt es spezielle Formen des Werkvertrages, die spezielle Regelungen zu verschiedenen Werksarten darstellen, z. B. den Bauvertrag nach §§ 650a ff. BGB, Verbraucherbauvertrag nach §§ 650i ff. BGB und den Reisevertrag nach §§ 651a ff. BGB. Diese speziellen Formen des Werkvertrages unterliegen besonderen Regelungen, die den spezifischen Konstellationen gerecht werden.

Merke

Diese Regelungen solltest du in der Klausur genau lesen und untersuchen, inwiefern hier abweichende Regelungen zu dem allgemeinen Werkvertragsrecht getroffen werden.

2. Besteller

a) Werklohn

aa) Vereinbarung
aaa) Ausdrücklich

Der Besteller ist gemäß § 631 I BGB verpflichtet, die vereinbarte Vergütung in Form eines Werklohns an den Werkunternehmer zu zahlen, wenn eine solche Vergütung vereinbart wurde. 

Der Werklohn ist die zentrale Gegenleistung des Bestellers für die erbrachte Werkleistung des Werkunternehmers und berechnet sich in der Regel nach einem vereinbarten Maßstab wie dem Aufmaß, Materialaufwand, Zeitaufwand. Er kann aber auch als Pauschalpreis vereinbart werden, sodass er unabhängig von einem höheren Aufwand fixiert bleibt.

bbb) Fiktion einer konkludenten Einigung

Wenn der Werkunternehmer und der Besteller vorab nicht ausdrücklich eine Vergütung vereinbart haben, so greift §§ 631 I, 632 I BGB. Danach gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die erbrachte Werkleistung üblicherweise nur gegen Entgelt erbracht wird.

ccc) Bestimmung der Vergütungshöhe

Sofern die Höhe der Vergütung nicht vereinbart wurde, steht dem Unternehmer die „taxmäßige“ oder übliche Vergütung zu.

Klausurtipp

In diesem Fall trifft den Unternehmer die Beweispflicht, dass eine (geringere) Vergütung tatsächlich bestimmt wurde. Kann er dies nicht darlegen, greift die taxmäßige/ortsübliche Vergütung.

bb) Abschlagszahlungen (§ 632a BGB)

Der Unternehmer kann von dem Besteller eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen. Sind die erbrachten Leistungen nicht vertragsgemäß, kann der Besteller die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern. 

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, zitiere dir den § 309 Nr. 15 BGB an den § 632a BGB, um dich daran zu erinnern, dass in AGB nicht beliebig Abschlagszahlungen vereinbart werden können.

cc) Fälligkeit

Der Werkunternehmer tritt in Vorleistung und erhält seinen Anspruch erst nach erbrachtem Erfolg. Die Zahlung des Werklohns wird bei Abnahme fällig, § 641 I 1 BGB. Sofern eine Teilabnahme erfolgt, ist der Werklohn insoweit in Teilen fällig (§ 641 I 2 BGB).

Merke

Das heißt aber auch, dass umgekehrt der Besteller die Abschlagszahlung insoweit verweigern kann, als die Leistung nicht vertragsgemäß ist. Er kann dann also einen entsprechenden Teil der Abschlagszahlung verweigern.

Wurde das Werk „einem Dritten versprochen“ (§ 641 II BGB), wird der Werklohn fällig, auch wenn 

  • der Dritte den Besteller bezahlt (Nr. 1),

  • der Dritte das Werk des Bestellers abnimmt oder das Werk als abgenommen gilt (Nr. 2) oder

  • der Unternehmer dem Besteller hinsichtlich der Umstände in Nr. 1 und 2 erfolglos eine Frist zur Auskunft gesetzt hat.

Beispiel

Generalunternehmer B (Besteller) wird von Drittem (D) damit beauftragt, sein Haus zu bauen. B beauftragt wiederum Subunternehmer U (Unternehmer) damit, die Fenster einzubauen.

b) Abnahme

Die Abnahme ist ein wesentlicher Schritt in der Abwicklung eines Werkvertrages und ist in § 640 BGB geregelt. 

Definition

Die Abnahme ist die Entgegennahme des Werks, verbunden mit der Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgemäße Leistung.

aa) Durchführung der Abnahme

Gemäß § 640 I BGB ist der Besteller zur Abnahme verpflichtet, wenn das Werk vertragsmäßig hergestellt wurde.

Definition

Herstellung im Sinne des § 640 I BGB meint die Fertigstellung des Werks, das heißt die Abarbeitung und/oder Erbringung der im Vertrag genannten Leistungen - auch dann, wenn Mängel vorliegen. Abnahmereife liegt vor, wenn das Werk keine wesentlichen Mängel aufweist.

Die Abnahme kann ausdrücklich oder auch konkludent stattfinden, etwa durch Ingebrauchnahme und Nutzung des Werks - die reine Inbesitznahme genügt hierfür nicht. Sofern es sich bei dem Werk um eine nichtkörperliche Leistung handelt, ist eine physische Annahme nicht denkbar - daher genügt insoweit die Anerkennung der vollendeten Leistung als Abnahme.

Andernfalls kann er die Abnahme verweigern, wenn wesentliche Mängel vorliegen (§ 640 I 2 BGB) und gegebenenfalls Mängelrechte geltend machen.

Problem

Abnahmefiktion gemäß § 640 II BGB bei Verweigerung der Abnahme wegen unwesentlicher Mängel

Fraglich ist, ob die Abnahmefiktion eintreten kann, wenn die Abnahme wegen unwesentlicher Mängel verweigert wird (vgl. § 640 I 2 BGB).

  • Dagegen spricht, dass solche Mängel nicht zur Verweigerung berechtigen. Wieso sollte dann keine Abnahmefiktion eintreten?

  • Dafür spricht, dass § 640 I 2, II BGB unterschiedliche Anwendungsbereiche haben: Aus § 640 I 2 BGB folgt eine Abnahmepflicht auch bei unwesentlichen Mängeln, die der Besteller zunächst (wenn auch zu Unrecht) verweigern kann. Die Abnahmefiktion aus § 640 II BGB soll hingegen stet eintreten, wenn der Besteller es versäumt, eine Mangelrüge fristgemäß vorzunehmen - unabhängig, ob er diese Rechtsfolge will oder nicht.

Ein Werk gilt auch dann als abgenommen, wenn der Werkunternehmer dem Besteller eine fällige und angemessene Abnahmefrist gesetzt hat und der Besteller nicht innerhalb der Frist unter Angabe eines Mangelsymptoms das Werk verweigert hat, § 640 II BGB.

Merke

Der Mangel muss nicht tatsächlich vorliegen; es genügt die Behauptung des Vorliegens - soweit diese nicht rechtsmissbräuchlich ist (§ 242 BGB).

bb) Rechtsfolgen der Abnahme

Durch die Abnahme treten verschiedene Rechtsfolgen ein:

  • Nach der Abnahme wird der Werklohn fällig gemäß § 641 I BGB.

  • Nach der Abnahme muss der Besteller den Werklohn gemäß § 641 IV BGB verzinsen.

  • Durch die Abnahme tritt der Gefahrenübergang ein (§ 644 I BGB) - der Besteller trägt fortan die (Vergütungs-)Gefahr des zufälligen Untergangs der Sache. 

  • Gemäß § 634a II BGB beginnt die Verjährungsfrist für Mängelansprüche mit der Abnahme.

c) Mitwirkungspflicht

Der Besteller kann bei der Erstellung des Werkes mitwirkungspflichtig sein.

Beispiel

Herstellung eines maßgeschneiderten Anzugs - Besteller muss die Maße selbst nehmen oder dem Unternehmer ermöglichen, die Maße zu nehmen.

Kommt der Besteller dieser Pflicht nicht nach, kann er neben der Vergütungspflicht zu einer Entschädigung verpflichtet sein (§ 642 BGB). Außerdem entsteht nach erfolglosem Ablauf einer durch den Unternehmer zur Mitwirkung gesetzten Pflicht ein Kündigungsrecht gemäß § 643 BGB.

Merke

Grundsätzlich ist die Mitwirkung eine Nebenpflicht (§ 241 II BGB). Sie kann aber auch (ausdrücklich oder konkludent) als Hauptleistungspflicht vereinbart werden, sodass bei Vorliegen von Schuldnerverzug auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, II, 286 BGB entstehen kann.

IV. Gefahrübergang

Beim Gefahrenübergang gemäß § 644 BGB geht es um die Frage, ab wann das Risiko eines zufälligen Untergangs oder einer Verschlechterung des hergestellten Werkes vom Werkunternehmer auf den Besteller übergeht. Das wird besonders relevant, wenn das Werk nach der Fertigstellung beschädigt oder zerstört wird, ohne dass eine der Parteien dafür verantwortlich ist.

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1. Leistungsgefahr

a) Grundsatz

Nach den allgemeinen Regeln schuldet der Werkunternehmer die mangelfreie Herstellung des Werkes. Solange keine Abnahme erfolgt ist, trägt er das Risiko, dass er seine Leistung möglicherweise erneut erbringen muss, um die vertraglich geschuldete Mangelfreiheit zu erreichen. Daher verbleibt die sogenannte Leistungsgefahr bis zur Abnahme beim Werkunternehmer.

Definition

,,Gefahrübergang”: Der Übergang des Risikos einer Verschlechterung oder eines Verlustes der geschuldeten Sache vom Schuldner auf den Gläubiger.

Mit Abnahme des Werks oder dem Verzug der Abnahme geht die Gefahr auf den Besteller über (§ 644 I BGB). Das bedeutet, dass der Unternehmer seine Leistung nicht wiederholen muss, auch wenn die Sache mangelhaft oder beschädigt ist oder wenn sie untergeht.

b) Abgrenzung zur Gefahrtragung im Kaufrecht

Im Gegensatz zum Kaufrecht, wo das Risiko häufig schon mit der Übergabe der Sache auf den Käufer übergeht (§ 446 BGB), bleibt der Werkunternehmer im Werkvertragsrecht bis zur Abnahme in der Verantwortung. Das hängt damit zusammen, dass der Werkvertrag eine Erfolgsschuld ist. Der Werkunternehmer schuldet also das Erreichen eines bestimmten Ergebnisses.

c) Ausnahmen vom Grundsatz

aa) Unmöglichkeit (§ 275 I, II BGB)

Wenn die (Neu-)Herstellung des Werkes unmöglich geworden ist oder nur durch einen unverhältnismäßig hohen Aufwand, der nicht mehr vom Werkunternehmer geschuldet ist, erfolgen könnte, entfällt die Verpflichtung zur Leistung. In solchen Fällen geht die Leistungsgefahr auf den Besteller über.

bb) Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung (§ 635 III BGB)

Der Anspruch auf Mängelbeseitigung durch Nacherfüllung entfällt, wenn die dafür erforderlichen Kosten in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen des Bestellers stehen. Auch hier trägt der Besteller das Risiko, wenn die Leistung aufgrund solcher unverhältnismäßigen Anforderungen nicht erbracht werden kann.

cc) Annahmeverzug des Bestellers

Eine wichtige Ausnahme vom Grundsatz tritt ein, wenn der Besteller in Annahmeverzug gerät (§ 300 II BGB). Gemäß § 644 I 2 BGB geht die Gefahr in diesem Fall bereits mit dem Eintritt des Annahmeverzugs auf den Besteller über. Der Annahmeverzug liegt vor, wenn der Besteller das fertiggestellte, vertragsgemäße Werk nicht abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist, vgl. § 293 ff. BGB.

Beispiel

U hat seine Leistung erbracht, B verweigert aber ohne triftigen Grund die Abnahme. Sollte in der Zwischenzeit das Werk durch äußere Einflüsse beschädigt werden, trägt der Besteller das Risiko, obwohl die Abnahme noch nicht formell erfolgt. 

dd) Versendung des Werkes (§ 644 II BGB i.V.m. § 447 BGB)

Wünscht der Besteller, dass das Werk an einen anderen als den vertraglich vereinbarten Erfüllungsort versendet wird, geht die Leistungsgefahr bereits mit der Übergabe an die Transportperson auf den Besteller über.

Klausurtipp

In einer Klausur solltest du besonders auf den Annahmeverzug des Bestellers achten. Prüfe genau, ob alle Voraussetzungen für einen solchen Verzug gegeben sind, da dies erhebliche Auswirkungen auf den Prüfungsverlauf hat.

2. Gegenleistungsgefahr

a) Grundsatz der Gegenleistungsgefahr (Vergütungsgefahr)

Grundsätzlich wird der Vergütungsanspruch des Werkunternehmers erst nach Abnahme des Werkes gemäß § 641 BGB oder nach dessen Vollendung gemäß § 646 BGB fällig. Bis zu diesem Zeitpunkt trägt der Werkunternehmer das Risiko, die Gegenleistung (also den Werklohn) nicht zu erhalten, falls das Werk vor der Abnahme oder Fertigstellung zufällig untergeht oder beschädigt wird. Dieses Risiko geht mit Abnahme auf den Besteller über (§ 644 I 1 BGB). Diese Risikoübertragung wird als Gegenleistungsgefahr bezeichnet.

b) Ausnahmen vom Grundsatz

In bestimmten Fällen geht die Gegenleistungsgefahr jedoch bereits vor der Abnahme auf den Besteller über:

aa) Annahmeverzug (§ 644 I 2 BGB)

Befindet sich der Besteller im Annahmeverzug, trägt er das Risiko des Untergangs oder der Beschädigung des Werkes. Der Werkunternehmer verliert dann seinen Anspruch auf Werklohn nicht, selbst wenn das Werk zufällig vor der Abnahme zerstört wird.

Beispiel

Der Besteller bestellt für eine Veranstaltung ein Buffet. Aufgrund eines unerwarteten Unfalls verspätet sich die Ankunft der Gäste, und das Essen verdirbt. Obwohl der Besteller keine Schuld trifft, trägt er die Gegenleistungsgefahr und muss das Buffet bezahlen, auch wenn es nicht genutzt wurde.

bb) Risiko des Bestellers durch zur Verfügung gestellte Materialien (§ 644 I 3 BGB)

Wenn der Besteller für die Herstellung des Werkes eigene Materialien oder Stoffe bereitstellt und diese zufällig untergehen oder beschädigt werden, trägt der Besteller das Risiko. Der Werkunternehmer hat weiterhin Anspruch auf seinen Werklohn, da das Risiko nicht auf ihn abgewälzt werden kann.

cc) Versendung des Werkes (§ 644 II BGB i.V.m. § 447 BGB)

Verlangt der Besteller, dass das Werk an einen anderen Ort als den vertraglich vereinbarten Erfüllungsort gesendet wird, geht die Gefahr mit der Übergabe an den Transporteur auf den Besteller über. Hier greift die Regelung aus § 447 BGB.

dd) Anspruch auf Teilvergütung (§ 645 BGB)

Wenn das Werk aufgrund von Umständen, die in den Risikobereich des Bestellers fallen, vor der Fertigstellung untergeht oder verschlechtert wird, hat der Werkunternehmer Anspruch auf Teilvergütung gemäß § 645 I BGB. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Untergang oder die Verschlechterung auf einer fehlerhaften Weisung des Bestellers oder auf Mängeln des vom Besteller gestellten Materials beruht.

Beispiel

Ein Werkunternehmer soll die Fassade eines Hauses streichen. Bevor die Arbeiten abgeschlossen sind, brennt das Haus ab. Da der Brand durch eine Unachtsamkeit des Bestellers verursacht wurde, hat der Werkunternehmer einen Anspruch auf Vergütung der bereits erbrachten Leistungen und der Aufwendungen, die er bis zum Abbruch der Arbeiten getätigt hat.

c) Besonderer Fall; Vollvergütung bei verschuldetem Untergang durch den Besteller

Hat der Besteller den Untergang des Werkes verschuldet, so kann der Werkunternehmer gemäß § 645 II BGB i.V.m. 326 II BGB volle Vergütung verlangen. Das bedeutet, dass der Besteller den gesamten vereinbarten Werklohn zahlen muss, abzüglich der ersparten Aufwendungen oder anderer Einkünfte, die der Werkunternehmer durch die freigewordene Zeit erzielt hat.

Beispiel

Wenn ein Besteller durch eigenes Verschulden ein Gebäude zerstört, an dem ein Werkunternehmer arbeiten sollte, bleibt der Besteller zur Zahlung des vollen Werklohns verpflichtet.

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