I. Einleitung
Grundsätzlich ist ein Verwaltungsakt, der an einem formellen Fehler leidet, rechtswidrig und dessen Bestand könnte mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden. Formelle Fehler können aber je nach Art und Intensität des Fehlers verschiedene Auswirkungen haben, beziehungsweise verschiedene Rechtsfolgen nach sich ziehen. Der Fehler könnte so bedeutend sein, dass er nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führt. Er könnte aber auch eventuell nach § 45 VwVfG geheilt werden oder nach § 46 VwVfG unbeachtlich sein. Mit diesen Möglichkeiten und deren Prüfung in der Klausur widmet sich dieser Artikel.
II. Feststellung eines formellen Fehlers
Die Prüfung der formellen Fehler findet auf der Ebene der formellen Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts statt.

Formelle Fehler können sich im Wesentlichen aus drei Arten von Vorschriften ergeben: Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften.
Merke
Es handelt sich um die normale Prüfung der formellen Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts, also der Prüfung von etwaigen Verfahrensfehlern.
III. Rechtsfolgen formeller Fehler
Wird ein formeller Fehler festgestellt, ist im zweiten Schritt die Frage, zu welcher Rechtsfolge dies führt. Je nach Art und Intensität des Fehlers können diese verschieden sein. Es ist nacheinander zu prüfen, ob der Fehler
zur Nichtigkeit nach § 44 VwVfG führt,
gemäß § 45 VwVfG geheilt wurde oder
nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist.
1. Nichtigkeit des Verwaltungsakts nach § 44 VwVfG
Im ersten Schritt ist zu prüfen, ob der Fehler nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führt. Hier sind die gewohnten Prüfungspunkte der Nichtigkeit zu prüfen, also:
Positivkatalog in Absatz 2
Negativkatalog in Absatz 3
Generalklausel der Nichtigkeit nach Absatz 1
Wenn dies der Fall ist, ist der Verwaltungsakt nichtig und die Prüfung beendet.

2. Heilung des Fehlers nach § 45 VwVfG
Führt der formelle Fehler nicht nach § 44 VwVfG zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts, ist im nächsten Schritt zu untersuchen, ob der Fehler aufgrund des § 45 VwVfG unbeachtlich ist (d.h.: geheilt wurde).
a) Fallgruppen des § 45 I VwVfG
§ 45 I VwVfG enthält in Nr. 1 bis 5 Fallgruppen, bei deren Vorliegen der Fehler geheilt wird.
Diese sind:
Nr. 1: der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird
Nr. 2: die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird
Nr. 3: die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird
Nr. 4: der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird
Nr. 5: die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird
Die einzelnen Fallgruppen sind dabei selbsterklärend und bereiten grundsätzlich keine Probleme in der Klausur. Es ist festzustellen, ob ein Fehler gemäß Nr. 1 bis 5 vorliegt und im Anschluss, ob die entsprechende Handlung nachgeholt wurde.
b) Frist der Nachholung, § 45 II VwVfG
Die Nachholung der Handlung im Sinne des Absatz 1 ist innerhalb der Frist des Absatz 2 möglich.
Gemäß § 45 II VwVfG können Handlungen nach Absatz 1 bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
c) Zwischenergebnis
An dieser Stelle der Prüfung hast du festgestellt, dass der Verwaltungsakt nicht nach § 44 VwVfG nichtig ist, der Fehler aber auch nicht nach § 45 VwVfG geheilt wurde.
Damit ist der Verwaltungsakt grundsätzlich formell rechtswidrig.
IV. Unbeachtlichkeit des Fehlers nach § 46 VwVfG
Der Verwaltungsakt ist also formell rechtswidrig. Es könnte aber sein, dass der Fehler nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist.
Merke
Diese Norm wird nicht auf Ebene der formellen Rechtmäßigkeit, sondern auf der Ebene der Rechtsverletzung des Klägers geprüft.
Wenn der Fehler nach § 46 VwVfG unbeachtlich ist, ist der Verwaltungsakt zwar formell rechtswidrig, es liegt aber keine Rechtsverletzung des Klägers vor.
Voraussetzung für eine Unbeachtlichkeit nach § 46 VwVfG ist, dass ein Fehler, der aufgrund einer Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, offensichtlich nicht die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat. Wenn dies der Fall ist, kann als Rechtsfolge die Aufhebung des Verwaltungsakts nicht allein wegen dieses Fehlers beansprucht werden.
Die Prüfungsschritte im Einzelnen sind:

1. Fehler im Sinne des § 46 VwVfG
Zunächst müsste ein Fehler im Sinne des § 46 VwVfG vorliegen. Dies sind solche bezüglich des Verfahrens, der Form oder der örtlichen Zuständigkeit.
Merke
Der Fehler darf dabei aber nicht nach § 44 II Nr. 3 VwVfG zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen. Dies wurde aber in dem hier dargestellten Prüfungsaufbau bereits am Anfang geprüft.
2. Keine materielle Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts
Aus der Formulierung “ nicht allein deshalb” folgt, dass der Verwaltungsakt nicht materiell rechtswidrig sein darf. Ist der Verwaltungsakt nämlich materiell rechtswidrig, wäre er "nicht allein” wegen des formellen Fehlers, sondern (vor allem) wegen der materiellen Ebene rechtswidrig.
Klausurtipp
In einer Klausur würdest du nur zur Prüfung des § 46 VwVfG kommen, wenn du zum Prüfungspunkt der Rechtsverletzung des Klägers kommst. Wenn dies der Fall ist, hast du zwangsweise bereits vorher die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts geprüft und bejaht.
3. Unbeachtlichkeit des Fehlers
Der Fehler ist unbeachtlich im Sinne des § 46 VwVfG, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung der formellen Vorschrift die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
Hier ist dann zwischen gebundenen und Ermessensverwaltungsakten zu differenzieren.
a) Gebundene Entscheidungen
Wenn aufgrund fehlenden Ermessens der Behörde eine gebundene Entscheidung vorliegt, ist der Fehler immer unbeachtlich im Sinne des § 46 VwVfG, da der Fehler “offensichtlich” nicht die Entscheidung in der Sache beeinflusst haben kann, da der Verwaltungsakt trotz des formellen Fehlers materiell rechtmäßig erlassen wurde.
Wiederholung: Beachte bei Ermessensentscheidungen auch immer die Möglichkeit einer Ermessensreduzierung auf Null!
b) Ermessensentscheidungen
Bei Ermessensentscheidungen ist dagegen eine Abwägung im Einzelfall vorzunehmen.
Merke
Es muss bei objektiver Betrachtung klar und zweifelsfrei erkennbar sein, dass der Verfahrensfehler das Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflusst hat. Es dürfen keine vernünftigen Zweifel daran bestehen, dass das Ergebnis auch bei ordnungsgemäßem Verfahren dasselbe gewesen wäre. Es darf also auch zweifelsfrei keine Kausalität zwischen dem Verfahrensfehler und der Entscheidung der Behörde bestehen.
4. Rechtsfolge
Wenn der Fehler unbeachtlich ist, bleibt der Verwaltungsakt formell rechtswidrig, aber ein gerichtlicher Aufhebungsanspruch entfällt.
Im Kontext der Anfechtungsklage heißt dies, dass der Verwaltungsakt (formell) rechtswidrig ist, aber keine Rechtsverletzung des Klägers vorliegt, weshalb die Klage zulässig, aber unbegründet ist.