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Beendigung der Verwaltungsaktsqualität

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Verwaltungshandeln

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Verwaltungsakt
Widerruf
Rücknahme
Erledigung
Schutzwürdiges Vertrauen
Actus-Contrarius
Ermessen
§ 43 VwVfG
§ 48 VwVfG
§ 49a VwVfG
§ 49 VwVfG
§ 36 VwVfG
§ 42 VwVfG
§ 818 BGB
§ 113 VwGO
§ 45 WaffG
§ 3 StVG
Gliederung
  • I. Einleitung

  • II. Die Erledigung eines Verwaltungsakts, § 43 II VwVfG

    • 1. Zeitablauf

    • 2. Vollzug

  • III. Beendigung des Verwaltungsakts durch die Behörde

    • 1. Die Rücknahme des Verwaltungsakts, § 48 VwVfG

      • a) Ermächtigungsgrundlage

      • b) Formelle Rechtmäßigkeit

        • aa) Zuständigkeit

          • aaa) Grundsatz

          • bbb) Spezialregelung

        • bb) Verfahren

        • cc) Form

      • c) Materielle Rechtmäßigkeit

        • aa) Rechtswidrigkeit des Erst-Verwaltungsakts

        • bb) Abgrenzung begünstigender/belastender Verwaltungsakt

          • aaa) Belastende Verwaltungsakte

          • bbb) Begünstigende Verwaltungsakte

        • cc) Kein schutzwürdiges Vertrauen, § 48 II, III VwVfG

          • aaa) Geld- oder Sachleistungsbescheid, § 48 I, II VwVfG

          • bbb) Sonstiger begünstigender Verwaltungsakt, § 48 I, III VwVfG

        • dd) Frist, § 48 IV VwVfG

      • d) Rechtsfolge

    • 2. Der Widerruf durch die Behörde, § 49 VwVfG

      • a) Ermächtigungsgrundlage

      • b) Formelle Rechtmäßigkeit

        • aa) Zuständigkeit

          • aaa) Grundsatz

          • bbb) Spezialgesetz

        • bb) Verfahren

        • cc) Form

      • c) Materielle Rechtmäßigkeit

      • d) Anwendungsbereich

        • aa) Abgrenzung begünstigender/belastender Verwaltungsakt, § 49 I, II VwVfG

          • aaa) § 49 I - belastende Verwaltungsakte

          • bbb) § 49 II - begünstigende Verwaltungsakte

          • ccc) § 49 III - Geld oder Sachleistungsverwaltungsakt

        • bb) Widerrufsgrund

          • aaa) Belastende Verwaltungsakte, § 49 I VwVfG

          • bbb) Begünstigende Verwaltungsakte, § 49 II VwVfG

          • ccc) Geld- oder Sachleistung, § 49 III VwVfG

        • cc) Widerrufsfrist

      • e) Rechtsfolge

    • 3. § 49a VwVfG

  • IV. Aufhebung durch das Gericht, § 113 I 1 VwGO

I. Einleitung

Die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts beginnt gemäß § 43 I 1 VwVfG mit dessen Bekanntgabe. Nach § 43 II VwVfG bleibt ein Verwaltungsakt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

Daraus folgt, dass es verschiedene Möglichkeiten der Beendigung eines Verwaltungsakts gibt:

  • Die Erledigung, § 43 II VwVfG

  • Die Rücknahme nach § 48 VwVfG durch die Behörde

  • Der Widerruf nach § 49 VwVfG durch die Behörde

Dazu kommt die Möglichkeit einer Aufhebung des Verwaltungsakts durch ein Urteil des Verwaltungsgerichts nach § 113 I 1 VwGO bei erfolgreicher Anfechtungsklage. Das Gericht ist dann verpflichtet, den rechtswidrigen Verwaltungsakt aufzuheben.

Merke

Eine Korrektur von offensichtlichen Unrichtigkeiten eines Verwaltungsakts nach § 42 VwVfG stellt keine Inhaltsänderung und damit keine Beendigung des Verwaltungsakts dar. Sie wirkt ausschließlich deklaratorisch.

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II. Die Erledigung eines Verwaltungsakts, § 43 II VwVfG

In den meisten Fällen wird ein Verwaltungsakt durch Erledigung in Form von Vollzug oder Zeitablauf beendet.

Definition

Definition: Eine Erledigung tritt ein, wenn die wesentliche rechtliche oder tatsächliche Belastung, die mit dem Verwaltungsakt verbunden war, nachträglich wegfällt

1. Zeitablauf

Im Fall des Zeitablaufs wird die Behörde nicht mehr in Bezug auf den erlassenen Verwaltungsakt tätig, sondern dieser entfaltet über den deklarierten Zeitraum seine beabsichtigte Wirkung und wird automatisch bei Ablauf der bestimmten Zeit beendet. Bei der Festlegung eines Zeitraums für die Wirksamkeit eines Verwaltungsakts handelt es sich um eine Nebenbestimmung in Form einer Befristung nach § 36 II Nr. 1 VwVfG.

2. Vollzug

Bei einem Vollzug gibt es zwei Varianten der Erledigung. Die erste ist, dass die Behörde in der für den Vollzug bestimmten Art und Weise tätig wird, um die mit dem Verwaltungsakt beabsichtigte Rechtsfolge herbeizuführen. Sobald diese erreicht ist, ist der Verwaltungsakt beendet.

Beispiel

A ist Adressat einer Abrissverfügung für ein Gebäude, das sich auf seinem Grundstück befindet. Er lässt daraufhin das Gebäude aber nicht abreißen. In der Folge reißt die Behörde im Rahmen der Vollstreckung des Verwaltungsakts das Gebäude ab. Durch den Abriss des Gebäudes tritt die Erledigung des Verwaltungsakts ein.

Die andere Variante ist, dass dem Bürger ein Verhalten auferlegt wird und dieser in seiner Sphäre alles Notwendige getan hat, um das ihm Auferlegte zu erfüllen. Dann tritt durch dessen Verhalten Erledigung ein.

Beispiel

A ist Adressat einer Abrissverfügung für ein Gebäude, das sich auf seinem Grundstück befindet. Er lässt daraufhin das Gebäude abreißen. Durch den Abriss des Gebäudes tritt die Erledigung des Verwaltungsakts ein.

III. Beendigung des Verwaltungsakts durch die Behörde

Für die Beendigung des Verwaltungsakts durch die Behörde gibt es zwei Möglichkeiten: die Rücknahme nach § 48 VwVfG und den Widerruf nach § 49 VwVfG.

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1. Die Rücknahme des Verwaltungsakts, § 48 VwVfG

Gemäß § 48 I 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt auch nach dessen Bestandskraft ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit zurückgenommen werden.

a) Ermächtigungsgrundlage

Neben § 48 VwVfG als Generalklausel für die Rücknahme von Verwaltungsakten kann eine Rücknahme auch durch Spezialvorschriften erfolgen.

Gesetzesverweis

Sofern in deinem Bundesland kannst du dir §§ 45 WaffG, 3 StVG, 172 ff. AO an den § 48 VwVfG zitieren, da diese Spezialvorschriften regelmäßig in Klausuren auftauchen.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

Die formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme beurteilt sich anhand des für das Verwaltungsrecht üblichen Schemas: Zuständigkeit, Verfahren und Form.

aa) Zuständigkeit
aaa) Grundsatz

Die Zuständigkeit für die Rücknahme liegt grundsätzlich bei der Behörde, die den Verwaltungsakt ursprünglich erlassen hat (sogenannte Annex-Zuständigkeit).

bbb) Spezialregelung

Hiervon kann im Einzelfall durch Spezialgesetz abgewichen werden.

Einen Sonderfall regelt § 48 V VwVfG i.V.m. § 3 III VwVfG. Demnach ist bei einem Wechsel der Zuständigkeiten die Behörde, die nach der Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungsakts durch eine andere Behörde für den Erlass eines neuen Verwaltungsakts zuständig wäre, auch die Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsakts vornehmen.

Dies bedeutet konkret: Wenn eine andere Behörde mittlerweile zuständig geworden ist, beispielsweise durch eine Änderung der Zuständigkeitsverteilung oder durch eine Übertragung der Aufgaben, kann diese neue Behörde den Verwaltungsakt nach § 48 VwVfG zurücknehmen. Das ist insbesondere relevant in Fällen, in denen Zuständigkeiten wechseln, sei es durch organisatorische Veränderungen oder durch spezifische Vorschriften, die eine Änderung der zuständigen Behörde bewirken.

bb) Verfahren

Für die Rücknahme gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften.

cc) Form

Es gelten auch keine besonderen Formvorschriften.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

Bei der materiellen Rechtmäßigkeit gibt es allgemeine und differenzierende Voraussetzungen.

aa) Rechtswidrigkeit des Erst-Verwaltungsakts

Der ursprüngliche Verwaltungsakt (Erst-VA) muss rechtswidrig sein. Dies ist anhand der normalen Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts festzustellen.

Merke

Man spricht von einem "Erst-VA", da nach der “actus-contrarius-Theorie” die Rücknahme eines Verwaltungsakts ebenfalls einen Verwaltungsakt darstellt.

Definition

Eine Rechtshandlung, mit welcher eine frühere Rechtshandlung (actus primus) umgekehrt werden soll (actus contrarius), hat immer dieselbe Rechtsnatur wie die ursprüngliche Rechtshandlung.

bb) Abgrenzung begünstigender/belastender Verwaltungsakt

An dieser Stelle ist dann zwischen begünstigenden und belastenden Verwaltungsakten zu unterscheiden.

aaa) Belastende Verwaltungsakte

Bei belastenden Verwaltungsakten kann die Rücknahme grundsätzlich jederzeit erfolgen. Aus dem Umkehrschluss aus § 48 I 2 VwVfG zeigt sich, dass dafür keine weiteren besonderen Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Klausurtipp

Wenn es sich um einen belastenden Verwaltungsakt handelt, ist als weitere Voraussetzung nur noch die Frist (siehe dd) zu prüfen.

bbb) Begünstigende Verwaltungsakte

Anders gestaltet es sich bei begünstigenden Verwaltungsakten. Gemäß § 48 I 2 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt (Legaldefinition begünstigender Verwaltungsakt) nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 des § 48 VwVfG zurückgenommen werden.

cc) Kein schutzwürdiges Vertrauen, § 48 II, III VwVfG

Innerhalb der begünstigenden Verwaltungsakte ist dann wiederum zu differenzieren, ob es sich um einen Geld- oder Sachleistungsbescheid oder einen anderweitig begünstigenden Verwaltungsakt handelt.

aaa) Geld- oder Sachleistungsbescheid, § 48 I, II VwVfG

Wenn es sich bei dem Verwaltungsakt um eine Geld- oder Sachleistung handelt, findet § 48 II VwVfG Anwendung.

  • Nach § 48 II 1 VwVfG besteht ein Rücknahmeverbot, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen anhand einer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse als schutzwürdig zu beurteilen ist.

  • § 48 II 2 VwVfG konkretisiert, dass das Vertrauen in der Regel als schutzwürdig anzusehen ist, wenn der Begünstigte die gewährte Leistung verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

  • § 48 II 3 VwVfG enthält dazu einige Ausnahmetatbestände. Ein Rücknahmeverbot besteht trotz Vorliegen der Voraussetzungen demnach nicht, wenn der Begünstigte den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat (Nr. 1), den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Nr. 2) oder die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). Wenn ein Fall des Satzes 3, also ein Ausnahmetatbestand des Rücknahmeverbots, vorliegt, wird der Verwaltungsakt nach § 48 III 4 VwVfG in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

bbb) Sonstiger begünstigender Verwaltungsakt, § 48 I, III VwVfG

Bei sonstigen begünstigenden Verwaltungsakten findet § 48 III VwVfG Anwendung.

Demnach steht dem Adressaten ein Entschädigungsanspruch zu, wenn

  • er auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und

  • sein Vertrauen im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen Schutzwürdigkeit des Vertrauens und öffentlichem Interesse als schutzwürdig zu beurteilen ist.

Problem

Es wird diskutiert, ob sonstige Verwaltungsakte unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit einen Bestandsschutz haben können. Dies wird verschieden beurteilt.

Teilweise wird dies für möglich gehalten. Eine differenzierende Ansicht erkennt einen Bestandsschutz nur für Status begründende Verwaltungsakte an.

Beispiel: Einbürgerungsbescheid, Beamtenverhältnis, Baugenehmigung

Die herrschende Meinung lehnt einen Bestandsschutz bei sonstigen begünstigenden Verwaltungsakten aber grundsätzlich ab. Da dem Adressaten unter den Gesichtspunkten einer Interessenabwägung des schutzwürdigen Vertrauens und des öffentlichen Interesses ein Ausgleichsanspruch zusteht, sei er nicht weiter schutzwürdig.

Merke

Absatz II regelt ein Rücknahmeverbot und Absatz III regelt eine Entschädigungspflicht.

dd) Frist, § 48 IV VwVfG

Die Frist für die Rücknahme ist in § 48 IV VwVfG geregelt. Nach § 48 IV 1 VwVfG kann die Behörde den Verwaltungsakt nur innerhalb eines Jahres, ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der die Rücknahme des rechtswidrigen Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen, zurücknehmen.

Eine Ausnahme besteht nach § 48 IV 2 VwVfG nur in den Fällen des § 48 II 3 Nr. 1 VwVfG, also wenn der Adressat die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

Merke

Dass eine Person, die die tatsächlichen rechtlichen Umstände kennt, aber sich durch oder trotz dieser Kenntnis einen unrechtmäßigen Vorteil verschafft, schärferen Anforderungen ausgesetzt ist, entspricht dem in allen Rechtsgebieten geltenden Grundprinzip der Schutzwürdigkeit.

d) Rechtsfolge

Anhand des Wortlauts des § 48 I 1 “kann” ist zu erkennen, dass es sich bei der Rechtsfolge um eine Ermessensentscheidung der Behörde handelt.

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2. Der Widerruf durch die Behörde, § 49 VwVfG

a) Ermächtigungsgrundlage

Neben § 48 VwVfG als Generalklausel für den Widerruf von Verwaltungsakten kann ein Widerruf auch durch Spezialvorschriften erfolgen.

Beispiel

Auch im Rahmen des Widerrufs können teilweise dieselben Normen als Spezialgesetz einschlägig sein. So sind § 45 WaffG und § 3 I StVG auch Spezialgesetze im Verhältnis zu § 49 VwVfG sein. Grund dafür ist, dass die meisten speziellen Normen nicht begrifflich zwischen Rücknahme und Widerruf unterscheiden.

b) Formelle Rechtmäßigkeit

Auch bei § 49 VwVfG beurteilt sich die formelle Rechtmäßigkeit anhand des für das Verwaltungsrecht üblichen Schemas: Zuständigkeit, Verfahren und Form.

aa) Zuständigkeit
aaa) Grundsatz

Die Zuständigkeit für den Widerruf liegt grundsätzlich bei der Behörde, die den Verwaltungsakt ursprünglich erlassen hat (sogenannte Annex-Zuständigkeit).

bbb) Spezialgesetz

Hiervon kann im Einzelfall durch Spezialgesetz abgewichen werden.

Der Sonderfall des § 48 V VwVfG i.V.m. § 3 III VwVfG bei der Rücknahme nach einem Zuständigkeitswechsel der Behörde besteht in gleicher Form beim Widerruf nach § 49 VwVfG i.V.m. § 3 III VwVfG.

Vernetztes Lernen

Der Wortlaut der § 48 V und § 49 V VwVfG ist im Wesentlichen identisch.

bb) Verfahren

Es gelten keine besonderen Verfahrensvorschriften.

cc) Form

Es gelten keine besonderen Formvorschriften.

c) Materielle Rechtmäßigkeit

d) Anwendungsbereich

Dem Wortlaut des § 49 VwVfG nach ist nur ein Widerruf von rechtmäßigen Verwaltungsakten möglich. Wenn aber der Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts möglich ist, kann nach ganz herrschender Meinung durch einen Erst-Recht-Schluss festgestellt werden, dass auch ein Widerruf von rechtswidrigen Verwaltungsakten möglich sein muss. Daher schränkt das Kriterium der Rechtmäßigkeit entgegen dem Wortlaut den Anwendungsbereich des § 49 VwVfG nicht ein.

aa) Abgrenzung begünstigender/belastender Verwaltungsakt, § 49 I, II VwVfG

§ 49 I und II VwVfG differenzieren zwischen belastenden (I) und begünstigenden Verwaltungsakten (II).

aaa) § 49 I - belastende Verwaltungsakte

Der Widerruf eines belastenden Verwaltungsakts unterliegt keinen weiteren Voraussetzungen. Er kann auch, nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Eine Ausnahme davon besteht nur, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erlassen werden müsste oder der Widerruf aus anderen Gründen unzulässig ist. Dies kann der Fall sein, wenn die Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt ist oder die Behörde rechtsmissbräuchlich handelt.

bbb) § 49 II - begünstigende Verwaltungsakte

Der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts ist gemäß § 49 I 1 VwVfG nur unter weiteren Voraussetzungen möglich. In den Nummern 1 bis 5 sind dafür alternative Voraussetzungen aufgestellt.

ccc) § 49 III - Geld oder Sachleistungsverwaltungsakt

Der Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsakts, der eine Geld- oder Sachleistung zum Inhalt hat, ist gemäß § 49 III 1 VwVfG nur unter weiteren Voraussetzungen möglich. In den Nummern 1 und 2 sind dafür ebenfalls alternative Voraussetzungen aufgestellt.

bb) Widerrufsgrund
aaa) Belastende Verwaltungsakte, § 49 I VwVfG

Wie gesehen, bedarf es bei belastenden Verwaltungsakten keines Widerrufsgrundes.

Klausurtipp

Dieser Aufbau dient der Vollständigkeit und dem Verständnis. Wenn du in der Klausur zu dem Ergebnis kommst, dass es sich um einen belastenden Verwaltungsakt handelt, prüfst du nur noch, ob ein Ausschlusstatbestand erfüllt ist und gehst nicht gesondert auf den Widerrufsgrund ein.

bbb) Begünstigende Verwaltungsakte, § 49 II VwVfG

Bei begünstigenden Verwaltungsakten muss eine der in § 49 II 1 Nr. 1 bis 6 VwVfG aufgezählten Voraussetzungen erfüllt sein. Diese sind:

  • Widerruf ist durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt an sich vorbehalten (Nr. 1)

  • Auflage zum Verwaltungsakt von Begünstigten nicht erfüllt (Nr. 2)

  • Veränderung der Tatsachen insoweit, dass die Behörde zum Erlass des Verwaltungsakts im Zeitpunkt des Widerrufs nicht berechtigt wäre und ohne den Widerruf eine Gefährdung des öffentlichen Interesses bestehen würde (Nr. 3)

  • wenn die Behörde aufgrund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, der Begünstigte die Vergünstigung noch nicht in Anspruch genommen oder keine Leistungen empfangen hat und das öffentliche Interesse ohne den Widerruf gefährdet wäre (Nr. 4)

  • um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen (Nr. 5). Dabei handelt es sich um einen Auffangtatbestand.

Ist eine der Voraussetzungen erfüllt, kann ein begünstigender Verwaltungsakt nach § 49 II 1 widerrufen werden.

ccc) Geld- oder Sachleistung, § 49 III VwVfG

Auch der Widerruf eines Verwaltungsakts, der inhaltlich eine Geldleistung oder teilbare Sachleistung regelt, unterliegt spezifischen Voraussetzungen. Diese sind als alternative Voraussetzungen in § 49 III 1 Nr. 1 und 2 VwVfG geregelt und sind:

  • entweder wurde die Leistung nach Erbringung nicht oder im späteren zeitlichen Verlauf nicht mehr für den bestimmten Zweck verwendet (Nr. 1)

oder

  • der Begünstigte eine Auflage des Verwaltungsakts nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt (Nr. 2)

Merke

Ein solcher Verwaltungsakt ist nur insoweit begünstigend, als er nicht eine über die gewährte Summer hinausgehende Summe des Adressaten fordert. Wenn eine solche darüber hinausgehende Summer gefordert wird, ist diese Erhöhung als belastender Verwaltungsakt zu klassifizieren.

cc) Widerrufsfrist

Für die Widerrufsfrist verweisen § 49 II 2 VwVfG (für rechtmäßig begünstigende Verwaltungsakte) und § 49 III 2 VwVfG (für rechtmäßigen Verwaltungsakt einer Geld- oder Sachleistung) jeweils auf § 48 IV, welcher entsprechend für den Widerruf gilt. Somit ist auch der Widerruf nur innerhalb eines Jahres, ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der den Widerruf des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen, möglich. Da es bei § 49 I keines Widerrufsgrunds bedarf, kann es auch keine Frist für die Kenntnisnahme der den Widerrufsgrund begründenden Tatsachen geben. Hier ist der Widerruf zeitlich immer möglich.

Merke

Die Frist beginnt erst, wenn die Behörde Kenntnis von der Rechtswidrigkeit und allen für die Entscheidung notwendigen Tatsachen hat.

e) Rechtsfolge

Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ist die Rechtsfolge des § 49 VwVfG ebenfalls eine Ermessensentscheidung der Behörde (Wortlaut “kann”).

Wenn die Behörde den Verwaltungsakt widerruft, wird der Verwaltungsakt gemäß § 49 IV VwVfG mit Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde dafür keinen davon abweichenden Zeitpunkt bestimmt hat.

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3. § 49a VwVfG

Wenn ein Verwaltungsakt zurückgenommen (§ 48 VwVfG) oder widerrufen (§ 49 VwVfG) wird, erhält der die Behörde einen Erstattungsanspruch über bereits erbrachte Leistungen gegen den Betroffenen nach § 49a I 1 VwVfG. Die bereits erbrachten Leistungen sind dabei gemäß § 49a I 2 VwVfG durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen.

Merke

Die Erstattungspflicht aus § 49a VwVfG ist nicht zu verwechseln mit der Entschädigungspflicht aus § 48 III und § 49 VI VwVfG.

Für den Umfang der Erstattung verweist § 49a II 1 VwVfG auf die Regeln des BGB zur ungerechtfertigten Bereicherung. Gemäß § 49a II 2 VwVfG kann sich der Betroffene aber nicht auf die Entreicherung (§ 818 III BGB) berufen, wenn er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.

IV. Aufhebung durch das Gericht, § 113 I 1 VwGO

Zuletzt besteht auch die Möglichkeit einer Aufhebung des Verwaltungsakts durch das Gericht infolge einer erfolgreichen Anfechtungsklage des Betroffenen.

Zitat

§ 113 I 1 VwGO:

“Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf.”

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