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Annexanträge

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Klagearten

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Leistungsklage
Verpflichtungsklage
Vollzugsfolgenbeseitigung
Klagehäufung
§ 113 VwGO
§ 42 VwGO
§ 78 VwGO
§ 44 VwGO
Gliederung
  • I. Einleitung 

  • II. Inhalt

    • 1. § 113 I 2 VwGO

    • 2. § 113 IV VwGO

  • III. Rechtsnatur

  • IV. Prüfung

    • 1. Zulässigkeit 

      • a) Statthafte Klageart 

      • b) Klagebefugnis, § 42 II VwGO (analog)

      • c) Klagegegner, § 78 VwGO (analog)

      • d) Tatsächliche Möglichkeit der Vollzugsfolgenbeseitigung

    • 2. Begründetheit 

      • a) Anspruch auf Rückgängigmachung 

      • b) Spruchreife

I. Einleitung 

Der Annexantrag nach § 113 I 2 ist das prozessuale Instrument zur Durchsetzung eines materiellen Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruchs. Zweck ist es, unnötige (doppelte) Prozesse, die inhaltlich dieselbe Sache betreffen, zu vermeiden.

Dies ist vor dem Hintergrund notwendig, dass der materielle Anspruch auf Rückgängigmachung erst mit Rechtskraft des Urteils entsteht. Ohne die Möglichkeit des Annexantrags müsste dann nach Rechtskraft des Urteils ein erneuter Prozess bezüglich des Anspruchs auf Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen geführt werden.

So kann das Gericht, bei Vorliegen der Voraussetzungen, auch schon vor Eintritt der Rechtskraft über die Rückgängigmachung etwaiger Vollzugsfolgen des aufgehobenen Verwaltungsaktes entscheiden.

II. Inhalt

1. § 113 I 2 VwGO

Zitat

§ 113 I 2 VwGO:

Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat.

Der Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch aus § 113 I 2 VwGO bezieht sich auf § 113 I 1 VwGO, welcher den Urteilstenor, also die Begründetheit der Anfechtungsklage, regelt. Der Annexantrag nach § 113 I 2 VwGO ist also neben der Anfechtungsklage zu stellen. Voraussetzung ist, dass der Verwaltungsakt bereits vollzogen wurde.

Beispiel

A erhält einen Bußgeldbescheid über 200 €, gegen welchen er Widerspruch und Anfechtungsklage erhoben hat. Nach § 80 II 1 Nr. 1 VwGO hat dieser keine aufschiebende Wirkung, sodass für A die Zahlungsfrist des Bescheids bestehen bleibt. Daher zahlt er die 200 € unter Vorbehalt. Die Anfechtungsklage richtet sich hierbei gegen den Bußgeldbescheid. Hat die Klage Erfolg, wird dieser aufgehoben. Hierdurch erhält A aber sein Geld nicht zurück. Um einen erneuten Prozess zur Durchsetzung seines materiellen Anspruchs auf Rückzahlung der 200 € zu vermeiden, kann er bereits zusammen mit der Anfechtungsklage einen Annexantrag auf Rückzahlung von 200 €, also der Beseitigung der Vollzugsfolgen (Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch), nach § 113 I 2 VwGO stellen.

2. § 113 IV VwGO

Zitat

§ 113 IV VwGO:
"Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig."

Der Unterschied zum Antrag nach § 113 I 2 VwGO ist hier, dass es hier nicht um die Rückgängigmachung eines Vollzugs geht, da die begehrte Leistung nie in der Sphäre des Antragstellers bestand. Auch hier entsteht der materielle Leistungsanspruch erst mit Rechtskraft des Anfechtungsurteils.

Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist nach § 113 IV VwGO im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig. § 113 IV VwGO ist systematisch mit § 113 I 2, 3 VwGO vergleichbar und tritt neben diese, soweit es sich nicht um die Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruches handelt; insofern ist § 113 I 2 VwGO speziell. Der Sinn beider Vorschriften besteht darin, dem Kläger aus prozessökonomischen Gründen die Möglichkeit zu eröffnen, Ansprüche, die sich aus der Aufhebung des Verwaltungsakts ergeben, bereits im Rahmen des Anfechtungsprozesses geltend zu machen, während ohne eine solche Regelung derartige Folgeansprüche erst nach Rechtskraft des Aufhebungsurteils erhoben werden könnten.

Beispiel

Rückzahlung einer noch nicht gezahlten, aber festgesetzten Gebühr.


Im Unterschied zu § 113 I 2 VwGO geht es hier nicht um die Rückgängigmachung von Vollzugsfolgen, sondern um eine eigenständige Leistung, die nie in der Sphäre des Klägers vorhanden war.

Im Studium wird § 113 IV oft als „Leistungsannexantrag“ bezeichnet, dogmatisch handelt es sich aber nicht um einen Annexantrag im engeren Sinne, sondern um eine besondere Form der objektiven Klagehäufung.

Auch hier gilt: Der materielle Anspruch wird erst durch die erfolgreiche Anfechtungsklage durchsetzbar.

III. Rechtsnatur

Annexanträge sind keine „eigenständigen Klagen“, sondern unselbständige Nebenanträge. Sie teilen das rechtliche Schicksal der Hauptklage. Es handelt sich also dabei um einen Fall der objektiven Klagehäufung im Sinne des § 44 VwGO. Anders als bei der typischen objektiven Klagehäufung nach § 44 VwGO handelt es sich beim Annexantrag nicht um einen selbstständigen Klageantrag, sondern um ein unselbstständiges Annexbegehren. Gleichwohl wird er prozessual als besondere Form der objektiven Klagehäufung behandelt

  • Es liegt eine Klage zugrunde, mit der der Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsakts geltend macht.

  • Wenn diese begründet ist, ergibt sich auf einer "2. Stufe", ein Anspruch, der darauf abzielt, die tatsächlichen Folgen des nun aufgehobenen Verwaltungsakts rückgängig zu machen, da es prozessunökonomisch wäre, wegen des Folgeanspruchs einen eigenständigen, zweiten Prozess zu starten.

IV. Prüfung

Der Annexantrag ist insoweit erfolgreich, als der Kläger (materiell-rechtlich) einen Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen (rechtmäßigen) Zustands hat, der vor der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes bestand.

Die Prüfung beginnt nach der Prüfung der Anfechtungsklage und dem (zulässigen) Vorliegen der objektiven Klagehäufung (§ 44 VwGO) als ein dritter, eigenständig zu prüfender Teil derselben Klage.

Klausurtipp

Ist die Anfechtungsklage selbst schon unbegründet, gibt es keine Grundlage für den Anspruch des Annexantrags, sodass der Annex in diesem Fall nicht zu prüfen ist. In diesem Fall könntest du einen Satz schreiben wie: "Da die Hauptklage bereits unbegründet ist, teilt der unselbstständige Annexantrag ihr Schicksal und ist ebenfalls als unbegründet abzuweisen."

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1. Zulässigkeit 

Merke

Die hier nicht dargestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen ergeben sich bereits aus der Prüfung der Zulässigkeit der Anfechtungsklage.

a) Statthafte Klageart 

Allgemein kann es sich bei dem Antrag um einen Verpflichtungs- oder einen Leistungsannexantrag handeln. Dies bestimmt sich danach, ob die Rückgängigmachung des Vollzugs durch einen Verwaltungsakt oder durch Realakt, also schlichtes Verwaltungshandeln, erfolgen muss. Hintergrund ist die Verpflichtung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes des Art. 19 IV GG. Voraussetzung ist, dass der Verwaltungsakt bereits vollzogen wurde.

Zitat

§ 113 IV VwGO:
"Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig."

b) Klagebefugnis, § 42 II VwGO (analog)

Es muss die Möglichkeit einer Aufhebung des Verwaltungsakts bestehen. Hintergrund ist, dass mit der Aufhebung des Verwaltungsakts der Rechtsgrund des Vollzugs entfällt.

c) Klagegegner, § 78 VwGO (analog)

Bei Verpflichtungsklagen ist § 78 VwGO wie gewohnt direkt anzuwenden.

Besonderheit im Rahmen des Annexantrags ist, dass im Falle eines Leistungsbegehrens, entgegen der eigentlichen Grundsätze der Leistungsklage, § 78 VwGO hier analog anzuwenden ist und nicht nur auf das Rechtsträgerprinzip abzustellen ist.

d) Tatsächliche Möglichkeit der Vollzugsfolgenbeseitigung

Zitat

§ 113 I 3 VwGO:
Dieser Ausspruch [auf Rückgängigmachung der Vollziehung] ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage ist und diese Frage spruchreif ist.

Hier wird auf das materielle Recht zurückgegriffen und die materielle Voraussetzung “dazu in der Lage [...] ist” zur prozessualen Zulässigkeitsvoraussetzung erklärt. Es muss also eine tatsächliche Möglichkeit der Vollzugsfolgenbeseitigung bestehen.

Merke

Weitere besondere Sachurteilsvoraussetzungen sind nicht zu prüfen. Die Prüfung der allgemeinen Sachurteilsvoraussetzungen entfällt beim Annexantrag, da deren Vorliegen bereits im Rahmen des ersten Teils der Klage festgestellt wurde.

2. Begründetheit 

Der Antrag nach § 113 I 2 VwGO ist begründet, wenn ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Vollzugsfolgen besteht und die Sache spruchreif ist.

a) Anspruch auf Rückgängigmachung 

Der Anspruch besteht, wenn kein Rechtsgrund für den Vollzug (mehr) besteht. Da der Verwaltungsakt rechtswidrig war und deshalb vom Verwaltungsgericht aufzuheben ist, kann dieser keinen Rechtsgrund (mehr) für die weitere Aufrechterhaltung der Vollzugsfolgen darstellen.

b) Spruchreife

Gemäß § 113 I 3 VwGO muss die Sache spruchreif sein.

Definition

Spruchreife bedeutet, dass alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine abschließende gerichtliche Entscheidung über das Klagebegehren gegeben sind. An der Spruchreife fehlt es insbesondere, wenn der Behörde auch nach Feststellung von Rechtswidrigkeit und Rechtsverletzung noch ein selbstständiger Entscheidungsfreiraum verbleibt.

Es darf also nur eine mögliche Art der Folgenbeseitigung bestehen.

Merke

In unserem Beispiel von oben wäre dies die Rückzahlung der 200 € an A. Hierzu wird das Verwaltungsgericht die Behörde auch verurteilen, weil wegen fehlender Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Formen der Vollzugsfolgenbeseitigung die Sache nach § 113 I 3 VwGO spruchreif ist. Damit ist der Antrag gemäß § 113 I 2 VwGO begründet.

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