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Minderjährigenrecht

Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB)

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Minderjährigenrecht, Geschäftsfähigkeit

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§ 105 BGB
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§ 107 BGB
§ 108 BGB
§ 109 BGB
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§ 112 BGB
§ 113 BGB
§ 1626 BGB
§ 1629 BGB
§ 183 BGB
§ 165 BGB
§ 131 BGB
Gliederung
  • I. Begrifflichkeit

  • II. Regel und Ausnahme

  • III. Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB)

    • 1. Voraussetzungen 

    • 2. Rechtsfolge

  • IV. Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 - § 113 BGB)

    • 1. Zweck

    • 2. Rechtsfolgen beschränkter Geschäftsfähigkeit

      • a) Prüfungsreihenfolge

        • aa) Verträge

        • bb) Einseitige Rechtsgeschäfte

      • b) Wirksamkeit nach §§ 112 f. BGB

      • c) Wirksamkeit nach § 107 BGB

        • aa) Rechtlicher Vorteil

          • aaa) Unmittelbare Auswirkungen

          • bbb) Wirtschaftliche Auswirkungen

          • ccc) Mittelbare Auswirkungen

          • ddd) Beachtung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips

        • bb) Rechtlich neutrale Geschäfte

      • d) Folgen fehlender Einwilligung bei Verträgen

      • e) Wirksamkeit nach § 110 BGB

    • 3. Einseitige Rechtsgeschäfte eines Minderjährigen (§ 111 BGB)

Der BGB-Gesetzgeber geht grundsätzlich von der Geschäftsfähigkeit der im Rechtsverkehr handelnden Personen aus - denn: die Privatautonomie gewährt grundsätzlich einem jeden das Recht, zu tun, was er oder sie will. Die in den §§ 104 ff. BGB normierten Geschäftsunfähigkeit und die beschränkte Geschäftsfähigkeit stellen eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar. 

In ihnen findest du Angaben dazu, wer unter welchen Voraussetzungen geschäftsunfähig ist und wie sich dies auf etwaige Rechtsgeschäfte auswirkt. Da hierdurch jede denkbare Konstellation einfach um ein weiteres Problem angereichert werden kann, wird es sehr viele Klausuren geben, die sich mit der Geschäftsfähigkeit befassen.

I. Begrifflichkeit

Definition

Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch rechtsgeschäftliche Handlungen Rechtswirkungen/ Rechtsänderungen herbeizuführen.

Die Geschäftsfähigkeit ist von der Schuldfähigkeit abzugrenzen.

Definition

Unter Schuldfähigkeit ist die Verantwortlichkeit für rechtswidriges Verhalten zu verstehen.

Die Schuldfähigkeit wird im Gesetz auch als Deliktsfähigkeit bezeichnet. Sie ist in §§ 827 ff. BGB geregelt. 

Beispiel

Sachverhalt

Der achtjährige A ist wirksam verpflichtet (wegen der Einwilligung seiner gesetzlichen Vertreter), an B einen bestimmten Luftballon zu übereignen. 

Da er dem B den schönen Luftballon nicht gönnt, sticht er eine Nadel in den Luftballon. Dieser geht prompt kaputt. 

Schuldet A dem B aus §§ 280 I, III, 283 BGB auf Schadensersatz verpflichtet?

Lösung

Ein Anspruch des B gegen A auf Schadensersatz aus §§ 280 I, III, 283 BGB setzt voraus, dass A eine Pflicht aus einem Schuldverhältnis verletzt hat. Da A wirksam verpflichtet ist, dem B einen Luftballon zu übereignen, ist vom Bestand eines Schuldverhältnisses auszugehen.

Indem A den Ballon zerstach und ihn mithin nicht mehr übereignen konnte, liegt eine Pflichtverletzung in Gestalt der Nichterfüllung vor.

Durch diese ist dem B ein Schaden in Höhe des objektiven Werts des Luftballons entstanden. 

Der Schadensersatzanspruch ist jedoch nach § 280 I 2 BGB ausgeschlossen, wenn A die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. 

Nach § 276 I 1 BGB hat A Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. Hierbei ist die Minderjährigkeit des A zu berücksichtigen.

§ 276 I 2 BGB verweist auf § 828 BGB, sodass die Deliktsfähigkeit des A vorliegen muss. 

Nach § 828 I BGB ist nicht verantwortlich, wer das 7. Lebensjahr beendet hat. 

A ist jedoch bereits acht Jahre alt und damit nicht deliktsunfähig nach § 828 I BGB.

Aus einem Gegenschluss aus § 828 I BGB ergibt sich folgende Rechtslage für sieben bis siebzehnjährige:

Sie sind grundsätzlich verantwortlich (Regel). §§ 828 II, III BGB bestimmen jedoch, wann diese Verantwortlichkeit ausnahmsweise entfällt (Ausnahme).

Für eine Verantwortlichkeit des A ist erforderlich, dass er bei der Begehung der schädigenden Handlung nicht die zur Erkenntnis der Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht hatte.

Der Sachverhalt enthält keine Anhaltspunkte dazu, dass dem A die intellektuelle Fähigkeit, das Unrecht seiner Handlung zu erkennen, fehlt.

Damit bleibt es bei der Regel: A ist verantwortlich.

Der Schadensersatzanspruch ist damit nicht nach § 280 I 2 BGB ausgeschlossen. 

II. Regel und Ausnahme

Vollwirksame Rechtsgeschäfte können nur von Rechtssubjekten getätigt werden, die geschäftsfähig sind. Hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit gilt die Regel, dass jeder Mensch geschäftsfähig ist. Dies gilt auch für unter Betreuung nach §§ 1814 ff. BGB stehende Personen. 

Sämtliche Ausnahmen hiervon sind in §§ 104-113 BGB abschließend aufgeführt und beschränken sich auf zwei Arten:

  • Geschäftsunfähigkeit

  • beschränkte Geschäftsfähigkeit.

Merke

Geschäftsunfähigkeit und beschränkte Geschäftsfähigkeit begründen rechtshindernde Einwendungen und sind daher zu beachten, ohne dass sie geltend gemacht werden müssen.

III. Geschäftsunfähigkeit (§ 104 BGB)

Als erste Ausnahme von der Geschäftsfähigkeit kommt die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 BGB in Betracht. 

1. Voraussetzungen 

Nach § 104 BGB ist geschäftsunfähig, wer nicht das 7. Lebensjahr vollendet hat (§ 104 Nr. 1 BGB) oder wer sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist.

Merke

Ist der Zustand vorübergehend, ist eine Willenserklärung nach § 105 II BGB nichtig. 

Die Geschäftsfähigkeit dieser Person bleibt aber bestehen. 

§ 104 Nr. 2 BGB ist bei der sogenannten partiellen Geschäftsunfähigkeit analog anzuwenden.

Definition

Unter partieller Geschäftsunfähigkeit ist eine Anomalie bei klar abgegrenzten Angelegenheiten zu verstehen. Die Betroffenen können in bestimmten Bereichen keine freien Willenserklärungen abgeben. Das liegt bspw. bei einer Person, die unter einer Spielsucht leidet, in Bezug auf Glücksspielgeschäfte vor.

Die partielle Geschäftsunfähigkeit ist nicht mit der relativen Geschäftsunfähigkeit zu verwechseln.

Definition

Mit relativer Geschäftsunfähigkeit ist das fehlende Verständnis für schwierige Geschäfte, wie etwa Versicherungsverträge, gemeint.

Die partielle Geschäftsunfähigkeit wird jedoch von der herrschenden Meinung mangels tauglicher Abgrenzungskriterien nicht anerkannt und hat daher keinerlei rechtliche Konsequenzen.

2. Rechtsfolge

Die Rechtsfolge der Geschäftsunfähigkeit folgt aus § 105 I BGB. Die von dem Geschäftsunfähigen abgegebene Willenserklärung ist nichtig. Sie ist nicht genehmigungsfähig, kann also nicht nicht durch eine Genehmigung, etwa der Eltern wirksam werden.

Die Willenserklärungen eines Geschäftsunfähigen sind von den Willenserklärungen zu unterscheiden, die gegenüber einem Geschäftsunfähigen abgegeben werden. Sie werden gemäß § 131 I BGB erst wirksam, wenn sie den gesetzlichen Vertretern zugehen.

IV. Beschränkte Geschäftsfähigkeit (§ 106 - § 113 BGB)

Gemäß § 106 BGB sind Minderjährige zwischen 7 und 18 Jahren nach Maßgabe der §§ 107 bis 113 BGB in der Geschäftsfähigkeit beschränkt.

1. Zweck

Die beschränkte Geschäftsfähigkeit hat den Zweck, Minderjährige langsam an das Geschäftsleben heranzuführen. Rechtlich risikolose Geschäfte sollen sie alleine vornehmen können, während bei rechtlich riskanten Geschäften die Zustimmung der Eltern erforderlich ist.

2. Rechtsfolgen beschränkter Geschäftsfähigkeit

Anders als Willenserklärungen von Geschäftsunfähigen sind Willenserklärungen beschränkt Geschäftsfähiger nicht nach § 105 I BGB nichtig.

Vielmehr kann das von ihnen vorgenommene Rechtsgeschäft:

  • wirksam sein (§§ 107, 110, 112 f. BGB)

  • schwebend unwirksam sein (§ 108 BGB)

  • nichtig sein (§ 111 S. 1, S. 2 BGB).

Der Zugang von Willenserklärungen an einen Geschäftsunfähigen richtet sich nach § 131 II BGB.

a) Prüfungsreihenfolge

Zunächst ist festzustellen, ob es sich um einen Vertrag oder um ein einseitiges Rechtsgeschäft des Minderjährigen handelt.

aa) Verträge

Aufgrund der unterschiedlichen möglichen Rechtsfolgen des Vertrags mit einem beschränkt Geschäftsfähigen empfiehlt es sich, in der Klausur folgende Prüfungsreihenfolge anzuwenden:

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bb) Einseitige Rechtsgeschäfte

Bei einseitigen Rechtsgeschäften ist in einer ähnlichen Reihenfolge vorzugehen:

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b) Wirksamkeit nach §§ 112 f. BGB

Rechtsgeschäfte, an denen ein Minderjähriger beteiligt ist, können nach § 112 BGB und § 113 BGB wirksam sein. Diese Normen führen zu einer partiellen Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen.

Gemäß § 112 BGB können die gesetzlichen Vertreter einen Minderjährigen zum selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts ermächtigen. Wird diese Ermächtigung durch das Familiengericht genehmigt, führt sie zu einer unbeschränkten Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen hinsichtlich solcher Rechtsgeschäfte, die der Geschäftsbetrieb mit sich bringt.

Nach § 113 BGB können die gesetzlichen Vertreter den Minderjährigen zu solchen Rechtsgeschäften, die ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis betreffen, ermächtigen. Auch infolge dieser Ermächtigung tritt hinsichtlich solcher Geschäft eine unbeschränkte Geschäftsfähigkeit ein. 

Definition

Unter "Dienst oder Arbeit" im Sinne von § 113 BGB ist jede selbstständige (z.B. Handelsvertreter) oder unselbstständige Tätigkeit (Arbeitnehmer) zu verstehen. Ausbildungsverhältnisse fallen nicht unter § 113 BGB, weil die Ausbildung und nicht die Dienst- oder Arbeitsleistung im Vordergrund steht.

Die Ermächtigung der gesetzlichen Vertreter umfasst nur Rechtsgeschäfte, die verkehrsüblich und nicht außergewöhnlich sind. Nicht erfasst werden Rechtsgeschäfte, die zum Nachteil des Minderjährigen vom Üblichen abweichen, wie etwa Vertragsstrafen oder Wettbewerbsverbote. Die Ermächtigung erstreckt sich auch auf Rechtsgeschäfte mit Dritten, soweit sie in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis stehen.

Beispiel

  • Abschluss von Beförderungs- und Mietverträgen, sofern sie wegen der Arbeit erforderlich sind

  • Eröffnung eines Bankkontos

  • Barabhebungen vom Bankkonto (entsprechen der Entgegennahme eines Entgelts)

c) Wirksamkeit nach § 107 BGB

Außerdem kann sich die Wirksamkeit eines durch einen Minderjährigen vorgenommenen Rechtsgeschäfts aus § 107 BGB ergeben. § 107 BGB stellt eine zentrale Vorschrift der beschränkten Geschäftsfähigkeit dar. Hiernach bedürfen Willenserklärungen eines Minderjährigen, durch die dieser nicht lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt, der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter. Letztere sind in der Regel gemäß §§ 1626 I, 1629 I 1 BGB die Eltern.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir die §§ 1626 I, 1629 I 1 BGB neben § 107 BGB kommentieren.

Die Einwilligung ist in § 183 S. 1 BGB als vorherige Zustimmung legaldefiniert.

Definition

Unter einer Zustimmung ist die Einverständniserklärung zu einem von einem anderen vorgenommen Rechtsgeschäft zu verstehen.

Definition

Eine Einwilligung ist die Zustimmung vor der Vornahme des Rechtsgeschäfts, § 183 S. 1 BGB.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 183 S. 1 BGB neben den § 107 BGB kommentieren, um zu wissen wo die Einwilligung geregelt ist.

aa) Rechtlicher Vorteil

Ob das Rechtsgeschäft lediglich rechtlich vorteilhaft ist, ist im Einzelfall zu bestimmen.

Merke

Ein Rechtsgeschäft ist nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn es mit der Begründung von Pflichten oder dem Verlust eines Rechts einher geht.

aaa) Unmittelbare Auswirkungen

Hierbei sind nur unmittelbare rechtliche Auswirkungen zu berücksichtigen.

Beispiel

Unmittelbare rechtliche Auswirkungen sind etwa die Entstehung von (Neben-)Pflichten, die Verpflichtung zur Rückgabe oder der Verlust oder die Schmälerung eines Rechts.

Konkrete, praxisrelevante Beispiele sind:

  • Schenkungsversprechen des Minderjährigen

  • Bürgschaftsübernahme durch den Minderjährigen

  • Verkauf eines Gegenstands (Übereignungspflicht)

  • Kauf eines Gegenstands (Gegenleistungspflicht)

  • Veräußerung eines Gegenstands

bbb) Wirtschaftliche Auswirkungen

Außen vor bleiben wirtschaftliche Auswirkungen des Rechtsgeschäfts. Die Vorteilhaftigkeit ist rein rechtlich zu bestimmen, weshalb eine etwaige wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit keine Rolle spielt.

Beispiel

Der 15 - Jährige M schließt mit A einen Kaufvertrag über einen Laptop zum Preis von 10 €. M wird durch den Kaufvertrag gemäß § 433 II BGB zur Zahlung des Kaufpreises und zur Abnahme der Kaufsache verpflichtet. Die Entstehung von Pflichten stellt einen rechtlichen Nachteil dar. Dass der Kaufpreis hier weit unter dem objektiven Wert des Laptops liegt und M damit ein wirtschaftlich vorteilhaftes Geschäft eingeht, spielt keine Rolle.

ccc) Mittelbare Auswirkungen

Unberücksichtigt bleiben außerdem mittelbare Auswirkungen des Rechtsgeschäfts, insbesondere die Steuerpflicht oder latente Rückgabepflichten aus §§ 530, 528 BGB.

Beim Erwerb eines Grundstücks durch einen Minderjährigen ist hinsichtlich der Grundsteuer eine Besonderheit zu beachten: Eine teleologische Auslegung des § 107 BGB ergibt, dass Rechtsnachteile mit nur unerheblichem Gefährdungspotential unberücksichtigt bleiben sollen. Dementsprechend führen öffentliche Lasten zu keinem rechtlichen Nachteil, da sie in der Regel aus den laufenden Erträgen des Grundstücks gedeckt werden können.

Demgegenüber ist bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung daran zu denken, dass der Minderjährige hierdurch Mitglied der Wohnungseigentümergesellschaft wird. Aus dieser resultieren zahlreiche Pflichten, etwa aus § 16 II WEG, die dazu führen, dass der Erwerb der Eigentumswohnung insgesamt nachteilig ist. Ausnahmsweise werden also auch mittelbare Auswirkungen des Rechtsgeschäfts berücksichtigt.

ddd) Beachtung des Trennungs- und Abstraktionsprinzips

Bei der Frage nach der rechtlichen Vorteilhaftigkeit ist sauber zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft und dem dinglichen Verfügungsgeschäft zu trennen. Der Rechtserwerb ist grundsätzlich rechtlich vorteilhaft.

Rechtlich nachteilig ist hingegen die Entgegennahme einer Leistung, da der Minderjährige seinen Anspruch durch Erfüllung nach § 362 I BGB verliert. Folglich erlischt die Forderung des Minderjährigen mangels dessen Empfangszuständigkeit ohne Einwilligung der Eltern nicht.

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Führt der Rechtserwerb durch den Minderjährigen zu einer Verpflichtung, ist er rechtlich nachteilig.

Beispiel

Der 15-Jährige M erwirbt Eigentum an einem Hausgrundstück. Ist das erworbene Haus vermietet, treffen ihn nach § 566 I BGB Vermieterpflichten. Hierin liegt ein rechtlicher Nachteil.

Fraglich ist auch bei dem Erwerb von Sachen (insbesondere Immobilien), wie es sich auswirkt, wenn der erworbene Gegenstand dinglich belastet ist.

Beispiel

Der 15-Jährige M erwirbt ein Grundstück im Wert von 200. 000 €, auf dem eine Hypothek in Höhe von 500.000 € lastet.

Er kann im Wege der Zwangsversteigerung schlimmstenfalls das Grundstück verlieren (§ 1147 BGB), er haftet jedoch nicht persönlich.

➝ weder rechtlicher Vorteil, noch rechtlicher Nachteil

➝ rechtlich neutrales Geschäft

bb) Rechtlich neutrale Geschäfte

Fraglich ist, ob indifferente also neutrale Geschäfte, die dem Minderjährigen weder einen Vorteil noch einen Nachteil einräumen der Einwilligung nach § 107 BGB bedürfen.

Dies ist durch eine Auslegung des § 107 BGB zu ermitteln:

  • Wortlaut: Nach dem Wortlaut des § 107 BGB bedürfen nicht lediglich rechtlich vorteilhafte Erklärungen der Einwilligung der gesetzlichen Vertreter. Da rechtlich neutrale Geschäfte keinen Vorteil begründen und damit nicht lediglich vorteilhaft sind, ist nach dem Wortlaut eine Einwilligung erforderlich.

  • Systematik: Nach § 165 BGB können Minderjährige als Vertreter handeln. Ein von einem Vertreter getätigtes Geschäft bindet nur den Vertretenen und tangiert deshalb nicht die Rechtssphäre des Minderjährigen. Es ist also ein neutrales Geschäft. Eine Einwilligung ist hierzu nicht erforderlich.

  • Telos: Sinn und Zweck der §§ 107 ff. BGB ist, Minderjährige vor Nachteilen zu bewahren, nicht hingegen ihnen Vorteile zu garantieren. Da ihnen bei neutralen Geschäften keine Nachteile drohen, ist eine Einwilligung zu ihnen nicht erforderlich.

  • Ergebnis: Zustimmungsbedürftig sind nur Geschäfte, durch die ein Minderjährige einen rechtlichen Nachteil erleiden, nicht jedoch neutrale Geschäfte.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 165 BGB neben den § 107 BGB kommentieren, um eine Erinnerungsstütze für das systematische Argument zu schaffen.

d) Folgen fehlender Einwilligung bei Verträgen

Fehlt die nach § 107 BGB erforderliche Einwilligung (und sind auch die §§ 112, 113, 110 BGB nicht erfüllt), ist hinsichtlich der Rechtsfolgen je nach vorgenommen Rechtsgeschäft zu differenzieren:

Bei Verträgen gilt § 108 I BGB. Wurde der Vertrag ohne die erforderliche Einwilligung geschlossen, hängt die Wirksamkeit des Vertrags von der Genehmigung des Vertreters ab. 

Definition

Eine Genehmigung ist die Zustimmung nach der Vornahme eines Rechtsgeschäfts, § 184 I BGB.

Gesetzesverweis

Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 184 I BGB neben den § 107 BGB kommentieren, damit du die Vorschrift zur Genehmigung schneller wiederfindest.

Der Vertrag ist damit zunächst schwebend unwirksam und genehmigungsfähig. Wird die Genehmigung erteilt, wird der Vertrag rückwirkend wirksam. Die Genehmigung wirkt damit ex tunc. 

Solange die Genehmigung nicht erteilt ist, entfaltet der Vertrag keine Rechtswirkungen. Wird die Genehmigung verweigert oder gilt sie nach § 108 II 2 Hs. 2 BGB als verweigert, erstarkt die schwebende Unwirksamkeit gemäß § 1366 IV BGB analog zur endgültigen Unwirksamkeit. Während der Schwebezeit hat der Vertragspartner ein Widerrufsrecht gemäß § 109 BGB.

Definition

Unter schwebender Unwirksamkeit ist die Unwirksamkeit, die nicht endgültig ist, sondern durch eine Genehmigung enden kann, zu verstehen.

Bei einseitigen Rechtsgeschäften des Minderjährigen gilt § 111 BGB. Nach § 111 S. 1 BGB ist das einseitige Rechtsgeschäft, das ohne die erforderliche Einwilligung vorgenommen wurde, unwirksam. Es ist nichtig und nicht genehmigungsfähig.

e) Wirksamkeit nach § 110 BGB

Hat der Minderjährige ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter einen Vertrag geschlossen, kann dieser trotz rechtlichem Nachteil nach § 110 BGB wirksam sein.  Hiernach gilt ein solcher Vertrag als von Anfang an wirksam, wenn der Minderjährige die vertragsgemäße Leistung mit Mitteln bewirkt, die ihm zu diesem Zweck oder zur freien Verfügung von dem Vertreter oder einem Dritten überlassen wurden. Der Minderjährige kann also wirksam rechtlich nachteilige Verträge schließen, sofern diese mit seinem "Taschengeld" erfüllt werden. § 110 BGB wird aus diesem Grund auch als Taschengeldparagraph bezeichnet.

Nach herrschender Meinung wird das Überlassen der Mittel als konkludente Einwilligung der gesetzlichen Vertreter eingeordnet. Es lässt sich aber auch vertreten, dass das Überlassen der Mittel zu einer partiellen Geschäftsfähigkeit des Minderjährigen hinsichtlich dieser Mittel führt.

Merke

Diese Differenzierung ist in der Klausur nicht wichtig, aber hilft beim Verständnis der Norm. Nach der herrschenden Meinung handelt es sich sozusagen um einen gesetzlich geregelten Fall einer Einwilligung im Sinne des § 107 BGB.

§ 110 BGB verfolgt den Zweck, dass der Minderjährige nur solche Pflichten begründen kann, die er sofort erfüllen kann, sodass er seinem Vertragspartner möglichst nichts schuldet. Das Geschäft wird daher erst wirksam, wenn er die vertragsgemäße Leistung mit den überlassenen Mitteln komplett bewirkt hat. Es ist also die Erfüllung oder ein Erfüllungssurrogat erforderlich. Ist dies gegeben, wird das Geschäft von Anfang an wirksam. § 110 BGB ordnet damit eine Rückwirkungsfiktion an.

Für Teilzahlungsgeschäfte (also beispielsweise Ratenzahlungen) bedeutet dies, dass sie erst mit Zahlung der letzten Rate wirksam werden. Inwieweit Folgegeschäfte wirksam sind, hängt vom Umfang der konkludenten Einwilligung ab. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln und kann nur im Einzelfall beantwortet werden.

Beispiel

Minderjähriger kauft sich mit seinem Taschengeld einen Lottoschein ➝ § 110 BGB (+)

Er gewinnt und kauft sich mit dem Lottogewinn einen Ferrari ➝ § 110 BGB? In der Regel wohl (-)

3. Einseitige Rechtsgeschäfte eines Minderjährigen (§ 111 BGB)

Nimmt der Minderjährige ein einseitiges Rechtsgeschäft wie die Anfechtung vor, ist zunächst, wie beim Vertrag, die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 112, 113 BGB und nach § 107 BGB zu prüfen. § 110 BGB und § 108 I BGB finden nur auf Verträge Anwendung.

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Ist eine Einwilligung im Sinne von § 107 BGB der gesetzlichen Vertreter vorhanden, ist das einseitige Rechtsgeschäft des Minderjährigen grundsätzlich wirksam. Eine Ausnahme von dieser grundsätzlichen Wirksamkeit stellt jedoch § 111 S. 2 BGB dar. Hiernach ist das einseitige Rechtsgeschäft trotz Einwilligung unwirksam, wenn der Minderjährige die Einwilligung nicht in schriftlicher Form vorlegt und der Empfänger des Rechtsgeschäfts dieses aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Nimmt der Minderjährige das einseitige Rechtsgeschäft ohne Einwilligung vor, so ist dieses nach § 111 S. 1 BGB nichtig.

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