Constellatio Logo Icon
InhalteFeaturesKarteikartenPreisBlogNewsÜber unsAnmelden

Zivilrecht

/

Mobiliarsachenrecht

/

Eigentumserwerb & Verfügungen

Geheißerwerb

Teilgebiet

Mobiliarsachenrecht

Thema

Eigentumserwerb & Verfügungen

Tags

Übereignung
Geheißerwerb
Streckengeschäft
§ 929 BGB
§ 932 BGB
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Arten des Geheißerwerbs

    • 1. "Normaler" Geheißerwerb

    • 2. Veräußerergeheiß

    • 3. Erwerbergeheiß

    • 4. Doppelter Geheißerwerb

    • 5. Scheingeheißerwerb

I. Einleitung

Wenn sich die Geheißperson auf der Veräußererseite befindet, spricht man vom Veräußerergeheiß. Eine Geheißperson auf Erwerberseite wird teilweise auch als „vom Erwerber Benannter" bezeichnet, da die Sache beim Erwerbergeheiß auf Veranlassung des Erwerbers an einen Dritten geliefert wird. 

Die verschiedenen Modalitäten der Übergabe, spielen vor allem beim Streckengeschäft eine Rolle. Hierbei ist die Aneinanderreihung von verschiedenen Kaufverträgen im Sinne des § 433 BGB, etwa zwischen Hersteller und Verkäufer und Verkäufer und Erwerber gemeint (Kettenhandel). Interessant ist nun die dingliche Ebene beim schuldrechtlichen Streckengeschäft. Für die Vornahme der Übergabe kommen hier folgende Konstellationen in Betracht:

Achtung: Diese juristische Konstellation ist sehr komplex. Es gibt Rechtsverhältnisse zwischen mehreren Personen und es ist genau zu trennen, welches Rechtsverhältnis man sich anschaut, um die korrekte Terminologie zu nutzen.

II. Arten des Geheißerwerbs

1. "Normaler" Geheißerwerb

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik
  1. Auf schuldrechtlicher Ebene besteht jeweils ein Kaufvertrag zwischen Veräußerer V und Erwerber E sowie zwischen Erwerber E und Dritterwerber D. 

  2. Um seine Pflicht aus § 433 I 1 BGB zu erfüllen, übereignet der Veräußerer V die Sache dem Erwerber E gemäß § 929 S. 1 BGB. Er liefert also an den E und verschafft ihm so die tatsächliche Sachherrschaft. 

  3. Anschließend übereignet der Erwerber E dem Dritten D die Sache nach § 929 S. 1 BGB, um wiederum seine Pflicht aus § 433 I 1 BGB zu erfüllen. Im Rahmen dieser Übereignung verschafft er selbst dem D die tatsächliche Sachherrschaft.

2. Veräußerergeheiß

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Die Übergabe kann jedoch auch anders ausgestaltet sein.

  1. Auf schuldrechtlicher Ebene besteht jeweils ein Kaufvertrag zwischen Veräußerer V und dem Dritten D sowie zwischen Veräußerer V und dem Erwerber E. Der Veräußerer V ist also verpflichtet, dem Erwerber E die Kaufsache zu übereignen. Er kann die Sache aber stattdessen auch direkt durch den Dritten D an E liefern lassen. 

  2. Hierbei verschafft der Dritte D dem Erwerber E die tatsächliche Sachherrschaft als Geheißperson des Veräußerers V.

  3. Im Verhältnis des Veräußerers V zum Erwerber E erfolgt dann eine Übergabe des V an E, obwohl der Dritte D dem E die Sachherrschaft verschafft hat.   

Ein Vorteil des Geheißerwerbs für den Veräußerer ist, dass seine Lieferbeziehung vereinfacht abgewickelt wird und er die Sache nicht zwischenlagern muss.

3. Erwerbergeheiß

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Eine dritte Konstellation ist die Folgende:

  1. Auf schuldrechtlicher Ebene besteht jeweils ein Kaufvertrag zwischen Veräußerer V und Erwerber E sowie zwischen Erwerber E und dem Dritten D. Der Erwerber E hat einen Anspruch auf Übereignung gegen den Veräußerer V. Statt die Sache selber in Besitz zu nehmen, kann er sie auch durch den V an einen Dritten D liefern lassen.

  2. Hierbei verschafft der Veräußerer V dem Dritten D die tatsächliche Sachherrschaft als Geheißperson des Erwerbers E.

  3. Im Verhältnis des Veräußerers V zum Erwerber E erfolgt eine Übergabe des V, obwohl der V dem Dritten D die tatsächliche Sachherrschaft verschafft hat.

4. Doppelter Geheißerwerb

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Handeln sowohl auf Veräußerer- als auch auf Erwerberseite Geheißpersonen, spricht man vom doppelten Geheißerwerb.

  1. Es besteht auf schuldrechtlicher Ebene jeweils ein Kaufvertrag zwischen Veräußerer V und Erwerber E sowie zwischen Erwerber E und Dritterwerber D. Der Veräußerer V ist dem Erwerber E zur Übereignung verpflichtet. Er kann die Sache aber auch direkt an den Dritten D liefern lassen, anstatt sie erst dem E zu liefern, der sie dann wiederum zur Erfüllung seiner Übereignungsverpflichtung an D liefert.

  2. Hierbei verschafft der Veräußerer V dem Dritten D die tatsächliche Sachherrschaft. V wird dabei als Geheißperson des Erwerbers E tätig. E hat dabei zwei Rollen: Einerseits ist er Erwerber im Verhältnis zu V und andererseits ist er Veräußerer im Verhältnis zu D.

    Hierbei sind die einzelnen Vorgänge in folgender Reihenfolge zu betrachten:

    1. V übereignet an E gemäß § 929 S. 1 BGB, wobei er dem D die tatsächliche Sachherrschaft verschafft, der sie als Geheißperson des E übernimmt. (Erwerbergeheiß: E ist im Verhältnis zu V Erwerber)

    2. E übereignet an D gemäß § 929 S. 1 BGB, wobei der V, der die Kaufsache zunächst besitzt, dem D die tatsächliche Sachherrschaft als Geheißperson des E verschafft (Veräußerergeheiß: E ist im Verhältnis zu D Veräußerer).

Klausurtipp

Da der Geheißerwerb Auffangfunktion hat, ist in einer Klausur sorgfältig vorab zu prüfen, ob der Angewiesene doch Besitzdiener oder Besitzmittler ist. Erst wenn beides ausscheidet, ist eine Auseinandersetzung mit dem Geheißerwerb geboten.

5. Scheingeheißerwerb

Ein sehr examensrelevantes Problem im Rahmen der Gutgläubigkeit des Erwerbers stellt der Scheingeheißerwerb dar. Dieser soll an einem Fallbeispiel verdeutlicht werden:

Web App FeatureUnsere Grafiken sind nur in der Web App verfügbar.
Platzhalter Grafik

Beispiel

Fall

K bestellt bei V Kohle auf Abruf und bezahlt sofort. V überträgt seinen Kohlenhandel auf D. Bei Abruf der Kohle liefert D, der sich aufgrund einer Täuschung durch V zur Lieferung verpflichtet glaubt. Aus Sicht der K liefert D auf Anweisung des V. V und K einigen sich über den Eigentumsübergang. 

Ist K Eigentümer geworden?

Lösung

K könnte die Kohle durch Übereignung des V gemäß §§ 929 S. 1, 932 I 1 Hs. 1 BGB erworben haben. Hierzu sind Einigung und Übergabe im Sinne des § 929 S. 1 BGB erforderlich. Eine Einigung über den Eigentumsübergang zwischen V und K ist erfolgt. Fraglich ist jedoch, ob auch eine Übergabe des V an K stattgefunden kann. Eine Übergabe nach § 929 S. 1 BGB setzt den vollständigen Eigenbesitzverlust des Veräußerers, einen Eigenbesitzerwerb des Erwerbers oder eines von ihm Benannten voraus. Letzterer muss auf Veranlassung des Veräußerers erfolgt sein. Als Anknüpfungspunkt für eine Übergabe des V an K kommt allein die Lieferung der Kohle durch D in Betracht.

V hatte keinen Besitz mehr an der Kohle. K hat infolge der Lieferung des D Eigenbesitz an der Kohle erworben. Fraglich ist jedoch, ob dies auf Veranlassung des V geschehen ist. 

D müsste dem V die Sachherrschaft auf Geheiß des V verschafft habe. Er lieferte jedoch, weil er sich selbst für verpflichtet hielt und nicht, weil er einer etwaigen Weisung des V folgen wollte. D handelte somit objektiv nicht als Geheißperson des V. Aus der subjektiven Sicht des K handelte D allerdings auf Geheiß des V. Es handelt sich um eine Scheingeheißperson.

Streitstand

Es stellt sich die Frage, ob die Besitzverschaffung durch eine Scheingeheißperson dem Veräußerer zurechenbar ist oder nicht.

Für diese Zurechenbarkeit kann man verlangen, dass die Geheißperson sich dem Geheiß des Veräußerers tatsächlich unterordnet, oder  aber den guten Glauben des Erwerbers hieran genügen lassen.

Nach einer Ansicht ist für die Übergabe auf Veranlassung des Veräußerers erforderlich, dass die Geheißperson sich tatsächlich dem Willen des Veräußerers unterordnet. Sie muss tatsächlich bereit sein den Weisungen des Veräußerers im Hinblick auf die Sache Folge zu leisten. Das Handeln einer Scheingeheißperson genügt nicht. Dafür spricht, dass das Gesetz nur den guten Glauben des Erwerbers an Rechtspositionen wie etwa das Eigentum schützt. Nicht geschützt ist jedoch der gute Glaube an Tatsachen wie den Anschein einer Geheißsituation. Weiterhin folgt aus § 1006 BGB, dass der Besitz einen Rechtsschein begründet. An einem Besitz des Veräußerers fehlt es jedoch in der Konstellation des Scheingeheißerwerbs.

Die herrschende Meinung lässt es demgegenüber genügen, dass der Erwerber davon ausgeht, es handle sich um eine tatsächliche Geheißperson des Veräußerers und hierauf vertraut. Dies lässt sich insbesondere mit dem Verkehrsschutz begründen. Da es sich um eine rechtsgeschäftliche Veräußerung handelt, ist die für den Erwerber erkennbare Bedeutung des Erklärungsverhaltens der vermeintlichen Geheißperson maßgebend. Diese kann sich, im Gegensatz zum Rechtsverkehr, dadurch schützen, dass sie ihren Willen bei der Lieferung zum Ausdruck bringt. Ein weiteres Argument ergibt sich aus der Gesetzessystematik. So enthält § 935 I 1 BGB eine Risikozuweisung dahingehend, dass der Eigentümer, der die Sache freiwillig einem anderen übergibt, das Risiko des Eigentumsverlustes eingeht. Hier hat D dem K willentlich den Besitz an den Kohlen überlassen. Dass sein Übergabewille mit einem Irrtum belastet war, ist unbeachtlich.

Flag
Flag
Background lines

Bereit, Jura digital zu lernen?

Mach dir dein eigenes Bild unseres Digitalen Compagnons und erlebe, mit wie viel Freude man Jura im Jahr 2025 lernen kann.

Kostenlos ausprobieren

Ohne Zahlungsdaten