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Ermessen und Ermessensfehler

Teilgebiet

Verwaltungsrecht AT

Thema

Verwaltungshandeln

Tags

Gebundene Entscheidung
Ermessensentscheidung
Ermessensspielraum
Beurteilungsspielraum
Ermessensreduzierung auf Null
Ermessensfehler
Ermessensnichtgebrauch
Ermessensüberschreitung
Ermessensunterschreitung
Ermessensfehlgebrauch
Bestimmtheitsgrundsatz
Art. 3 GG
§ 40 VwVfG
§ 39 VwVfG
§ 114 VwGO
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Ermessensentscheidungen im Allgemeinen

  • III. Prozessuale Bedeutung

  • IV. Ermessensreduzierung auf Null

    • 1. Grundsatz

    • 2. Selbstbindung der Verwaltung

  • V. Ermessensfehler

    • 1. Ermessensnichtgebrauch

    • 2. Ermessensüberschreitung

    • 3. Ermessensunterschreitung

    • 4. Ermessensfehlgebrauch/Ermessensmissbrauch

      • a) Zweckwidrigkeit

      • b) Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes

I. Einleitung

Bei verwaltungsrechtlichen Entscheidungen von Behörden kann zwischen gebundenen Entscheidungen und Ermessensentscheidungen unterschieden werden.

Definition

Bei einer gebundenen Entscheidung muss die Behörde bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen die im Gesetz vorgesehene Rechtsfolge herbeiführen.

Definition

Bei einer Ermessensentscheidung kann die Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen zwischen verschiedenen Entscheidungen wählen. Ihr wird also ein gewisser Freiraum bei der Rechtsanwendung eingeräumt.

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Sprachlich abzugrenzen ist der Ermessensspielraum vom Beurteilungsspielraum. Der Beurteilungsspielraum besteht auf der Tatbestandsebene bei unbestimmten Rechtsbegriffen; die Ermessensentscheidung betrifft die Rechtsfolgenseite bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen.

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II. Ermessensentscheidungen im Allgemeinen

Zunächst ist zu beachten, dass man anhand des Gesetzes erkennen kann, ob es sich um eine gebundene oder eine Ermessensentscheidung handelt.

Dies lässt sich am Wortlaut des Gesetzes ableiten.

Klausurtipp

Die Grundregel ist:

  • “muss”, “ist”, “hat”, “darf nicht” zeigen eine gebundene Entscheidung an

  • “kann”, “darf”, “ist befugt” zeigen das Vorliegen einer Ermessensentscheidung an

Wenn eine Ermessensentscheidung vorliegt, wird der Behörde bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ein Ermessensspielraum auf der Rechtsfolgenseite eingeräumt. Man spricht auch von einem Zweckmäßigkeitsspielraum. Sie kann, muss aber nicht die gesetzliche Rechtsfolge herbeiführen. Auch die konkrete Ausgestaltung und die Umstände der Herbeiführung sind dabei vom Ermessen der Behörde umfasst, wenn mehrere Handlungsmöglichkeiten zur Auswahl stehen. Hier stellt die Behörde eigene Erwägungen zur Zweckmäßigkeit an und trifft auf deren Grundlage eine Entscheidung.

Aber auch wenn der Behörde ein Ermessen und damit ein Handlungsspielraum eingeräumt ist, hat die Behörde trotzdem die Grenzen des Ermessens zu beachten.

Zitat

§ 40 VwVfG a.E.:

“[...] und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.”

Werden die Grenzen des Ermessens durch die Behörden überschritten, liegt eine ermessensfehlerhafte Entscheidung vor. Dazu, wann ein Ermessensfehler vorliegt, gleich ausführlich.

III. Prozessuale Bedeutung

Auf der prozessualen Seite ist vor allem relevant, dass das Gericht bei Ermessensentscheidungen nur die Rechtmäßigkeit (also die Grenzen), nicht aber die Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts überprüfen kann. Grund dafür ist, dass das Gericht den Ermessensvorrang der Behörde beachten muss und kein eigenes Ermessen ausüben darf.

Zitat

Zitat § 114 S. 1 VwGO:

“[...] prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist”.

Die gerichtliche Überprüfbarkeit der Ermessensentscheidung ist also auf eine mögliche Rechtswidrigkeit aufgrund von Ermessensfehlern beschränkt.

IV. Ermessensreduzierung auf Null

Neben den Ermessensfehlern ist im Rahmen des Ermessens noch ein weiteres Konstrukt relevant, die Ermessensreduzierung auf Null.

1. Grundsatz

Eine solche liegt vor, wenn die Rechtslage oder die Umstände des Einzelfalls so ausgestaltet sind, dass nur eine einzige Entscheidung rechtmäßig wäre, weil alle anderen Entscheidungsmöglichkeiten ermessensfehlerhaft wären. Das bedeutet, die Behörde ist dann verpflichtet, diese Entscheidung zu treffen, obwohl ihr formal ein Ermessensspielraum zugestanden wird. Der Ermessensspielraum „reduziert sich auf Null“, sodass kein Ermessensspielraum mehr besteht.

Beispiel

Ein klassisches Beispiel wäre der Fall, wenn eine Behörde bei einer existenziellen Notlage handeln muss. Hier könnte eine Verpflichtung der Behörde bestehen, etwa eine Sozialleistung zu gewähren, selbst wenn sie theoretisch einen Ermessensspielraum hätte.

2. Selbstbindung der Verwaltung

Eine Ermessensreduzierung auf Null kann sich potentiell auch aus einer Selbstbindung der Verwaltung ergeben.

Die Selbstbindung der Verwaltung ist ein Grundsatz, der besagt, dass die Verwaltung bei der Ausübung von Ermessen an ihre eigene frühere Entscheidungspraxis gebunden ist. Das bedeutet, dass die Verwaltung gleich gelagerte Fälle im Wesentlichen gleich behandeln muss, um den Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) zu wahren. Wenn die Behörde also über längere Zeit eine bestimmte Verwaltungspraxis entwickelt hat, kann sie sich dadurch derart gebunden haben, dass sie in einem aktuellen Fall keine andere rechtmäßige Möglichkeit hat, als entsprechend dieser Praxis zu entscheiden.

V. Ermessensfehler

Die Grenzen der Ermessensentscheidung liegen in den Fallgruppen der Ermessensfehler, welche wie gesehen in § 114 VwGO festgelegt werden. Liegt ein solcher vor, ist die Entscheidung der Behörde ermessensfehlerhaft und der Verwaltungsakt materiell rechtswidrig. Konkret sind die möglichen Ermessensfehler:

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1. Ermessensnichtgebrauch

Ein Ermessensnichtgebrauch liegt vor, wenn die Behörde ein eingeräumtes Ermessen nicht ausübt. Die Behörde kann das Vorliegen eines Ermessensspielraums übersehen oder trotz Kenntnis kein Ermessen ausgeübt haben. Möglich ist auch, dass die Behörde die Möglichkeit übersehen hat, bei atypischen Fällen von den Verwaltungsvorschriften abzuweichen. Der letzte Fall ist das sogenannte “intendierte Ermessen”. Bei einem solchen ist die Abweichung nach § 39 I 3 VwVfG gesondert zu begründen.

Definition

Intendiertes Ermessen liegt vor, wenn das Gesetz der Verwaltung zwar einen Ermessensspielraum einräumt, dieser aber im Regelfall in eine bestimmte Richtung gelenkt werden soll. Die Behörde hat formal Ermessensfreiheit, wird jedoch durch den Zweck der Norm oder durch typische Fallkonstellationen in ihrer Entscheidungspraxis faktisch vorgeprägt. Das bedeutet, dass das Ermessen in der Regel in einer bestimmten Weise ausgeübt werden soll, es sei denn, besondere Umstände sprechen dagegen.

Kein Ermessensnichtgebrauch liegt vor, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert ist und damit faktisch eine gebundene Entscheidung vorliegt. Denn bei etwas, was faktisch nicht vorliegt, kann auch kein Nichtgebrauch bestehen.

Klausurtipp

Wenn du in der Klausur zu dem Ergebnis kommst, dass ein Ermessensnichtgebrauch der Behörde vorliegt, musst du zwingend im nächsten Schritt prüfen, ob das Ermessen auf Null reduziert sein könnte, wodurch dann kein Ermessensfehler vorliegt. Es könnte also eine “Heilung des Ermessensfehlers” gegeben sein.

2. Ermessensüberschreitung

Eine Ermessensüberschreitung liegt vor, wenn die Behörde eine Rechtsfolge auswählt, die mit den allgemeinen Rechtmäßigkeitsanforderungen oder anderen gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar ist.

Dies kann insbesondere der Fall sein,

  • wenn die Erfüllung der dem Adressaten auferlegten Pflicht tatsächlich oder rechtlich gar nicht möglich ist.

  • Auch ein Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz kommt regelmäßig in Betracht.

  • Zudem sind auch die Grundrechte, beziehungsweise die Freiheitsrechte, relevant, da bezüglich dieser eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch zu einer Überschreitung des Ermessens führen kann.

Merke

Exkurs Bestimmtheitsgrundsatz:

Der Bestimmtheitsgrundsatz besagt, dass staatliche Maßnahmen, Gesetze und Verwaltungsakte so klar und bestimmt formuliert sein müssen, dass die Betroffenen ihre Rechtslage verstehen und ihr Verhalten danach ausrichten können. Er leitet sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ab und ist vor allem im Staats- und Verwaltungsrecht relevant. Die Kernpunkte sind Klarheit, Verständlichkeit und Vorhersehbarkeit.

Beispiel 1: Ein Gesetz, das zu vage formuliert ist, wie etwa „bei schwerem Fehlverhalten wird eine Strafe verhängt“, ohne zu definieren, was „schweres Fehlverhalten“ ist, verstößt gegen den Bestimmtheitsgrundsatz.

Beispiel 2: Ein Bußgeldbescheid muss klar erkennen lassen, warum die Geldstrafe verhängt und welche Rechtsnorm verletzt wurde, damit der Betroffene seine Verteidigung darauf abstimmen kann.

Merke

Es sind hier nur die Freiheitsrechte der Grundrechte relevant, da die Gleichheitsrechte keine Ermessensüberschreitung, sondern nur eine Ermessensreduzierung (dazu gleich ausführlich) begründen können.

3. Ermessensunterschreitung

Eine Ermessensunterschreitung liegt vor, wenn die Behörde das Ermessen nicht vollständig erkannt oder ausgeschöpft hat.

4. Ermessensfehlgebrauch/Ermessensmissbrauch

a) Zweckwidrigkeit

Ein Ermessensfehlgebrauch ist gegeben, wenn die Erwägungen der Behörde nicht mit dem Zweck der Rechtsfolge vereinbar sind. Eine solche Unvereinbarkeit kann sich unter anderem aus sachfremden Erwägungen oder Zugrundelegung falscher Tatsachen ergeben.

Beispiel

Die Ablehnung einer Baugenehmigung aus persönlichen Gründen.

b) Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes

Zudem kann sich ein Ermessensfehlgebrauch auch aus einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes ergeben. Hier kann gegebenenfalls auch wieder die Selbstbindung der Verwaltung relevant werden.

Merke

Hier finden sich nun auch die Gleichheitsrechte (in Gestalt von Art. 3 I GG) als Gegenstück zu den Freiheitsrechten der Grundrechte wieder. Diese können keine Ermessensüberschreitung, aber einen Ermessensfehlgebrauch begründen.

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