I. Einleitung
Zitat
§ 43 I 1 VwVfG:
“Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird”
Gemäß § 43 I 1 VwVfG ist die Bekanntgabe das entscheidende Kriterium für die erstmalige Wirksamkeit eines Verwaltungsakts. Einen Verwaltungsakt vorbereitende Handlungen sind nur verwaltungsinterne Handlungen und damit kein eigenständiger Verwaltungsakt.
Damit besteht auch eine wichtige Bedeutung für die Fristberechnung bei der Widerspruchs- und Klagefrist.
Die gesetzlichen Anforderungen an die Bekanntgabe sind in § 41 VwVfG geregelt.
Die Bekanntgabe des Verwaltungsakts ist eine empfangsbedürftige öffentlich-rechtliche Willenserklärung, welche erst mit Zugang wirksam wird.
Die Bekanntgabe kann sowohl förmlich als auch formlos erfolgen. Bei beiden Formen müssen für eine wirksame Bekanntgabe einige Voraussetzungen erfüllt sein.
Klausurtipp
Außer für die Fristberechnung kann die Bekanntgabe auch als Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen und die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts in der Klausur relevant werden. Besonderheiten wie die öffentliche Bekanntgabe sind vor allem im Baurecht und im Gefahrenabwehrrecht regelmäßig zu finden.
II. Voraussetzungen der Bekanntgabe
Definition
Bekanntgabe ist die amtliche Eröffnung des Verwaltungsakts gegenüber dem Betroffenen, d. h. der Tatsache des Ergehens und des Inhalts des Verwaltungsakts, mit Wissen und Wollen der Behörde, die den Verwaltungsakt erlässt. (Kopp/Ramsauer VwVfG § 41 R. 6)
Wenn bezüglich der Form keine gesetzlichen Anforderungen (siehe dazu unten) bestehen, liegt die Form im Ermessen der Behörde und sie kann eine der zur Wahl stehenden Formen auswählen.
Das zufällige Bekanntwerden oder die private Mitteilung eines Verwaltungsakts reichen nicht für eine wirksame Bekanntgabe aus. Es muss gerade ein Handeln der Behörde in amtlicher Tätigkeit gegeben sein. Dabei muss die Behörde den Inhalt des Verwaltungsakts willentlich und wissentlich dem Adressaten gegenüber eröffnen. Zuletzt muss der Verwaltungsakt beim Adressaten gemäß § 130 I BGB zugegangen sein.
Daraus ergeben sich zusammenfassend folgende Voraussetzungen für eine wirksame Bekanntgabe:
Zuständige Behörde
In amtlicher Tätigkeit
Willentlich und wissentlich
Inhalt muss dem Adressaten gegenüber eröffnet werden
Zugang beim Adressaten (§ 130 I BGB)

Merke
Theoretisch handelt es sich um einen zweiaktigen Vorgang, die Entäußerung der Behörde und der Zugang beim Empfänger. Diese Aufspaltung wird aber erfahrungsgemäß nie Gegenstand einer Klausur im öffentlichen Recht sein und kann daher als einheitlicher Vorgang angesehen werden.
III. Formlose Bekanntgabe
Formlose Bekanntgabe heißt, dass für den Verwaltungsakt kein zusätzliches gesetzliches Formerfordernis besteht, außer denen, die grundsätzlich für alle Verwaltungsakte gelten. Im Gegensatz dazu ist ein Fall der förmlichen Bekanntgabe gegeben, wenn ein konkretes Formerfordernis bezüglich der Zustellung besteht. In diesen Fällen findet dann das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) und die darin enthaltenden formellen Regelungen Anwendung.
Merke
Wenn Anforderungen an die Zustellung des konkreten Verwaltungsakts bestehen, handelt es sich um eine “förmliche Bekanntgabe” und über § 41 V VwVfG finden dann die Regelungen des VwZG Anwendung. Anstatt “förmlicher Bekanntgabe” könnte man auch von “Bekanntgabe durch Zustellung” sprechen.
1. Individuelle Bekanntgabe
Der Regelfall der Bekanntgabe ist die individuelle Bekanntgabe gegenüber dem Adressaten.
§ 41 II VwVfG regelt die Zustellung eines schriftlichen Verwaltungsakts per Post. § 41 II 1 VwVfG statuiert für diese den Grundsatz der “3-Tages-Fiktion”. Der Zeitpunkt des Zugangs ist der dritte Tag nach der Aufgabe zur Post. Nach § 41 II 2 VwVfG gilt das Gleiche für einen elektronischen Verwaltungsakt mit dem Tag des Absendens. Dies gilt aber nicht, wenn der Verwaltungsakt tatsächlich nicht oder später als zu diesem Zeitpunkt eintrifft (Satz 3). Im Zweifel liegt die Beweislast hierfür bei der Behörde. Grundvoraussetzung für die elektronische Übermittlung eines Verwaltungsakts ist die Eröffnung des entsprechenden Zugangs beim Empfänger, § 3a I VwVfG.
Merke
Unter “elektronischer Übermittlung” ist das gesamte Spektrum der elektronischen Kommunikation zu verstehen. Voraussetzung ist aber, dass eine Fixierung des Kommunikationsinhaltes möglich ist. Damit fallen alle Dienste heraus, bei denen nur eine zeitlich begrenzte Ansicht des Dokuments möglich ist.
§ 41 II a VwVfG enthält einige weniger relevante Ausnahmen für elektronische Verwaltungsakte.
Ein mündlich erlassener Verwaltungsakt geht nach der eingeschränkten Vernehmungstheorie gemäß § 130 BGB analog zu, wenn der Erklärende davon ausgehen kann und darf, dass ihn der Empfänger richtig und vollständig verstanden hat. Dies wird im Rahmen des Zugangs von Verwaltungsakten (anders als im BGB AT) eigentlich nie problematisch sein.
2. Öffentliche Bekanntgabe
Die öffentliche Bekanntgabe ist in § 41 III und IV VwVfG geregelt. § 41 III 1 VwVfG legt fest, dass eine öffentliche Bekanntmachung nur in den durch Rechtsnorm vorgeschriebenen Fällen zugelassen ist.
Beispiel
Einer der häufigsten Fälle der Anordnung durch Fachrecht im Sinne des § 41 III 1 VwVfG ist der Straßenverkehr. So wird zum Beispiel in § 39 II und III StVO, 36 II StVO und § 37 II eine öffentliche Bekanntgabe angeordnet.
Davon abweichend darf nach § 41 III 2 VwVfG eine Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 S. 2 VwVfG auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist. Dies ist der Fall, wenn sie unmöglich oder nur unter besonderen Schwierigkeiten möglich ist. Dies ist regelmäßig bei einer größeren Zahl von Adressaten und/oder kurzen Zeiträumen der Fall.
Beispiel
Die kurzfristige Aufforderung aller Bewohner von drei Straßen, diesen Bereich zu verlassen, da es nach einem Brand in einem Chemiewerk zu einem Austritt gefährlicher Stoffe kommt.
Merke
Bei Verkehrsschildern ist § 45 III StVO lex specialis zu § 43 VwVfG.
Im Folgenden enthält § 41 IV VwVfG die konkreten Voraussetzungen für die öffentliche Bekanntgabe.
Nach § 41 IV 1 VwVfG wird die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakts dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil ortsüblich bekannt gemacht wird. In der ortsüblichen Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können (Satz 2).
Der Verwaltungsakt gilt dann zwei Wochen nach der ortsüblichen Bekanntmachung als bekannt gegeben (Satz 3). Abschließend enthält § 41 IV 4 VwVfG eine Sondervorschrift für Allgemeinverfügungen (§ 35 S. 2 VwVfG). Demnach kann ein von Satz 3 abweichender Tag bestimmt werden, dieser darf jedoch frühestens der Tag nach der Bekanntmachung sein. Eine Verkürzung der Laufzeit ist damit auch bei Allgemeinverfügungen nicht möglich.
IV. Förmliche Bekanntgabe
Gemäß § 41 V VwVfG bleiben die Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts mittels Zustellung unberührt. Dies meint die Regelungen des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Dessen Erfordernisse sind in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen zu erfüllen.
Das VwZG regelt konkrete Anforderungen für spezifische Zustellungsarten. Die wichtigsten sind dabei:
Die Zustellung per Post
→ mittels Zustellungsurkunde (§ 3 VwZG) oder mittels Einschreiben oder Einschreiben-Rückschein (§ 4 I Alt. 1 oder 2 VwZG)
Die Zustellung durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis, § 5 VwZG
Sonderarten der Zustellung → vor allem im Ausland (§ 9) oder die öffentliche Zustellung (§ 10)
Gemäß der Legaldefinition in § 2 VwZG ist die Zustellung “die Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Dokuments in der in diesem Gesetz bestimmten Form”.
Die Heilung von Zustellungsmängeln ist in § 8 VwZG geregelt.
Beispiel
Sofern in deinem Bundesland zulässig, kannst du dir den § 2 VwZG an § 41 V VwVfG zitieren, um dich an die Anwendbarkeit des VwZG und den Ausgangspunkt der Legaldefinition in § 2 VwZG zu erinnern.
