I. Einleitung
Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist ein Instrument des Verwaltungsrechts, das eine Alternative zum klassischen Verwaltungsakt darstellt. Er wird zwischen einer Behörde und einer Privatperson oder zwischen zwei Behörden geschlossen, um öffentlich-rechtliche Angelegenheiten zu regeln. Die Regelungen zum öffentlich-rechtlichen Vertrag finden sich in §§ 54 bis 62 VwVfG.
Im Gegensatz zum einseitig erlassenen Verwaltungsakt basiert der öffentlich-rechtliche Vertrag auf einer zweiseitigen Willenserklärung, ähnlich dem zivilrechtlichen Vertrag. Er dient dazu, flexibler auf die Bedürfnisse der Beteiligten einzugehen und ermöglicht es, Verwaltungsentscheidungen durch Verhandlungen zu gestalten. Dies ist besonders dann von Vorteil, wenn beide Seiten ein gemeinsames Interesse haben, wie etwa bei der Regelung komplexer Sachverhalte, bei denen Kooperation gefragt ist (z. B. der Bau von Infrastrukturprojekten oder Subventionsvergaben).
II. Zustandekommen und Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
1. Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
Der Begriff des öffentlich-rechtlichen Vertrags ist in § 54 I 1 VwVfG legaldefiniert:
Zitat
§ 54 I 1 VwVfG:
“Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen.”
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist demnach die vertragliche Begründung, Änderung oder Aufhebung eines Rechtsverhältnisses auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts.
Zu Beginn ergeben sich daraus einige zentrale Abgrenzungsfragen. Vor allem zum privatrechtlichen Vertrag und zum Verwaltungsakt ist regelmäßig eine Abgrenzung vorzunehmen.
a) Abgrenzung zum privatrechtlichen Vertrag
Das zentrale Abgrenzungskriterium ist, ob der Vertragsgegenstand eine Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts darstellt.
Dies beurteilt sich nach dem Gesamtcharakter, beziehungsweise dem Schwerpunkt der Vereinbarung.
Merke
Das Prinzip einer Feststellung nach dem Gesamtcharakter oder dem Schwerpunkt einer Regelung oder von tatsächlichen Umständen taucht an verschiedensten Stellen auf. So zum Beispiel beim sogenannten “dual-use” bei der Abgrenzung privater gewerblicher Nutzung.
Voraussetzung ist, dass zumindest eine Hauptleistungspflicht auf einer öffentlich-rechtlichen Rechtsgrundlage basiert oder ein bestehendes öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis geändert oder aufgehoben wird. Dies beurteilt sich anhand objektiver Maßstäbe, also nach dem objektiven Empfängerhorizont der Parteien.
Merke
Bei der Frage, ob eine öffentlich-rechtliche Handlungspflicht besteht, bestehen naturgemäß Parallelen zur Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs. Dort wird festgestellt, ob eine Norm öffentlich-rechtlich ist und hier, ob eine Hauptleistungspflicht des Vertrags öffentlich-rechtlich ist.
b) Abgrenzung zum Verwaltungsakt
Weiterhin ist der öffentlich-rechtliche Vertrag vom Verwaltungsakt abzugrenzen.
Der Verwaltungsakt ist eine einseitige hoheitliche Maßnahme einer Behörde, die Rechtsverhältnisse verbindlich gestaltet.
aa) Zweiseitige Einigung
Der öffentlich-rechtliche Vertrag basiert auf einer zweiseitigen Einigung, wobei alle Vertragsparteien einen gleichwertigen Einfluss auf die Vertragsgestaltung nehmen.
In den Fällen von mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakten ist die Abgrenzung besonders relevant, da regelmäßig Sachverhalte bestehen, die theoretisch sowohl durch Verwaltungsakt als auch durch öffentlich-rechtlichen Vertrag geregelt werden könnten.
Beispiel
Eine Behörde möchte einer Landwirtin eine finanzielle Subvention für den ökologischen Anbau gewähren.
Die Behörde und die Landwirtin könnten einen öffentlich-rechtlichen Vertrag schließen, in dem die Bedingungen für die Subventionsgewährung festgelegt werden, wie etwa die Umstellung auf bestimmte ökologische Anbaumethoden und die regelmäßige Berichterstattung über diese.
Alternativ könnte die Behörde die Subvention auch durch einen Verwaltungsakt gewähren, der jedoch die Mitwirkung der Landwirtin erfordert. Diese Mitwirkung kann dabei in der Erfüllung von Nebenbestimmungen zum Verwaltungsakt, wie z. B. Auflagen, den Betrieb auf ökologische Anbaumethoden umzustellen und eine regelmäßige Berichterstattung über diese.
Neben dem zentralen Abgrenzungskriterium der zweiseitigen Einigung gibt es weitere wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Rechtsformen.
bb) Rechtswirkung
Ein Verwaltungsakt ist von Anfang an rechtsverbindlich und kann durch hoheitlichen Zwang durchgesetzt werden.
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag entfaltet erst nach Vertragsabschluss zwischen den Parteien seine Bindungswirkung. Eine Durchsetzung erfolgt nicht hoheitlich, sondern im Rahmen des Zivilrechts.
cc) Gestaltungsfreiheit
Beim Verwaltungsakt hat die Behörde nur innerhalb der gesetzlichen Grenzen, also den Grenzen des Ermessens, Handlungsspielräume.
Beim öffentlich-rechtlichen Vertrag sind natürlich auch die gesetzlichen Grenzen zu beachten, es besteht durch die Zweiseitigkeit eine höhere Gestaltungsfreiheit.
dd) Rechtsschutz
Der Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt erfolgt über Widerspruch und Klage, beim Vertrag über vertragliche Regelungen und das allgemeine Vertragsrecht.
ee) Typische Anwendungsfälle
Der Verwaltungsakt wird in der Regel erlassen, wenn die Behörde hoheitlich und einseitig handeln muss oder möchte.
Beispiel
Genehmigungen, Anordnungen oder Verbote
Dagegen wird das Instrument des öffentlich-rechtlichen Vertrags gewählt, wenn eine Kooperation zwischen den Beteiligten erforderlich ist.
Beispiel
Öffentlich-private Partnerschaften oder Subventionsvereinbarungen
2. Vertragstypen
Es gibt verschiedene Formen, in denen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag vorliegen kann. Dabei kann einmal anhand des Vertragspartners und andererseits anhand des Vertragsinhalts differenziert werden.
Merke
Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist mangels Typenzwangs nicht abschließend typisiert. Es kann also Verträge in vielen verschiedenen Ausgestaltungen geben.
§ 54 VwVfG unterscheidet zwei Arten des öffentlich-rechtlichen Vertrags: den subordinationsrechtlichen und den koordinationsrechtlichen Vertrag.
Die Abgrenzung der beiden Vertragstypen ist wichtig, da in den gesetzlichen Regelungen zwischen diesen differenziert wird und vor allem einige Regelungen nur auf den subordinationsrechtlichen Vertrag (§ 54 S. 2 VwVfG) anwendbar sind.

a) Subordinationsrechtlicher Vertrag, § 54 S. 2 VwVfG
In § 54 S. 2 VwVfG ist der subordinationsrechtliche Vertrag geregelt.
Ein subordinationsrechtlicher Vertrag liegt vor, wenn ein Hoheitsträger mit einer Privatperson einen Vertrag schließt. In den meisten Fällen ist dies entsprechend dem Wortlaut des § 54 S. 2 VwVfG, der Fall, wenn ein Vertrag geschlossen wurde, statt einen Verwaltungsakt zu erlassen. Es kann aber auch ein Vertrag mit dem Inhalt geschlossen werden, dass sich der Hoheitsträger verpflichtet, einen Verwaltungsakt oder eine sonstige Handlung vorzunehmen.
Für den subordinationsrechtlichen Vertrag gelten einige zusätzliche Vorschriften, da einige Regelungen der §§ 54 ff. VwVfG nur auf diesen Anwendung finden.
Im Rahmen des subordinationsrechtlichen Vertrags kann dann zudem auch nach dem Inhalt differenziert werden. Gesetzlich geregelt sind hier der Vergleichsvertrag nach § 55 VwVfG und der Austauschvertrag nach § 56 VwVfG.
aa) Vergleichsvertrag, § 55 VwVfG

Zitat
§ 55 VwVfG:
“Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 Satz 2, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), [...].”
Der Vergleichsvertrag dient also dazu, Unklarheiten über bestehende Rechte oder Rechtsverhältnisse zu beseitigen. Die Vertragsparteien einigen sich darauf, ihre jeweiligen Ansprüche oder Verpflichtungen durch einen Kompromiss zu regeln. Gemäß dem Wortlaut, welcher den Anwendungsbereich des § 55 VwVfG auf Verträge nach § 54 S. 2 VwVfG, also subordinationsrechtliche Verträge, beschränkt, kann der Vertrag nur zwischen einem Hoheitsträger und einer Privatperson geschlossen werden.
Eine Voraussetzung für den Abschluss eines Vergleichsvertrags ist es, dass der Grund des Vertragsschlusses in einer sich nicht anders zu behebenden Unsicherheit über den Sachverhalt oder die Rechtslage liegt.
Daraus folgt in Verbindung mit dem Untersuchungsgrundsatz der Behörde aus § 24 VwVfG, dass die Behörde im Vorfeld des Vertragsschlusses versucht haben muss, den Sachverhalt, beziehungsweise die Rechtslage, zu ermitteln.
Gesetzesverweis
Sofern es in deinem Bundesland zulässig ist, kannst du dir den § 24 VwVfG an den § 55 VwVfG zitieren, um dich an den Untersuchungsgrundsatz der Behörde und die daraus folgende Voraussetzung, dass die Behörde vor Abschluss des Vertrags versucht haben muss, den Sachverhalt zu ermitteln, zu erinnern.
Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist die Rechtsfolge eine an der Zweckmäßigkeit des Vertragsschlusses orientierte Ermessensentscheidung der Behörde.
Hier beschränkt sich die gerichtliche Überprüfbarkeit also dann auf Ermessensfehler der Behörde.
bb) Austauschvertrag, § 56 VwVfG
Neben dem Vergleichsvertrag gibt es den Austauschvertrag. Dieser ist § 56 VwVfG geregelt.

Zitat
§ 56 I 1 VwVfG:
“Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 Satz 2, in dem sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet, kann geschlossen werden, wenn die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck im Vertrag vereinbart wird und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dient.”
Zunächst kann festgestellt werden, dass auch der Anwendungsbereich von § 56 VwVfG auf subordinationsrechtliche Verträge nach § 54 S. 2 VwVfG beschränkt ist.
Die weiteren Voraussetzungen, die sich daraus ergeben, sind:
Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde
Gegenleistung hat einen bestimmten Zweck
Gegenleistung dient der Behörde zur Erfüllung ihrer Aufgaben
In § 56 I 2 VwVfG werden dann die weiteren Voraussetzungen genannt:
Zitat
§ 56 I 2 VwVfG:
„Die Gegenleistung muss den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen.“
Daraus ergeben sich zwei weitere Voraussetzungen:
Zum einen muss die Gegenleistung angemessen sein.
Zum anderen ist in § 56 I 2 Hs. 2 VwVfG das sogenannte Kopplungsverbot normiert. Es sagt aus, dass die Erbringung einer Gegenleistung nicht an Bedingungen geknüpft werden darf, die außerhalb des Vertragszwecks liegen. Das Kopplungsverbot soll verhindern, dass die Behörde ihre übergeordnete Position missbraucht, indem sie den Vertragspartner zu unangemessenen oder sachfremden Leistungen zwingt. Es schützt damit die Vertragspartner vor einer erzwungenen Gegenleistung, die lediglich dazu dient, andere Zwecke der Behörde zu erfüllen
Merke
Es wird zwischen “echten Austauschverträgen” und “hinkenden Austauschverträgen" unterschieden. Bei echten Austauschverträgen sind Leistung und Gegenleistung ausdrücklich im Vertragstext genannt. Bei hinkenden Austauschverträgen ist nur eine Leistungspflicht des Bürgers enthalten und eine behördliche Gegenleistung wird von den Beteiligten stillschweigend vorausgesetzt.
b) Koordinationsrechtlicher Vertrag (§ 54 S. 1 VwVfG)
Neben dem subordinationsrechtlichen Vertrag gibt es den koordinationsrechtlichen Vertrag.
Ein koordinationsrechtlicher Vertrag wird zwischen gleichgeordneten Rechtsträgern (Hoheitsträger - auch unterschiedlicher Ordnung) geschlossen.
Beispiel
Öffentlich-rechtlicher Vertrag mit Inhalt einer Vereinbarung zwischen zwei Kommunen über den Bau und die Unterhaltung einer gemeinsamen Kläranlage.
Für diese Verträge gilt nur die Vorschrift des § 54 S. 1 VwVfG und nicht auch Satz 2.
Merke
§ 54 S. 1 VwVfG bezieht sich auf beide Arten des Vertrags. § 54 S. 2 VwVfG enthält dann weitere Regelungen, die sich nur auf den subordinationsrechtlichen Vertrag beziehen.
3. Zustandekommen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
Öffentlich-rechtliche Verträge kommen, wie zivilrechtliche Verträge, durch übereinstimmende Willenserklärungen der beteiligten Parteien zustande. Eine Behörde und der Vertragspartner einigen sich dabei auf bestimmte Rechte und Pflichten.
a) Einigung
Bei der Einigung ist § 62 VwVfG zu beachten. Nach § 62 S. 1 VwVfG gelten ergänzend zu den §§ 54 ff. VwVfG die übrigen Vorschriften des VwVfG, soweit sich aus den §§ 54 bis 51 VwVfG nichts Abweichendes ergibt. Nach § 62 S. 2 VwVfG gelten ergänzend die Vorschriften des BGB entsprechend.
Die Formulierung “durch Vertrag” in § 54 I 1 VwVfG zeigt also i.V.m. § 62 S. 2 VwVfG, dass die Einigung allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen folgt. Dies sind vor allem die §§ 145ff., 161ff. und 104ff. BGB.
Hier bestehen grundsätzlich also keine Besonderheiten im Vergleich zum Abschluss zivilrechtlicher Verträge.
Besonderheiten beim Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ergeben sich aber im Folgenden aus den §§ 57 ff. VwVfG.
b) Form, § 57 VwVfG
Gemäß § 57 VwVfG ist der Vertrag schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist.
Merke
Bei Grundstückskaufverträgen bedarf es gemäß § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 311b I BGB der Form der notariellen Beurkundung.
c) Beteiligung Dritter, § 58 VwVfG
aa) § 58 I VwVfG
§ 58 I VwVfG regelt, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, welcher in die Rechte eines Dritten eingreift, erst wirksam wird, wenn der Dritte schriftlich zugestimmt hat.
Beispiel
Eine Gemeinde schließt mit einem Unternehmen einen öffentlich-rechtlichen Vertrag über die Errichtung einer Sportanlage, die an ein Grundstück einer Privatperson angrenzt. Der Vertrag sieht vor, dass das Unternehmen für die Erschließung der Anlage auch eine Zufahrtsstraße über das angrenzende Privatgrundstück baut. Damit dieser Vertrag wirksam wird, ist die Zustimmung der Privatperson erforderlich.
bb) § 58 II VwVfG
§ 58 II VwVfG regelt, dass in Fällen, in denen eine andere Behörde mitwirken muss (Genehmigung, Zustimmung, Einvernehmen), der Vertrag erst wirksam wird, wenn die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat.
Beispiel
Eine Stadtverwaltung schließt einen Vertrag mit einem Unternehmen, um ein Wasserschutzgebiet für den Bau einer Leitung zu nutzen. Unter normalen Umständen wäre ein Verwaltungsakt erforderlich, bei dem die Zustimmung der Wasserbehörde notwendig ist. Weil hier stattdessen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen wird, wird dieser erst wirksam, nachdem die Wasserbehörde ihre Zustimmung gemäß § 58 Abs. 2 VwVfG erteilt hat.
d) Nichtigkeitsgründe, § 59 VwVfG
Zuletzt sind die Nichtigkeitsgründe des § 59 VwVfG zu prüfen.
Die Norm ist als abschließende Aufzählung von Nichtigkeitsgründen zu verstehen.
aa) § 59 I VwVfG
Gemäß § 59 I VwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus entsprechender Anwendung von Vorschriften des BGB ergibt. Hier kommen also alle Nichtigkeitsgründe des BGB in Betracht.
Besonders § 134 BGB i.V.m. § 59 I VwVfG wird regelmäßig bei sogenannten Handungsformverboten relevant.
Ein Handlungsformverbot kann im Einzelfall bestehen, wenn die Behörde nicht durch öffentlich-rechtlichen Vertrag handeln darf, sondern eine andere Handlungsform wählen muss. Ein Handlungsformverbot kann in verschiedenen Fallgruppen bestehen.
Diese sind etwa das Gefahrenabwehrrecht oder das Steuerrecht.
Beispiel
Polizeibeamter stellt eine Person beim Versuch eines Diebstahls und schließt mit ihm einen Vertrag, den Diebstahl nicht weiterzuführen.
X schließt mit der Behörde einen Vertrag mit dem Inhalt, dass er eine Zahlung von 50.000 Euro an die Behörde leistet und im Gegenzug für die nächsten 10 Jahre nur 50 % der fälligen Steuern bezahlen muss.
bb) § 59 II VwVfG
§ 59 II VwVfG nennt zusätzlich zu den zivilrechtlichen Nichtigkeitsgründen für das öffentliche Recht spezifische Fallgruppen der Nichtigkeit.

Demnach ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ferner nichtig, wenn:
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre (Nr. 1)
ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 VwVfG rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war (Nr. 2)
die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrags nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 VwVfG rechtswidrig wäre (Nr. 3)
sich die Behörde eine nach § 56 VwVfG unzulässige Gegenleistung versprechen lässt (Nr. 4)
cc) Teilnichtigkeit, § 59 III VwVfG
Gemäß § 59 III VwVfG ist bei Bestehen einer Teilnichtigkeit der Vertrag im Gesamten nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.
Vernetztes Lernen
Die Regelung des § 59 III VwVfG ist das Gegenstück beim öffentlich-rechtlichen Vertrag zu § 139 BGB bei Rechtsgeschäften.
e) Prüfung des öffentlich-rechtlichen Vertrages
Klausurtipp
Die Prüfungsreihenfolge der Voraussetzungen des Zustandekommens eines wirksamen öffentlich-rechtlichen Vertrags gleicht im Wesentlichen der Reihenfolge der gesetzlichen Normen.
§ 54 I 1 VwVfG statuiert die Voraussetzung einer vertraglichen Einigung. Dabei kann direkt zunächst die Abgrenzung der Vertragstypen nach § 54 S. 1, S. 2 und
danach die Abgrenzung zwischen § 55 VwVfG und § 56 VwVfG vorgenommen werden.
Danach wird geprüft, ob die Form dem § 57 VwVfG entspricht,
die Beteiligung Dritter nach § 58 beachtet wurde und
zuletzt, ob Nichtigkeitsgründe nach § 59 VwVfG gegeben sind.

4. Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
Wenn ein öffentlich-rechtlicher Vertrag wirksam geworden ist, bleibt er wirksam, solange er nicht nichtig ist. Hier gilt also das Gleiche wie beim Verwaltungsakt: Eine einfache Rechtswidrigkeit schadet nicht der Wirksamkeit!
Da die Nichtigkeitsgründe in § 59 (i.V.m. BGB) abschließend aufgezählt sind, kann sich eine Nichtigkeit nur aus diesen Gründen ergeben und somit können nur diese zur Unwirksamkeit des Vertrags führen.
Klausurtipp
Wenn also nicht ausdrücklich nach der Rechtmäßigkeit (beziehungsweise Rechtswidrigkeit) des öffentlich-rechtlichen Vertrags gefragt ist, prüfst du immer die Wirksamkeit des Vertrags!
III. Ansprüche aus öffentlich-rechtlichem Vertrag
1. Bestehen eines Anspruchs
Das Schema der Prüfung von Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichem Vertrag gleicht größtenteils dem der Prüfung von vertraglichen Ansprüchen im Zivilrecht. Hier ist nur ein weiterer Prüfungspunkt, die inhaltliche Veränderung nach § 60 VwVfG, zusätzlich zu berücksichtigen.
a) Anspruch entstanden
Ob der Anspruch entstanden ist, beurteilt sich nach dem allgemeinen Schema des Zustandekommens eines Vertrags. Wenn der Vertrag wirksam zustande gekommen ist, ist der Anspruch aus den vereinbarten Vertragspflichten abzuleiten.
b) Anspruch inhaltlich nicht verändert, § 60 I 1 Hs. 1 VwVfG
Eine Besonderheit beim öffentlich-rechtlichen Vertrag findet sich § 60 I 1 Hs. 1 VwVfG. Demnach kann eine Vertragspartei eine Anpassung des Vertrags verlangen, wenn ihr ein Festhalten am ursprünglichen Vertrag nicht mehr zumutbar ist, da sich maßgebliche Vertragsverhältnisse nach Vertragsschluss geändert haben. Der Anspruch bezieht sich auf eine Anpassung an die geänderten Umstände. Hier ist also eine Betrachtung der Umstände und diesbezügliche Abwägung vorzunehmen. Hier ist also zu prüfen, ob ein solches Anpassungsverfahren durchgeführt wurde und wenn dies der Fall ist, mit welchem Inhalt.
Vernetztes Lernen
Die Regelung gleicht in Bezug auf Inhalt und Wirkung der Störung der Geschäftsgrundlage in § 313 BGB. Der Prüfungspunkt “Anspruch inhaltlich nicht verändert” ist als weiterer Punkt neben dem gewohnten zivilrechtlichen Anspruchsaufbau zu prüfen. Ansonsten gleicht der Anspruchsaufbau beim öffentlich-rechtlichen Vertrag dem zivilrechtlichen Aufbau.
c) Anspruch untergegangen
Der Anspruch dürfte auch nicht untergegangen sein.
Die wesentlichen Untergangsgründe sind:
aa) Erfüllung, § 62 VwVfG i.V.m. § 362 BGB
Der Anspruch geht wie gewohnt auch hier unter, wenn Erfüllung (eventuell auch durch ein Erfüllungssurrogat) eintritt.
bb) Leistungsstörung
Über § 62 VwVfG sind auch die gewohnten Regelungen zur Leistungsstörung auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag anwendbar. Besondere Beachtung ist dabei auch hier der Unmöglichkeit der Leistungspflicht nach § 275 BGB zu schenken.
cc) Kündigung
Wenn eine inhaltliche Vertragsanpassung nach § 60 I 1 Hs. 1 VwVfG nicht möglich oder unzumutbar ist, kann gemäß § 60 I 1 Hs. 2 VwVfG der Vertrag gekündigt werden.
Nach § 60 I 2 VwVfG ist eine Kündigung auch zur Verhütung schwerer Nachteile für das Gemeinwohl zu verhindern.
Gemäß § 60 II 1 VwVfG bedarf die Kündigung der Schriftform und gemäß § 60 II 2 VwVfG muss sie begründet sein.
d) Durchsetzbarkeit des Anspruchs
Zuletzt muss der Anspruch auch durchsetzbar sein.
Hier sind die bekannten Einreden des BGB, wie Treu und Glauben nach § 242 BGB oder ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 oder § 320 BGB, jeweils in Verbindung mit § 62 VwVfG, zu prüfen.

2. Realisierung eines Anspruchs
a) Verwaltungsrechtsweg
Die Realisierung des Anspruchs aus öffentlich-rechtlichem Vertrag erfolgt grundsätzlich über den Verwaltungsrechtsweg. Die Behörde darf keinen an den Vertragspartner gerichteten Verwaltungsakt zur Erfüllung der Leistungspflicht erlassen, sondern muss eine Leistungsklage erheben und deren Urteil nach den §§ 167 ff. VwGO i.V.m. den Vorschriften der ZPO vollstrecken lassen.
Klausurtipp
Das heißt, dass du eine normale Leistungsklage prüfen würdest und im Rahmen der Begründetheit darstellen musst, ob der Anspruch besteht und durchsetzbar ist.
b) Unterwerfung der sofortigen Vollstreckung, § 61 VwVfG
Eine Besonderheit stellt daneben § 61 VwVfG dar. § 61 I 1 VwVfG gibt den Parteien die Möglichkeit, eine sofortige Vollstreckung aus dem Vertrag zu vereinbaren. Das bedeutet, dass die Vertragsparteien sich der direkten Vollstreckung aus dem Vertrag unterwerfen können. Dies ermöglicht eine schnellere Durchsetzung vertraglicher Ansprüche ohne den Umweg über ein gerichtliches Verfahren. Dabei muss sich die Behörde durch einen Behördenleiter, dessen Vertreter oder eine Person mit Befähigung zum Richteramt vertreten lassen (§ 61 I 2 VwVfG).
§ 61 II VwVfG regelt, wie die Vollstreckung in der Praxis abläuft. Der öffentlich-rechtliche Vertrag wird wie ein Verwaltungsakt behandelt, sodass das Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) entsprechend anwendbar ist. Je nachdem, wer die Vollstreckung betreibt (Behörde oder Privatperson), gelten unterschiedliche Vorschriften. Die einzelnen Fallgruppen sind in § 61 II 2 VwVfG aufgezählt.