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Erfolgsqualifikation

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Erfolgsqualifikation
Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang
Gefahrenzusammenhang
Leichtfertigkeit
Erfolgsqualifizierter Versuch
Objektive Zurechnung
Fahrlässigkeit
Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen
Versuchte Erfolgsqualifikation
Fluchtfälle
§ 23 StGB
§ 255 StGB
§ 306a StGB
§ 306b StGB
§ 316a StGB
§ 18 StGB
§ 22 StGB
§ 34 StGB
§ 49 StGB
§ 222 StGB
§ 223 StGB
§ 224 StGB
§ 226 StGB
§ 227 StGB
§ 229 StGB
§ 239a StGB
§ 251 StGB
§ 263 StGB
§ 316 StGB
Gliederung
  • I. Allgemeines

  • II. Prüfungsaufbau vollendete Erfolgsqualifikation

    • 1. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

      • a) Beispiel 1

      • b) Fluchtfälle

    • 2. Fahrlässigkeit, § 18 StGB

      • a) Wortlaut: “wenigstens”

      • b) Wortlaut: “Fahrlässigkeit”

        • aa) Objektive Fahrlässigkeit

          • aaa) Prüfungsumfang

          • bbb) Leichtfertigkeit

        • bb) Subjektive Fahrlässigkeit

  • III. Erfolgsqualifikation in Kombination mit dem Versuch

    • 1. Allgemeines

    • 2. Erfolgsqualifizierter Versuch

    • 3. Versuch der Erfolgsqualifikation

      • a) Versuchte Erfolgsqualifikation (Verwirklichung des Grunddeliktes und Versuch der Erfolgsqualifikation)

      • b) Versuchte Erfolgsqualifikation (Versuch des Grunddeliktes und Versuch der Erfolgsqualifikation)

Dieser Artikel behandelt die Erfolgsqualifikation. Erfolgsqualifikationen sind ein Sonderfall der Vorsatzdelikte. Es handelt sich um eine Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination, bei der das Grunddelikt als Vorsatzdelikt verwirklicht werden muss und eine spätere Folge mindestens durch Fahrlässigkeit hervorgerufen wird. Die Klausurrelevanz der Erfolgsqualifikationen ist als hoch zu bewerten, weil nicht nur das Modul “Prüfungsschema Vorsatzdelikt”, sondern auch das Modul “Fahrlässigkeitsdelikt” in die Prüfung Einzug findet. Auch der Umgang mit § 18 StGB spielt dabei eine erhebliche Rolle.

I. Allgemeines

Die Erfolgsqualifikation ist ein spezielles Konstrukt im Strafrecht, bei dem eine Straftat durch den Eintritt eines qualifizierenden Erfolges zu einer schwereren Straftat wird. Sie verbindet ein Grunddelikt mit einer besonders schweren Folge, die über das Grunddelikt hinausgeht, aber durch das Grunddelikt hervorgerufen wird. Erfolgsqualifikationen sind etwa:

  • Körperverletzung mit Todesfolge, § 227 StGB

  • Raub mit Todesfolge, § 251 StGB

  • Schwere Körperverletzung, § 226 StGB

  • Räuberischer Angriff auf Kraftfahrer mit Todesfolge, § 316a III StGB

II. Prüfungsaufbau vollendete Erfolgsqualifikation

Zunächst ist im Tatbestand die Verwirklichung des Grunddeliktes zu prüfen. Der objektive und subjektive Tatbestand des Grunddeliktes muss erfüllt sein. Handelt es sich etwa um eine Körperverletzung mit Todesfolge, muss zunächst der Tatbestand des § 223 I StGB verwirklicht worden sein. Sodann wird die Erfolgsqualifikation geprüft. Hier muss zunächst der Eintritt der schweren Folge (der Tod bei § 227 StGB) festgestellt werden. Der Tod muss auf die Handlung des Täters kausal und objektiv zurechenbar zurückzuführen sein. Besonders wichtig ist der Prüfungspunkt des tatbestandsspezifischen Gefahrenzusammenhangs.

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1. Tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang

Der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang stellt sicher, dass die Folge auch konkret auf die Körperverletzung zurückzuführen ist.

Definition

Der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang liegt vor, wenn die schwere Folge gerade aus der spezifischen Gefahr resultiert, die durch die Begehung des Grunddeliktes geschaffen wurde.

Problem

Anknüpfungspunkt des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs.

Umstritten ist die Frage, welcher Anknüpfungspunkt beim Grunddelikt herangezogen werden muss.

  • e.A.: Eine Ansicht will den tatbestandlichen Erfolg als Anknüpfungspunkt heranziehen. Demnach muss etwa bei § 227 StGB gerade die eingetretene Gesundheitsschädigung in ihrer spezifischen Art und Schwere zum Tod des Opfers geführt haben.

  • a.A.: Eine andere Ansicht will hingegen die Körperverletzungshandlung als Anknüpfungspunkt heranziehen. Konkret genügt also die Gefährlichkeit der Handlung, auch wenn der Erfolg des Grunddeliktes (Gesundheitsschädigung) nicht eingetreten ist.

  • SN: Für die a.A. spricht vor allem, dass ein erfolgsqualifizierter Versuch (versuchtes Grunddelikt + eingetretene Folge) nur möglich ist, wenn die schwere Folge bereits aus der Handlung resultieren kann, weil der tatbestandliche Erfolg bei einem Versuch bekanntlich nicht eingetreten sein darf. Dass der Versuch bei einer Erfolgsqualifikation aber grundsätzlich möglich sein muss, ergibt sich aus § 11 II StGB, der die Erfolgsqualifikation eindeutig als Vorsatztat qualifiziert. Ferner bleiben bestimmte Fälle außer Acht, in denen die schwere Folge eingetreten ist.

a) Beispiel 1

Beispiel

Beispiel 1: Wilderer T will Förster O mit einem Jagdgewehr nach einem Streit im Wald bewusstlos schlagen. Beim Zuschlagen löst sich versehentlich ein Schuss, der den O tötet.

Im obigen Beispiel wird das Problem um den Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation klar. Weil dem T hinsichtlich des Schusses der Vorsatz fehlt, scheidet das Grunddelikt der Körperverletzung (§ 223 I StGB) aus. Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation kann also nicht mehr der Erfolg der Gesundheitsschädigung in Form der Schussverletzung sein, sondern lediglich die durch den Schlag hervorgerufene Verletzung. Weil die Gesundheitsschädigung, die durch den Schlag ausgelöst wurde, für sich genommen aber nicht tödlich ist, scheitert der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang. Folgte man der e.A. wäre eine Erfolgsqualifikation nicht mehr möglich. Wählt man hingegen die Handlung als Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation, wäre § 227 StGB erfüllt. Der Handlung (der Schlag mit einer schussbereiten Waffe) haftet klar die Gefahr an, dass sich ein Schuss löst und das Opfer daran verstirbt. Zwar wäre T ohnehin wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) strafbar, schaut man sich aber die Strafrahmen des § 222 StGB an (bis zu drei Jahre) und des § 227 StGB (nicht unter drei Jahre) erklärt sich schnell, warum um die Anwendung des § 227 StGB gestritten wird.

b) Fluchtfälle

Von besonderer Bedeutung sind auch die sogenannten Fluchtfälle.

Beispiel

Beispiel 2: T schikaniert den O regelmäßig durch Prügelattacken. Eines Tages, als O abends auf dem Heimweg ist, taucht T vor ihm auf und prügelt auf ihn ein. Nach mehreren Tritten und Schlägen gelingt O die Flucht. Beim Versuch, sich zu verstecken, krabbelt O in einer Seitenstraße durch ein zerschlagenes Fenster. Dabei verletzt er sich derart, dass er seinen Verletzungen erliegt.

Auch hier muss die Körperverletzungshandlung Anknüpfungspunkt sein, um eine Bestrafung aus § 227 StGB zu erreichen. Die Schläge und Tritte des T als Körperverletzungshandlung lösen gerade den Fluchtinstinkt und die aus der Flucht resultierende Todesfolge aus. Hier wird deutlich, dass die herrschende Meinung den Anknüpfungspunkt der Erfolgsqualifikation sehr weit versteht.

Klausurtipp

Bei den “Fluchtfällen“ ist nicht nur die Frage des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs zu problematisieren, sondern regelmäßig auch die objektive Zurechnung, weil das Opfer durch ein eigenes Verhalten dazwischentritt.

2. Fahrlässigkeit, § 18 StGB

Die Fahrlässigkeitskomponente der Erfolgsqualifikation findet durch § 18 StGB Einzug in die Prüfung. § 18 StGB schreibt vor, dass dem Täter, der eine besondere Folge herbeiführt, an die das Gesetz eine schwerere Strafe knüpft, “wenigstens Fahrlässigkeit” vorgeworfen werden muss. Hierdurch werden zwei Sachen deutlich:

a) Wortlaut: “wenigstens”

Indem das Gesetz bestimmt, dass dem Täter “wenigstens” Fahrlässigkeit zur Last fallen muss, ist es auch möglich, dass der Täter die schwere Folge vorsätzlich herbeiführen kann. Daraus folgt wiederum, dass auch der Versuch der Erfolgsqualifizierung möglich ist. Das liegt daran, dass der Versuch von Vorsatzdelikten, die als Verbrechen eingestuft werden, gemäß § 23 I StGB strafbar sind. Weil es keinen fahrlässigen Versuch gibt, muss der Täter hinsichtlich der schweren Folge vorsätzlich gehandelt haben. Erst dann ist der Versuch der Erfolgsqualifikation möglich.

b) Wortlaut: “Fahrlässigkeit”

Grundsätzlich orientiert sich die Prüfung der Fahrlässigkeitskomponente der Erfolgsqualifikation am Prüfungsschema des Fahrlässigkeitsdelikts. Auch im Rahmen des § 18 StGB sind die objektiven und subjektiven Anforderungen an die Fahrlässigkeit einzubeziehen, wobei die Definitionen übereinstimmen:

aa) Objektive Fahrlässigkeit

Definition

Objektiv fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, also sorgfaltswidrig handelt, obwohl der Erfolg vorhersehbar war.

aaa) Prüfungsumfang

Problematisch ist im Rahmen der Prüfung der objektiven Fahrlässigkeit jedoch, ob auch die objektive Sorgfaltswidrigkeit gesondert festgestellt werden muss oder das Feststellen der objektiven Vorhersehbarkeit genügt.

Definition

Objektiv sorgfaltswidrig handelt, wer in der konkreten Situation und unter Berücksichtigung der sozialen Rolle des Täters anders vorgegangen ist, als es ein besonnener und gewissenhafter Mensch ex ante getan hätte.

Definition

Objektive Vorhersehbarkeit

Objektiv vorhersehbar ist das, was eine vernünftige Person aus dem gleichen Umfeld des Täters unter den gegebenen Umständen und basierend auf allgemeiner Lebenserfahrung hätte erwarten können.

Problem

Gesonderte Prüfung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit

Die Frage, ob die objektive Sorgfaltswidrigkeit gesondert festgestellt werden muss, wird unterschiedlich beurteilt:

  • e.A.: Eine Ansicht will nur die Prüfung der objektiven Vorhersehbarkeit genügen lassen, weil sich die objektive Sorgfaltswidrigkeit aus der vorsätzlichen Verwirklichung des Grunddeliktes ergebe.

  • a.A. Eine andere Meinung hält auch im Rahmen der Erfolgsqualifizierung die gesonderte Feststellung der objektiven Sorgfaltswidrigkeit für notwendig.

  • Stellungnahme: Im Ergebnis lässt sich die erste Meinung weithin problemlos vertreten, weil es kaum Fälle gibt, in denen der Täter zwar das Grunddelikt vorsätzlich verwirklicht, darin aber keine objektive Sorgfaltswidrigkeit zu erblicken ist. Es empfiehlt sich dennoch kurz festzustellen, dass die objektive Sorgfaltswidrigkeit in Form der vorsätzlichen Verwirklichung des Grunddeliktes vorliegt.

Merke

Der Pflichtwidrigkeitszusammenhang muss nicht gesondert geprüft werden, weil die objektive Sorgfaltswidrigkeit in Form der vorsätzlichen Verwirklichung des Grunddeliktes ein rechtmäßiges Alternativverhalten auf Tatbestandsebene ausschließt und der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang die Kausalität zwischen objektiver Sorgfaltswidrigkeit und Eintritt der schweren Folge ausreichend berücksichtigt.

bbb) Leichtfertigkeit

Einige Erfolgsqualifikationen setzen hinsichtlich der Herbeiführung der schweren Folge Leichtfertigkeit voraus, wobei die Leichtfertigkeit begrifflich der groben Fahrlässigkeit im BGB gleichzustellen ist. Beispiele für Erfolgsqualifikationen, die Leichtfertigkeit voraussetzen, sind §§ 251, 239a III StGB. Begründen lässt sich diese schärfere Anforderung mit der Androhung der lebenslangen Freiheitsstrafe.

Definition

Leichtfertigkeit:

Leichtfertig handelt, wer zwar auf das Ausbleiben des tatbestandlichen Erfolges vertraut, sich aber aus frivoler Rücksichtslosigkeit über die klar erkannte Möglichkeit der Tatbestandsverwirklichung hinwegsetzt.

Die Leichtfertigkeit ist als Unterfall der objektiven Fahrlässigkeit zu verstehen und hat ebenfalls die objektive Sorgfaltswidrigkeit und die objektive Vorhersehbarkeit als Voraussetzung, ergänzt durch eine zusätzliche Anforderung. Diese besteht darin, dass die Sorgfaltswidrigkeit in besonderem Maße schwerwiegend sein muss. Die Gefahr des Erfolgseintritts muss sich dem Täter förmlich aufgezwungen haben, sodass er nur aus grober Rücksichtslosigkeit dennoch handelte. Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Täter in Abgrenzung zum dolus eventualis trotzdem auf das Ausbleiben des Erfolgseintritts vertraute. Die Leichtfertigkeit kann somit als "qualifizierte" objektive Fahrlässigkeit beschrieben werden.

Klausurtipp

In der Klausursituation muss also nach besonderen Anhaltspunkten im Sachverhalt gesucht werden, die die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung begründen. Nur wenn sich die Gefahr aufgrund der konkret geschilderten Situation im Sachverhalt dem Täter förmlich aufdrängen musste, kann die besonders frivole Rücksichtslosigkeit begründet werden.

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bb) Subjektive Fahrlässigkeit

Definition

Subjektive Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die objektive Sorgfaltswidrigkeit dem Täter nach seinen individuellen Fähigkeiten und dem Maß des individuellen Könnens auch subjektiv vorgeworfen werden kann und der Erfolg auch subjektiv vorhersehbar war.

Merke

Die subjektive Fahrlässigkeit wird in den meisten Fällen unproblematisch vorliegen. Ausnahmen ergeben sich nur bei physischen oder psychischen Einschränkungen und dem Vorliegen von asthenischen Affekten (extreme Verwirrung, Panik, Furcht etc.).

III. Erfolgsqualifikation in Kombination mit dem Versuch

Auch eine Koppelung von Erfolgsqualifizierung und Versuch ist denkbar. Dabei werden drei mögliche Kombinationen unterschieden.

  • Erfolgsqualifizierter Versuch: Das Grunddelikt ist im Versuchsstadium stecken geblieben, die schwere Folge ist aber eingetreten.

  • Versuchte Erfolgsqualifikation (1): Das Grunddelikt ist vollendet, aber die schwere Folge ist im Versuchsstadium stecken geblieben

  • Versuchte Erfolgsqualifikation (2): Sowohl das Grunddelikt als auch die schwere Folge sind im Versuchsstadium stecken geblieben.

Vernetztes Lernen

Hier können wunderbar Parallelen zur Kombination von Versuch und Regelbeispiel gezogen werden. Auch im Rahmen der Regelbeispiele sind drei Konstellationen denkbar, die sehr den hier aufgeführten Kombinationen ähneln.

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1. Allgemeines

Zunächst kann man sagen, dass jede der oben genannten Kombinationen möglich und damit strafbar ist. Begründen kann man das mit dem Wortlaut des § 22 StGB, der davon spricht, dass ein Versuch vorliegt, sobald zur Tatbestandsverwirklichung unmittelbar angesetzt wird. Die Erfolgsqualifikationen werden wegen § 11 II StGB als einheitliches Vorsatzdelikt eingestuft, die einen einheitlichen Tatbestand aufweisen. Wer zur Tatbestandsverwirklichung des Grunddeliktes ansetzt, setzt damit auch zur Erfolgsqualifikation unmittelbar an.

Beispiel

Wer zu einer Körperverletzung im Sinne des § 223 I StGB ansetzt, setzt damit gleichzeitig zur Körperverletzung mit Todesfolge gemäß § 227 StGB an. Wer zu einem Raub (§ 250 StGB) ansetzt, setzt damit gleichzeitig zum Raub mit Todesfolge (§ 251 StGB) unmittelbar an.

Erkennbar bietet das Raum für eine unzulässige extensive Anwendung der Erfolgsqualifikationen, wenn jeder Versuch des Grunddeliktes bereits den Versuch der Erfolgsqualifikation darstellen würde. Die enorm hohe Strafandrohung der Erfolgsqualifikationen gebietet jedoch eine restriktive Handhabung der Tatbestände. Diese wird - wie gleich zu sehen sein wird - dadurch erreicht, dass trotz einheitlichen Tatbestands von Grunddelikt und Erfolg die Anforderungen des Versuchs auch an die schwere Folge gestellt werden.

2. Erfolgsqualifizierter Versuch

Bleibt das Grunddelikt im Versuchsstadium stecken, tritt die schwere Folge aber ein, wird die restriktive Anwendung durch das Erfordernis der objektiven Zurechnung - erreicht. Der Täter muss nämlich den Erfolg des Grunddeliktes objektiv zurechenbar verursachen wollen.

Vernetztes Lernen

Das Schema des Grunddeliktes setzt sich wiederum aus dem Modul “Schema vorsätzliches Begehungsdelikt” und dem Modul “Schema Versuch” zusammen, sodass auch die objektive Zurechnung vom Tatentschluss des Täters erfasst sein muss. Der Versuch des vorsätzlichen Begehungsdelikts wird in diesem Artikel behandelt.

Zudem muss der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang vorliegen und dem Täter der Tatentschluss hinsichtlich des Grunddeliktes vorgeworfen werden können. Weil die schwere Folge aber eingetreten ist, muss der Täter diesbezüglich keinen Tatentschluss haben. Es genügt der Vorwurf der Fahrlässigkeit. Der Tatbestand wird daher zweiteilig geprüft.

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Beispiel

Beispiel 1:

T will den O mal wieder verprügeln. Eines Abends trifft der O auf T. T geht mit der Drohung, dem O eine Abreibung zu verpassen, auf ihn zu und holt aus. T kann seinem Schlag noch ausweichen, flüchtet und zieht sich beim Versuch, sich vor T zu verstecken, an einem zerbrochenen Fenster tödliche Schnittverletzungen zu.

In diesem Beispiel hat T zu § 223 I StGB unmittelbar angesetzt. Der Tod (§ 227 StGB) des O ist eingetreten und lässt sich auch auf die Schlaghandlung des T zurückführen. Damit ist T gemäß §§ 223 I, II, 22 i.V.m. § 227 I StGB strafbar.

Beispiel

Beispiel 2:

T will das Haus des O anzünden und legt dafür im Keller des O einen Brand. T vertraut darauf, dass niemand verletzt wird. Noch bevor das Feuer auf wesentliche Teile des Hauses des O überspringt, kann O das Feuer löschen, zieht sich dabei aber schwere Verbrennungen zu.

T hat klar zum Grunddelikt (schwere Brandstiftung, § 306a I Nr. 1 StGB) angesetzt und die schwere Folge des § 306b I StGB ist eingetreten, sodass T gemäß §§ 306a I Nr. 1, 22, 23 I i.V.m. § 306b I, 18 StGB strafbar ist.

Merke

Würde im Rahmen des tatbestandsspezifischen Gefahrzusammenhangs nur an den Erfolg angeknüpft und nicht an die Tathandlung, wäre der erfolgsqualifizierte Versuch nicht möglich.

3. Versuch der Erfolgsqualifikation

Tritt die schwere Folge nicht ein und ist das Grunddelikt im Versuchsstadium stecken geblieben oder vollendet, wird die restriktive Anwendung der Erfolgsqualifikationen dadurch erreicht, dass auch die Herbeiführung der schweren Folge vom Tatentschluss des Opfers umfasst sein muss. Das bedeutet, der Fahrlässigkeitsvorwurf genügt nicht. Vielmehr muss dem Täter nachgewiesen werden, dass die Herbeiführung der schweren Folge von seinem Vorsatz umfasst war.

Klausurtipp

Im Sachverhalt muss daher klar beschrieben werden, dass der Täter die schwere Folge herbeiführen wollte.

a) Versuchte Erfolgsqualifikation (Verwirklichung des Grunddeliktes und Versuch der Erfolgsqualifikation)

Beispiel

T will O durch Überschütten mit einer ätzenden Flüssigkeit erblinden lassen. T schüttet O die ätzende Flüssigkeit ins Gesicht. O erleidet aber nur Verätzungen auf der Stirn und an den Augenlidern, die folgenlos abheilen.

In diesem Beispiel hat T das Grunddelikt (Körperverletzung, § 223 I StGB) vollendet, die schwere Folge (Verlust des Sehvermögens, § 226 I Nr. 1 StGB) ist aber nicht eingetreten. Weil T aber klar den Willen hatte, den O zu erblinden, hatte er Vorsatz und damit Tatentschluss bezüglich der Erfolgsqualifikation (§ 226 I Nr. 1 StGB). T hat auch zur Verwirklichung der schweren Folge angesetzt, indem er O die Flüssigkeit ins Gesicht schüttete. T ist wegen vollendeter gefährlicher Körperverletzung (§ 224 I Nr. 1 Var. 1 StGB) und versuchter schwerer Körperverletzung (§ 226 I Nr. 1, 22, 23 I StGB) strafbar. Die Delikte stehen in Tateinheit zueinander.

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b) Versuchte Erfolgsqualifikation (Versuch des Grunddeliktes und Versuch der Erfolgsqualifikation)

Beispiel

T will O durch Überschütten mit einer ätzenden Flüssigkeit erblinden lassen. Als T den O erblickt, schüttet er die vermeintlich ätzende Flüssigkeit in Richtung des Gesichts des O, der die Flüssigkeit auch in die Augen bekommt. Sodann stellt sich heraus, dass der Apotheker A dem T versehentlich die falsche Glasampulle mitgegeben hatte. Es handelte sich nur um eine Kochsalzlösung, die keinerlei Verletzungen verursachte.

In diesem Beispiel sind weder das Grunddelikt der Körperverletzung noch die schwere Folge der Erfolgsqualifikation (Verlust des Sehvermögens) eingetreten. T hatte aber Vorsatz und damit Tatentschluss hinsichtlich der Gesundheitsschädigung und der schweren Folge. T hat durch seine Handlung zum Grunddelikt und gleichzeitig auch zur schweren Folge unmittelbar angesetzt. Es erfolgt also eine doppelte Versuchsprüfung. T ist wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung gemäß §§ 224 I Nr. 1 Var. 1, 22, 23 I StGB und versuchter schwerer Körperverletzung gemäß §§ 226 I Nr. 1, 18, 22, 23 I StGB in Tateinheit strafbar.

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